Urteil des OLG Hamm vom 28.08.2006

OLG Hamm: anleger, grobe fahrlässigkeit, geschäftsführer, prospekthaftung, einlage, kausalität, verjährungsfrist, lebenserfahrung, gesellschafter, immobilienfonds

Oberlandesgericht Hamm, 8 U 55/05
Datum:
28.08.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
8. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 U 55/05
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 16 O 104/04
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 4. Februar 2005 verkündete
Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Münster teilweise
abgeändert.
Die Zahlungsansprüche gegen die Beklagte zu 2) sind dem Grunde
nach berechtigt.
Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, gesamtschuldnerisch mit dem
Beklagten zu 1), den Kläger von seiner Kommanditistenhaftung als
Kommanditist der T KG I (Amtsgericht Beckum HRA ####) frei zu stellen.
Die Berufung des Beklagten zu 1) wird zurückgewiesen.
Der Beklagte zu 1) trägt seine außergerichtlichen Kosten des
Berufungsverfahrens.
Wegen der Entscheidung zur Höhe des Anspruches des Klägers gegen
die Beklagte zu 2) wird der Rechtsstreit an das Landgericht
zurückverwiesen, und zwar auch zur Entscheidung über die Kosten des
Berufungsverfahrens, soweit nicht über sie erkannt ist.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte zu 1) und die Beklagte
zu 2) können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 34.000,00 Euro abwenden, wenn der Kläger nicht vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
G r ü n d e
1
I.
2
Der Kläger begehrt von den Beklagten als Gesamtschuldnern Schadensersatz wegen
seiner Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform der
Kommanditgesellschaft. Der Beklagte zu 1) war bei Gründung der
Kommanditgesellschaft deren Kommanditist. Er war und ist Alleingesellschafter und
Geschäftsführer der Beklagten zu 2), die die Konzeption des Immobilienfonds und den
Prospekt erstellte und die Eigenkapitalbeschaffung durch Gewinnung von Anlegern
übernahm. Hinsichtlich des weitergehenden Sachverhaltes wird auf das angefochtene
Urteil des Landgerichts Münster verwiesen.
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Das Landgericht hat den gegen den Beklagten zu 1) gerichteten Zahlungsanspruch dem
Grunde nach für berechtigt erklärt und den Beklagten zu 1) verurteilt, den Kläger von
seiner Kommanditistenhaftung als Kommanditist der T KG I freizustellen. Die Klage
gegen die Beklagte zu 2) hat das Landgericht abgewiesen. Zur Begründung hat das
Landgericht ausgeführt:
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Der Zahlungsanspruch gegen den Beklagten zu 1) sei dem Grunde nach berechtigt. Der
Beklagte zu 1) hafte dem Kläger wegen schuldhafter Verletzung vorvertraglicher
Pflichten für fehlerhafte Prospektangaben. Die Prospektunterlagen der KG I seien
fehlerhaft. Der Kläger sei über die Risiken seiner Anlage nicht hinreichend informiert
worden. Die fehlerhafte Information sei ursächlich für die Anlageentscheidung des
Klägers. Dies folge bereits aus der allgemeinen Lebenserfahrung. Die deshalb dem
Grunde nach gegebenen Ansprüche des Klägers seien nicht verjährt.
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Anders stelle sich die Rechtslage hinsichtlich der Beklagten zu 2) dar. Diese hafte nicht
für fehlerhafte Angaben des Prospektes. Zwischen ihr und dem Kläger sei auch kein
Beratungsvertrag zustande gekommen, der Gegenstand eines
Schadensersatzanspruches wegen Verletzung vertraglicher Pflichten (pVV) sein könne.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils
Bezug genommen.
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Gegen dieses Urteil wenden sich der Kläger und der Beklagte zu 1) mit ihren
Berufungen.
7
Zur Begründung seiner Berufung, mit der er seine Ansprüche gegen die Beklagte zu 2)
weiter verfolgt, führt der Kläger im wesentlichen aus:
8
Die Stellung und die Funktionen der Beklagten zu 2) nach den Prospektangaben, den
Anschreiben an die Anleger und dem Auftreten nach außen seien so ausgeprägt und
deutlich, dass vertragliche Beziehungen der Beklagten zu 2) zu den Anlegern außer
Zweifel seien. Aus den Aufgaben und Funktionen der Beklagten zu 2) ergebe sich, dass
diese nicht nur eine von mehreren Funktionsträgern gewesen sei. Die Beklagte zu 2) sei
vielmehr entscheidende Funktionsträgerin gewesen, die in einer besonderen Nähe zu
den einzelnen Anlegern gestanden habe. Die Beklagte zu 2) habe sich von Anfang an
als die entscheidende Interessenwahrerin der Anleger dargestellt und mit ihrer
Seriösität, Erfahrung und Sachkompetenz geworben. Würdige man die Aufgaben und
Funktionen der Beklagten zu 2) in einer Gesamtschau, ergebe sich daraus, dass die
Beklagte zu 2) von Anfang an das Vertrauen der Anleger für sich selbst in Anspruch
genommen habe. Es könne deshalb kein Zweifel bestehen, dass zwischen dem Kläger
und der Beklagten zu 2) ein Beratungsvertrag zustande gekommen sei. Daraus folge die
Verpflichtung der Beklagten zu 2) zur Aufklärung über alle Umstände, die für die
Anlageentscheidung von Bedeutung seien. Dagegen habe die Beklagte zu 2), der das
9
Wissen ihres Geschäftsführers, des Beklagten zu 1), zurechenbar sei, verstoßen. Der
deshalb gegebenen Schadensersatzanspruch sei, entgegen der Auffassung des
Landgerichtes, nicht verjährt. Die Beklagte zu 2) könne sich nicht auf die
verjährungsverkürzenden Geschäftsbedingungen in den Beteiligungsangeboten
berufen.
Der Beklagte zu 1) trägt zur Begründung seiner Berufung im wesentlichen vor:
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Der Ausgangspunkt des Landgerichts, der Beklagte zu 1) hafte als
Gründungskommanditist für unrichtige Prospektangaben, sei unzutreffend. Ein
Gründungskommanditist könne nur haften, wenn er für die Herausgabe des Prospektes
mitverantwortlich gewesen sei. Deshalb scheide eine Haftung des Beklagten zu 1) aus.
Dieser sei zwar mit den Anlegern durch den Gesellschaftsvertrag vertraglich verbunden,
für die Prospektherausgabe und dessen Inhalt jedoch nicht mit verantwortlich gewesen.
Prospektherausgeberin sei allein die Beklagte zu 2). Darüber hinaus enthielten die
Prospektangaben zu dem Immobilienfonds keine falschen Angaben. Dem Kurzexposé
komme dem keine Prospektqualität im haftungsrechtlichen Sinne zu. Das Landgericht
sei unzutreffend davon ausgegangen, der Kläger habe das Kurzexposé erhalten. Das
Kurzexposé sei auch nicht ursächlich geworden für die Anlagenentscheidung des
Klägers, da ihm vor Zeichnung der Anlage der Hauptprospekt vorgelegen habe. Das
Kurzexposé enthalte zudem keine Fehler. Selbst wenn die Formulierung in dem
Kurzexposé missverständlich wäre, hätte der Kläger durch den ausdrücklichen Verweis
in dem Kurzexposé auf den Hauptprospekt und die im Hauptprospekt mehrmals erfolgte
Aufklärung erfahren, dass seine Kommanditistenhaftung wieder aufleben könne.
Deshalb sei auch der Hauptprospekt nicht fehlerbehaftet. Soweit das Landgericht davon
ausgegangen sei, Anleger müssten den Prospekt nicht vollständig lesen, entspreche
dies nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Danach dürfe der
Prospektherausgeber die sorgfältige und eingehende Lektüre des Inhaltes des
Prospektes nebst dazugehöriger Dokumentationsmappe voraussetzen. Schließlich
fehle es an der Kausalität. Denn ein Wiederaufleben der Haftung bei Ausschüttungen für
Ostimmobilienfonds, die die Fördergebiets- AfA in Anspruch genommen hätten, sei
systemimmanent. Es sei deshalb nicht mit der Lebenserfahrung vereinbar, dass der
Kläger von der Beteiligung an der KG I abgesehen hätte, wenn ihm das
systemimmanente Risiko bekannt gewesen sei.
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Abschließend meint der Beklagte zu 1), Ansprüche des Klägers gegen ihn seien
verjährt. Die gesetzliche Verjährungsfrist von 30 Jahren sei durch die
verjährungsverkürzenden Regelungen in dem Beteiligungsprospekten wirksam verkürzt
worden. Der Beklagte zu 1) falle als Gründungskommanditist auch in den
Anwendungsbereich der verjährungsverkürzenden Regelungen. Zumindest sei er im
Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in den Regelungsbereich des
Beteiligungsprospekts einzubeziehen.
12
Der Kläger beantragt,
13
unter Abänderung des Urteils des Landgerichtes Münster vom 03.02.2005 die
Beklagte zu 2) gemäß den in erster Instanz gestellten Anträgen zu verurteilen.
14
Die Beklagte zu 2) beantragt,
15
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
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Sollte der Senat dem Grunde nach die Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte
zu 2) für gerechtfertigt erachten, beantragt die Beklagte zu 2) hinsichtlich der Höhe
der geltend gemachten Ansprüche, das Verfahren an das Landgericht Münster
zurückzuverweisen.
17
Der Beklagte zu 1) beantragt,
18
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt
abzuweisen.
19
Der Kläger beantragt,
20
die Berufung des Beklagten zu 1) zurückzuweisen.
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Hinsichtlich der Berufungen des Beklagten zu 1) und des Klägers verteidigen der Kläger
und der Beklagte zu 1) die Ausführungen des Landgerichts.
22
Für die weitergehenden Einzelheiten verweist der Senat auf die im Berufungsverfahren
gewechselten Schriftsätze.
23
II.
24
Die Berufung des Beklagten zu 1) war zurückzuweisen, da diese unbegründet ist (1).
Die Berufung des Klägers ist dagegen begründet und führt unter Abänderung der
landgerichtlichen Entscheidung zur Verurteilung der Beklagten zu 2) dem Grunde nach.
Wegen der Höhe der dem Kläger zustehenden Schadensersatzansprüche war das
Verfahren an das Landgericht Münster zurückzuverweisen (2).
25
1.
26
Die Berufung des Beklagten zu 1) ist unbegründet, da das Landgericht zu Recht einen
Anspruch des Klägers aus einer Verletzung vorvertraglicher Pflichten (cic-
Prospekthaftung im weiteren Sinn) dem Grunde nach bejaht hat.
27
a)
28
Der Beklagte ist aufgrund seiner Stellung als Gründungskommanditist in ein
vorvertragliches Schuldverhältnis zum Kläger einbezogen. Das beruht auf folgenden
Erwägungen.
29
Der Eintritt in eine Personengesellschaft erfolgt grundsätzlich durch Vertragsschluss mit
den bereits vorhandenen Gesellschaftern. Der Eintritt ist daher grundsätzlich vollzogen,
wenn alle Gesellschafter zugestimmt haben. Bei einem Eintritt in eine KG muss daher
im Regelfall ein Vertrag zwischen allen Komplementären und Kommanditisten sowie
dem Eintretenden geschlossen werden. In § 3 (3) a des Gesellschaftsvertrages wird
dementsprechend dem Komplementär Vollmacht erteilt, für die jeweiligen Gesellschafter
den Eintritt eines weiteren Kommanditisten zu vollziehen. Zwischen dem Eintretenden
und den Gründungskommanditisten wird damit ein vorvertragliches Schuldverhältnis
begründet.
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Bei der Publikums-KG nimmt aber Vertrauen nicht jeder Gesellschafter in Anspruch,
sondern nur diejenigen, die für die Beitrittsentscheidung der Anleger von Bedeutung
sind. Das sind grundsätzlich die Gründungskommanditisten (BGH ZIP 2006, 849; BGH
NJW 2006, 2042, 2043; BGH NZG 2003, 920, 921; BGH NJW 2002, 1711). Umstände,
die zu einer anderen Bewertung führen könnten, sind nicht ersichtlich:
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Der Beklagte hat, wie er selbst vorträgt, seinen über viele Jahre erworbenen guten Ruf
unter Ausnutzung bestehender Kontakte eingesetzt, um Kommanditisten für die KG I zu
gewinnen. Zudem besaß er einen erheblichen Einfluß auf die KG I über die Beklagte zu
2), deren Geschäftsführer er war. Das folgt aus § 7 (2) e, i, l sowie §§ 9 (3), 16 (2) des
Gesellschaftsvertrages. Der Beklagte hat damit in erheblicher Weise persönliches
Vertrauen hinsichtlich der Seriösität und Tragfähigkeit des Konzepts in Anspruch
genommen. Unerheblich ist dagegen, ob der Beklagte zu 1) mit verantwortlich für die
Herausgabe des Prospektes war. Eine entsprechende Verknüpfung lässt sich den
Entscheidungen des Bundesgerichtshofes nicht entnehmen und wäre auch nicht
sachgerecht. Denn Haftungsgrund der Prospekthaftung im weiteren Sinne ist gerade
nicht die unmittelbare Verantwortlichkeit für den Prospekt, sondern die persönliche
Inanspruchnahme von Vertrauen. Zudem hat der Beklagte zu 1) als Geschäftsführer der
Beklagten zu 2) den Inhalt des Prospekts mittelbar bestimmt.
32
b)
33
Als persönliches Vertrauen für sich in Anspruch nehmender Gründungskommanditist
war der Beklagte zu 1) verpflichtet, den Kläger als in die KG I Eintretenden über alle
Nachteile und Risiken der Kapitalanlage zu informieren. Dieser Pflicht ist genügt, wenn
dem Eintretenden ein Prospekt überreicht wird, der zutreffend und vollständig ein
umfassendes Bild über die Risiken der Kapitalanlage gewährt. Soweit das nicht der Fall
ist, hat der Gründungskommanditist die Eintretenden entsprechend ergänzend zu
informieren. Dieser Pflicht ist der Beklagte zu 1) hinsichtlich einer Haftung der
Kommanditisten nach § 172 Abs. 4 HGB nicht nachgekommen. Diese Bewertung beruht
auf folgenden Erwägungen:
34
aa)
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Nach § 172 Abs. 4 S. 1 HGB gilt die Einlage des Kommanditisten als nicht geleistet,
soweit sie zurückbezahlt wird. Das gleiche gilt nach § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB, soweit
ein Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalanteil durch Verlust
unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist, oder soweit durch die
Entnahme der Kapitalanteil unter den bezeichneten Betrag herabgemindert wird. Eine
Haftung nach § 172 Abs. 4 S. 2 HGB war dem Kapitalanlageprojekt KG I
systemimmanent. Denn die ab 1995 vorgesehenden Ausschüttungen sollten zu einem
Zeitpunkt erfolgen, als die Kapitalkonten der Kommanditisten bereits durch die Verluste
der Investitionsphase aufgezehrt waren. Für die Kommanditisten bestand und besteht
daher die Gefahr, im Umfang ihrer Einlage nach § 171 Abs. 1 erster Halbsatz HGB von
Gläubigern der KG I in Anspruch genommen zu werden. Über dieses systemimmanente
und damit unvermeidbare Risiko mussten die Anleger aufgeklärt werden.
36
bb)
37
Es ist bereits zweifelhaft, ob über das genannte Risiko in dem Beteiligungsangebot,
Teile A und B hinreichend informiert wurde. Zwar enthält Teil B unter der Rubrik "Das
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steuerliche Konzept – Ausschüttungen" einen entsprechenden Hinweis. Es bestehen
aber Zweifel, ob das im Gesamtzusammenhang ausreicht. Denn die "Chancen und
Risiken" sind in Teil A geschildert, ohne über die systemimmanente Gefahr zu
informieren. Am Ende von Teil A wird auf Teil B hingewiesen, der weitere wesentliche
Angaben zur Beteiligung enthalte. Für einen Anleger könnte dies bedeuten, dass in Teil
A abschließend über Chancen und Risiken aufgeklärt wurde, während Teil B weitere
Informationen enthält. Mit zusätzlichen Risiken musste daher ein Anleger zwingend
nicht rechnen. Hinzu kommt, dass der Hinweis auf das erhebliche Risiko einer
Inanspruchnahme nach § 172 Abs. 4 HGB sich unter der Rubrik "Das steuerliche
Konzept" befindet und damit geradezu versteckt ist.
Dieser möglichen Bewertung steht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht
entgegen. Zwar hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass sich wichtige
Informationen auch aus Unterlagen ergeben können, die Teil des Prospektes sind, und
vorausgesetzt werden darf, dass der Anleger die Dokumentationsmappe vollständig
liest (BGH NJW-RR 1992, 879). Konkret ging es in jener Entscheidung des
Bundesgerichtshofs darum, Risiken hinsichtlich der Mietgarantie aus dem beigefügten
Mietgarantievertrag zu entnehmen. Hier dagegen hat die Stelle im Prospekt, die eine
Aufklärung enthält, keinen Bezug zur Rubrik "Chancen und Risiken". Es ist daher gut
begründbar, dass ein Anleger nach Lektüre dieser Rubrik nicht davon ausgehen
musste, weitere Risiken würden bestehen, auf die noch an anderer Stelle des
Prospektes hingewiesen würde.
39
cc)
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Die zu bb) aufgeworfene Frage braucht aber nicht abschließend entschieden zu
werden, da jedenfalls im Zusammenwirken mit dem Kurzexposé die Aufklärung über da
systemimmanente Risiko unzureichend war:
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Der Kläger hat das Kurzexposé erhalten. Dies hat das Landgericht festgestellt, ohne
dass Gründe vorliegen, an der Richtigkeit der Feststellung zu zweifeln (§ 529 Abs. 1 Nr.
1 ZPO). Der Senat weist zusätzlich darauf hin, dass die Darstellung des Beklagten, es
sei zwar ein Kurzexposé gedruckt, aber angeblich an niemandem verteilt worden, nach
der Lebenserfahrung die Wahrscheinlichkeit gegen sich hat.
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Das Kurzexposé ist im Hinblick auf die Haftung des § 172 Abs. 4 HGB falsch. Es enthält
unter Ziff. 4 den Hinweis, dass mit den Ausschüttungen keine teilweise Rückzahlung
des Haftkapitals verbunden ist. Das darf ein Anleger so verstehen, dass mit seiner
Einlage seine Verpflichtung als Kommanditist erfüllt ist und mit den Ausschüttungen
seine Haftung nicht wieder auflebt.
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Das Kurzexposé enthält Informationen, auf die der Kläger vertrauen durfte. Dabei ist es
unerheblich, ob das Kurzexposé ein Prospekt im Sinne der Prospekthaftung im engeren
Sinne ist. Denn darum geht es nicht. Ebenso ist unerheblich, dass am Ende des
Kurzexposés – eher versteckt – auf das Beteiligungsangebot und den
Emissionsprospekt als ausschließlich maßgebliche Unterlage verwiesen wird. Denn
damit wird nicht gesagt, dass die im Kurzexposé vorhandenen Informationen falsch sind.
Der Kläger musste deshalb nicht davon ausgehen, dass die Ausführungen zu Ziff. 4
keine Bedeutung haben, sondern das Gegenteil richtig ist.
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Zur hinreichenden Aufklärung war es aufgrund der Falschinformation im Kurzexposé
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notwendig, den Kläger darauf ausdrücklich hinzuweisen. Dies hätte z. B. durch ein
gesondertes Anschreiben oder im Rahmen des persönlichen Gesprächs erfolgen
können. Der versteckte Hinweis in Teil B reichte dafür aber nicht.
c)
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Zur haftungsbegründenden Kausalität verweist der Senat auf die Ausführungen des
Landgerichts. Es besteht kein Grund zu der Annahme, der Kläger hätte sich bei
entsprechender Aufklärung ebenfalls für eine Beteiligung an der KG I entschieden. Das
systemimmanente Risiko ist vielmehr als schwerwiegend einzustufen, wie der jetzige
Stand der KG I zeigt.
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An der Ursächlichkeit könnte daher nur gezweifelt werden, wenn es dem Kläger
ausschließlich darauf ankam, die Steuervorteile in der Investitionsphase zu nutzen (s.
BGH NJW 2006, 2042, 2043). Ein entsprechender Wille des Klägers ist aber nicht
feststellbar. Der Kläger hat vielmehr in seiner Anhörung vor dem Landgericht ausgeführt,
steuerliche Motive hätten nicht im Vordergrund gestanden, sondern eine finanzielle
Absicherung. Deshalb sei ihm die Haftungsfrage besonders wichtig gewesen. Diese
Einlassung ist nicht widerlegt.
48
d)
49
Der Beklagte zu 1) handelte schuldhaft. Er verfügte über alle Informationen, die
notwendig waren, den Kläger hinreichend aufzuklären.
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Der Beklagte zu 1) haftet zudem für jede Art von Fahrlässigkeit. Die auf Seite 12 des
Beteiligungsangebots Teil B enthaltene Beschränkung auf grobe Fahrlässigkeit ist nicht
anwendbar. Zum einen betrifft sie nicht die Vertrauenshaftung, der der Beklagte als
Gründungskommanditist unterliegt, sondern nur die Prospekthaftung im engeren Sinn.
Zum anderen ist sie nach § 9 AGBG unwirksam, da es nicht vereinbar ist, einerseits
persönliches Vertrauen in Anspruch zu nehmen und andererseits die Haftung für
einfache Fahrlässigkeit auszuschließen.
51
e)
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Der Anspruch des Klägers ist nicht verjährt. Der Anspruch verjährte in 30 Jahren (§ 195
BGB a. F.). Nach der Reform der Verjährungsrechtes betrug die Verjährungsfrist 3 Jahre
ab dem 01.01.2002 (Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB), so dass die Klage die Verjährung
rechtzeitig gehemmt hat.
53
Die auf Seite 13 des Beteiligungsangebotes Teil B enthaltene Verkürzung der
Verjährungsfrist findet auf die Vertrauenshaftung des Beklagten zu 1) keine Anwendung.
Die Verkürzung bezieht sich auf die Prospekthaftung im engeren Sinne (anders der
Sachverhalt in BGH DStR 2004, 563). Zudem gehört der Beklagte zu 1) nicht zu dem im
Beteiligungsangebot genannten Pesonenkreis.
54
Soweit der Beklagte zu 1) eine ergänzende Vertragsauslegung anmahnt, vermag dem
der Senat nicht zu folgen. Zum ersten ist eine ergänzende Vertragsauslegung zu Lasten
des Vertragspartners nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen möglich. Ein solcher
Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Zum zweiten besteht keine Lücke. Das Angebot regelt
den sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich der Verjährungsverkürzung
55
abschließend.
2.
56
Die Berufung des Klägers hinsichtlich der Inanspruchnahme der Beklagten zu 2) ist
begründet.
57
a)
58
Sein Rechtsmittel führt hinsichtlich des Zahlungsbegehrens zu einer Stattgabe dem
Grunde nach. Hinsichtlich des Freistellungsanspruches dringt der Kläger in vollem
Umfang durch. Ihm steht gegen die Beklagte zu 2) ein Schadensersatzanspruch aus
einer positiven Vertragsverletzung eines Auskunftsvertrages im Rahmen einer
Anlagevermittlung zu. Im Einzelnen:
59
aa)
60
Die Beklagte zu 2) wurde als Anlagenvermittlerin tätig und trat aktiv an den Kläger
heran, um ihn für die Anlage zu werben. Im Rahmen einer solchen Anlagenvermittlung
kommt zwischen den Beteiligten ein Auskunftsvertrag zumindest stillschweigend
zustande, wenn der Anleger die besonderen Kenntnisse des Vermittlers in Anspruch
nehmen will (BGH NJW-RR 2005, 1120, 1121; BGH NJW-RR 2003, 1690). Diese
Voraussetzungen liegen vor. Denn der Beklagte zu 1) hat als Geschäftsführer der
Beklagten zu 2) dieser die Kenntnisse vermittelt, die für den Kläger von Bedeutung
waren. Diese Kenntnisse wollte der Kläger in Anspruch nehmen, was die Beklagte mit
ihrer Werbung bezweckte.
61
bb)
62
Aufgrund dieses Auskunftsvertrages war die Beklagte zu 2) verpflichtet, alle Umstände
offen zu legen, die für die Anlageentscheidung von Bedeutung waren. Diese Pflicht hat
die Beklagte zu 2) verletzt. Insoweit verweist der Senat auf seine Ausführungen zu 1 b).
63
c)
64
Zur haftungsbegründenden Kausalität besteht auch im Rahmen einer positiven
Vertragsverletzung eines Auskunftsvertrages die Vermutung, dass sich der Kläger
aufklärungsrichtig verhalten hätte. Insoweit wird auf die weitergehenden Ausführungen
zu 1. c) Bezug genommen.
65
d)
66
Die Beklagte handelte schuldhaft, da sie, vermittelt durch ihren Geschäftsführer, den
Beklagten zu 1), über alle notwendigen Informationen verfügte.
67
e)
68
Verjährung ist nicht eingetreten. Auch dieser Anspruch verjährte binnen 30 Jahren
(§ 195 BGB a. F.). Die in den Beteiligungsangebot zum Ausdruck kommende
Verjährungsverkürzung findet keine Anwendung, da es sich nicht um einen
Prospekthaftungsanspruch handelt.
69
f)
70
Die Beklagte zu 2) muss den Kläger so stellen, als wenn er die Anlage nicht gezeichnet
hätte. Die Beklagte zu 2) ist daher verpflichtet, den Kläger von seiner
Kommanditistenhaftung freizustellen sowie dem Grunde nach die Zahlungsansprüche
des Klägers zu erfüllen.
71
b)
72
Hinsichtlich der Höhe der Zahlungsansprüche des Klägers gegen die Beklagte zu 2) ist
der Rechtsstreit noch nicht zur Entscheidung reif, da die Anrechnung steuerlicher
Vorteile einer weiteren Klärung bedarf, wie das Landgericht ausgeführt hat. Allein die
generelle Annahme, im Regelfall hätte der Geschädigte eine andere steuerbegünstigte
Anlage getätigt, kann die Nichtanrechnung steuerlicher Vorteile nicht rechtfertigen.
Wesentlich ist vielmehr eine Prüfung im Einzelfall nach dem konkreten Parteivorbringen,
wie sich die Vermögenslage des Geschädigten bei Abstandnahme von der Beteiligung
entwickelt hätte (BGH NJW 2006, 2042, 2043 f.).
73
Da im Verhältnis des Klägers zum Beklagten zu 1) die Prüfung der Höhe des
Anspruches noch beim Landgericht anhängig ist, hält es der Senat im Rahmen des
nach § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO auszuübenden Ermessens für gerechtfertigt, wie von der
Beklagten zu 2) vorsorglich beantragt eine einheitliche Entscheidung über den Umfang
der von dem Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüche zu ermöglichen.
74
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1 beruht auf §
97 Abs. 1 ZPO.
75
Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit erging gem. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
76
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht
gegeben sind.
77