Urteil des OLG Hamm vom 25.03.2010

OLG Hamm (schutz der kinder, vergütung, wert, beschwerde, höhe, eltern, tätigkeit, abzug, festsetzung, verweisung)

Oberlandesgericht Hamm, 15 Wx 101/09
Datum:
25.03.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 Wx 101/09
Vorinstanz:
Landgericht Arnsberg, 6 T 564/08
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1. vom 26.10./27.11.2008
ge-gen den Beschluss des Amtsgerichts Werl vom 16.10.2008 wird
zurückge-wiesen.
Der Beteiligte zu 1. hat die dem Beteiligten zu 2. in der II. Instanz
entstan-denen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
In der III. Instanz findet eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht
statt.
Der Gegenstandswert für die II. und III. Instanz wird auf jeweils 366,52 €
festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I.
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Die Eltern des Beteiligten zu 1. beabsichtigten den Abschluss eines Vertrags, durch den
Anteile des Vaters an mehreren Gesellschaften auf den minderjährigen Beteiligten zu 1.
und dessen damals ebenfalls minderjährigen Brüder übertragen werden sollten. Aus
diesem Grund richtete das Amtsgericht – Familiengericht – Werl durch Beschluss vom
20.11.2007 (10 F 501/07) eine Ergänzungspflegschaft mit dem Wirkungskreis
"Vertretung der Kinder bei Rechtsgeschäften mit ihren Eltern, soweit diese gesetzlich
von der Vertretung ausgeschlossen sind", ein; für den Beteiligten zu 1. bestellte es den
Beteiligten zu 2. zum (Berufs-) Ergänzungspfleger.
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Durch einen notariellen Vertrag vom 23.11.2007 in Verbindung mit einem
Ergänzungsvertrag vom 14.12.2007 und einer Ergänzungsvereinbarung aus April 2008
übertrug der Vater des Beteiligten zu 1. diesem und dessen Brüdern
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übertrug der Vater des Beteiligten zu 1. diesem und dessen Brüdern
Kommanditbeteiligungen an mehreren Kommanditgesellschaften und Anteile an einer
Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Dabei wurde der Beteiligte zu 1. durch den
Beteiligten zu 2. als Ergänzungspfleger vertreten. Die vertraglichen Vereinbarungen, die
auch Regelungen zur Übernahme von Verbindlichkeiten durch die Kinder im
Außenverhältnis und zu einer Freistellungsverpflichtung des Vaters gegenüber den
Kindern im Innenverhältnis und deren Besicherung enthielten, wurden schließlich durch
Beschlüsse vom 20.12.2007 und vom 17.06.2008 vormundschaftsgerichtlich genehmigt.
Der Beteiligte zu 2. beantragte für seine Tätigkeit die Festsetzung einer Vergütung nach
anwaltlichem Gebührenrecht in Höhe von insgesamt 1.909,95 € gegen den nicht
mittellosen Beteiligten zu 1.. Durch Beschluss vom 16.10.2008 setzte das Amtsgericht
die Vergütung antragsgemäß fest. Gegen diese Entscheidung hat der Beteiligte zu 1.
durch Schreiben seiner Eltern vom 26.10./27.11.2008 sofortige Beschwerde eingelegt.
Das Landgericht hat den amtsgerichtlichen Beschluss daraufhin aufgehoben. Hiergegen
wendet sich der Beteiligte zu 2. mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde, die durch
das Landgericht zugelassen worden ist.
5
II.
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Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29, 56 g Abs. 5 S. 2, Abs. 7 FGG
i.V.m. Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG statthaft sowie rechtzeitig und formgerecht eingelegt.
Die Beschwerdebefugnis des Beteiligten zu 2. folgt daraus, dass das Landgericht die
Entscheidung des Amtsgerichts zu seinem Nachteil aufgehoben hat.
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Die weitere Beschwerde ist auch begründet, weil die Entscheidung des Landgerichts
auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG); sie führt zur
Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.
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In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von einer zulässigen
Erstbeschwerde des Beteiligten zu 1. ausgegangen. In der Sache hält die Entscheidung
des Landgerichts aber rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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Der Beteiligte zu 2. ist aufgrund seiner Bestellung zum Berufs-Ergänzungspfleger des
nicht mittellosen Beteiligten zu 1. tätig geworden. Rechtlich nicht zu beanstanden ist die
tatsächliche Feststellung des Landgerichts, dass der Beteiligte zu 2. bei der Ausübung
des ihm übertragenen Amtes als Ergänzungspfleger berufsspezifische Dienste erbracht
hat, die ihn gemäß §§ 1915 Abs. 1 S. 1, 1835 Abs. 3 BGB, 1 Abs. 2 S. 2 RVG
berechtigen, Aufwendungsersatz in Höhe der nach anwaltlichem Gebührenrecht
angefallenen Vergütung zu verlangen. Der Beteiligte zu 1. hat im
Erstbeschwerdeverfahren ebenfalls keine Einwendungen gegen die Berechnung der
anwaltlichen Vergütung mit einer 1,0-fachen Geschäftsgebühr nach RVG-VV Nr. 2300
nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer erhoben.
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Streitig ist zwischen den Beteiligten nur die Höhe des Gegenstandswertes, der der
Berechnung der Geschäftsgebühr zugrunde zu legen ist. Der Beteiligte zu 2. hat
insoweit – vom Amtsgericht gebilligt - den Wert der an den Beteiligten zu 1.
übertragenen Kommanditbeteiligungen (insgesamt 144.703,89 €) zugrunde gelegt. Der
Beteiligte zu 1. vertritt demgegenüber in Übereinstimmung mit dem Landgericht die
Auffassung, dass von diesem Betrag die übernommenen Verbindlichkeiten (insgesamt
64.120,26 €) abzuziehen seien.
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Der für die anwaltliche Vergütung maßgebliche Gegenstandswert bestimmt sich hier
nach § 23 RVG. Dabei kann es im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob – wie der
Beteiligte zu 2. meint - § 23 Abs. 1 S. 1 RVG Anwendung findet, oder ob – wie der
Beteiligte zu 1. meint - § 23 Abs. 3 S. 1 RVG einschlägig ist. Denn in beiden Fällen
ergibt sich, dass der von dem Beteiligten zu 2. angesetzte Gegenstandswert in Höhe
von 144.703,89 € nicht überhöht ist.
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Nach § 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. §§ 93 S. 1, 18 Abs. 3 KostO entspräche der
Gegenstandswert dem Wert der Gesellschaftsanteile ohne Abzug der Verbindlichkeiten
(vgl. auch Göttlich/Mümmler, RVG, 3. Aufl., Pflegschaft – Gegenstandswert –
Einzelpflegschaft). Der Beteiligte zu 2. hat nur den Wert der Kommanditbeteiligungen
angesetzt und den eigentlich noch hinzuzurechnenden Wert des GbR-Anteils
unberücksichtigt gelassen; dieses wirkt sich aber wegen eines fehlenden
Streitwertsprungs nicht auf die Gebührenhöhe aus.
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Auch nach § 23 Abs. 3 S. 1 RVG i.V.m. § 18 Abs. 2 KostO wäre zunächst von dem Wert
der Gesellschaftsanteile auszugehen. Entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 1., der
sich das Landgericht angeschlossen hat, kann daraus, dass § 23 Abs. 3 S. 1 RVG keine
Verweisung auf § 18 Abs. 3 KostO enthält, nicht der Schluss gezogen werden, dass die
von dem Beteiligten zu 1. im Außenverhältnis übernommenen Verbindlichkeiten bei der
Wertfestsetzung zwingend abgezogen werden müssten. Vielmehr hat der Gesetzgeber
nur deshalb von einer Verweisung auf § 18 Abs. 3 KostO abgesehen, weil ihm diese
Vorschrift für die Bewertung des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit als zu starr
erschien und er dem richterlichen Ermessen genügend Raum lassen wollte
(Riedel/Sußbauer/Fraunholz, RVG, 9. Aufl., § 23, Rz. 22; Gerold/Schmidt/Madert, RVG,
18. Aufl., § 23, Rz. 27). Diesen Gesichtspunkt hat das Landgericht nicht berücksichtigt
und dementsprechend das ihm zustehende Ermessen nicht ausgeübt. Infolge des darin
liegenden Rechtsfehlers kann der Senat die Ermessensentscheidung anstelle des
Landgerichts nachholen.
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Diese Ermessensentscheidung führt zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall bei
der Wertberechnung von einem Abzug der Verbindlichkeiten abzusehen ist. Die
Verbindlichkeiten können abgezogen werden, wenn sich der Rechtsanwalt mit ihnen
überhaupt nicht zu befassen hatte (Riedel/Sußbauer/Fraunholz a.a.O.). Ein solcher Fall
lag hier aber gerade nicht vor. Vielmehr hatten die Vertragsparteien im Innenverhältnis
auch eine Verpflichtung des Vaters zu einer weitgehenden Haftungsfreistellung der
Kinder vereinbart, wofür die Eltern des Beteiligten zu 1. sogar Sicherheitsleistungen
erbringen mussten. Diese dem Schutz der Kinder dienenden Regelungen waren als
Voraussetzung für die Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung der
vertraglichen Vereinbarungen von Bedeutung. Der Beteiligte zu 2. hatte sich also auch
und gerade mit den von dem Beteiligten zu 1. übernommenen Verbindlichkeiten zu
befassen, so dass deren Abzug bei der Wertberechnung nicht angemessen wäre.
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Die Kostenentscheidung für die II. Instanz folgt aus der zwingenden Vorschrift des § 13
a Abs. 1 S. 2 FGG.
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Die Kostenentscheidung für die III. Instanz beruht auf § 13 a Abs. 1 S. 1 FGG. Im
Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit haben die Beteiligten bei einem erfolgreichen
Rechtsmittel ihre außergerichtlichen Kosten grundsätzlich selbst zu tragen. Es bestand
im vorliegenden Fall keine Veranlassung, von diesem Grundsatz abzuweichen, zumal
die Vorinstanzen unterschiedlich entschieden haben.
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Die Festsetzung des Gegenstandswertes für das gerichtliche Verfahren in der II. und III.
Instanz beruht jeweils auf den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO. Er entspricht dem
Differenzbetrag, um den die Vergütung des Beteiligten zu 2. geringer ausgefallen wäre,
wenn für die anwaltliche Tätigkeit nur ein Gegenstandswert von 80.583,63 € (=
144.703,89 € - 64.120,26 €) angesetzt worden wäre.
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