Urteil des OLG Hamm vom 14.03.2000

OLG Hamm: gesellschafterversammlung, einziehung, eintragung im handelsregister, einstweilige verfügung, schiedsgerichtliches verfahren, treuwidrige verhinderung, geschäftsführung, geschäftsführer

Oberlandesgericht Hamm, 27 U 102/99
Datum:
14.03.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
27. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
27 U 102/99
Vorinstanz:
Landgericht Bielefeld, 11 O 74/99
Tenor:
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird - unter Zurück-weisung des
weitergehenden Rechtsmittels - das am 25. Mai 1999 verkündete Urteil
der II. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld so
abgeändert:
Die Beschlußverfügung des Landgerichts Bielefeld vom 21. April 1999
zu Ziffer 1 wird unter Aufrechterhaltung der Ordnungsmittelandrohung zu
Ziffer 4 bestätigt. Im übrigen wird die Beschlußverfügung (zu Ziffer 2 und
3) aufgehoben und der auf ihren Erlaß gerichtete Antrag
zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller aufer-legt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Antragsteller ist ebenso wie die Firma T S GmbH & Co.KG (künftig nur noch: T ) zu
gleichen Teilen (je 50 %) Gesellschafter der Antragsgegnerin, die als ausschließliche
Lizenznehmerin der J! F GmbH (H) gegen gestaffelte Umsatzbeteiligung als
Lizenzgebühr Damenoberbekleidung mit der Marke "J!" herstellt und vertreibt. Durch
Beschlußverfügung des Landgerichts vom 21. April 1999 erwirkte der Antragsteller
gegen die Antragsgegnerin unter Androhung der zulässigen Ordnungsmittel folgende
Anordnungen:
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1. Der Antragsgegnerin wird es untersagt, einen in der Gesellschafterversammlung
am 19. April 1999 gefaßten Beschluß auf Einziehung des Geschäftsanteils des
Antragstellers an der Antragsgegnerin durchzuführen;
2. der Antragsgegnerin wird es untersagt, den bestehenden Lizenzvertrag zwischen
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der Antragsgegnerin und der J! F GmbH vom 28. Juni 1991 abzuändern,
insbesondere durch Vergabe einer Unterlizenz an die J! F GmbH, solange die
dafür nach § 13 V g der Satzung erforderliche Zustimmung der
Gesellschafterversammlung nicht vorliegt;
3. der Antragsgegnerin wird geboten, den Antragsteller bis zur Entscheidung des
Schiedsgerichts über die Berechtigung der ab 19. April 1999 beschlossenen
Einziehung des Geschäftsanteils als Gesellschafter mit allen Rechten und
Pflichten zu behandeln.
Dem Einziehungsbeschluß lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Lizenzvertrag vom
28. Juni 1991 zwischen der Antragsgegnerin und der J! F GmbH mit einer 20-jährigen
Laufzeit bis zum 31.03.2012 sah ein Recht zur fristlosen Kündigung durch die
Lizenzgeberin für den Fall vor, daß die Antragsgegnerin ab 1995 nicht einen jährlichen
Jahresumsatz von 20 Mio. DM mit der Lizenzware erreicht. Nachdem die
Antragsgegnerin schon zu Zeiten der Geschäftsführung durch den Antragsteller (bis 18.
November 1997) in die Verlustzone geraten war, kamen deren Gesellschafter in einer
Gesellschafterversammlung am 28. September 1998 überein, mit der Lizenzgeberin
bzw. mit deren Hauptgesellschafterin, der W AG, über eine Beteiligung an der
Antragsgegnerin zu verhandeln. Ein Verhandlungserfolg blieb indes aus.
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Unterdessen nahm der Geschäftsführer der Antragsgegnerin, der in Personalunion auch
Geschäftsführer der Komplementärin der T war, Gespräche mit der Lizenzgeberin über
die Einräumung von Unterlizenzen auf. Ein insoweit erstellter und dem Antragsteller
Anfang Februar 1999 zugeleiteter Vertragsentwurf sah ein Recht der Lizenzgeberin zur
Vergabe von Unterlizenzen für Waren der Damenoberbekleidung - Blusen
ausgenommen - an Dritte vor gegen Zahlung einer Unterlizenzgebühr von 250.000,00
DM/Jahr zuzüglich gestaffelter Umsatzbeteiligung an der Lizenzware zwischen 0,5 und
1 %. In einer Gesellschafterversammlung der Antragsgegnerin am 19. März 1999, in der
die Änderung des Lizenzvertrages als Tagesordnungspunkt Gegenstand der Erörterung
gewesen war, lehnte der Antragsteller auch ein nachgebessertes Angebot der
Lizenzgeberin, eine Umsatzlizenz von 2 % zu zahlen, ab, weil er eine solche von 3 % für
durchsetzbar und angemessen hielt und zudem eine feste Jahreslizenzgebühr von
850.000,00 DM forderte. Eine eigene Beteiligung an für den Fall der Ablehnung dieser
Forderungen durch die Lizenzgeberin notwendigen Investitionen für die Belebung der
eigenen Herstellung lehnte er ab. Darauf lud der Geschäftsführer der Antragsgegnerin
auf Verlangen T mit Schreiben vom 23. März 1999 zu einer außerordentlichen
Gesellschafterversammlung am 7. April 1999 mit der Tagesordnung
5
1. Einziehung des Geschäftsanteils des Mitgesellschafters
6
Günter Bläser gem. § 7 II 4.
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2. Auftrag an die Geschäftsführung zur Durchführung eines
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Beschlusses zur Einziehung.
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Am 7. April war die Gesellschafterversammlung mangels Teilnahme des Antragstellers,
der urlaubsabwesend war, nicht beschlußfähig. Darauf berief der Geschäftsführer der
Antragsgegnerin mit Schreiben vom selben Tage eine Versammlung auf den 19. April
1999 ein, zu der der Antragsteller wiederum nicht erschien. Gleichwohl wurde die
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Einziehung seines Geschäftsanteils mit den Stimmen der T beschlossen und die
Geschäftsführung mit der Durchführung des Beschlusses beauftragt. Ein dem
Antragsteller am 20. April gezahltes Abfindungsguthaben führte dieser an die
Antragsgegnerin zurück.
Der Antragsteller hat den Einziehungsbeschluß für nichtig, zumindest für anfechtbar
gehalten, weil sein Teilnahmerecht an der maßgeblichen Gesellschafterversammlung in
seiner Urlaubsabwesenheit bewußt vereitelt worden sei. Zudem sei die Einladungsfrist
zur Versammlung nicht gewahrt gewesen. In der Sache hat er geltend gemacht, ein
Grund zur Einziehung seines Geschäftsanteils habe nicht vorgelegen, vielmehr habe
die Antragsgegnerin nur einen Vorwand gesucht, ihn nach mehrfach erfolglosen
Versuchen nun endgültig hinauszudrängen. Sein Verhalten in der
Gesellschafterversammlung am 19. März gebe keinen sachlichen Grund zur
Beanstandung ab, weil er sich angesichts unzureichender Informationen über die
geführten Lizenzgespräche und die im Zusammenhang damit beabsichtigte Aufgabe
eigener Herstellung von Lizenzware, die dem Vertragszweck entgegenstehe, ohne
spezifizierte Planung eines solchen Vorhabens, das zur Vernichtung von Arbeitsplätzen
führe, dazu nicht habe erklären können. Außerdem sei auch der
Abänderungsvertragsentwurf mit der Lizenzgeberin inhaltlich mangelhaft, weil der
Antragsgegnerin kein Recht verbleibe, auf die Auswahl von Unterlizenznehmern Einfluß
zu nehmen. Schließlich sei das ganze Konzept nicht schlüssig, weil unklar bleibe,
warum die Antragsgegnerin nicht selbst die Gewinne erwirtschaften könne, die der
Unterlizenzvertrag abwerfen solle.
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Mit ihrem gegen die Beschlußverfügung eingelegten Widerspruch hat die
Antragsgegnerin geltend gemacht, die Anordnungen zu Ziffer 1 und 2 seien schon
deshalb ins Leere gegangen, weil die Einziehung des Geschäftsanteils mit der Zahlung
der Abfindung bereits abgewickelt gewesen sei und am 21. April vor Zustellung des
Beschlusses Lizenzvereinbarungen mit der Lizenzgeberin und einem weiteren Dritten
zustande gekommen seien. Sie hat den Gesellschafterbeschluß als wirksam verteidigt
und als Einziehungsgrund mangelnde Kooperationsbereitschaft des Antragstellers aus
eigennützigen Motiven wirtschaftlich zu ihren Lasten betont. Die Ausschließung des
Antragstellers sei zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen und zur Abwendung
andernfalls drohenden Schadens mit Blick auf eine desolate Lage der Antragsgegnerin
unerläßlich gewesen.
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Das Landgericht hat die Beschlußverfügung durch Urteil vom 25. Mai 1999 bestätigt aus
im wesentlichen diesen Gründen: Der Gesellschafterbeschluß könne ungeachtet
etwaiger formeller Mängel aus materiellrechtlichen Gründen keinen Bestand haben und
werde auf die Anfechtungsklage des Antragstellers wahrscheinlich aufgehoben. Die in
der Satzung (§ 7 II) geregelten Voraussetzungen der Einziehung von Geschäftsanteilen
hätten nicht vorgelegen. Das Verhalten des Antragstellers, insbesondere die Ablehnung
des Unterlizenzvertragsangebotes, in der Gesellschafterversammlung am 19. März 1999
habe keinen wichtigen Grund zum Ausschluß des Antragstellers abgegeben, der
wiederum die Einziehung seines Geschäftsanteils begründen könne. Nach § 8 der
Satzung sei dergleichen nur bei schwerwiegenden Verstößen gegen den Inhalt des
Gesellschaftsvertrages oder bei Unzumutbarkeit weiterer Mitgliedschaft anzunehmen.
Angesichts des dem Gesellschafter zustehenden Ermessensspielraumes in bezug auf
wirtschaftliche Entscheidungen sei ein bestimmtes Abstimmungsverhalten nur
ausnahmsweise und auch nur dann als Pflichtverletzung zu qualifizieren, wenn nur eine
einzige sachliche sinnvolle Lösung in Frage komme und also sich das Ermessen auf
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Null reduziere. Dergleichen sei zumal im Eilverfahren nicht zu klären. Daß das
diskutierte Vertragsangebot nicht die einzige und praktisch zwingende Lösung gewesen
sei, werde schon durch die modifizierte und so nicht vorgesehen gewesene
Unterlizenzvergabe indiziert. Außerdem sei eine Beschlußfassung in besagter
Gesellschafterversammlung überhaupt nicht Gegenstand der Tagesordnung gewesen,
so daß nicht einmal ein Abstimmungsverhalten des Antragstellers, sondern nur dessen
Meinungsäußerung zur Überprüfung stehe. Eine solche könne aber erst recht keine
Pflichtwidrigkeit begründen. Die getroffenen Anordnungen seien zur Abwendung
wesentlicher Nachteile des Antragstellers geboten.
Gegen dieses Urteil, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, richtet sich die
Berufung der Antragsgegnerin. Sie erhebt die Einrede der Schiedsvereinbarung und
reklamiert das Eilverfahren als unzulässig. Formelle Mängel der Beschlußfassung
schließt sie aus. Insoweit vertieft sie ihren erstinstanzlich eingenommenen Standpunkt.
Sie wirft dem Antragsteller als schwere, die Einziehung seines Geschäftsanteils
begründende Pflichtverletzung vor, sich aus Eigennutz der Änderung des
Lizenzvertrages verschlossen und sich über Skrupel aus der einseitigen wirtschaftlichen
Belastung der T hinweggesetzt zu haben. Schwer wiege, daß er persönlich die
Hauptlizenzgeberin während der Verhandlungen angegangen und einen Abschluß
unter Berufung auf seine Gesellschafterrechte im Innenverhältnis gestört habe. Die
vorgeschlagene Abänderung des Lizenzvertrages sei die einzig wirtschaftlich sinnvolle
Lösung der Probleme gewesen. Keineswegs seien die Anordnungen zur Abwehr
wesentlicher Nachteile erforderlich.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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abändernd die einstweilige Verfügung vom 21. April 1999 aufzuheben.
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Der Antragsteller beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung seines erstinstanzlich
dargestellten Standpunktes. Er rügt, daß die Antragsgegnerin ohne seine Mitwirkung
den operativen Bereich der Gesellschaft zurückgeführt und den Vertrieb von Lizenzware
durch eigene Mitarbeiter eingestellt habe. Dazu gehöre, daß die Antragsgegnerin den
Personalbestand um 18 Mitarbeiter zurückgeführt habe, ohne ihn nur annähernd an
dieser Maßnahme zu beteiligen. Schließlich beruft er sich darauf, daß seine
Anfechtungsklage gegen den in Rede stehenden Gesellschafterbeschluß
erstinstanzlich in der Hauptsache erfolgreich gewesen sei.
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Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt
der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze verwiesen.
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Entscheidungsgründe
21
Die Berufung ist im wesentlichen begründet.
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Der Antragsteller kann im Wege der einstweiligen Verfügung nach Maßgabe der
nachstehenden Erörterungen zu II, 2 verlangen, zu untersagen, den am 19. April 1999
gefaßten Beschluß auf Einziehung seines Geschäftsanteils an der Antragsgegnerin
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durchzuführen. Insoweit sind ein streitiges Rechtsverhältnis, ein möglicher Anspruch
des Antragstellers und ein Verfügungsgrund glaubhaft gemacht (vgl. die nachstehenden
Ausführungen, und zu unten III). Im übrigen ist die Beschlußverfügung aufzuheben und
der auf ihren Erlaß gerichtete Antrag zurückzuweisen.
I.
24
1
25
Der vom Antragsteller begehrten Eilregelung steht nicht schon die Einrede des
Schiedsvertrages seitens der Antragsgegnerin entgegen. Abgesehen von
Zulässigkeitsbedenken insoweit aus § 529 Abs. 1 Satz 2 ZPO, weil die Einrede im
ersten Rechtszug nicht vorgebracht und deren Verspätung nicht genügend entschuldigt
worden ist, schließt die Schiedsgerichtsvereinbarung die Zuständigkeit staatlicher
Gerichte jedenfalls im einstweiligen Rechtsschutz sachlich nicht aus. Ungeachtet der
Frage der Schiedsfähigkeit von Beschlußmängelstreitigkeiten bei einer GmbH, die in
der Rechtsprechung verneint wird, weil eine gesetzliche Regelung zur Rechtskraft von
stattgebenden Entscheidungen wie sie sich in §§ 248 Abs. 1, 249 Abs. 1 AktG im
Aktienrecht findet, im 10. Buch der ZPO über schiedsgerichtliches Verfahren fehlt (BGH
NJW 1979, 2567; 1996, 1753; OLG Celle GmbHR 1999, 551), ist im Verfahren des
einstweiligen Rechtsschutzes die Zuständigkeit staatlicher Gerichte zumindest deshalb
begründet, weil das bis zum 31. Dezember 1997 geltende Recht der ZPO zum
Schiedsverfahren eine Befugnis der Schiedsgerichte zu Eilmaßnahmen nicht vorsah
(vgl. Hartmann/Albers, ZPO. 56. Aufl., § 1034 Rdn. 8 m.w.N.) und weil nach neuem
Recht gemäß § 1033 ZPO die staatliche Zuständigkeit im einstweiligen Rechtsschutz
nicht ausgeschlossen werden kann.
26
2.
27
Daß die aufgehobene Beschlußverfügung in Wirklichkeit ins Leere gegangen wäre, weil
sie durch die spätere Entwicklung überholt worden wäre, so daß an ihrer
Aufrechterhaltung kein Interesse mehr hätte bestehen können, kann man nicht sagen.
Die Einziehung des Geschäftsanteils des Antragstellers ist mit der Beschlußfassung
nicht schon erledigt, zumal eine Eintragung im Handelsregister noch nicht stattgefunden
hat und die finanzielle Auseinandersetzung mit dem Antragsteller noch aussteht. Auch
der Abschluß von Lizenzverträgen seitens der Antragsgegnerin am 21. April macht die
Eilregelung nicht gegenstandslos, weil mangels Vorlage der insoweit abgeschlossenen
Verträge offenbleibt, ob nicht noch weitere Vertragsänderungen ins Haus stehen.
Außerdem steht trotz § 37 Abs. 2 GmbHG die Wirksamkeit der abgeschlossenen
Lizenzverträge in Frage, wenn - was bei summarischer Prüfung nicht abschließend zu
beantworten ist - die Geschäftsführung der Antragsgegnerin dabei ihre
Vertretungsmacht überschritten hätte, was bei Kenntnis der Lizenznehmerin auch
Außenwirkung haben kann (vgl. Baumbach/Zöller, GmbHG, 16. Aufl., § 37 Rdn. 25 ff).
Ob mit den getroffenen Regelungen die Hauptsache unzulässig vorweggenommen
wäre, braucht nicht entschieden zu werden, weil der Regelungsbedarf aus anderen
Gründen zu verneinen ist.
28
II.
29
Eine wie hier nach § 940 ZPO begehrte Eilregelung setzt die Notwendigkeit der
Abwendung wesentlicher Nachteile des Antragstellers voraus (vgl. dazu nur
30
Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl., § 940 Rdn. 4; Baumbach/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., §
940 Rdn. 6). Dabei geht der Senat mit der herrschenden Meinung davon aus, daß
einstweiliger Rechtsschutz auf der Voll-
zugsebene anfechtbarer Gesellschafterbeschlüsse grundsätzlich nicht ausgeschlossen
ist (vgl. OLG Koblenz GmbHR 1986, 430, OLG Nürnberg GmbHR 1993, 588; Damm
ZHR 154(1990), 437; Baumbach/Hueck/Zöllner, a.a.O. Anhang zu § 47 Rdn. 93 c).
Allerdings hat mit Blick auf die unvermeidlich verbleibenden Erkenntnislücken des
summarischen Verfahrens auch eine folgenorientierte Interessenabwägung
stattzufinden, in der sich die Betroffenheit des Antragsgegners durch Erlaß und des
Antragstellers bei Versagung der Eilmaßnahme gegenüberstehen (Damm a.a.O. Seite
422; OLG Stuttgart NJW 1987, 2449; OLG Koblenz NJW 1986, 1692).
31
1.
32
Unter Anwendung der zuvor dargelegten Grundsätze haben die Verfügungen zu Ziffern
2 und 3 keinen Bestand. Im vorliegenden Fall steht auf Seiten des Antragstellers die
Wahrnehmung seines Mitgliedschaftsrechts auf dem Spiel, u.a. mit der Möglichkeit
unmittelbarer Einflußnahme auf geschäftliche Maßnahmen der Antragsgegnerin, die
den Abschluß und die Änderung des Lizenz- und Unterlizenzvertrages zum Gegenstand
haben (§ 13 V g der Satzung). Dagegen hemmte die Beschlußverfügung zunächst die
Umsetzung eines oben im Tatbestand näher dargestellten wirtschaftlichen Konzepts der
Antragsgegnerin dahin, ihre geschäftlichen Akzente von der Produktion von Lizenzware
auf Lizenz- und Handelsgeschäfte zu verlegen, was der Zustimmung der
Gesellschafterversammlung bedarf, aber angesichts einer Pattsituation und der
ablehnenden Haltung des Antragstellers einstweilen nicht zu erlangen wäre. Dabei fällt
ins Gewicht, daß bei Ablehnung der Umstrukturierung der Antragsgegnerin eine
erfolgreiche Produktion von Lizenzware finanzielle Investitionen erforderte, die die
Mitgesellschafterin T mit ca. 10 Mio. DM beziffert hat, für die der Antragsteller indes das
Beteiligungsrisiko ablehnt unter Berufung auf eine Vereinbarung vom 18. November
1997, wonach die T das alleinige Verlustrisiko der Antragsgegnerin zu tragen hat. Fehlt
aber die Bereitschaft des paritätischen Mitgesellschafters, das Risiko der
Aufrechterhaltung des kostenintensiven Produktionsbetriebes mitzutragen, ohne daß
eine einseitige Investitionspflicht des anderen Mitgesellschafters besteht, dann führt
eine Pattsituation bei der mit gleichberechtigten Gesellschaftern versehenen Zweimann-
GmbH zu einstweiligen Stagnationen mit der Gefahr eines wirtschaftlichen Desasters
des Unternehmens, zumal sich die Antragsgegnerin mit steigenden Verlusten von
zuletzt 6 Mio. DM per 30. April 1999 im Abwärtstrend befindet. Eine auf Überwindung
eines solchen Konfliktes gerichtete Geschäftstrategie erscheint dem Interesse der
Gesellschafter und erst recht der Gesellschaft dienlicher als eine Blockade eines
Fortführungskonzepts bis zur endgültigen, zeitlich nicht absehbaren Entscheidung über
die Wirksamkeit des angefochtenen Gesellschafterbeschlusses. Zudem hat die
Antragsgegnerin ihre Produktion und Entwicklung mit dem Ziel der wirtschaftlichen
Gesundung inzwischen eingestellt unter Reduzierung ihrer Belegschaft von 22 auf noch
4 Beschäftigte, nachdem anderweitige Unterlizenzen vergeben worden sind. Angesichts
der vom Antragsteller eingenommenen Gegenposition erscheint eine konstruktive
Geschäftspolitik der Antragsgegnerin kaum durchführbar, die bei der inzwischen
veränderten tatsächlichen und wirtschaftlichen Lage schwerlich zur Ausgangssituation
zurückführen kann, weil das ohne Schaden auch im Ansehen und ohne ganz erhebliche
finanzielle Investitionen nicht möglich erscheint. Auch würde die Beschlußverfügung der
Geschäftsführung zeitlich unabwägbar die notwendige wirtschaftliche
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Gestaltungsfreiheit vorenthalten, so daß ohne eine gesicherte zukunftsorientierte
Geschäftspolitik Lösungsansätze zur Krisenbewältigung chancenlos bleiben müssen.
Der Antragsteller hat nämlich nicht zu erkennen gegeben, seine grundsätzliche Position
mit Blick auf die veränderten Umstände neu überdenken zu wollen. Bei dieser Sachlage
hält der Senat bei Abwägung der Interessenlagen die den Antragsteller belastenden
und ihm womöglich noch drohenden Nachteile infolge des ihn aus der Antragsgegnerin
ausschließenden Gesellschafterbeschlusses für nicht so schwerwiegend, als daß sie
gegenüber einer existenzdrohenden Lähmung der Geschäftstätigkeit der
Antragsgegnerin einstweiligen Rechtsschutz beanspruchen könnten. Vielmehr muß sich
der Antragsteller auf die Möglichkeit späteren Schadensersatzes verweisen lassen. Die
Interessen der Antragsgegnerin wären nur dann nicht zu schonen gewesen, wenn der
angefochtene Gesellschafterbeschluß greifbar rechtswidrig wäre. Davon kann indes
keine Rede sein (vgl. dazu unter III).
2.
34
Soweit der Antragsteller allerdings die Durchführung des Gesellschafterbeschlusses
unterbinden will, steht dem ein übergeordnetes Interesse der Antragsgegnerin nicht
entgegen, weil die vorläufige Sicherung der Rechtsposition des Antragstellers die
Geschäftsfortführung nicht maßgeblich einschränkt oder erschwert. Dabei geht es dem
Antragsteller nach Maßgabe seiner Erläuterung seines Interesses an der
Beschlußverfügung zu Ziffer 1 in der Berufungsverhandlung ausschließlich darum, die
Eintragung seines Ausschlusses im Handelsregister und die finanzielle Abwicklung
seiner aus dem Ausschluß folgenden gesellschaftsrechtlichen Position einstweilen zu
verhindern. Ein darauf beschränktes Regelungsbedürfnis zugunsten des Antragstellers
ist nicht zu verneinen, weil die tatsächliche Durchsetzung der Ausschließung des
Antragstellers wirklich droht. Die Antragsgegnerin hat nämlich durch die umgehende
Zahlung eines Abfindungsentgeltes an den Antragsteller deutlich gemacht, ihrem
Gesellschafterbeschluß so schnell wie möglich auch tatsächlich Geltung verschaffen zu
wollen. Umstände und Gesichtspunkte, die die entsprechenden Befürchtungen des
Antragstellers hätten zerstreuen können, sind auch mangels entsprechenden Vortrages
nicht erkennbar. Dem folgend hält der Senat die inhaltlich so umschriebene
Beschlußverfügung zu Ziffer 1 aufrecht.
35
III.
36
Die so bestätigte Regelungsverfügung zu Ziffer 1 wäre nur dann nicht zu erlassen
gewesen, wenn eine erfolgreiche Anfechtung des Gesellschafterbeschlusses nicht
wirklich in Frage käme (vgl. dazu OLG Koblenz, GmbHR 1986, 430). Das kann aber bei
summarischer Prüfung im vorliegenden Eilverfahren nicht angenommen werden.
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In formeller Hinsicht steht der vom Antragsteller erhobene Vorwurf im Raum, sein
Teilnahmerecht an der Gesellschafterversammlung vom 19. April 1999 bewußt vereitelt
zu haben. Zwar bestehen keine Bedenken gegen die Einhaltung der Ladungsfrist, weil
die nach § 11 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages geltende und insoweit unbedenkliche
zweiwöchige Ladungsfrist erst am 18. April endete. Der gegenteiligen, auf § 193 BGB
gestützten Auffassung des Antragstellers vermag sich der Senat nicht anzuschließen,
weil diese Bestimmung die Abgabe von Willenserklärungen betrifft und die Wahrung
einer Überlegungsfrist zur Herbeiführung rechtsgestaltender Wirkung schützt. Dem steht
die Ladungsfrist zu einer Gesellschafterversammlung nicht gleich, weil sie dem
Teilnehmer in erster Linie Gelegenheit geben soll, sich auf den Termin einzurichten (vgl.
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dazu Baumbach/Hueck a.a.O. § 51 Rdn. 18; Palandt, BGB; 58. Aufl., § 193 Rdn 3). Daß
die Ladung den Antragsteller gleichwohl nicht fristgerecht erreicht hat, lag zunächst in
dessen Sphäre. Er hätte während seiner urlaubsbedingten Abwesenheit den Zugang
postalischer Sendungen sicherstellen müssen, zumal er angesichts der kritischen
Phase der Auseinandersetzung der Gesellschafter der Antragsgegnerin mit
Schriftverkehr hätte rechnen müssen (vgl. dazu OLG München, DB 1994, 320).
Andererseits übersieht der Senat nicht, daß die anwaltlichen Rechtsvertreter des
Antragstellers, die in der jüngsten Vergangenheit von jeweils anstehenden
Gesellschafterversammlungen in Kenntnis gesetzt worden waren und regelmäßig daran
auch teilgenommen hatten, gerade in diesem Fall weder eine Ladung erhalten haben
noch anderweit von dem Termin unterrichtet worden sind. Wollte man aus der
praktischen Handhabe eine Pflicht der Antragsgegnerin ableiten, von dieser Praxis nicht
ohne Not und unangekündigt abzuweichen, stellte sich die Frage eines entsprechenden
Vertrauensschutzes auf seiten des Antragstellers, in den die Antragsgegnerin
womöglich treuwidrig eingegriffen haben könnte. Indes ist bei summarischer Prüfung
jedenfalls treuwidriges Verhalten auf seiten der Antragsgegnerin nicht zu begründen.
Auffällig ist zwar, daß der anwaltliche Bevollmächtigte des Antragstellers entgegen der
Übung nicht von dem Termin der Gesellschafterversammlung unterrichtet worden ist,
eine Strategie offenbarte dieser Umstand aber erst, wenn die Antragsgegnerin sicher
davon hätte ausgehen können, daß der Antragsteller auf andere Weise keine Kenntnis
davon erhalten würde. Einer solchen Feststellung fehlt die Grundlage, weil es keinen
Anhalt dafür gibt, daß auf seiten der Antragsgegnerin die Art der Betreuung postalischer
Zugänge während der Urlaubsabwesenheit des Antragstellers bekannt gewesen wäre.
Hinzu kommt, daß eine treuwidrige Verhinderung einer Kenntnisnahme des
Antragstellers von der Ladung die Gewißheit über Zeit und Dauer seiner
Urlaubsabwesenheit auf Seiten der Antragsgegnerin vorausgesetzt hätte. Darüber kann
sich der Senat angesichts sich widersprechender eidesstattlicher Versicherung des
Antragstellers vom 20. April und des anwaltlichen Vertreters G vom 20. Mai 1999 keine
Klarheit verschaffen, zumal kein sachlicher Grund dafür zu erkennen ist, warum der
Versicherung des Antragstellers der Vorzug zu geben wäre.
So gesehen ist zwar ein formeller Mangel des Gesellschafterbeschlusses nicht
glaubhaft gemacht, aber auch nicht schon endgültig auszuschließen.
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Erst recht ist bei summarischer Prüfung eine brauchbare Klärung unmöglich, ob die
Ausschließung des Antragstellers rechtlicher Kontrolle letztlich standhält. Insoweit käme
es nämlich auf die tatsächliche Untersuchung dahin an, ob der Antragsteller den
Ermessensspielraum, der ihm als Gesellschafter der Antragsgegnerin im Rahmen
anstehender wirtschaftlicher Entscheidungen grundsätzlich fraglos zusteht, entgegen
gesellschaftsrechtlicher Treuepflicht mißbraucht hat. Das läßt sich erst beurteilen, wenn
die in der konkreten Situation gegebenen wirtschaftlichen Alternativen auf seiten der
Antragsgegnerin ausgeleuchtet sind und Gewißheit besteht, ob das damals bevorzugte
wirtschaftliche Konzept als sinnvoll gelten mußte und der Antragsteller dies unter den
damaligen Umständen auch hätte erkennen müssen, so daß sich dessen Ablehnung als
eigennützig und unvertretbar erwiese. Wertet man den bisherigen Darlegungs- und
Beweisstand ist festzustellen: Zwar ist ein möglicher Anspruch des Antragstellers als
glaubhaft gemacht anzusehen; denn der Ausschluß eines Gesellschafters ist äußerstes
Mittel der Konfliktlösung. Demgegenüber hat die Antragsgegnerin jedoch gewichtige
Umstände vorgetragen, daß der Antragsteller angesichts bedrohlicher wirtschaftlicher
Gefahren sich nicht in den Grenzen der ihm obliegenden Treuepflicht bewegt.
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Der Mangel der Aufklärbarkeit geht im Eilverfahren nicht zu Lasten der Antragsgegnerin,
selbst wenn sie im Anfechtungsprozeß insoweit die Beweislast tragen mag, weil der
Beschluß erst im Falle des Erfolges der Anfechtungsklage durch die
Gestaltungswirkung des Urteils hinfällig wird. Allein der Gesichtspunkt, ein Mißbrauch
gesellschaftsrechtlicher Befugnisse des Antragstellers sei zu verneinen, weil am 19.
März 1999 eine Beschlußfassung über die Umstrukturierung der Antragsgegnerin nicht
angestanden habe und lediglich diskutiert worden sei, so daß der Antragsteller seinen
Standpunkt schadlos habe vertreten können, begründet nicht schon die
Rechtswidrigkeit des Beschlusses. Wäre dem Antragsteller sachwidrige Blockadepolitik
vorzuwerfen, dann könnte die Antragsgegnerin kaum darauf verwiesen werden, deren
Umsetzung erst in der Stimmabgabe zur Beschlußfassung abwarten zu müssen. Daß
der Gesellschafterbeschluß aus anderen Gründen greifbar gesetzwidrig und deshalb
anfechtbar wäre, ist bei summarischer Prüfung nicht zu erkennen.
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Im Ergebnis begründet die gegebene Sachlage allein ein Verbot zugunsten des
Antragstellers, die Durchführung seines Ausschlusses aus der Antragsgegnerin
zurückzustellen, dagegen aber nicht solche Maßnahmen, die der Antragsgegnerin -
wenn auch vorübergehend - so aber doch über längere Zeit geschäftliche Fesseln
anlegen.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 92 Abs. 2, 708 Nr. 10 ZPO.
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