Urteil des OLG Hamm vom 15.09.2008

OLG Hamm: cmr, leichtfertiges verhalten, transport, frachtführer, aufwand, gefahr, beförderung, erkenntnis, wahrscheinlichkeit, mensch

Oberlandesgericht Hamm, 18 U 199/07
Datum:
15.09.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
18. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 U 199/07
Vorinstanz:
Landgericht Arnsberg, 4 O 397/06
Schlagworte:
Überschreitung der Lieferfrist
Normen:
Art. 17 CMR, Art. 19 CMR, Art. 29 CMR
Leitsätze:
1.
Im Rahmen des Art. 29 CMR gelten die Grundsätze der sekundären
Darlegungslast auch bei der Beurteilung der Überschreitung der
Lieferfrist.
2.
Um seiner sekundären Darlegungslast zu genügen, kann der
Frachtführer bei einer Lieferfristüberschreitung im Einzelnen vorzutragen
haben, wie er den Transport in zeitlicher Hinsicht geplant hatte und
wann welche Umstände zu Verzögerungen geführt haben.
3.
Luftfrachtkosten in Höhe von mehreren Tausend Euro können ein
ersatzfähiger Schaden sei, wenn es bei einem CMR-Transport zu einer
Lieferfristüberschreitung kommt, für die der Frachtführer nach deutschem
Recht unbeschränkt haftet. Es kommt darauf an, ob sie einen Aufwand
darstellen, den der Geschädigte bei Bekanntwerden der
Lieferfristüberschreitung als erforderlich ansehen durfte, um einen
drohnen höheren Schaden anzuwenden.
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 8. November 2007
verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg
(4 O 397/06) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im
Zinsausspruch abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.600,00 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem
19.10.2006 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Es beschwert keine der Parteien mit mehr als 20.000,00 €; die Revision
wird nicht zugelassen.
Gründe
1
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1
ZPO abgesehen.
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Die Berufung des Beklagten ist überwiegend unbegründet. Sie führt nur zur Abänderung
des angefochtenen Urteils im Zinsausspruch, in der Hauptsache bleibt sie erfolglos.
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I. Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht verurteilt, der Klägerin 8.600,00 €
Schadensersatz für den nicht fristgerecht durchgeführten Transport von Turboladern von
N nach H am 24./25.11.2005 zu zahlen.
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Rechtsgrundlage für den Schadensersatzanspruch sind die Art. 17 Abs. 1, 19, 29 CMR
in Verbindung mit den §§ 249ff BGB.
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1. Der vorliegende Fall ist auf der Grundlage der CMR zu entscheiden. Der Beklagte
hatte den Auftrag, mit dem Lkw eine Palette mit Turboladern grenzüberschreitend von
Deutschland nach Österreich zu transportieren.
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Die Bestimmungen der CMR regeln den geltend gemachten Schadensersatzanspruch,
den die Klägerin mit Aufwendungen begründet, die ihr zur Abwehr eines durch das
Nichteinhalten einer Lieferfrist drohenden höheren Verzögerungsschadens entstanden
sind.
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Die CMR enthält zwar kein in sich geschlossenes System des Leistungsstörungsrechts,
mit den Art. 14ff, 17, 19 CMR aber eine abschließende Regelung für Ansprüche des
Absenders bzw. Empfängers wegen des Nichteinhaltens der Lieferfrist (Koller,
TransportR 6. Aufl. 2007, vor Art. 1 CMR Rz. 22, Rz. 29, auch Art. 17 CMR Rz. 56).
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2. Die Haftungsvoraussetzungen der Art. 17 Abs. 1, 19 CMR sind erfüllt. Vertraglich
vereinbart war die Auslieferung der Turbolader am 25.11.2005 um 6.00 Uhr in H.
Tatsächlich befand sich der Lkw des Beklagten mit dem Transportgut am 25.11.2005 um
6.15 Uhr noch in der Nähe von X. Das diese Verzögerung verursachende Verhalten
seines Fahrers muss sich der Beklagte gem. Art. 3 CMR zurechnen lassen.
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3. Ein Haftungsausschluss gem. Art. 17 Abs. 2 CMR kommt nicht in Betracht.
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Das Überschreiten der Lieferfrist war für den Beklagten vermeidbar.
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Es entlastet ihn nicht, dass er das Gut aufgrund eines anderen, ihm von der Klägerin
erteilten Auftrages am 24.11.2005 durch seinen Fahrer in N erst nach 20.00 Uhr und
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nicht zur vereinbarten Zeit um 17.00 Uhr abholen lassen konnte. Die Verantwortung
dafür, dass alle übernommenen Transportaufträge fristgerecht erfüllt werden können,
liegt beim Frachtführer, der die einzelnen Aufträge entgegennimmt.
Dass die Straßenverhältnisse am 24./25.11.2005 eine fristgerechte Ablieferung auch
dann nicht zuließen, wenn der Beklagte den Transport unter Einhaltung der
vereinbarten Ladungszeit um 17.00 Uhr durchgeführt hätte, ist nicht feststellbar.
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Bei einer fristgerechten Ladung der Turbolader am 24.11.2005 ab 17.00 Uhr hätte der
Fahrer des Beklagten spätestens um 18.00 Uhr in N losfahren können. Dann hätten ihm
für die zu fahrenden ca. 860 km nach H insgesamt 12 Stunden zur Verfügung
gestanden. Auch bei den sich bereits am Abend des 24.11.2005 abzeichnenden
schwierigeren Witterungs- und Straßenverhältnissen kann man nicht davon ausgehen,
dass der Lkw-Transport in dieser Zeit nicht zu bewerkstelligen war. Das hat das
Landgericht unter Auswertung der eingeholten Auskünfte der Autobahnpolizei zutreffend
beurteilt.
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Die Vernehmung des von dem Beklagten zu den Straßenverhältnissen benannten
Zeugen L konnte unterbleiben, weil der Zeuge ersichtlich nichts zu den konkreten
Straßenverhältnissen sagen kann, die er beim rechtzeitigen Abfahren in N vorgefunden
hätte. Auch auf das von dem Beklagten beantragte Sachverständigengutachten kam es
nicht an, nachdem die eingeholten Auskünfte erhebliche Verkehrsbehinderungen im
Bereich der A 7 und der A3 (bis O) erst ab 23.45 Uhr bestätigt hatten und der Beklagte
Verkehrsbehinderungen im Verlauf der weiteren Strecke nicht vorgetragen hat.
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4. Die Voraussetzungen des Art. 29 Abs. 1 CMR sind erfüllt. Der Beklagten kann sich
auf die Haftungsbegrenzungen und – ausschlüsse der Art. 23ff CMR nicht berufen, weil
er bzw. der für ihn tätige Fahrer den Schaden durch ein dem Vorsatz gleichstehendes
Verschulden, nämlich leichtfertig, verursacht hat. Hiervon ist das Landgericht im
Ergebnis zu Recht ausgegangen.
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a) Leichtfertiges Verhalten erfordert einen besonders schweren Pflichtenverstoß, bei
dem sich der Frachtführer oder seine "Leute" in krasser Weise über die Interessen der
Vertragspartner hinwegsetzen. Hinzu kommen muss das Bewusstsein von der
Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Das liegt vor, wenn sich dem Handelnden
aus seinem leichtfertigen Verhalten die Erkenntnis aufdrängen muss, es werde
wahrscheinlich ein Schaden entstehen, vgl. BGH I ZR 205/01, NJW 2004, 2445 (2446).
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b) Im vorliegenden Fall ist das leichtfertige Verhalten des Beklagten nach den
Grundsätzen der sekundären Darlegungslast zu vermuten.
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Nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes für den Bereich der CMR-Haftung
trägt grundsätzlich der Anspruchsteller, hier die Klägerin, die Darlegungs- und
Beweislast für ein leichtfertiges Verhalten des Frachtführers. Die ihm obliegende
Darlegungslast erfüllt der Anspruchsteller aber bereits dann, wenn sein Klagevortrag
nach den Umständen des Falles ein leichtfertiges Verschulden mit gewisser
Wahrscheinlichkeit nahe legt und allein der Frachtführer zur Aufklärung des in seinem
Bereich entstandenen Schadens zumutbarerweise beitragen kann oder wenn sich die
Anhaltspunkte für das qualifizierte Verschulden des Frachtführers aus dem unstreitigen
Sachverhalt ergeben (st. Rspr., vgl. BGH I ZR 234/00, NJW 2003, 3626 (3627) mit
weiteren Nachw.).
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Diese Grundsätze gelten auch in den Fällen, in denen es nach materiellem Recht um
die Überschreitung einer Lieferfrist geht (aus der vom Beklagten zitierten Entscheidung
BGH I ZR 176/03, NJW-RR 2007, 32ff, ergibt sich nichts Gegenteiliges).
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Die rechtliche Grundlage der Grundsätze ist das Prozessrecht und nicht das materielle
Recht. Die mit der Vermutung verbundene Einlassungsobliegenheit des Frachtführers
und die Rechtsfolge der Nichterfüllung dieser Pflicht folgen aus den in der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und im Schrifttum anerkannten prozessualen
Grundsätzen der sogenannten sekundären Behauptungslast (BGH NJW 2003, 3627;
Koller, a.a.O., Art. 29 CMR, Rz. 7, auch Zöller-Greger, ZPO-Kom. 26. Aufl. 2007, vor §
284 Rz. 34). Danach können dem Prozessgegner der beweisbelasteten Partei
ausnahmsweise nähere Angaben über die zu seinem Wahrnehmungsbereich
gehörenden Verhältnisse zuzumuten sein, wenn die primär darlegungspflichtige Partei
außerhalb des darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine Kenntnisse von den
maßgeblichen Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner nähere Angaben machen
kann.
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c) Vorliegend ergeben sich bereits aus dem unstreitigen Sachverhalt ausreichende
Umstände, die ein leichtfertiges Verschulden des Beklagten bzw. seines Fahrers nahe
legen.
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So hat der Fahrer des Beklagten die zu transportierenden Turbolader in Kenntnis der
langen Fahrstrecke und der angekündigten ungünstigen Wetterlage abweichend von
der vertraglich vereinbarten Zeit zu spät (erst nach 20.00 Uhr) geladen und ist
dementsprechend nicht bereits, das wäre bei einer fristgerechten Ladung ohne weiteres
möglich gewesen, gegen 18.00 Uhr in N losgefahren.
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Dass sein für den Transport nach H vorgesehener Fahrer die vereinbarte Ladezeit von
17.00 Uhr in N nicht würde einhalten können, musste sich zudem für den Beklagten bei
der Entgegennahme des zweiten Auftrags für den Fahrer aufdrängen, bei dem dieser
am 24.11.2005 zunächst noch Gut von C nach Q zu transportieren hatte.
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Bei diesen Umständen liegt die Vermutung nahe, dass der Beklagte den zeitlichen
Ablauf des Transportes von N nach H von Anfang an (grob) fehlerhaft geplant hat
und/oder der eingesetzte Fahrer ihm vorgegebene Zeiten (grob) nachlässig nicht
eingehalten hat. Das lässt auch vermuten, dass sich dem Beklagten und seinem Fahrer
die Erkenntnis aufdrängen musste, dass aus den Verzögerungen im Transportverlauf
ein Schaden entstehen konnte.
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Die vorstehenden Umstände stammen aus dem Bereich des beklagten Frachtführers, zu
dem die Klägerin keine weiteren Angaben machen kann. Der Beklagte hätte daher im
Einzelnen darlegen müssen, wie er den Transport in zeitlicher Hinsicht geplant hatte
und wann welche Umstände zu Verzögerungen geführt haben.
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Dieser (sekundären) Darlegungslast hat der Beklagte nicht genügt. Er hat lediglich
vorgetragen, dass die Turbolader aufgrund des weiteren Transportauftrages erst ab
20.00 Uhr in N geladen werden konnten und dass der Fahrer in der Höhe von X seine
Fahrt am 25.11.2005 um 0.30 Uhr aufgrund der Witterungs- und Straßenverhältnisse
nach der Sperrung der Autobahn bis in die Morgenstunden unterbrechen musste.
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Auf den vom Beklagten behaupteten Versuch seines Fahrers, die Klägerin noch in der
Nacht von der durch die Autobahnsperrung eingetretenen Verzögerung zu unterrichten,
kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Planung und Ausführung eines
fristgerechten Transports oblagen dem Beklagten und nicht der Klägerin.
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Mit den vom Beklagten gemachten Angaben sind der geplante Transportverlauf und
sein tatsächlicher Ablauf nicht nachzuvollziehen.
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Auf den unzureichenden Vortrag ist der Beklagte in der Ladungsverfügung zum
Senatstermin und (noch einmal) im Senatstermin vom 18. August 2008 hingewiesen
worden. Eine Ergänzung seines Vortrages ist nicht erfolgt.
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Der Senat hatte daher davon auszugehen, dass der Beklagte die Verzögerung im
Transportverlauf leichtfertig verschuldet hat.
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5. Den gem. Art. 30 Abs. 3 CMR notwendigen Haftungsvorbehalt hat die Klägerin
fristgerecht geltend gemacht, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat. Mit seiner
Berufung greift der Beklagte das nicht an.
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6. Der Beklagte schuldet der Klägerin den Ersatz der Luftfrachtkosten in Höhe von
8.600,00 €.
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a) Im Rahmen des Art. 29 CMR ist der zu ersetzende Schaden nach dem einschlägigen
nationalen Recht zu bemessen (BGH I ZR 134/02, NJW-RR 2005, 908 (909)). Das sind
vorliegend die §§ 249ff BGB, weil die Beschränkungen des deutschen Frachtrechts
gem. § 435 BGB nicht greifen. Von der Anwendung des deutschen Rechts ist gem. Art.
28 Abs. 4 EGBGB auszugehen. Die Niederlassung des Beklagten und der Verladeort
liegen in Deutschland.
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b) Der am Morgen des 25.11.2005 veranlasste Lufttransport der Turbolader von O nach
H hat Kosten in Höhe von 8.600,00 € verursacht, die die Klägerin ihrer Auftraggeberin,
der Fa. B AG., erstattet hat.
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Das ergibt sich aus der hierzu von der Klägerin vorgelegten Rechnung der
Luftfrachtspedition, der Fa. F, vom 30.11.2005 (Bl. 40 d. A.) und ihren Abrechnungs- und
Kontounterlagen (Bl. 114 bis 116 d. A.).
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Soweit der Beklagte bestreitet, dass die Rechnung der Fa. F den durchgeführten
Lufttransport betrifft und dieser Kosten in Höhe von 8.600,00 € verursacht hat, mit denen
die Klägerin belastet wurde, ist das Bestreiten im Ergebnis unerheblich.
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Die von dem Beklagten nicht bestrittenen weiteren Umstände bestätigen den Vortrag
der Klägerin.
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So verhält sich die Rechnung der Fa. F über einen am 25.11.2005 per Luftfracht von O
nach H durchgeführten Transport einer 75 kg schweren Palette mit Teilen. Das passt zu
den am 25.11.2005 per Luftfracht zu befördernden Turboladern, die sich in einem Paket
befanden. Die Rechnung der Fa. F ist an die Fa. G AG adressiert, die eine Tochterfirma
der Empfängerin ist und den Transport organisiert hat. Das ergibt sich aus der Email
vom 29.11.2005, die eine Mitarbeiterin der Fa. G (Frau S) einem Mitarbeiter der Fa. B
(Herrn I) übersandt hat. Auch diese Email hat der Beklagte nicht in Frage gestellt. Die
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Email stellt einen klaren Bezug zum Schadensfall her, verweist auf den Lufttransport der
Fa. F, mit dem die Fracht von O nach H befördert wurden, und darauf, dass hierfür
Kosten in Höhe von 8.600,00 € angefallen sind, die der Fa. B in Rechnung gestellt
werden. Außerdem belegen die vom Beklagten ebenfalls nicht im Einzelnen
bestrittenen Abrechnungs- und Kontounterlagen der Klägerin, dass die Fa. B die
Klägerin mit der Schadenssumme von 8.600,00 € belastet hat.
c) Die von der Klägerin geltend gemachten Kosten sind auch der Höhe nach
gerechtfertigt.
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Sie sind vom Beklagten als Aufwand zu ersetzen, den der Geschädigte zum Ausgleich
des entstandenen und zur Abwendung eines weiteren Schadens für erforderlich
ansehen durfte. Ein derartiger Aufwand ist gem. § 249 Abs.1 BGB als Schaden
erstattungsfähig, wenn ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage
des Geschädigten den Aufwand für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Zu
beurteilen ist das nach dem Zeitpunkt, zu dem die Aufwendung erfolgte (Betrachtung ex
ante), vgl. BGH VI 110/89, NJW 1990, 2060 (2061f).
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Die genannten Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.
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Die Empfängerin der Turbolader, die Fa. G AG, durfte die zur Luftbeförderung
aufgewandten Kosten bei der am Morgen des 25.11.2005 zu treffenden Entscheidung
über ihre weitere Beförderung als erforderlich ansehen, um einen drohenden, höheren
Schaden abzuwenden. Es kommt hierbei nicht darauf an, ob der Transport – mit einer im
Nachhinein angestellten Betrachtung – auch kostengünstiger hätte organisiert werden
können.
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Nachdem der Empfängerin, der Fa. B und der Klägerin am Morgen des 25.11.2005 Uhr
bekannt geworden war, dass der Beklagte die Turbolader nicht (mehr) fristgerecht
abliefern konnte, weil sich sein LKW um 6.15 Uhr noch in der Nähe von X befand,
durften sie den weiteren Transport ohne Mitwirkung des Beklagten organisieren. Es war
dann weiter gerechtfertigt, sich aufgrund der Witterungslage und der erheblichen
Entfernung zwischen X und H (noch ca. 600 Straßenkilometer) für einen Lufttransport zu
entscheiden.
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Hierbei war zu berücksichtigen, dass nach der damaligen Kenntnis der Beteiligten bei
der D AG, für die die Turbolader bestimmt waren, ein Bandstillstand drohte, wenn die
Turbolader nicht bis zur Mittagszeit am 25.11.2005 in ihrem Werk H eingetroffen wären.
Das beschreibt nicht nur Fa. G in ihrem Schreiben vom 20.02.2007 (Bl. 74 d. A.), dessen
Angaben der Beklagte bestreitet. Das ergibt sich insbesondere auch aus der bereits
erwähnten Email der Mitarbeiterin S der Fa. G an den Mitarbeiter der Fa. B, die der
Beklagte nicht in Frage stellt.
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Bereits diese Email belegt, auf das bestrittene Schreiben vom 20.02.2007 kommt es
insoweit nicht an, dass die Beteiligten am 25.11.2005 davon ausgingen, dass es ohne
die umgehende Anlieferung der Teile zu einem Produktionsausfall bei der Fa. D
gekommen wäre. Das stellte – auch wenn es am 25.11.2005 hierzu keine genauen
Zahlen gab – die Gefahr eines erheblichen Schadens dar, der eine schnelle und sichere
Beförderung der fehlenden Turbolader per Luftfracht rechtfertigte.
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Diese Gefahr rechtfertigte mithin auch die mit einer Luftfracht verbunden Kosten, weil
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sich die Beteiligten am Morgen des 25.11.2005 schnell für einen möglichst sicheren
Weg zur Vermeidung des Produktionsstillstandes entschließen mussten und durften.
Ausgehend hiervon ist der für die Luftfracht gezahlte Preis von 8.600,00 € nicht zu
beanstanden. Weil der Lufttransport sehr kurzfristig (binnen weniger Stunden)
organisiert und durchgeführt werden musste, mussten weder eine Kostenanalyse
angestellt noch Vergleichsangebote eingeholt werden. Vielmehr durften die Beteiligten
deswegen auch die von der Fa. F verlangten Luftfrachtkosten von 8.600 € als
erforderlich ansehen. Es ist zudem nicht ersichtlich und wird vom Beklagten auch nicht
eingewandt, dass am Morgen des 25.11.2005 ein kostengünstiger Lufttransport von O
nach H möglich gewesen wäre.
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7. Wie mit den Parteien im Senatstermin vom 18.08.2008 eingehend erörtert, hat der
Senat geprüft, ob der Schadensersatzanspruch aufgrund eines Mitverschuldens der
Klägerin zu kürzen ist.
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Das ist im Ergebnis nicht der Fall.
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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. z. B. BGH I ZR 265/03,
NJW-RR 2006, 1108 (1109)) kann bei einer gem. Art. 29 CMR begründeten Haftung des
Frachtführers der Einwand des Mitverschuldens des Auftraggebers gemäß § 254 BGB
zu berücksichtigen sein.
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b) Vorliegend ist ein gem. § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB zu begründendes Mitverschulden
der Klägerin denkbar, weil sie es unterlassen hat, den Beklagten auf die Gefahr eines -
bei einer Überschreitung der Lieferfrist - drohenden hohen Schadens aufmerksam zu
machen.
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Der Senat lässt offen, ob diesem rechtlichen Ansatz zu folgen ist, weil es bereits an der
Kausalität einer derartigen Obliegenheitsverletzung der Klägerin für den eingetretenen
Schaden fehlt. Der Senat kann nämlich nicht feststellen, dass der Beklagte besondere
Maßnahmen ergriffen hätte, um die vereinbarte Lieferfrist einzuhalten, wenn er den
Warnhinweis der Klägerin erhalten hätte.
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Schriftsätzlich hat der Beklagte nicht vorgetragen, dass er bei einem erteilten
Warnhinweis besondere Maßnahmen ergriffen hätte, um die vereinbarte Lieferfrist
einzuhalten. Im Senatstermin befragt, hat er erklärt, dass er den Transportauftrag bei
einem erteilten Warnhinweis nicht angenommen hätte.
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Das hält der Senat nicht für glaubhaft. Der Beklagte konnte, so sein eigener Vortrag, die
Turbolader für den Transport nach H erst nach 20.00 Uhr in N laden, weil er nach der
Erteilung des Auftrages für den Transport nach H einen weiteren Auftrag für einen früher
auszuführenden Transport von C nach Q angenommen hatte. Da diese Umstände bei
der Erteilung des ersten Transportauftrages noch nicht vorlagen, ist es nicht
nachvollziehbar, warum der Beklagte gerade den (ersten) Transportauftrag für die Fahrt
nach H abgelehnt hätte, wenn er auf das Risiko eines besonderen
Verzögerungsschadens hingewiesen worden wäre. Zu diesem Zeitpunkt konnte er noch
nicht davon ausgehen, dass sein Fahrer die für den Transport nach H vorgesehene
Ladezeit aufgrund eines später erteilten weiteren Auftrages nicht würde einhalten
können.
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II. Das angefochtene Urteil war im Zinsausspruch abzuändern.
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Die geltend gemachten Rechtshängigkeitszinsen stehen der Klägerin gemäß § 288
Abs. 1 BGB nur in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu. Ein Fall des
§ 288 Abs. 2 BGB liegt nicht vor, weil die Klägerin kein Entgelt, sondern
Schadensersatz verlangt.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.
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IV. Der Senat hat die Frage der Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO geprüft und
hiervon abgesehen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch
eine Entscheidung des Revisionsgerichts zum Zwecke der Rechtsfortbildung oder zur
Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung veranlasst ist. Die für die Entscheidung
des Rechtsstreits erheblichen Rechtsfragen sind höchstrichterlich bereits entscheiden
worden; von der höchstrichterlichen Rechtssprechung weicht der Senat nicht ab.
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