Urteil des OLG Hamm vom 06.10.1988

OLG Hamm (vertragsstrafe, verjährung, unterlassungspflicht, zeitung, verjährungsfrist, uwg, versehen, höhe, verwirkung, zahlung)

Oberlandesgericht Hamm, 4 U 50/88
Datum:
06.10.1988
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 U 50/88
Vorinstanz:
Landgericht Bielefeld, 16 O 227/87
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21. Januar 1988 verkündete
Urteil der VIII. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld
teilweise abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, über den im landgerichtlichen Urteil
genannten Betrag hinaus an die Klägerin weitere 3.000,-- DM nebst 5%
Zinsen hiervon seit dem 30.10.1987 zu zahlen.
Der Beklagte trägt die gesamten Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer des Beklagten liegt unter 40.000,-- DM.
Tatbestand
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Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Zahlung zweier Vertragsstrafen in Höhe von
jeweils 3.000,-- DM. Sie stützt ihr Begehren auf eine strafbewehrte
Unterlassungsverpflichtung des Beklagten vom 11. Juli 1985, durch die er sich
verpflichtet hatte, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs keine
Anzeigen mehr zu verwenden, bei welchen der Hinweis auf den gewerblichen
Charakter des Angebotes fehlt. Zugleich hatte der Beklagte für jeden Fall der
Zuwiderhandlung die Zahlung einer Vertragsstrafe von 3.000,-- DM an die Klägerin
versprochen (Bl. 7 der Akten).
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In der Zeitung xxx vom 22.11.1986 und vom 27.05.1987 erschienenen Kleinanzeigen
des Beklagten mit denen dieser Eigentumswohnungen zum Verkauf nur unter Angabe
der Telefonnummer seiner Firma anbot. Mit Schreiben ihrer Prozeßbevollmächtigten
vom 17.09.1987 (Bl. 8 d.A.) forderte die Klägerin vom Beklagten wegen dieser Anzeigen
"die vereinbarte Vertragsstrafe von 3.000,-- DM". Daraufhin ließ der Beklagte mit
Anwaltsschreiben vom 25.09.1987 (Bl. 10 d.A.) den Verstoß gegen die
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Unterlassungsverpflichtung mit einem Versehen der Zeitung entschuldigen. Diese
Entschuldigung wies die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 15.10.1987 (Bl. 15 ff d.A.)
zurück und forderte unter Fristsetzung bis zum 29. Oktober 1987 von der Beklagten die
Zahlung zweier Vertragsstrafen in Gesamthöhe von 6.000,-- DM.
Dieser Zahlungsaufforderung kam der Beklagte nicht nach. Die darauf von der Klägerin
erhobene Klage hatte vor dem Landgericht nur in Höhe eines Betrages von 3.000,-- DM
Erfolg. Das Landgericht ist der mit Blick auf § 21 UWG erhobenen Verjährungseinrede
des Beklagten wegen der Zuwiderhandlung vom 22.11.1986 gefolgt und hat insoweit
das Vertragsstrafebegehren der Klägerin zurückgewiesen.
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Gegen dieses Urteil, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, richtet sich die
Berufung der Klägerin. Sie tritt der Rechtsauffassung des Landgerichts zur Frage der
Verjährung des Vertragsstrafeanspruches entgegen und macht ihrerseits geltend, daß
die Vertragsstrafe der regelmäßigen Verjährung von 30 Jahren unterliege.
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Die Klägerin beantragt,
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unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils den Beklagten zu
verurteilen, an sie weitere 3.000,-- DM nebst 5% seit dem 30.10.1987 zu zahlen.
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Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Berufung.
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Er verteidigt die landgerichtliche Rechtsauffassung zur Frage der Verjährung und erhebt
äußerst vorsorglich auch den Einwand der Verwirkung. Dazu führt er aus, die Klägerin
habe mit ihrem Schreiben vom 07.09.1987 klargestellt, daß sie wegen der ihr bekannten
Zeitungsanzeige vom 22.11.1986 keinerlei Vertragsstrafe verlangen wolle. Daran
müsse sie sich nun festhalten lassen. Im übrigen entschuldigt sich der Beklagte nach
wie vor mit einem Versehen der Zeitung.
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Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen
gewechselten Schriftsätze verwiesen.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
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Aus der Vertragsstrafevereinbarung mit dem Beklagten stehen ihr über den vom
Landgericht bereits zuerkannten Betrag hinaus weitere 3.000,-- DM nebst Zinsen zu.
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Die Anzeigenwerbung des Beklagten vom 22.11.1986 verstößt gegen das strafbewehrte
Unterlassungsversprechen, weil sie die Gewerblichkeit des Angebotes nicht erkennen
läßt. Das zieht auch der Beklagte nicht in Zweifel. Der Beklagte kann sich seiner
Verantwortlichkeit dafür nicht mit einem Hinweis auf ein Versehen der Zeitung
entziehen. Denn er hat für diese als seine Erfüllungsgehilfin bei schuldhaften Verhalten
einzustehen (§ 278 BGB; vgl. dazu BGH GRUR 1988, 561 = WRP 1988, 608 = NJW
1988, 1907). Nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten hat sich das
Publikationsorgan über den ausdrücklichen Hinweis, in der Anzeige die Firma des
Beklagten zu nennen, hinweggesetzt. Darin liegt eine vorwerfbare Pflichtwidrigkeit, die
der Beklagte letztlich zu vertreten hat (vgl. dazu BGH a.a.O.).
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Der Verstoß gegen das Unterlassungsversprechen löst die vereinbarte Vertragsstrafe
von 3.000,-- DM aus. Die demgegenüber mit Blick auf § 21 UWG erhobene Einrede der
Verjährung verfängt nicht, denn die kurze Verjährung jener Vorschrift findet auf diesen
Fall keine Anwendung. Jene betrifft gesetzliche Ansprüche, die dem
Anspruchsgläubiger aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb erwachsen,
wenn ein anderer gegen diese Rechtsregeln verstößt. Demgegenüber macht die
Klägerin hier jedoch einen vertraglichen Anspruch geltend. Dieser unterliegt
grundsätzlich nicht der deliktischen Verjährung des § 21 UWG, sondern selbständig der
für diesen geltenden Verjährungsfrist (BGHZ 66, 315; Staudinger-Dilcher, BGB, 12.
Aufl., § 194 RdNr. 19 mit weiteren Nachweisen; Palandt-Heinrichs, BGB, 47. Aufl., § 194
Anm. 3).
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Die Frage der Verjährung von Vertragsstrafen ist allerdings umstritten. Nach einer
Ansicht ist diejenige Frist maßgebend, die auch für den gesicherten Anspruch gilt (vgl.
dazu Soergel-Lindacher, BGB, 11. Aufl., § 339 RdNr. 29), nach einer anderen
Auffassung soll die Verjährungsfrist des Vertragsanspruches grundsätzlich 30 Jahre
betragen, selbst bei kürzerer Verjährungsfrist des zugrundeliegenden Anspruches
(Münchener Kommentar, BGB, 2. Aufl., § 339 RdNr. 10). Nach einer vermittelnden
Meinung soll die Verjährungsfrist des Hauptanspruches maßgebend sein, wenn die
Vertragsstrafe diesem wirtschaftlich entspricht (Palandt-Heinrichs a.a.O. § 195 Anm. 2b;
Horschitz, NJW 1973, 1958, 1960). Welche der Meinungen den Vorzug verdient, braucht
hier nicht entschieden zu werden, denn die Verjährungsfrage beantwortet sich in jedem
Fall gleich. Das Unterlassungsversprechen, das der Störer dem Anspruchsgläubiger,
der einen Wettbewerbsverstoß beanstandet, auf Verlangen erklärt, begründet bei seiner
Annahme durch den anderen Teil eine vertragliche Unterlassungspflicht. Das bei
berechtigtem Unterlassungsanspruch ursprünglich bestehende gesetzliche
Schuldverhältnis nach Maßgabe der Regeln des Wettbewerbsrechts wird dadurch
beseitigt und durch ein vertragliches ersetzt.
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Es ist anerkannten Rechts, daß schon die Abgabe einer strafbewehrten
Unterlassungserklärung, die eine erneute Rechtsverletzung derselben Art
ausgeschlossen erscheinen läßt, erst recht aber ein entsprechender Vertrag die
Wiederholungsgefahr ausgeräumt, mit der Folge, daß der durch eine Rechtsverletzung
zunächst begründete Unterlassungsanspruch erlischt (vgl. dazu Teplitzky,
Wettbewerbliche Ansprüche, 5. Aufl., Kapitel 11 RdNr. 5). Da der Verletzte und auch der
Verletzer ein für alle mal eine endgültige außergerichtliche Beilegung der
Auseinandersetzung wollen, die aber nur durch Begründung einer dauerhaften
vertraglichen Unterlassungspflicht zu erreichen ist, kommt dem Unterlassungsvertrag
innovative Bedeutung zu. Eine Abhängigkeit von dem Bestehen der alten (gesetzlichen)
Schuld ist nach Lage der Dinge nicht anzunehmen. Denn der Abgabe der
strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung liegt nicht in jedem Falle ein als sicher
festgestelltes gesetzliches Schuldverhältnis zugrunde. Sie dient vielmehr regelmäßig
dazu, das Streitverhältnis ohne endgültige Klärung weiteren Auseinandersetzungen zu
entziehen und klare Verhältnisse zu schaffen, bezweckt also die Begründung einer
Unterlassungspflicht unabhängig von einem etwaig existenten Schuldverhältnis. Das
bedeutet für den Gläubiger, zukünftig der Nachweispflicht enthoben zu sein, daß die
dem Versprechen zugrundeliegende Wettbewerbshandlung unzulässig war (vgl. dazu
Teplitzky a.a.O. Kapitel 11 RdNr. 6).
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Die wegen einer Zuwiderhandlung gegen die vertragliche Unterlassungspflicht
verwirkte Vertragsstrafe unterläge im Licht des oben dargestellten Meinungsstreits nur
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dann nicht der regelmäßigen Verjährung von 30 Jahren (§ 195 BGB), wenn sie
wirtschaftlich einem Anspruch - insoweit käme hier nur der Schadensersatzanspruch in
Betracht - gleichstände, der der kürzeren Verjährung unterliegt. Aber auch davon kann
hier nicht ausgegangen werden.
Zwar wohnt der Vertragsstrafe immer auch ein schadensersatzrechtliches Moment inne
(BGH NJW 1975, 163, 164; NJW 1986, 127 = GRUR 1985, 1065 = WRP 1986, 141);
das kann jedoch vorliegend nicht dazu führen, die Vertragsstrafe wirtschaftlich einem
Schadensersatzanspruch gleichzustellen, der der Verjährung des § 21 UWG
anheimfiele. Das selbständige Vertragsstrafeversprechen für den Fall der
Zuwiderhandlung gegen die vertragliche Unterlassungspflicht hat nämlich
schwergewichtig präventiven Charakter, weil sie als Druckmittel dazu dienen soll, den
Störer von künftigen Rechtsverletzungen der beanstandeten Art abzuhalten (vgl. BGH
NJW 1983, 1060 = GRUR 1983, 186 = WRP 1983, 264). Der Anspruchsgläubiger wird
dadurch in eine ähnliche Lage versetzt, wie sie derjenigen bei Titulierung des
gesetzlichen Unterlassungsanspruches entspricht. Die vorrangige Bedeutung der
Vertragsstrafe als Druck- und Sanktionsmittel gegen den Unterlassungsschuldner zeigt
sich in Sonderheit in den Fällen der Übernahme einer strafbewehrten vertraglichen
Unterlassungspflicht gegenüber einem Verband, der durch die aufgegriffene
Wettbewerbshandlung des Unterlassungsschuldners regelmäßig keinen Schaden
erleidet. Der Umstand, daß die Vertragsstrafe für den Mitbewerber auch
schadensersatzrechtliche Funktion haben kann, nimmt ihr nicht ihre präventive
Bedeutung, sie wird dadurch keinesfalls zum bloßen Schadensersatz. Andernfalls wäre
die Rechtsprechung zur Drittunterwerfung (vgl. dazu auch BGH NJW 1983, 1060 =
GRUR 1983, 186 = WRP 1983, 264 sowie GRUR 1987, 640 = WRP 1987, 557) auch
nicht zu rechtfertigen.
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Danach ist im Ergebnis festzustellen, daß die bei Zuwiderhandlung gegen die
vertragliche Unterlassungspflicht verwirkte Vertragsstrafe der 30-jährigen Verjährung
unterliegt. (Vgl. dazu Landgericht Mannheim, GRUR 1987, 743).
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Daß die kurze Verjährung eines deliktischen Anspruches auf einen gleichgerichteten
vertraglichen Anspruch durchschlägt, wird soweit ersichtlich nirgends bejaht (vgl. dazu
Staudinger-Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 194 RdNr. 23). Durchgreifende der
Gesichtspunkte, die eine auch dogmatisch begründbare Beurteilung rechtfertigen
könnten, hat der Beklagte nicht aufgezeigt, sie sind auch sonst nicht ersichtlich.
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Der Beklagte kann der Klageforderung auch nicht den Einwand der Verwirkung
entgegenhalten.
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Die Klägerin hat zwar zunächst den Eindruck erweckt, als wolle sie wegen der
Zuwiderhandlungen vom 22. November 1986 und 27. Mai 1987 insgesamt nur eine
Vertragsstrafe geltend machen. Aus dem Schreiben der erstinstanzlichen
Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vom 15. Oktober 1987 (Bl. 15 d.A.) ergibt sich
nämlich, daß sie zunächst (vgl. Schreiben vom 17.09. Bl. 8 ff sowie vom 29.09. Bl. 12 ff
d.A.) nur eine Vertragsstrafe von 3.000,-- DM hat einfordern wollen.
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Das allein begründet aber nicht das Umstandsmoment der Verwirkung. Denn insoweit
muß hinzukommen, daß sich der Beklagte auch darauf einrichtet, nur in Höhe eines
Betrages von 3.000,-- DM in Anspruch genommen zu werden, so daß ihm die verspätete
Geltendmachung nicht mehr zugemutet werden kann. In diese Richtung lassen sich
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allerdings keine Feststellungen treffen, zumal der Beklagte insoweit selbst nichts
vorgetragen hat.
Der Zinsanspruch beruht auf §§ 284, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB, 352 HGB.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Die Sache bedarf nicht der Zulassung der Revision, weil die im vorstehenden Sinne
beantwortete Rechtsfrage der Verjährung keiner höchstrichterlichen Klärung bedarf. Die
Entscheidung bewegt sich im Rahmen der bisherigen Rechtpraxis der
höchstrichterlichen Rechtsprechung.
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