Urteil des OLG Hamm vom 05.10.2009

OLG Hamm (kläger, fristlose kündigung, sparkasse, zeuge, kündigung, ohg, sohn, höhe, vernehmung, abtretung)

Oberlandesgericht Hamm, 18 U 104/08
Datum:
05.10.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
18. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 U 104/08
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 22 O 80/07
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 2. Mail 2008 verkündete Urteil
der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster wird
zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung aus diesem Urteil durch Sicherheits-
leistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden,
wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe leistet.
Das Urteil beschwert den Kläger mit mehr als 20.000,00 € und die Be-
klagte mit weniger als 20.000,00 €; die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
1
A. Sachverhaltsdarstellung
2
Der Senat nimmt Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil.
Der Sachverhalt stellt sich nunmehr wie folgt dar:
3
Der Kläger macht im Wege der Prozessstandschaft Ansprüche gegen die Beklagte
geltend, die er aus dem mit den Rechtsvorgängern der Beklagten am 28.02./28.03.1977
geschlossenen Geschäftsleitervertrag (K 3, Bl. 32-51 d.A.) herleitet.
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Diese Ansprüche trat der Kläger mit einer "Abtretung von Außenständen
(Globalabtretung)" vom 20.08.2004 (K 1, Bl. 28-30 d.A.) sicherheitshalber an die
Sparkasse S4 S ab, die ihn mit Schreiben vom 21.11.2006 (K 2, Bl. 31 d.A.) zur
Prozessführung ermächtigt hat. Bereits zuvor, mit "Sicherungsvereinbarung mit
Forderungsabtretung" vom 08.01./24.01.2002 (K 35, Bl. 264f d.A.), hatte der Kläger
einen erstrangigen Teilbetrag von 1 Mio. € seines Handelsvertreterausgleichsanspruchs
zur Sicherheit an die Sparkasse S4 S abgetreten.
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Als Geschäftsstellenleiter vermittelte der Kläger seit dem 01.04.1977
Versicherungsverträge für die Beklagte (bzw. ihre Rechtsvorgänger) und für ihre
Kooperationsgesellschaften, u.a. die L AG.
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Seit dem 01.10.1999 war auch der Sohn des Klägers, der Zeuge O, für die Beklagte
tätig.
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Ab dem 01.10.2001 führten der Kläger und sein Sohn die Geschäftsstelle in
"Geschäftsstellenleiterpartnerschaft" gemeinsam und gegenüber der Beklagten unter
einer Vertreternummer mit einem gemeinsamen Provisionskonto. Sie firmierten als O &
O OHG.
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Ihre gemeinsame Geschäftsstellenleitertätigkeit regelten der Kläger und sein Sohn mit
einem Gesellschaftsvertrag der O & O OHG vom 01.10.2001 (BK 6, Bl. 472-484 d.A.).
Die hierbei mit der Beklagten getroffenen Absprachen fasste diese mit zwei an den
Kläger und an seinen Sohn gerichtete Schreiben vom 27.09.2001 (K 27, Bl. 157f d.A.
und BK 7, Bl. 485-487 d.A.) zusammen. Der Kläger übertrug 1/3 seines Bestandes auf
seinen Sohn und erhielt hierfür einen Handelsvertreterausgleich. Die nach dem
01.10.2001 vermittelten und zu betreuenden Verträge und Kunden ordnete die Beklagte
der gemeinsam betriebenen Geschäftsstelle und nicht einzeln dem Kläger oder seinem
Sohn zu. Den im Zusammenhang mit den Versicherungsverträgen zu führenden
Schriftverkehr richtete die Beklagte an die O & O OHG.
9
Die Geschäftsstelle verfügte über zwei Büros in der T-T2. und in der X-Straße in S.
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In den Jahren 2002 und 2003 erhielt der Kläger von der Beklagten Darlehn und
Provisionsvorschüsse. Am 02.01.2006 gingen die Parteien davon aus, dass der Kläger
der Beklagten insgesamt 132.733,00 € schuldet.
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Seit dem Jahre 2003 zahlte die Beklagte für das Erreichen bestimmter Ziele eine
variable Leistungsprämie an ihre Handelsvertreter, die sie nach Maßgabe eines für jede
Geschäftsstelle erstellten Erfolgskompasses bemaß. Die Geschäftsstelle des Klägers
erwirtschaftete 2004 eine Leistungsprämie von 79.109,60 €. Für das Jahr 2005 ermittelte
die Beklagte eine bis Oktober erwirtschaftete Leistungsprämie von 44.927,50 €
(Schreiben vom 17.11.2005, K 5, Bl. 53 d.A.), die sie nicht an den Kläger auszahlte.
12
Mit Schreiben vom 31.08.2005 (K 7, Bl. 57f d.A.) kündigte der Sohn des Klägers sein
Vertragsverhältnis mit der Beklagten zum 30.09.2005. Der Kläger führte daraufhin die
Geschäftsstelle allein im Büro in der X fort. Hierüber informierte der Kläger die
Bezirksdirektion der Beklagten mit Schreiben vom 04.10.2005 (K 8, Bl. 59 d.A.). In den
Büroräumen in der T2. wurde der Sohn des Klägers in der Folgezeit als selbständiger
Versicherungsmakler tätig.
13
Am 24.10.2005 fand eine Besprechung zwischen dem Kläger, seinem Sohn und dem
zuständigen Bezirksdirektor der Beklagten, dem Zeugen O2, statt, mit der der Zeuge O2
den Sohn des Klägers zur Wiederaufnahme seiner Geschäftsstellenleitertätigkeit für die
Beklagte veranlassen wollte. Diese Bemühungen blieben ohne Erfolg. Streitig ist, ob der
Zeuge O2 dem Kläger bei dieser Besprechung Nachteile androhte.
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Mit Schreiben vom 16.11.2005 (Bl. 271 d.A.) teilte die Beklagte dem Sohn des Klägers
15
mit, dass der mit ihm abgeschlossene Geschäftsleitervertrag zum 30.09.2005 beendet
werde.
Mit zwei am 24.11.2005 in der Geschäftsstelle des Klägers in S abgegebenen
Schreiben vom 24.11.2005 (K 9, Bl. 60/61 d.A.) kündigte die Beklagte den Vertrag mit
dem Kläger zunächst ordentlich zum 31.12.2006 und stellte ihn von jeder weiteren
Tätigkeit für die Beklagte frei.
16
Mit Schreiben vom 08.12.2005 (K 10, Bl. 62 d.A.) erklärte die Beklagte die fristlose
Kündigung des Geschäftsleitervertrages gegenüber dem Kläger mit der Begründung,
der Kläger habe gegen das Konkurrenzverbot gem. Ziff. 6 des
Geschäftsstellenleitervertrages und gegen die mit der Freistellung verbundene
Verpflichtung, sich jeder weiteren Tätigkeit für die Beklagte zu enthalten, verstoßen.
17
Der Kündigung widersprach der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 09.12.2005 (K
31, 197-199 d.A.).
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Mit Schreiben vom 15.12.2005 (K 11, Bl. 63 d.A.) sprach die Beklagte eine zweite
fristlose Kündigung aus mit der Begründung, die Geschäftsunterlagen der Beklagten
seien nicht herausgegeben worden.
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Auch diese Kündigung wies der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 22.12.2005 (K 32, Bl.
200f d.A.) zurück.
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Mit Schreiben vom 02.01.2001 (K 12, Bl. 64 d.A.) sprach die Beklagte die dritte fristlose
Kündigung mit der Begründung aus, der Kläger habe Morddrohungen zum Nachteil
ihres Bezirksdirektors O2 ("Dann erschieß ich mich und den O2 nehme ich mit.")
ausgesprochen. Dem ging ein vom Kläger am 19.12.2005 mit dem Prokuristen der
Beklagten S2 geführtes Telefonat voraus.
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Das dritte Kündigungsschreiben erhielt der Kläger am 02.01.2006 bei einem Treffen im
Büro der Prozessbevollmächtigten der Beklagten in Münster. Im Rahmen dieses
Treffens kam es zu einer Abwicklungsvereinbarung nebst Ergänzung (K 13, Bl. 65-69
d.A.). In den Urkunden war u.a. vereinbart, dass der Kläger auf weitere Provisionen und
einen Handelsvertreterausgleich verzichtet und für ein bis zum 02.01.2007 befristetes
Wettbewerbsverbot von der Beklagten 232.733,00 € erhalten sollte. Von dem Betrag
sollten 132.733,00 € auf unstreitige Forderungen der Beklagten gegen den Kläger
verrechnet werden und die verbleibenden 100.000,00 € im Hinblick auf die angezeigte
Abtretung an die Sparkasse S4 S gezahlt werden.
22
Die zuletzt genannten 100.000,00 € zahlte die Beklagte im Anschluss an die
Vereinbarung am 06.01.2006 an die Sparkasse S4 S.
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Mit Schreiben seiner erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom 21.09.2006 (K 14,
Bl. 70-80 d.A.) erklärte der Kläger die Anfechtung der Vereinbarungen vom 02.01.2006
wegen widerrechtlicher Drohung und forderte die Beklagte zur Zahlung einer
Freistellungsvergütung und weiterer Beträge auf. Die Anfechtung und die Ansprüche
wies die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 22.09.2006 (K 15, Bl. 81f d.A.)
zurück.
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Der Kläger hat die Vereinbarung vom 02.01.2006 aufgrund der erklärten Anfechtung,
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gemäß § 138 Abs. 2 BGB sowie aufgrund der fehlenden Zustimmung der Sparkasse S4
S und auch die fristlosen Kündigungen für nichtig gehalten.
Er hat behauptet, der Zeuge O2 habe in dem am 24.10.2005 geführten Gespräch damit
gedroht, ihn, den Kläger, "platt zu machen". Er, O2, werde einen Grund für eine fristlose
Kündigung des Klägers durch die Beklagte finden und diese veranlassen, ihre
Zahlungen an den Kläger einzustellen. Einen deswegen geführten Rechtsstreit werde
der Kläger finanziell nicht überstehen, wenn er erst einmal mehrere Monate kein Geld
erhalten habe. In dem Gespräch vom 02.01.2006 sei ihm, dem Kläger, ebenfalls gedroht
worden. Die Vertreterin der Beklagten Frau Dr. L3 habe in dem Gespräch erklärt, dass
die fristlosen Kündigungen der Beklagten zwar unberechtigt seien, die Beklagte die
berechtigten Ansprüche des Klägers aber dennoch nicht erfüllen werde. Auch sie habe
dem Kläger in Aussicht gestellt, dass er einen langjährigen Prozess führen müsse, den
er finanziell und gesundheitlich nicht überstehe, so dass ihm nichts anderes übrig bleibe
als sich auf das am 02.01.2006 gemachte Angebot der Beklagten einzulassen.
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Unter näherer Darlegung zur Höhe (Seite 15 bis 26 der Klageschrift vom 17.04.2007, Bl.
15-26 d.A.) hat der Kläger folgende Forderungen gegen die Beklagte geltend gemacht:
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a) Handelsvertreterausgleich: 258.900,05 €
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b) Freistellungsvergütung für die Zeit vom 25.11.2005 bis 31.12.2006: 448.181,76 € (402
Tage á 1.114,88 €)
29
c) Leistungsprämie 2005 gemäß Schreiben der Beklagten vom 17.11.2005 (K 5, Bl. 53
d.A.) für die Zeit bis zum Okt. 2005: 44.927,50 € (Die Leistungsprämie für die Monate
Nov. und Dez. 2005 macht der Kläger mit der Stufenklage geltend).
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d) unberechtigte Rückbuchung vom 24.11.2005, Mietzinszuschuss für die Monate
Oktober und November 2005: 760,00 €
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Auf den errechneten Ausgleich lässt sich der Kläger die nach dem 06.01.2005
gezahlten 100.000,00 € anrechnen.
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Der Kläger hat beantragt,
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1. die Beklagte zu verurteilen, 672.271,80 € nebst Zinsen in Höhe von 8
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 490.051,04 € seit dem 01.02.2007 bis
Rechtshängigkeit und aus 648.951,09 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen, und zwar
a) an die Sparkasse S4 S, S5, ####1 S, b) hilfsweise an ihn;
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2. die Beklagte im Wege der Stufenklage zu verurteilen, a) dem Kläger eine
Abrechnung über die von ihm verdiente Leistungsprämie für das Jahr 2005 zu
erteilen, b) den sich aus der Abrechnung ergebenden, noch zu beziffernden Betrag
abzüglich 44.927,50 € nebst 5 % Fälligkeitszinsen aus dem noch zu zahlenden
Betrag seit dem 01.02.2006 bis zum 22.09.2006 sowie Zinsen in Höhe von
8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem noch zu zahlenden Betrag seit
dem 23.09.2006 an die Sparkasse S4 S, S5, ####1 S zu zahlen;
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3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Anwaltsgebühren in Höhe von
6.050,91 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz seit
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Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat die Vereinbarungen vom 02.01.2006 und auch ihre fristlosen Kündigungen für
wirksam gehalten. Die vom Kläger behaupteten Drohungen durch den Zeugen O2 und
ihre Mitarbeiterin L3 hat sie bestritten. Mit ihren Forderungen in Höhe von 132.733,00 €
gegen den Kläger hat sie hilfsweise gegenüber der Klageforderung aufgerechnet.
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Zur Begründung der fristlosen Kündigungen hat die Beklagte vorgetragen:
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Die Kündigung vom 08.12.2005 sei gerechtfertigt, weil der Kläger nach seiner
Freistellung unzulässige Konkurrenztätigkeiten ausgeübt habe. Er habe die Fa. S7,
einen ihrer Großkunden, am 25.11.2005 veranlasst, seinem Sohn einen
Versicherungsmaklerauftrag zu erteilen, um die Umdeckung der zuvor bei der Beklagten
bestehenden Kraftfahrtversicherungsverträge herbeizuführen. Dass sein Sohn nicht
mehr für die Beklagte tätig gewesen sei, habe der Kläger dabei verschwiegen. Am
30.11.2005 habe der Kläger zusammen mit seinem Sohn einen Termin bei der
Baugenossenschaft S wahrgenommen und dabei gemeinsam mit seinem Sohn
Konkurrenzprodukte der S6 Versicherung angeboten. Aus dem Büro des Klägers in der
X sei zudem eine Rufumleitung in das Büro auf der T2. geschaltet worden.
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Die Kündigung vom 15.12.2005 sei begründet, weil der Kläger auf ihr Verlangen vom
05.12.2005, ihre Geschäftsunterlagen sofort herauszugeben, nicht reagiert und
Unterlagen dazu benutzt habe, seinen Sohn bei der Umdeckung von Versicherungen
aus dem Bestand der Beklagten auf andere Versicherer zu unterstützen.
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Schließlich sei auch die Kündigung vom 02.01.2006 zu Recht erfolgt. Der Kläger habe
am 19.12.2005 in einem mit dem Prokuristen der Beklagten, dem Zeugen S2, geführten
Telefonat konkrete Morddrohungen gegen den Bezirksdirektor O2 ausgesprochen,
indem er zu dem Zeugen S2 gesagt habe: "Wenn der mich platt macht, mache ich den
auch platt. Dann erschieße ich mich und den O2 nehme ich mit." Die Beklagte habe
diese Äußerung als Morddrohung ernst genommen, zumal der Kläger - was unstreitig ist
- auch Jäger sei und über Schusswaffen verfüge.
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Der Kläger hat die vorgetragenen Kündigungsgründe bestritten. Zur Kündigung vom
08.12.2008 hat er vorgetragen, er sei letztmalig am 23.11.2005 bei der Fa. S7 gewesen
und habe einen Antrag auf Abschluss einer Gebäudeversicherung bei der Beklagten
aufgenommen. Zufällig habe sein Sohn die Fa. S7 zur selben Zeit aufgesucht und habe
Versicherungsmaklerdienste angeboten, was er, der Kläger, nicht unterstützt habe. Am
30.11.2005 habe er keinen Termin bei der Baugenossenschaft wahrgenommen und sei
dieser gegenüber auch nicht mehr geschäftlich tätig geworden. Von der Rufumleitung,
die eine Mitarbeiterin seines Sohnes eigenmächtig eingerichtet habe, habe er bis zum
02.01.2006 keine Kenntnis gehabt. Die Herausgabe der Geschäftsunterlagen der
Beklagten habe er nicht verweigert und nicht verzögert. Eine Umdeckung oder
Kündigung von Verträgen der Beklagten und seine Beteiligung an derartigen
Vorgängen hat der Kläger bestritten. Er hat außerdem bestritten, in dem mit dem
Prokuristen S2 geführten Telefonat eine Morddrohung ausgesprochen zu haben. Vor
dem Hintergrund der vom Zeugen O2 veranlassten Kündigungen habe er emotional
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erregt erklärt, "wenn der O2 mich platt macht, mache ich den auch platt, den nehm ich
mit" und damit gemeint, dass er dem Zeugen O2 beruflich schaden wolle, indem er sein
Verhalten dem Vorstand der Beklagten anzeige. Keinesfalls habe er damit gedroht, den
Zeugen O2 umzubringen.
Das Landgericht hat die Zeugen L2, S7, O2, O3, O4 und O vernommen. Mit Urteil vom
02.05.2008 hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen
ausgeführt:
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Die geltend gemachten Ansprüche stünden dem Kläger nicht zu. Zwar habe der
Vergleich vom 02.01.2006 keine schuldumschaffende Wirkung, weil der Kläger
aufgrund der Abtretung der Forderungen an die Sparkasse nicht mehr befugt gewesen
sei, über diese zu verfügen, und die Sparkasse den Verfügungen vom 02.01.2006 nicht
zugestimmt habe. Einen Handelsvertreterausgleich könne der Kläger aber deswegen
nicht verlangen, weil die Beklagte am 08.12.2005 wirksam fristlos gekündigt habe. Der
Kläger habe bei einem am 23.11.2005 gemeinsam mit seinem Sohn mit der Fa. S7
geführten Beratungsgespräch gegen Wettbewerbsverbote verstoßen und den Interessen
der Beklagten in erheblicher Weise zuwidergehandelt. Das ergebe sich aus den vom
Kläger selbst eingeräumten Abläufen und der Aussage der Zeugin L2. Eine
Freistellungsvergütung könne der Kläger nur für die Zeit vom 25.11.2005 bis zum
08.12.2006 für 14 Tage beanspruchen. Nach dem von der Beklagten nicht substantiiert
bestrittenen Tagessatz des Klägers von 1.114,88 € ergebe sich ein Betrag von
15.608,32 €, der durch die bereits gezahlten 100.000,00 € getilgt sei. Der vom Kläger für
die Leistungsprämie angesetzte Betrag von 44.927,50 € sei ebenfalls durch die Zahlung
der 100.000,00 € erfüllt worden. Der Betrag von 760,00 € (Mietzuschuss für Okt. und
Nov. 2005) stehe dem Kläger zu, weil erst im Dezember 2005 wirksam gekündigt
worden sei. Auch er sei mit den gezahlten 100.000,00 € erfüllt worden. Die Stufenklage
sei insgesamt abzuweisen. Für den Abrechnungsanspruch fehle das
Rechtsschutzbedürfnis, weil der Kläger den ihm für die Monate November und
Dezember 2005 zustehenden Prämienanteil auf der Grundlage des Erfolgskompasses
der Beklagten vom 07.11.2005 ermitteln könne und in der Klageschrift selbst auf
13.658,50 € geschätzt habe. Ein Abrechnungsanspruch bestehe auch deswegen nicht,
weil die vorläufig berechnete Prämie von 13.658,50 € mit den gezahlten 100.000,00 €
ebenfalls erfüllt sei. Die Klärung der Höhe der Leistungsprämie für die Monate
November und Dezember könne einem ggfls. von der Beklagten zu betreibenden
Verfahren auf Rückforderung der verbleibenden Restbeträge aus der Summe von
100.000,00 € vorbehalten werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur
Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen
Urteils Bezug genommen.
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Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten
Berufung. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.
47
Unter näherer Darlegung der Umstände des Zusammentreffens mit seinem Sohn am
23.11.2005 bei der Fa. S7 hat er die Auffassung vertreten, die Feststellungen des
Landgerichts rechtfertigten keine fristlose Kündigung. Das Landgericht habe zudem
nicht berücksichtigt, dass nach dem Klagevortrag ein anderer Prüfungsmaßstab an die
Beurteilung der Kündigungen anzulegen sei. Der Kläger habe mit den Äußerungen des
Bezirksleiters O2 vom 24.10.2005 ein eigenes vertragswidriges Verhalten der Beklagten
behauptet und unter Beweis gestellt. Die Beklagte habe die Absicht verfolgt, ihn, den
Kläger, mit einer unberechtigten fristlosen Kündigung zu ruinieren und erheblichen
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Druck ausgeübt, um ihre Geschäftsinteressen durchzusetzen. Auch der Ausspruch der
ordentlichen Kündigung mit der Freistellung sei gesetzeswidrig gewesen, weil die
Beklagte eine unwirksame Freistellungsklausel verwende. Aus dem gesetzeswidrigen
Verhalten der Beklagten ergebe sich eine Einschränkung ihres Kündigungsrechts. In
dieser Situation habe der Kläger nicht vertragswidrig agiert, einen Anspruch auf seine
uneingeschränkte Loyalität habe die Beklagte nur haben können, wenn sie ihre
Drohungen zurückgenommen hätte, was sich nicht getan habe.
Im Übrigen hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass die Kündigungen der
Beklagten aus formalen Gründen unwirksam seien, weil sie ihm gegenüber und nicht
gegenüber der O & P3 OHG ausgesprochen worden seien. Nach der Gründung der
OHG und dem Betrieb der Geschäftsstelle durch sie, seien die Rechte und Pflichten aus
seinem Geschäftsleitervertrag mit der Beklagten auf die OHG übergegangen. Die OHG
und die Sparkasse S4 S hätten ihn für den Fall, dass er die Kündigungen für wirksam
ansehe, ermächtigt, die sich für sie ergebenden Ansprüche geltend zu machen.
49
Der Kläger beantragt,
50
das angefochtene Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Beklagten nach
seinen erstinstanzlichen Klageanträgen zu verurteilen.
51
Die Beklagte beantragt,
52
die Berufung zurückzuweisen.
53
Sie verteidigt das angefochtene Urteil, wobei sie ihren erstinstanzlichen Vortrag
ebenfalls wiederholt und vertieft. Die Berufungsbegründung zeige keine Anhaltspunkte
auf, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der erstinstanzlichen
Feststellungen begründen könnten. An ihrer bereits erstinstanzlich erklärten
Hilfsaufrechnung mit der unstreitigen Gegenforderung von 132.733,00 € halte die
Beklagte fest. Außerdem rechne sie hilfsweise mit einem Rückforderungsanspruch aus
den gezahlten 100.000,00 € in Höhe von 25.045,68 € auf, der sich durch den Abzug der
vom Landgericht zuerkannten Beträge ergebe (100.000,00 € ./. 15.608,32 € ./.
44.927,59 € ./. 760,00 € ./. 13.658,50 € = 25.045,68 €).
54
In der mündlichen Verhandlung vom 5. Oktober 2009 hat die Beklagte erklärt, dass sie
für den Fall, dass der Senat die fristlose Kündigung vom 02.01.2006 für durchgreifend
erachte, aus den anderen Kündigungserklärungen keine Rechte herleite.
55
Der Senat hat die Akten 62 Js 5369/07 StA Münster, 62 Js 1912/07 StA Münster und 82
Js 84/06 StA Münster beigezogen, den Kläger angehört und durch die Vernehmung der
Zeugen S2, P, O2, O und Q Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Anhörung
und der Beweisaufnahme wird auf die Berichterstattervermerke zu den Senatsterminen
vom 09.03.2009 und 05.10.2009 verwiesen.
56
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
bezeichneten Urkunden und den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen
Bezug genommen.
57
B. Begründung
58
Die Berufung des Klägers ist unbegründet.
59
Die Klage ist zulässig, der Kläger klagt zulässigerweise als Prozessstandschafter der
Sparkasse S4 S (I.). In der Sache hat die Klage aber keinen Erfolg (II). Zwar ist die
Sparkasse S4 S aktivlegitimiert (II.1) und schließt der außergerichtliche Vergleich der
Parteien vom 02.01.2006 die Klageforderung nicht aus, weil er unwirksam ist (II.2.).
Allerdings hat die Beklagte das Handelsvertreterverhältnis mit Schreiben vom
02.01.2006 wirksam fristlos gekündigt, so dass der Kläger keinen
Handelsvertreterausgleich verlangen kann (II.3.). Die bis zu diesem Zeitpunkt
begründeten Zahlungsansprüche einschließlich des mit der Stufenklage verfolgten
Anspruches hat die Beklagte erfüllt, weitergehende Ansprüche stehen dem Kläger nicht
zu (II.4.).
60
I. Die Klage ist zulässig. Sie ist nicht unzulässig aufgrund einer dem Kläger fehelnden
Prozessführungsbefugnis. Auf Seiten des Klägers liegen die Voraussetzungen einer
gewillkürten Prozessstandschaft vor.
61
1. Die streitgegenständlichen Ansprüche sind an die Sparkasse S4 S abgetreten
worden, § 398 BGB.
62
a) Die Abtretung des Ausgleichsanspruchs in Höhe eines erstrangigen Teilbetrages von
1 Mio. € haben der Kläger und die Sparkasse S4 S mit der "Sicherungsvereinbarung mit
Forderungsabtretung" vom 08.01./24.01.2002 vereinbart. Die von dieser Abtretung nicht
erfassten (weitergehenden) Klageforderungen stehen der Sparkasse S4 S aufgrund der
mit dem Kläger zum 20.08.2004 vereinbarten Globalabtretung zu.
63
Mit der Globalabtretung vom 20.08.2004 haben der Kläger und die Sparkasse S4 S eine
umfassende Sicherungsabtretung vereinbart. Die Abtretung erfasste alle bestehenden
und künftigen Forderungen der O & O OHG und des Klägers gegen die Beklagte aus
Warenlieferungen und Leistungen sowie aus Provisionszahlungen nach den jeweils
gültigen Vertreterverträgen. Die vom Kläger im vorliegenden Rechtsstreit geltend
gemachten Ansprüche stellen in diesem Sinne "Leistungen" der Beklagten nach dem
Geschäftsleitervertrag der Parteien dar.
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b) Der Senat kann an dieser Stelle offen lassen, ob die streitgegenständlichen
Ansprüche bei Vereinbarung der Abtretungen dem Kläger oder der O & O OHG
zustanden. In beiden Fällen sind die Ansprüche auf die Sparkasse S4 S übergegangen.
65
aa) Standen die Ansprüche dem Kläger zu, hat die Sparkasse S4 S die Ansprüche mit
den beiden Abtretungen vom 08.01./24.01.2002 und 20.08.2004 erworben, weil diese
Abtretungsvereinbarungen die dem Kläger persönlich zustehenden Ansprüche
erfassen.
66
bb) Standen sie der OHG zu, wurden alle Ansprüche von der Globalabtretung vom
20.08.2004 erfasst, weil dann die Abtretung vom 08.01./24.01.2002 ins Leere ging.
Letztere bezog sich nur auf einen dem Kläger zustehenden Ausgleichsanspruch. Ein
der OHG zustehender (künftiger) Ausgleichsanspruch gehörte mithin zu den
Forderungen, die der Kläger am 20.08.2004 namens der OHG noch abtreten konnte.
67
Der Kläger war gemäß § 125 Abs. 1 HGB auch dazu befugt, namens der O & O OHG
eine Globalabtretung mit der Sparkasse S4 S zu vereinbaren. Gemäß § 5 Ziffer 1. des
68
Gesellschaftsvertrages der O & O OHG war er alleinvertretungsberechtigter
Gesellschafter. Das in § 5 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrages für außergewöhnliche
Geschäfte vereinbarte Zustimmungserfordernis der anderen Gesellschafter, vorliegend
seines Sohnes O, schränkte seine Vertretungsmacht gemäß § 126 Abs. 2 HGB nicht
ein.
c) Die Globalabtretung ist auch im Übrigen wirksam.
69
aa) Sie ist bestimmt genug, weil die Vereinbarung erkennen lässt, ob eine Forderung im
Zeitpunkt ihres Entstehens von der Abtretung erfasst wird. Gläubiger und Schuldner der
abgetretenen Forderungen und auch das zugrunde liegende Rechtsverhältnis, aus dem
die Forderungen entstanden sind bzw. künftig entstehen können, sind klar bezeichnet.
70
bb) Die Globalabtretung bleibt auch dann wirksam, wenn sie dem Kläger zustehende,
unpfändbare Provisionsansprüche umfasst.
71
Allerdings wäre sie in diesem Fall gem. § 400 BGB unwirksam, soweit sie sich auf den
Teil der Provisionsansprüche des Klägers gem. § 87 HGB erstreckt, die den
Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850ff ZPO unterliegen und sie den unpfändbaren
Teil nicht ausnimmt (vgl. BAG 5 AZR 77/61, NJW 1962, 1221; Hopt,
Handelsvertreterrecht, 4. Aufl. 2009, § 87 Rz. 49f).
72
Hinsichtlich ihres weitergehenden Inhalts bleibt sie gemäß § 139 BGB wirksam. Der als
Arbeitseinkommen nicht pfändbare Teil der Provisionsansprüche des Klägers kann von
seinen weitergehenden Zahlungsansprüchen gegen die Beklagte getrennt werden.
Nach dem mit der Globalabtretung vom Kläger und der Sparkasse S4 S verfolgten
Sicherungsinteresse ist zudem anzunehmen, dass die Beteiligten das nicht pfändbare
Arbeitseinkommen von der Globalabtretung ausgenommen hätten, wenn sie an die
Bestimmung des § 400 BGB gedacht hätten.
73
2. Die Voraussetzungen der gewillkürten Prozessstandschaft bei der Geltendmachung
abgetretener Ansprüche – Ermächtigung des Klägers durch die Zessionarin, die
Sparkasse S4 S, sowie das schutzwürdige Interesse des Klägers an der
Prozessführung – sind erfüllt.
74
Das schutzwürdige Interesse des durch die Sparkasse S4 S ermächtigten Klägers wäre
nur dann zu verneinen, wenn der Kläger ohne die Abtretung nicht der Anspruchsinhaber
wäre, sondern die O & O OHG, die aus dem Kläger und seinem Sohn, dem Zeugen O,
bestand. Im letzteren Fall hätte nämlich die Sparkasse S4 S zur Begründung der
gewillkürten Prozessstandschaft die OHG und nicht den Kläger ermächtigen müssen.
75
Im Streitfall sind die Voraussetzungen der gewillkürten Prozessstandschaft gegeben.
76
Die abgetretenen streitgegenständlichen Forderungen stehen ohne Berücksichtigung
der Abtretung dem Kläger und nicht der OHG zu. Denn die offene Handeslgesellschaft,
bestehend aus dem Kläger und seinem Sohn, ist erloschen, da einer der zwei
Gesellschafter ausgeschieden ist. Das Gesellschaftsvermögen geht in diesem Fall im
Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den verbliebenen Gesellschafter über, vgl. BGH II
ZR 247/01, NZI 2005, 287 (288); Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 33. Aufl. 2008, §
131 HGB Rz. 35 m.w.Nachw. Führt er die Geschäfte der OHG fort, wird er als
Einzelkaufmann tätig.
77
Von einem derartigen Fall ist vorliegend auszugehen.
78
Der Zeuge O ist im November des Jahres 2005 aus der O und O OHG ausgeschieden.
Das folgt aus § 15 Ziffer 4 des Gesellschaftsvertrages der O & O OHG. Nach dieser
Vertragsbestimmung schied ein Gesellschafter ohne weitere Kündigung aus der OHG
aus, wenn sein Handelsvertretervertrag mit der Provinzial endete.
79
Der Handelsvertretervertrag des Zeugen O mit der Beklagten ist jedenfalls im November
2005 beendet gewesen.
80
Der Zeuge O hatte seinen Handelsvertretervertrag mit der Beklagten mit Schreiben vom
31.08.2005 zum 30.09.2005 gekündigt. Es kann dahinstehen, ob bereits diese
Kündigung wirksam war. Der Kläger, der Zeuge O und die Beklagte haben sich
jedenfalls im November 2005 darüber verständigt, dass O nicht länger als
Geschäftsstellenleiter der Beklagten tätig sein sollte.
81
Eine derartige Einigung ergibt sich aus den Umständen, die die Beklagte dazu
veranlassten, die Kündigung des Zeugen O mit Schreiben vom 16.11.2005 zu
akzeptieren:
82
Dem Kläger war seinerzeit bekannt, dass sein Sohn bei der Beklagten gekündigt hatte.
Er hat diese Kündigung hingenommen, wie er dem Senat bei seiner Anhörung im
Senatstermin vom 05.10.2009 erklärt hat. Wenn er der Beklagten vor diesem
Hintergrund mit Schreiben vom 04.10.2005 mitteilte, dass sich sein Sohn "endgültig
entschlossen" habe, die "Provinzial zu verlassen" und er die Geschäftsstelle der
Provinzial fortführe, durfte die Beklagte das so verstehen, dass ein von ihr mit dem
Kläger, seinem Sohn und evtl. auch der O & O OHG begründetes Vertragsverhältnis
allein mit dem Kläger fortgesetzt werden sollte. Das auch deswegen, weil der Kläger
und sein Sohn an dieser Vertragsgestaltung in dem mit dem Zeugen O2 am 24.10.2005
geführten Gespräch festhielten. In diesem Punkt besteht über den Inhalt des Gesprächs
vom 24.10.2005 zwischen den Parteien kein Streit.
83
Die Beklagte hat die vom Kläger und dem Zeugen O angestrebten vertraglichen
Änderungen akzeptiert, indem sie sodann die Kündigung des Zeugen O mit Schreiben
vom 16.11.2005 bestätigte und es zunächst hinnahm, dass allein der Kläger die
Geschäftsstellengeschäfte fortführte. Hiervon gingen auch der Kläger und sein Sohn
aus, weil letzterer seine Tätigkeit für die Beklagte eingestellt hatte, während der Kläger
sie bis zum Erhalt der ordentlichen Kündigung fortsetze, wie er dem Senat ebenfalls
geschildert hat.
84
Die Parteien und der Zeuge O haben mithin das Vertragsverhältnis des Zeugen O mit
der Beklagten im November des Jahres 2005 beendet. Nach den Bestimmungen des
Gesellschaftsvertrages ist der Zeuge O hierdurch aus der O & O OHG ausgeschieden.
Zuvor der OHG zustehende Ansprüche sind damit im Wege der Gesamtrechtsnachfolge
auf den Kläger als den allein zurückbleibenden Gesellschafter übergegangen. Der
Kläger hat den Geschäftsbetrieb der OHG als einzelkaufmännisches Unternehmen
fortgeführt und damit auch eine zuvor der OHG zustehende Position eines
Sicherungsgebers für die an die Sparkasse S4 S abgetretenen Ansprüche der OHG
übernommen. Das begründet sein Sicherungsinteresse für die Prozessführung als
Prozessstandschafter der Sparkasse S4 S.
85
b) Dass derzeit, wie mit den Parteien im Senatstermin erörtert, formell die Liquidation
der offenen Handelsgesellschaft betrieben wird, ändert an dieser Sichtweise nichts, da
der Tatbestand des Ausscheidens des Gesellschafters O gem. § 15 Ziff. 4 des
Gesellschaftsvertrages bereits vollendet ist.
86
c) Den Ausnahmefall einer missbräuchlich eingesetzten gewillkürten
Prozessstandschaft kann der Senat im vorliegenden Fall nicht feststellen.
87
Ein derartiger Ausnahmefall kann vorliegen, wenn die Prozessstandschaft die
Gegenpartei benachteiligen soll, indem z. B. ein vermögensloser Prozessstandschafter
klagt, bei dem ein Kostenerstattungsanspruch nicht durchzusetzen ist, vgl. Zöller/
Vollkommer, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 27. Aufl. 2009, Vor § 50 Rz. 50. Dies
trifft auf den Kläger nicht zu. Er mag zwar erhebliche Verbindlichkeiten (in Höhe von
über einer Mio. €) gegenüber der Sparkasse S4 S haben. Unstreitig verfügt er aber auch
über eine die Prozesskosten deckende Rechtsschutzversicherung. Der Anspruch des
Klägers gegen seine Rechtsschutzversicherung verkörpert einen Vermögenswert, auf
den die Beklagte im Falle ihres Obsiegens zur Begleichung ihrer Prozesskosten
zugreifen könnte.
88
II. Die Klage ist unbegründet. Die geltend gemachten Ansprüche stehen der Sparkasse
S4 S als Zessionarin und auch dem Kläger aus eigenem Recht oder auf ihn
übergegangenem Recht der O & O OHG nicht zu.
89
1. Aktivlegitimiert ist im Wesentlichen die Sparkasse S4 S. Sie hat die Ansprüche
aufgrund der oben dargestellten Abtretungsvereinbarungen erworben. Dabei kann, wie
bereits ausgeführt, offen bleiben, ob die Ansprüche zuvor dem Kläger oder der O & P2
OHG zustanden. Der Kläger selbst ist nur insoweit aktivlegitimiert, als er mit der an die
Stelle seiner Provisionsansprüche getretenen Freistellungsvergütung Beträge geltend
macht, die als ihm zustehendes Einkommen nicht pfänd- und damit abtretbar waren.
Das bedarf keiner genaueren Betrachtung, weil die Beklagte die berechtigten
Freistellungsansprüche bereits vollständig erfüllt hat.
90
2. Den außergerichtlichen Vergleich der Parteien vom 02.01.2006 kann die Beklagte
den Klageforderungen nicht entgegenhalten. Dieser ist, das hat das Landgericht
zutreffend festgestellt, unwirksam, weil er der Zustimmung der Sparkasse S4 S bedurfte,
die nicht erteilt ist.
91
a) Der Vergleich fällt in den Anwendungsbereich des § 407 BGB, weil er die an die
Sparkasse S4 S abgetretenen Forderungen erfasst (vgl. BGH VIII ZR 17/87, NJW 1990,
1785 (1787)). Am 02.01.2006 konnte der Kläger nur über einen geringen Teil der
Forderungen (die als sein Einkommen nicht pfänd- und abtretbaren Forderungsteile)
allein verfügen. Insoweit ist der Vergleich auch nicht teilweise wirksam (§ 139 BGB),
weil sich die Parteien abschließend einigen wollten und ohne die an die Sparkasse
abgetretenen Forderungsteile keine abschließende Vereinbarung treffen konnten und
wollten.
92
Auf die in der Globalabtretung enthaltene Ermächtigung (Ziff. 9.1) konnte sich der Kläger
am 02.01.2006 nicht berufen, weil die Abtretung des Ausgleichsanspruches aus dem
Jahre 2002 und auch die Globalabtretung bereits offengelegt waren. Die Abtretung aus
dem Jahre 2002 ist der Beklagten mit Schreiben der Sparkasse S4 S vom 17.05.2002
93
angezeigt worden, von der Globalabtretung hat sie mit Schreiben der Sparkasse S4 S
vom 22.12.2005 erfahren. Daraus folgt zugleich, dass am 02.01.2006 auch keine die
Beklagte begünstigende Unkenntnis im Sinne von § 407 BGB vorlag.
b) Die Sparkasse S4 S hat dem Vergleich vom 02.01.2006 nicht zugestimmt.
94
Eine ausdrückliche Zustimmungserklärung der Sparkasse S4 S liegt unstreitig nicht vor.
Allerdings ist die Zustimmung eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die von der
Sparkasse gegenüber der Beklagten auch formlos, durch schlüssiges Verhalten erteilt
werden konnte, § 182 Abs. 1, Abs. 2 BGB.
95
Die von der Beklagten vorgetragenen Umstände lassen nicht auf eine konkludent
erteilte Zustimmung der Sparkasse schließen.
96
Die Beklagte will nach dem Vergleichsabschluss mit dem für den Kläger zuständigen
Kundenbetreuer der Sparkasse besprochen haben, dass die im Vergleich vereinbarten
100.000,00 € an die Sparkasse gezahlt werden und diese die Vereinbarung prüfen
werde. Hierbei soll der Mitarbeiter erklärt haben, dass die Sparkasse sich ggfls. wieder
melden werde, wobei die Rückmeldung in der Folgezeit unterblieb.
97
Dieser Sachverhalt rechtfertigt nicht die Annahme einer konkludent erteilten
Zustimmung. Bereits nach dem Vortrag der Beklagten liegt nur die Erklärung eines
Sparkassenmitarbeiters vor, nach der die Sparkasse den Vergleich prüfen wollte. Diese
Erklärung stammte zudem ersichtlich von einem nicht entscheidungsbefugten
Sparkassenmitarbeiter. Wenn dann eine Rückmeldung ausblieb, konnte die Beklagte
nicht von einer Zustimmung der Sparkasse zum Vergleich vom 02.01.2006 ausgehen.
Die von einem nicht entscheidungsbefugten Sparkassenmitarbeiter mündlich in
Aussicht gestellte Überprüfung begründet keinen derartigen Erklärungstatbestand. Die
Beklagte hätte sich vergewissern müssen und nachfragen können.
98
c) Ob der Vergleich – wie der Kläger meint – außerdem gemäß § 138 Abs.1 BGB nichtig
war oder von ihm wegen widerrechtlicher Drohung wirksam angefochten wurde, bedarf
keine Entscheidung.
99
3. Der geltend gemachte Ausgleichsanspruch ist gem. § 89b Abs. 3 Nr. 2 HGB
ausgeschlossen, weil die Beklagte das Vertragsverhältnis zu Recht fristlos gekündigt
hat. Jedenfalls die fristlose Kündigung vom 02.01.2006 war gerechtfertigt.
100
a) Die Kündigung musste nur dem Kläger und nicht (auch) gegenüber der O & O OHG
ausgesprochen wurden.
101
Wie bereits ausgeführt, ist der Zeuge O des Jahres 2005 aus der O & O OHG
ausgeschieden. Der Kläger war Gesamtrechtsnachfolger des Gesellschaftsvermögens
und hat den Geschäftsbetrieb der OHG als einzelkaufmännisches Unternehmen
fortgeführt. Er war damit am 02.01.2006 der alleinige Empfänger einer von der
Beklagten auszusprechenden Kündigung.
102
Im Übrigen wäre der Kläger persönlich auch bei einer bestehenden OHG richtiger
Adressat der Kündigungserklärung gewesen, weil er als persönlich haftender
Gesellschafter passiv vertretungsberechtigt war und die Abgabe der
Kündigungserklärung nur einem Gesellschafter gegenüber gemäß § 125 Abs. 2 Satz 3
103
HGB genügt.
b) Die fristlose Kündigung der Beklagten vom 02.01.2006 war gerechtfertigt. Sie ist von
der Beklagten ausdrücklich als fristlose Kündigung bezeichnet worden. Ihr lag ein
wichtiger Grund im Sinne von § 89a Abs. 1 S. 1 HGB zugrunde, der die Beklagte
berechtigte, das Vertragsverhältnis mit dem Kläger ohne Abmahnung mit sofortiger
Wirkung zu beenden.
104
Diesen Kündigungsgrund stellt die "Morddrohung" gegen den Zeugen O2 dar, die der
Kläger in dem am 19.12.2005 mit dem Zeugen S2 geführten Telefonat geäußert hat.
105
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass der
Kläger in dem Telefonat damit gedroht hat, sich und den Zeugen O2 umzubringen,
nachdem der Zeuge S2 ihm erklärt hatte, dass die Beklagte an den zuvor
ausgesprochenen Kündigungen festhalte.
106
aa) Eine derartige "Morddrohung" berechtigte die Beklagte zur fristlosen Kündigung des
Geschäftsstellenleitervertrages mit dem Kläger.
107
Der Ausspruch einer Morddrohung gegenüber einem Mitarbeiter des Prinzipals ist eine
nicht zu rechtfertigende Pflichtverletzung eines Handelsvertreters. Nach der Androhung
einer derartig schweren Straftat kann ein Prinzipal das Vertragsverhältnis mit dem
drohenden Handelsvertreter grundsätzlich ohne vorherige Abmahnung sofort beenden.
108
Der Zeuge O2 war ein Mitarbeiter der Beklagten. Indem der Kläger ihn mit dem Tode
bedrohte, hat er seine vertragliche Loyalitätspflicht besonders schwerwiegend verletzt
und das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört. Die Störung ist so schwerwiegend,
dass das Vertrauensverhältnis durch eine erfolgreiche Abmahnung von Seiten der
Beklagten nicht mehr herzustellen war. Deswegen war eine Abmahnung der Beklagten
vor dem Ausspruch der fristlosen Kündigung vom 02.01.2006 entbehrlich.
109
Dem kann der Kläger im vorliegenden Fall nicht entgegenhalten, dass die Beklagte
seine Äußerung durch ihre zuvor ausgesprochenen Kündigungen und die Androhung
einer ihrerseits unberechtigten Kündigung in dem vom Zeugen O2 mit dem Kläger am
24.10.2005 geführten Gespräch "provoziert" hat.
110
Selbst wenn der Zeuge O2 dem Kläger in dem Gespräch vom 24.10.2005 mit einer
unrechtmäßigen Kündigung der Beklagten gedroht und dabei den wirtschaftlichen Ruin
des Klägers in Aussicht gestellt haben sollte und selbst wenn die von der Beklagten in
der Folgezeit ausgesprochenen Kündigungen unberechtigt waren, rechtfertigt ein
derartiges Vorgehen des Prinzipals keine Morddrohung. Es begründet keine mit einer
Notwehrsituation vergleichbare Sachlage, in der der Handelsvertreter berechtigt sein
könnte, seinerseits Gewalt anzuwenden. Der Handelsvertreter kann einem derartigen
Vorgehen des Prinzipals bereits mit zivilrechtlichen Mitteln begegnen, indem er mit Hilfe
der staatlichen Gerichte seine vertraglichen Rechte durchsetzt und diese ggfls. auch im
Wege des einstweiligen Rechtsschutzes sichert. Im Übrigen kann er ein strafbares
Verhalten des Prinzipals bei den staatlichen Strafverfolgungsorganen zur Anzeige
bringen.
111
Greift er in dieser Situation allerdings zu einer "Morddrohung", verlässt er den
rechtsstaatlich gebotenen Rahmen und gibt seinerseits dem Prinzipal einen Grund zur
112
sofortigen Beendigung des Vertragsverhältnisses. Auch bei den vom Kläger
behaupteten Pflichtverletzungen der Beklagten stellt eine Morddrohung einen nicht zu
rechtfertigenden Vertragsverstoß dar, der so schwer wiegt, dass die Beklagte ohne
weiteres fristlos kündigen durfte.
bb) Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der
Kläger in dem am 19.12.2005 mit dem Zeugen S2 geführten Telefonat ernsthaft damit
gedroht hat, sich und den Zeugen O2 umzubringen, nachdem der Zeuge S2 ihm erklärt
hatte, dass die Beklagte an den zuvor ausgesprochenen Kündigungen festhalte.
113
Eine derartige "Morddrohung" des Klägers hat die Beklagte mit der Aussage des
Zeugen S2 bewiesen. Der Zeuge S2 hat bei seiner Vernehmung klar bestätigt, dass der
Kläger in dem am 19.12.2005 geführten Telefonat damit gedroht hat, sich und den
Zeugen O2 umzubringen. Nach seiner Aussage hat er die von ihm als ernsthafte
Drohung aufgefasste Äußerung des Klägers nicht missverstanden. Auch liegt in der
Schilderung der Morddrohung keine Übertreibung des Zeugen, mit der der Beklagten
einen Grund für eine weitere fristlose Kündigung verschafft werden sollte.
114
(1) Bei der Bewertung der Aussage des Zeugen S2 hat der Senat berücksichtigt, dass
es durchaus Gesichtspunkte gibt, die gegen die Richtigkeit einzelner Angaben des
Zeugen S2 sprechen.
115
So konnte der Zeuge S2 keine sicheren Angaben zu den Worten machen, mit denen der
Kläger die Morddrohung ausgesprochen hat. Am Anfang seiner Vernehmung durch den
Senat hat der Zeuge die in Frage stehende Drohung des Klägers mit den Worten zitiert
"dann bringe ich mich jetzt um und den O2 nehme ich mit" und den Gebrauch des
Ausdrucks "Plattmachen" durch den Kläger in Abrede gestellt. Im weiteren Verlauf der
Vernehmung konnte der Zeuge nicht präzise angeben, ob der Kläger anstelle von
"Umbringen" von "Erschießen" gesprochen und/oder doch den Ausdruck "Plattmachen"
gebraucht hatte. Zudem hatte der Zeuge S2 auch keine genaue Erinnerung an den
weiteren Wortlaut des Telefonats vom 19.12.2005.
116
Darüber hinaus ergaben sich Abweichungen in der Aussage des Zeugen S2 gegenüber
seiner Darstellung bei seiner polizeilichen Vernehmung vom 20.12.2006 (im Verfahren
der Beiakte 62 Js 1912/07 StA Münster). In dieser polizeilichen Vernehmung hatte der
Zeuge das in Frage stehende Telefonat mit dem Kläger ebenfalls geschildert. So
bekundete der Zeuge S2 bei seiner Vernehmung durch den Senat, dass er dem Kläger
in dem Telefonat zunächst erklärt habe, dass die Beklagte auch dann, wenn sie ihre
Kündigungen aufrechterhalte, die geleistete Arbeit des Klägers anerkenne und sich
erkenntlich zeigen werde. Diese Beschreibung des Gesprächsinhalts ist in der
polizeilichen Vernehmung nicht erwähnt, was der Zeuge nicht näher erklären konnte. In
der polizeilichen Vernehmung wird der Zeuge S2 vielmehr mit der Äußerung zitiert, dass
er den Kläger aufgrund seiner Äußerung in dem Telefonat für "schizophren" gehalten
habe. Das hat der Zeuge bei seiner Vernehmung durch den Senat in Abrede gestellt,
weil er den Kläger seinerzeit persönlich nicht gekannt habe und insoweit nicht
beurteilen könne. Zu seiner vom Inhalt der polizeilichen Vernehmung abweichenden
Zeugenaussage vor dem Senat hat der Zeuge zudem bekundet, dass er bei der Polizei
nicht in jeder Hinsicht zutreffend verstanden worden sei. Das will der Zeuge beim
Durchlesen des Protokolls am Ende der Vernehmung nicht weiter beanstandet und den
ihm vorgelegten Text dann unterschrieben haben.
117
(2) Auch unter Berücksichtigung der dargestellten Umstände ist die Aussage des
Zeugen S2 glaubhaft.
118
Die bei seiner Vernehmung durch den Senat vom Zeugen S2 gezeigten Unsicherheiten
und die Abweichungen seiner Aussage gegenüber seinen früheren Angaben bei der
Polizei zeigen, dass sich der Zeuge an Einzelheiten des schon längere Zeit
zurückliegenden Telefonats mit dem Kläger nicht mehr präzise erinnert. Das betrifft zwar
auch die konkreten Worte, die der Kläger bei seiner Drohung verwandt hat. Die Aussage
des Zeugen S2 ist insoweit dennoch glaubhaft. Im Kern hat der Zeuge S2 bereits bei der
polizeilichen Vernehmung und auch bei seiner Aussage gegenüber dem Senat klar
bestätigt, dass der Kläger damit in dem Telefonat damit gedroht hat, sich und den
Zeugen O2 umzubringen, nachdem er ihm mitgeteilt hatte, dass die Kündigungen der
Beklagten aufrechterhalten würden. Das konnte der Zeuge dem Senat zwar nicht
wortgetreu, aber durch eine lebensnahe Darstellung der Gesprächssituation
überzeugend darstellen.
119
Hierbei haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Zeuge S2 die Worte
des Klägers missverstanden und nur fälschlicherweise als "Morddrohung" gegen den
Zeugen O2 aufgefasst hat. Der Zeuge hat die in Frage stehende Drohung stets mit
einem gleichbleibenden Inhalt geschildert. Hiernach ging es darum, dass der Kläger
äußerte, er wolle sich selbst "umbringen" oder "erschießen" und den Zeugen O2
"mitnehmen". In Bezug auf den Zeugen O2 stellt eine derartige Äußerung eine
unmissverständliche Morddrohung dar. Ob der Kläger demgegenüber auch den
Ausdruck "Plattmachen" gebraucht hat, ist unwesentlich, weil es die Morddrohung nicht
in Frage stellt. Der Zeuge S2 hat zudem die Gesprächssituation, nach der der Kläger
das Telefonat nach der ausgesprochenen Drohung abrupt beendet hat, anschaulich
beschrieben. Es ist glaubhaft, dass der Zeuge diese Situation noch vor Augen hat. Sie
stellt einen besonders einprägsamen Ablauf dar.
120
Auch das weitere Verhalten des Zeugen S2 nach dem mit dem Kläger geführten
Telefonat spricht für eine Morddrohung des Klägers in dem Gespräch. Der Zeuge S2 hat
unmittelbar nach dem Ende des Telefonats den Zeugen O2 angerufen, ihn von der
Morddrohung unterrichtet und dazu veranlasst, sein Büro in H zu schließen und sich und
die Mitarbeiter des Büros "in Sicherheit zu bringen". Das lässt erkennen, dass der
Zeuge S2 die Drohung des Klägers ernst genommen hat, was er auch bei seiner
Zeugenvernehmung zum Ausdruck brachte. Hiernach wollte er mit der sofortigen
Warnung des Zeugen O2 "kein Risiko" eingehen, nachdem für ihn nicht einschätzbar
war, ob die Äußerung des Klägers nur emotional erfolgt oder durchdacht gewesen sei.
121
Den Anruf des Zeugen S2 hat der Zeuge O2 bei seiner Vernehmung glaubhaft bestätigt.
Nach seiner Darstellung hat ihm der Zeuge S2 mitgeteilt, dass der Kläger soeben
angekündigt habe, ihn (O2) und sich selbst zu erschießen. Auch wenn in Bezug auf
dieses Telefonat in der Beweisaufnahme ebenfalls nicht abschließend geklärt werden
konnte, ob der Zeuge S2 dem Zeugen O2 die Drohung des Klägers mit den Worten
"erschießen" oder auch "umbringen" übermittelte, hat der Zeuge O2 glaubhaft
beschrieben, dass ihm eine in diesem Sinne gemeinte Morddrohung des Klägers
geschildert wurde. So hat auch der Zeuge O2 diese Drohung ernst genommen und
kurzfristig in dem Sinne reagiert, dass der seine Mitarbeiter nach Hause entließ und für
sich und seine Frau T2 suchte. Die in diesem Zusammenhang von ihm und auch die
von der zwischenzeitlich unterrichteten Polizei veranlassten Maßnahmen, die der Zeuge
O2 anschaulich geschildert hat, belegen, dass diese Beteiligten seinerzeit von einer
122
ernst zu nehmenden Morddrohung ausgingen.
Es ist auch nicht anzunehmen, dass der Zeuge S2 die Äußerungen des Klägers zu
einer "Morddrohung" verschärft hat, um der Beklagten einen Grund für eine weitere
fristlose Kündigung zu verschaffen. Für ein derart berechnendes Vorgehen von Seiten
des Zeugen S2 hat die Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte ergeben. Dagegen
spricht bereits, dass der Zeuge S2 den Zeugen O2 unmittelbar nach dem mit dem
Kläger geführten Telefonat gewarnt hat und die Überlegung, in der Morddrohung den
Grund für eine weitere fristlose Kündigung zu sehen, bei der Beklagten erst zu einem
späteren Zeitpunkt angestellt wurde. Das ergibt sich aus den Angaben des Zeugen Q,
der dem Senat glaubhalft geschildert hat, dass erst seine spätere Unterredung mit dem
Zeugen y der Entscheidung der Beklagten führte, dem Kläger wegen der Morddrohung
erneut fristlos zu kündigen, wobei der Gedanke einer weiteren fristlosen Kündigung von
ihm, dem Zeugen Q, und nicht vom Zeugen S2 entwickelt wurde.
123
Der Zeuge S2 ist glaubwürdig. Die von ihm eingeräumten Unsicherheiten zeigten, dass
er um wahrheitsgemäße Angaben bemüht war. Auf seine Aussage hat er zudem einen
Eid geleistet, der die Richtigkeit des zentralen Teils seiner Aussage, die vom Kläger im
Telefonat vom 19.12.2005 ausgesprochene Morddrohung, bekräftigt.
124
(3) Die Aussagen des Klägers, seiner Ehefrau, der Zeugin P, und seines Sohnes, des
Zeugen O, waren nicht geeignet, den Beweiswert der Aussage des Zeugen y mindern.
125
Der Kläger stellt in Abrede, in dem Telefonat mit dem Zeugen S2 erklärt zu haben, dass
er sich und den Zeugen O2 umbringen oder erschießen wolle. Er will sich lediglich in
dem Sinne geäußert haben, dass er den Zeugen O2 auch "platt machen" werde,
nachdem ihm dieser zuvor angedroht habe, ihn (den Kläger) "platt" zu machen.
126
Dass der Kläger in dem Telefonat von "Plattmachen" gesprochen hat, bestätigt die
Zeugin O, die diese Worte des Klägers mitgehört haben will. Ihre Aussage ist aber
dennoch nicht geeignet, die vom Zeugen S2 beschriebene "Morddrohung" des Klägers
zu widerlegen. Nach eigenem Bekunden hat die Zeugin hat das Telefonat ihres Mannes
nur zeitweise verfolgt. Bereits deswegen kann sie die Äußerungen des Klägers in dem
Gespräch nicht vollständig wiedergeben, so kann ihr insbesondere die in Frage
stehende Drohung entgangen sein.
127
Die Aussage des Zeugen O ist ebenfalls nicht geeignet, die vom Zeugen S2 bekundete
Morddrohung seines Vaters zu entkräften. Der Zeuge O hat ausgesagt, dass ihm der
Zeuge S2 am 19.12.2005 von dem mit seinem Vater geführten Telefonat in dem Sinne
unterrichtet habe, dass der Zeuge S2 befürchte, sein Vater könne sich etwas "antun".
Das spricht nicht gegen die Darstellung des Zeugen S2, der an ein seinerzeit mit dem
Zeugen O geführtes Telefonat keine Erinnerung hatte. Der vom Zeugen O geschildete
Inhalt seines damaligen Telefonats mit dem Zeugen S2 lässt bereits nicht erkennen,
dass der Zeuge O über das vom Zeugen S2 und seinem Vater geführte Telefonat
umfassend unterrichtet wurde.
128
Auch nach dem persönlichen Eindruck, den der Senat aufgrund der Beweisaufnahme
vom Kläger, der Zeugin P und dem Zeugen O gewonnen hat, gibt er der Aussage des
Zeugen S2 den Vorzug.
129
Die Beklagte hat daher bewiesen, dass der Kläger in dem am 19.12.2005 mit dem
130
Zeugen S2 geführten Telefonat damit gedroht hat, sich und den Zeugen O2
umzubringen. Ihre fristlose Kündigung vom 02.01.2006 war deswegen gerechtfertigt.
c) Die fristlose Kündigung kann die Beklagte gem. § 404 BGB auch der Sparkasse S4 S
als Zessionarin entgegenhalten.
131
Die Grundlage der Kündigung stellt der Geschäftsleitervertrag dar, den die Parteien
bereits vor den Abtretungsvereinbarungen abgeschlossen hatten. Dass die Tatsachen,
die die Beklagte zur fristlosen Kündigung berechtigen, der Abtretung nachfolgen, ist
insoweit unerheblich. Auch nach der Abtretung konnte die Beklagte ihr Kündigungsrecht
gegenüber dem Kläger ausüben, die Abgabe einer Kündigungserklärung gegenüber der
Zessionarin war nicht geboten, vgl. BGH VIII ZR 287/84, NJW 1986, 919 (920).
132
4. Die begründeten Zahlungsansprüche einschließlich des mit der Stufenklage
verfolgten Anspruches hat die Beklagte erfüllt, weitergehende Zahlungen kann der
Kläger weder für die Sparkasse S4 S noch für sich selbst verlangen.
133
a) Die der Sparkasse S4 S und dem Kläger nach der wirksamen Kündigung vom
02.01.2006 noch zustehenden Zahlungsansprüche hat die Beklagte mit der am
06.01.2006 geleisteten Zahlung von 100.000,00 € erfüllt. Diese Zahlung muss auch der
Kläger als Erfüllung gegen sich gelten lassen. Sie ist mit seiner Zustimmung von der
Beklagten an die Sparkasse S4 S geleistet worden. Die Sparkasse S4 S hat der
Verrechnung mit Schreiben vom 23.03.2007 (Bl. 233 d.A.) ebenfalls zugestimmt.
134
aa) Eine Freistellungsvergütung kann der Kläger für den Zeitraum vom 25.11.2005 bis
zum 02.01.2006, das sind 39 Tage, beanspruchen.
135
Seine Freistellung begann nach dem Erhalt der ordentlichen Kündigung am 25.11.2005
und endete mit dem Zugang der berechtigten fristlosen Kündigung am 02.01.2006.
136
Die Vergütung ist nach dem vom Kläger berechneten Tagessatz von 1.114,88 € zu
bemessen, den die Beklagte – hierauf weist bereits das Landgericht zutreffend hin –
nicht hinreichend bestritten hat. Hieraus ergibt sich ein Anspruch des Klägers in Höhe
von 43.480,32 €. Diesen Betrag hat der Senat auf 43.630,32 € erhöht, weil der Kläger für
die erst mit der Zahlung vom 06.01.2006 erfüllte Freistellungsvergütung gem. §§ 353,
352 HGB noch 5% Fälligkeitszinsen verlangen kann, deren Umfang der Senat gem. §
287 ZPO auf 150,00 € bemessen hat.
137
bb) Die Leistungsprämie für die Monate Januar bis Oktober 2005 in Höhe von
44.927,50 € zuzüglich eines von der Beklagten zu Unrecht für die Monate Oktober und
November 2005 stornierten Mietzuschusses in Höhe von 760,00 € kann der Kläger
ebenfalls verlangen.
138
cc) Von der sich aus a) und b) ergebenden Summe von 89.317,82 € sind 3.818,62 €
abzusetzen, weil die Beklagte diese Beträge im Januar 2006 ebenfalls gezahlt hat und
der Kläger sie bei der Berechnung des Zahlungsanspruches unter Ziffer 3.5 auf Seite
25/26 seiner Klageschrift selbst in Abzug bringt.
139
Daraus folgt, dass die mit dem Zahlungsantrag geltend gemachten Ansprüche des
Klägers in Höhe von 85.499,20 € berechtigt waren. Sie wurden mit der am 06.01.2006
geleisteten Zahlung von 100.000,00 € vollständig erfüllt. In Höhe von 14.500,80 € liegt
140
eine Überzahlung von Seiten der Beklagten vor.
Die vom Kläger für den Zahlungsantrag beanspruchten Verzugs- und
Rechtshängigkeitszinsen stehen ihm bzw. der Sparkasse S4 S nicht zu, nachdem die
berechtigten Ansprüche des Klägers bereits am 06.01.2006 überzahlt waren.
141
b). Auch die den zweiten Klageantrag, die Stufenklage, insgesamt abweisende
Entscheidung des Landgerichts hat Bestand.
142
Das Landgericht hat dem Kläger keinen Abrechnungsanspruch für die Leistungsprämie
des Jahres 2005 zugebilligt, weil der noch offene Zahlbetrag auf der Grundlage des
Erfolgskompasses der Beklagten vom 07.11.2005 zu ermitteln gewesen und vom Kläger
in der Klageschrift selbst auf 13.658,50 € geschätzt worden sei. In diesem Punkt war die
landgerichtliche Entscheidung nicht abzuändern, weil der Kläger mit seiner Berufung
die rechtliche Bewertung des Landgerichts nicht angegriffen und auch nicht geltend
gemacht hat, dass die noch offene Leistungsprämie den Betrag von 13.658,50 €
übersteigt.
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Demnach war Stufenklage insgesamt abzuweisen. Der mit ihr verfolgte
Zahlungsanspruch besteht nicht mehr. Den Zahlungsanspruch bemisst der Senat auf
der Grundlage des Erfolgskompasses der Beklagten vom 07.11.2005 und der vom
Kläger selbst vorgenommenen Schätzung auf 13.658,50 € (§ 287 ZPO). Zu dieser
Schätzung ist der Senat berechtigt, nachdem der Kläger die landgerichtliche
Entscheidung zu seinem Abrechnungsanspruch hingenommen hat. Den sich hiermit
ergebenden Zahlungsanspruch in Höhe von 13.658,50 € hat die Beklagte mit der am
06.01.2006 geleisteten Zahlung ebenfalls erfüllt. Der Betrag liegt unter dem Betrag der
oben ermittelten Überzahlung.
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c) Die mit dem dritten Klageantrag geltend gemachten außergerichtlichen Kosten der
Rechtsverfolgung des Klägers hat die Beklagte nicht zu ersetzen, weil sie die
berechtigten Ansprüche des Klägers bereits am 06.01.2006 erfüllt hatte.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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IV. Der Senat hat die Frage der Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO geprüft und
hiervon abgesehen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch
eine Entscheidung des Revisionsgerichts zum Zwecke der Rechtsfortbildung oder zur
Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung veranlasst ist.
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