Urteil des OLG Hamm vom 11.01.1999

OLG Hamm (kläger, beschwer, wert, bewertung, zpo, falle, anhörung, antrag, begründung, verhandlung)

Oberlandesgericht Hamm, 8 U 139/98
Datum:
11.01.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
8. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 U 139/98
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 3 O 496/97
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 15. Januar 1998 verkündete
Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird als unzulässig
verworfen.
Die Kosten der Berufung trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die
Zwangsvollstreckung des Klägers zu 2) durch Sicher-heitsleistung i.H.v.
4.500,00 DM abwenden, wenn nicht der Kläger zu 2) Sicherheit in
gleicher Höhe leistet. Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheit auch
durch die Bürgschaft einer als Zoll- oder Steuerbürge zugelassenen
deutschen Bank zu erbringen.
Tatbestand
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Der Kläger zu 1), der am Berufungsverfahren nicht beteiligt ist, nimmt mit der von ihm
aufgestellten Handballmannschaft der Herren am Spielbetrieb der zweiten
Handballbundesliga teil, die vom Beklagten veranstaltet wird nach seinen dafür
geltenden Satzungsbestimmungen und Ordnungen. Der Kläger zu 2) ist slowakischer
Staatsbürger und hat am 14. März 1997 mit dem Kläger zu 1) einen schriftlichen
Spielervertrag befristet bis zum 30. Juni 2000 abgeschlossen, in welchem er sich zum
Spielen in der Handballmannschaft des Klägers zu 1) verpflichtet hat. Die
Gegenleistung des Klägers zu 1) besteht in einem monatlichen Gehalt von netto
2.500,00 DM und der Vermittlung einer 3-Zimmer-Wohnung.
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Der Kläger zu 2) begehrt vom Beklagten die Erteilung eines Spielausweises ohne den
Buchstaben "A" hinter der Spielausweisnummer, was der Beklagte ablehnt. Der Kläger
zu 2) sieht seine Einsatzmöglichkeiten in den Meisterschafts- und Pokalspielen
ungerechtfertigt eingeschränkt, weil der Kläger zu 1) wie alle teilnehmenden Vereine
gem. § 15 der Spielordnung des Beklagten jeweils höchstens zwei Spieler einsetzen
darf, deren Spielausweis mit dem Buchstaben "A" gekennzeichnet ist. Der Kläger zu 2)
verweist auf das sog. Bosman-Urteil des Europäischen Gerichtshofes und macht
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geltend, er habe einen Gleichbehandlungsanspruch gem. Art. 48 des EG-Vertrags i.V.m.
Art. 38 des Assoziierungsabkommens mit der slowakischen Republik.
Das Landgericht hat den Beklagten auf den Antrag des Klägers zu 2) hin verurteilt,
diesem einen Spielausweis für die zweite Handballbundesliga ohne den Buchstaben
"A" zu erteilen. Den gleichlautenden Antrag des Klägers zu 1) hat das Landgericht
abgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten auch des Sachvorbringens der Parteien
wird auf das landgerichtliche Urteil (Bl. 130 - 141 d.A.) verwiesen.
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Mit der Berufung wendet sich unter näherer Begründung der Beklagte gegen dieses
Urteil in seinem stattgebenden Umfang.
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Er beantragt,
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abändernd die Klage des Klägers zu 2) abzuweisen.
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Der Kläger zu 2) beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Senat hat, nachdem den Parteien zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben
war, den Streitwert für die Berufungsinstanz durch Beschluß vom 11. November 1998
auf bis zu 600,00 DM festgesetzt. Wegen der Begründung wird auf den den Parteien
bekannten Beschluß (Bl. 312 - 314 d.A.) verwiesen.
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Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 18. November 1998 den Präsidenten
des Beklagten gem. § 141 ZPO angehört. Wegen der Erklärungen wird Bezug
genommen auf den Berichterstattervermerk zu diesem Termin (Bl. 322 - 323 d.A.).
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Den durch Senatsbeschluß vom 18. November 1998 eingeräumten Schriftsatznachlaß
nutzt der Beklagte zu Gegenvorstellungen gegen die Streitwertfestsetzung des Senats.
Er führt aus, die Grundsätze, die der große Zivilsenat des Bundesgerichtshofs seinem
Beschluß vom 24. November 1994 zur Beschwer aus einer Verurteilung zur Auskunft,
Rechnungslegung, Einsichtsgewährung oder Abgabe einer eidesstattlichen Erklärung
zugrundegelegt habe, seien auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Für jene
Entscheidung sei wesentlich gewesen, daß es sich bei der Durchsetzung der
genannten Ansprüche um vorbereitende Maßnahmen handele, die den Gläubiger in die
Lage versetzen sollten, den verfolgten Hauptanspruch erst zu ermitteln. Dieser
Hauptanspruch bleibe von den Entscheidungen über die zunächst verfolgten Ansprüche
noch unberührt und stehe allenfalls später zur Entscheidung, wobei dem Beklagten alle
Einwendungen noch offenstünden. Gerade dieser Gesichtspunkt sei auch vom großen
Zivilsenat bei seiner Entscheidung mitberücksichtigt worden. Der Fall des vom Kläger
zu 2) geltend gemachten Anspruch liege anders. Sein Begehren werde mit einer
rechtskräftigen Entscheidung im vorliegenden Verfahren endgültig erledigt. Die
Berechtigung zur Teilnahme am Bundesligaspielbetrieb habe auch für den Kläger zu 2)
einen wirtschaftlichen Wert, den dieser selbst in der Klageschrift mit 40.000,00 DM
angegeben und in der Berufungsinstanz mit dem 12fachen Monatsgehalt bemessen
habe. Von diesem Wert sei auch für die Beschwer des Beklagten auszugehen.
Ansonsten erfahre der Beklagte gegenüber dem Kläger zu 2) eine Ungleichbehandlung,
die nicht zu rechtfertigen sei. Auch in anderen Fällen werde der Wert der Beschwer
beim verurteilten Beklagten nicht anders beziffert als derjenige des Klägers im Fall der
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Klageabweisung. Auch für den Beklagten habe das Urteil erhebliche wirtschaftliche
Folgen. Es enthalte die rechtskräftige Feststellung, daß dem Kläger ab dem Zeitpunkt
der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz ein Anspruch auf Erteilung des
begehrten Spielausweises zugestanden habe. Gegenteiliges könne der Beklagte in
weiteren Streitigkeiten mit dem Kläger zu 2) künftig im Falle der Rechtskraft nicht mehr
einwenden. Das gelte auch, wenn der Kläger z.B. Schadensersatz geltend machen
wolle mit der Begründung, die mit dem Buchstaben "A" im Spielausweis verbundenen
Beeinträchtigungen hätten den Aufstieg des Klägers zu 1) in die erste Bundesliga
verhindert und zu einem Gewinnentgang beim Kläger zu 2) geführt, z.B. in dem Verlust
eines verdoppelten Gehalts als Spieler der ersten Bundesliga.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird verwiesen auf die in zweiter Instanz
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung des Beklagten ist unzulässig, weil die sog. Erwachsenheitssumme gem. §
511 a Abs. 1 ZPO nicht erreicht ist. Deshalb ist gem. § 519 b Abs. 1 ZPO die Berufung
als unzulässig zu verwerfen.
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Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt entgegen der Annahme des
Beklagten nicht 1.500,00 DM.
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1.
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Der Beschwerdegegenstand ist zu ermitteln durch die Differenz zwischen der durch das
angegriffene Urteil verursachten und entgegen dem erstinstanzlichen Antrag
eingetretenen Belastung des Rechtsmittelklägers und der mit dem Rechtsmittelantrag
angestrebten Beseitigung dieser Beschwer. Für die Bewertung maßgebend ist
entgegen der Auffassung des Beklagten nicht das Interesse des Klägers erster Instanz,
sondern dasjenige des Beklagten an der Abänderung des angefochtenen Urteils (BGH
NJW 1973, 654; Hillach/Rohs, Handbuch des Streitwerts in bürgerlichen
Rechtsstreitigkeiten, 8. Aufl., Seite 95). Davon geht auch der große Zivilsenat des
Bundesgerichtshofes in seinem Beschluß vom 24. November 1994 (BGH NJW 1995,
664) aus. Schon deshalb ist es keineswegs zwingend, daß der vom Kläger angegebene
Betrag seines Interesses an dem Klageanspruch auch maßgeblich sein muß für die
Bewertung der Beschwer des Beklagten und Berufungsklägers.
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2.
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Eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung kann darin nicht gesehen werden, weil die
zur Bewertung anstehenden Interessen in beiden Fällen unterschiedliche sind. Es
entbehrt auch nicht der inneren Logik und der Rechtfertigung, daß eine Partei sich mit
Blick auf die eigene, relativ geringe Belastung ggf. auf ein Erkenntnisverfahren mit nur
einer Instanz verweisen lassen muß, selbst wenn im Falle eines umgekehrten
Prozeßausgangs in erster Instanz und entsprechend höher zu bewertenden Interessen
des Prozeßgegners diesem ein weiterer Rechtszug offenstehen würde. Dazu kann auf
die Ausführungen in dem erwähnten Beschluß des großen Zivilsenats vom 24.
November 1994 verwiesen werden.
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Dementsprechend ist auch nicht strittig, daß in dem vom Beklagten beispielhaft
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angeführten Fall eines Streits um die Mitbenutzung eines fremden Grundstücks der Wert
der Klage anders zu beziffern sein kann als derjenige der Berufung des in erster Instanz
verurteilten Eigentümers des zu benutzenden Grundstücks (vgl. BGHZ 23, 205).
Dem vom Beklagten betonten Gesichtspunkt des Hilfscharakters von Ansprüchen aus
Auskunft, Rechenschaft, eidesstattlicher Erklärung etc. mißt entgegen seiner Auffassung
auch der große Zivilsenat in seinem erwähnten Beschluß (Sub II. 2. c) nicht eine
grundsätzliche Bedeutung für die Wertermittlung zu. Vielmehr wird lediglich klargestellt,
daß dem verurteilten Beklagten in solchen Fällen (noch) nicht die Erfüllung des
Hauptanspruchs aufgegeben und seine Verteidigung gegenüber der Geltendmachung
dieses Anspruchs nicht eingeschränkt sei, woraus sich die von der Bewertung des
Klägerinteresses abweichende Bewertung des Beklagteninteresses in einem solchen
Fall rechtfertige. Die von dem Beklagten beigezogenen Ausführungen des großen
Zivilsenats (Sub II. 2. e) dienten demgegenüber entsprechend der diesen Abschnitt
einleitenden These allein dazu darzulegen, daß ein Festhalten an der zuvor
dargestellten bisherigen Rechtsprechung sachgerecht sei. Anderes gilt auch nicht im
vorliegenden Fall.
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3.
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Dem vom Beklagten vorgelegten Urteil des OLG Frankfurt vom 22. Dezember 1997
kann der Senat überzeugende Gesichtspunkte für eine höhere Bewertung der Beschwer
des Beklagten nicht entnehmen. Wie der Beklagte zutreffend bemerkt, hat das OLG
Frankfurt die Frage der Beschwer in seinem Urteil nicht angesprochen. Das mag den
Schluß rechtfertigen, der nach § 511 a ZPO erforderliche Wert der Beschwer sei in
jenem Fall nach Annahme des Gerichts gegeben gewesen. Da aber die Gründe nicht
mitgeteilt sind, kann nicht einmal angenommen werden, daß sie auf den vorliegenden
Fall übertragbar wären, selbst wenn der erkennende Senat sie sich zu eigen machen
wollte.
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4.
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Die wirtschaftlichen Folgen des Urteils für den Beklagten, deren Vermeidung er mit der
Berufung erstrebt, sind bei der Wertbemessung zu berücksichtigen. Dabei ist aber, wie
der Senat schon im Beschluß vom 11. November 1998 ausgeführt hat, nach der
Entscheidung des großen Zivilsenats vom 24. November 1994 nur auf den
unmittelbaren Gegenstand der Entscheidung abzustellen und der tatsächliche oder
rechtliche Einfluß der Entscheidung auf andere Rechtsverhältnisse außer Betracht zu
lassen. Schon deshalb kann außer der dem Beklagten mit dem Urteil auferlegten Pflicht
zur Ausstellung des Spielausweises ohne den Buchstaben "A" eine weitergehende
nachteilige Folge wie z.B. die vom Beklagten angeführte Schadensersatzpflicht nicht in
die Wertbemessung einbezogen werden. Die von dem Beklagten beschriebene Gefahr
seiner Inanspruchnahme auf Schadensersatz ist auch nur eine abstrakte Möglichkeit. Es
gibt auch nach dem Vorbringen des Beklagten keine konkreten, tatsächlichen
Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger zu 2) etwas derartiges auch nur beabsichtige. Ein
solches Vorhaben böte auch keine Erfolgsaussicht, weil der Kläger zu 2) ausweislich
des vorgelegten Vertrages vom 14. März 1997 gegenüber dem Kläger zu 1) verpflichtet
ist, bis zum 30. Juni 2000 für monatlich 2.500,00 DM in dessen Handballmannschaft zu
spielen. Entgegen der Vermutung des Beklagten hätte er deshalb auch im Falle eines
Aufstiegs der Mannschaft ein verdoppeltes Gehalt nicht verlangen können.
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Auch eine sich aus dem angefochtenen Urteil ergebende Notwendigkeit der
Neuansetzung von Meisterschafts- oder Pokalspielen hat der Beklagte nicht konkret
dargetan. Sein Präsident hat zwar bei seiner persönlichen Anhörung im Senatstermin
vom 18. November 1998 angegeben, derartiges sei denkbar, weil der Kläger zu 1)
geltend machen könnte, im Falle einer früheren Ausweiserteilung hätte er mehr
Ausländer in den Spielen einsetzen können. Der Beklagte hat aber nicht vorgetragen,
daß eine solche Möglichkeit nach seiner Spielordnung überhaupt besteht und für die
vorliegende Konstellation in Betracht kommt. Schließlich läßt der Vortrag auch nicht
erkennen, welche Nachteil dem Beklagten, wenn er zu einer Neuansetzung von Spielen
gezwungen wäre, hieraus drohen würden.
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5.
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Wie sich im Verlauf der Anhörung des Präsidenten des Beklagten ergeben hat, liegen
die Kosten der Paßausstellung nicht über 600,00 DM. Davon war der Senat bereits in
seinem Streitwertbeschluß vom 11. November 1998 ausgegangen. Die bei der
Anhörung erwähnten Gebühren für die im Verfahren zu beteiligenden fremden
Sportverbände auf europäischer und nationaler Ebene fallen, wie der Präsident näher
erläutert hat, nur bei der erstmaligen Erteilung eines Spielausweises an einen
ausländischen Spieler an. Da der Kläger zu 2) bereits im Besitz eines Spielausweises
mit dem Buchstaben "A" ist, träfe das bei einer Erfüllung des hier titulierten Anspruchs
nicht mehr zu. Anderes hat der Beklagte auch in dem nachgereichten Schriftsatz nicht
dargelegt.
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Ergänzend verweist der Senat schließlich auf die den Parteien bekannten Gründe für
den Streitwertbeschluß vom 11. November 1998, die weiterhin Bestand haben.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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