Urteil des OLG Hamm vom 15.05.1998

OLG Hamm (firma, rüge, beweisantrag, stpo, stgb, begründung, ablehnung, hauptverhandlung, versicherung, verteidiger)

Oberlandesgericht Hamm, 2 Ss 601/98
Datum:
15.05.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 Ss 601/98
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, Ns 47 Js 165/97 14 (X) R 42/97
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über
die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht
Dortmund zurückverwiesen.
Gründe:
1
I.
2
Das Landgericht hat gegen den Betroffenen wegen falscher Versicherung an Eides Statt
eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 100,- DM verhängt.
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In den getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist das Landgericht davon
ausgegangen, daß der Angeklagte am 18. November 1994 bei Abgabe der sog.
eidesstattlichen Versicherung in einer Zwangsvollstreckungssache der Firma ... gegen
ihn die Frage Nr. 15 a der Vermögensverzeichnisses, wo u.a. nach Arbeitgeber und
Arbeitsverdienst gefragt wird, falsch beantwortet habe. Der Angeklagte habe die
gestellte Frage damit beantwortet, daß er seit dem 19. Oktober 1994 arbeitslos und beim
Arbeitsamt gemeldet sei. Er erhalte Arbeitslosengeld in Höhe von 844,80 DM/14-tägig,
eine Arbeit habe er nicht in Aussicht. Diese Antwort sei falsch gewesen, da der
Angeklagte bereits am 3. November 1994 die Firma " ... in ..." gegründet gehabt habe. In
dieser Firma habe er seit dem 10. November 1994 Arbeitnehmer beschäftigt, und zwar
eine Bürokraft sowie zwei Hilfskräfte. Demgegenüber ist der Angeklagte der Auffassung
gewesen, seine an Eides statt abgegebene Erklärung sei nicht falsch gewesen. Die am
3. November 1994 gegründete Firma habe zunächst ausschließlich nur für seine
damalige Vermieterin Arbeiten ausgeführt, weitere Aktivitäten hätten sich erst ab März
1995 ergeben.
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Gegen die Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision. Er macht
insbesondere geltend, daß er am 3. November 1994 lediglich die Gewerbeanmeldung
vorgenommen habe, weitere betriebliche Aktivitäten habe er mit seiner Firma nicht
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entfaltet. Einen dazu gestellten Beweisantrag habe das Landgericht mit der Begründung
der Wahrunterstellung abgelehnt. An diese Wahrunterstellung habe sich das
Landgericht dann aber nicht gehalten. Die Generalstaatsanwaltschaft hat zur Revision
keinen Antrag gestellt.
II.
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Die Revision ist zulässig und hat auch in der Sache - zumindest vorläufig - Erfolg.
7
1.
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Das angefochtene Urteil war auf die formelle Rüge des Angeklagten hin aufzuheben.
9
a)
10
Der Angeklagte hat die formelle Rüge erhoben. Zwar hat er nicht - wie sonst allgemein
üblich - ausdrücklich erklärt, daß er das Urteil auch aus formellen Gründen anfechten
wolle oder daß er die formelle Rüge erhebe. Diese ausdrückliche Erhebung der
formellen Rüge ist zwar in der Regel üblich, wünschens- und vor allem für Angeklagten
und Verteidiger empfehlenswert; sie ist jedoch nicht unbedingt erforderlich. Denn
ebenso wie es für die ordnungsgemäße Erhebung der Sachrüge ausreicht, wenn sich
dem Revisionsvorbringen eindeutig entnehmen läßt, daß, die Nachprüfung des Urteils
in sachlich-rechtlicher Hinsicht begehrt wird (Vgl. z.B. BGH NStZ 1991, 597;
Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., §344 Rn. 14 mit weiteren Nachweisen aus
der Rechtsprechung des BGH), muß Entsprechendes für die formelle Rüge genügen.
Die Revisionsbegründung ist nämlich grundsätzlich auslegungsfähig (BGHSt 25, 272,
275; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., §344 Rn. 11 m.w.N.), wobei es nicht auf den
Wortlaut, sondern auf den Sinn der erhobenen Rügen ankommt (BGHSt 19, 273, 275;
Krause StV 1985, 485). Entscheidend für die Frage, ob eine formelle Rüge erhoben ist
oder nicht, ist nach Auffassung des Senats danach, ob der Revisionsbegründung
eindeutig entnommen werden kann, daß die Aufhebung des Urteils (auch) wegen eines
formellen bzw. verfahrensrechtlichen Mangels begehrt wird.
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Das ist vorliegend der Fall. Der Verteidiger des Angeklagten hat in seiner
Revisionsbegründung ausgeführt: "Aufgrund des im Verhandlungstermin vom 22.
Januar 1989 vor dem Landgericht Dortmund diesbezüglich gestellten Beweisantrags
wurde dieser mit der Begründung der Wahrunterstellung abgelehnt." Diesem Vortrag
läßt sich im Gesamtzusammenhang der Revisionsbegründung, mit der dem Sinn nach
geltend gemacht wird, das Landgericht sei zu Unrecht von betrieblichen Aktivitäten der
vom Angeklagten am 3. November 1994 gegründeten Firma ausgegangen, noch
hinreichend deutlich entnehmen, daß der Angeklagte rügen will, das angefochtene
Urteil leide (auch) an einem verfahrensrechtlichen Mangel, da das Landgericht den vom
Angeklagte gestellten Beweisantrag nicht mit einer Wahrunterstellung habe ablehnen
dürfen bzw. es sich an die vorgenommene Wahrunterstellung nicht gehalten habe.
Damit ist vom Angeklagte (auch) die formelle Rüge erhoben. So hat im übrigen die
örtliche Staatsanwaltschaft das Revisionsvorbringen des Angeklagten ebenfalls
gewertet, da sie, was sonst gem. Nr. 162 Abs. 1 RiStBV nicht erforderlich gewesen
wäre, gem. Nr. 162 Nr. 2 RiStBV eine Revisionsgegenerklärung abgegeben hat.
12
b)
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Die formelle Rüge des Angeklagten ist auch ausreichend begründet. Gemäß §344 Abs.
2 Satz 2 StPO müssen nach den dort für die formelle Rüge aufgestellten strengen
Formvorschriften vom Beschwerdeführer die den Mangel begründenden Tatsachen so
genau angegeben werden, daß das Revisionsgericht allein aufgrund dieses Vortrags
die Ordnungsgemäßheit des Verfahrens prüfen kann (Kleinknecht/Meyer-Goßner,
a.a.O., §344 StPO Rn. 20; Pikart in Karlsruher Kommentar, 2. Aufl., §344 StPO Rn. 38 f.
mit weiteren Nachweisen). Dazu muß der Revisionsvortrag aus sich heraus so
verständlich sein, daß das Revisionsgericht ohne weiteres daran anknüpfen kann
(Pikart, a.a.O., m.w.N.). Das bedeutet nach der einhelligen Meinung in Rechtsprechung
und Literatur (vgl. die Nachweise bei Pikart, a.a.O.), daß einerseits der Revisionsführer
ggf. wesentliche Schriftstücke oder Aktenstellen durch wörtliche Zitate oder
Ablichtungen zum Bestandteil der Revisionsbegründung machen muß und in der Regel
auch machen wird, es aber andererseits z.B. nicht ausreicht, nur große Teile des
Sitzungsprotokolls mitzuteilen, ohne im einzelnen anzugeben, welche
Verfahrensvorgänge denn nun den behaupteten Mangel erfüllen sollen (Pikart, a.a.O.).
Was im einzelnen vorgetragen werden muß, richtet sich nach Auffassung des Senats
entscheidend nach dem Sinn und Zweck des für die formelle Rüge geltenden
Bestimmtheitsgebots, das das Ziel verfolgt, das Revisionsgericht von der Aufgabe zu
entlasten, den gesamten Verfahrensablauf auf die Einhaltung der Verfahrensvorschriften
durch das Tatgericht zu überprüfen.
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Geht man davon aus, ist es im Ergebnis nicht zu beanstanden, daß der Angeklagte in
der Begründung der geltend gemachten Verfahrensrüge den von ihm in der
Hauptverhandlung vor dem Landgericht gestellten Beweisantrag nicht ausdrücklich und
wörtlich zitiert hat. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, daß nach den von der
Rechtsprechung zur Begründung einer Verfahrensrüge aufgestellten Grundsätzen, die
wörtliche Wiedergabe von Anträgen und Entscheidungen nicht in jedem Fall erforderlich
ist. Vielmehr kann grundsätzlich eine geschlossene und im wesentlichen vollständige
Darstellung genügen (Pikart, a.a.O., §344 StPO Rn. 39 m.w.N.; BGH in der
Rechtsprechungsübersicht von Pfeiffer/Miebach in NStZ 1986, 209; Dahs/Dahs, Die
Revision im Strafprozeß, 5. Aufl., Rn. 465; Krause, Die Revision im Strafverfahren, 4.
Aufl., Rn. 92 mit weiteren Nachweisen).
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Hier hat der Verteidiger in seiner Revisionsbegründung die den nach seiner Meinung
den Verfahrensmangel, nämlich die zu Unrecht erfolgte Ablehnung des von ihm
gestellten Beweisantrags wegen der Möglichkeit der Wahrunterstellung, ausmachenden
Tatsachen noch hinreichend deutlich dargestellt. Dazu ist nämlich vom Verteidiger
ausgeführt: "Mit Ausnahme der Gewerbeanmeldung kann von einer Firmengründung
keine Rede sein. Er hat kein Erwerbsgeschäft eröffnet, er hat keine betrieblichen
Aktivitäten entfaltet, er hat keine wie auch immer geartete freiberufliche Tätigkeit
ausgeübt und keinerlei Umsätze oder Einkünfte gehabt". Durch die weitere
Formulierung, daß der "diesbezüglich gestellte Beweisantrag" mit der "Begründung der
Wahrunterstellung abgelehnt wurde", wird für den Senat als Revisionsgericht
hinlänglich deutlich, daß es sich bei den gemachten Ausführungen um die
Beweisbehauptung des zu den geschäftlichen Aktivitäten der vom Angeklagten am 3.
November 1994 gegründeten Firma gestellten Beweisantrages handelt. Dies ist - unter
Berücksichtigung des tatsächlichen Wortlauts des Beweisantrags - noch ausreichend.
Der in der Hauptverhandlung gestellte Beweisantrag war nämlich folgendermaßen
formuliert: "Zum Beweis für die Tatsache, daß der Angeklagte ein Erwerbsgeschäft nicht
hatte und auch nicht geführt hat, kein Betrieb und kein Betriebsvermögen vorhanden war
und keine betrieblichen Aktivitäten entfaltet hat, berufe ich mich auf das Zeugnis ...". Der
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Vergleich des Vortrags in der Revisionsbegründung mit diesem in der
Hauptverhandlung gestellten Beweisantrag zeigt, daß die wesentliche (Tatsachen-
)Behauptung des Beweisantrags: "keine betriebliche Aktivitäten entfaltet", in der
Revisionsbegründung wiederholt wird.
Etwas anderes gilt nicht deshalb, weil es sich um die Rüge der fehlerhaften Ablehnung
eines Beweisantrages wegen einer Wahrunterstellung handelt. Zwar wird es häufig
gerade hinsichtlich der fehlerhaften Ablehnung eines Beweisantrages wegen einer
Wahrunterstellung auf den genauen Wortlaut des gestellten Beweisantrages ankommen
und demgemäß dann die bloße Wiedergabe des wesentlichen Inhalts des
Beweisantrages nicht ausreichend sein (siehe z.B. Krause, a.a.O.). Wann das jedoch im
einzelnen der Fall ist - zu denken ist dabei z.B. an den unter Beweis gestellten Inhalt
eines Gesprächs, einer Gesprächsäußerung oder an einen sog. Alibiantrag - brauchte
der Senat abschließend nicht zu entscheiden. Denn vorliegend reichte die Angabe des
wesentlichen Inhalts des Beweisantrages aus. Auf den genauen Wortlaut kam es
nämlich nicht an. Unter Beweis gestellte, weil nach außen am ehesten zu Tage tretende
(Haupt-)Tatsache des Beweisantrags war: "keine betrieblichen Aktivitäten entfaltet".
Dies ist aber keine Beweisbehauptung, bei der es, wie z.B. bei einer mündlichen
Äußerung, auf einzelne Nuancen u.a. ankommen kann. Es handelt sich vielmehr um
einen komplexen Begriff, der demgemäß hinsichtlich der Verwendung in einem
Beweisantrag auch durch eine nur wesentliche Wiedergabe des Inhalts des
entsprechenden Beweisantrags dem Revisionsgericht zur Kenntnis gebracht werden
darf.
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Der Angeklagte hat schließlich auch den vom Landgericht auf seinen Beweisantrag hin
erlassenen Beweisbeschluß hinlänglich deutlich dargetan. Dieser lautete: "Der
Beweisantrag wurde abgelehnt, da die unter Beweis gestellte Tatsache so behandelt
werden kann, als wäre sie wahr.". Für die - ggf. erforderliche - wörtliche Wiedergabe des
vom Gericht erlassenen Beweisbeschlusses gelten, wenn die Ablehnung eines
Beweisantrages mit einer Wahrunterstellung als fehlerhaft gerügt wird, die obigen
Ausführungen entsprechend. Damit sind die insoweit gemachten Ausführungen der
Revision, der Beweisantrag sei "mit der Begründung der Wahrunterstellung abgelehnt"
ausreichend.
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Nach allem ist somit die erhobene formelle Rüge noch hinreichend im Sinn des §344
Abs. 2 Satz 2 StPO begründet worden. Der Senat weist allerdings daraufhin, daß es
sich zur Vermeidung von Unklarheiten und aus anwaltlicher Vorsicht für einen
Verteidiger empfehlen dürfte, in jedem Fall, in dem mit der Revision die fehlerhafte
Ablehnung eines Beweisantrages gerügt werden soll, den gestellten Antrag und den
dazu ergangenen Beschluß wörtlich in der Revisionsbegründung anzuführen (so auch
Dahs, a.a.O.; Krause, a.a.O.). Das dürfte auch ohne weiteres möglich sein.
19
c)
20
Die formelle Rüge des Angeklagten hat auch Erfolg und führt somit zu Aufhebung des
angefochtenen Urteils.
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Wird eine vom Angeklagten behauptete Tatsache als wahr unterstellt und mit dieser
Begründung ein entsprechender Beweisantrag des Angeklagten abgelehnt, womit
inzidenter zum Ausdruck gebracht wird, die zugunsten des Angeklagten, ihn ggf.
entlastende Beweiserhebung sei überflüssig, muß im Urteil nach übereinstimmender
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Meinung in Literatur und obergerichtlicher Rechtsprechung, die der ständigen
Rechtsprechung des Senats entspricht, die behauptete Tatsache in ihrem wirklichen
Sinn ohne jede Einengung, Verschiebung oder sonstige Änderung als wahr behandelt
werden. Maßgebend sind Sinn und Zweck, wie er nach dem Gesamtvorbringen des
Antragstellers in der Hauptverhandlung zu beurteilen ist. Insbesondere dürfen die
Urteilsfeststellungen der Wahrunterstellung nicht widersprechen (vgl. zu allem
Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, a.a.O., §244 StPO Rn. 71 mit zahlreichen weiteren
Nachweisen aus der obergerichtlichen Rechtsprechung).
Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Unter Beweis gestellt hatte der
Angeklagte den Umstand, daß er ein Erwerbsgeschäft nicht hatte und auch nicht geführt
hat, kein Betrieb oder Betriebsvermögen vorhanden war und insbesondere, daß er keine
betrieblichen Aktivitäten entfaltet hatte. Wenn das Landgericht demgegenüber feststellt,
daß der Angeklagte in der am 3. November 1994 gegründeten Firma "seit dem 10.
November 1994 Arbeitnehmer, und zwar eine Büroangestellte sowie zwei Hilfskräfte"
beschäftigte, setzte es sich zu der (zuvor zugesagten) Wahrunterstellung in
Widerspruch. Denn wenn der Angeklagte in der von ihm gegründeten Firma bereits
nach einer Woche drei Arbeitnehmer beschäftigte, waren damit auch schon "betriebliche
Aktivitäten" entfaltet. Anders läßt sich die "Beschäftigung" von Arbeitnehmern nicht
erklären. Das gilt nicht nur für die beiden "Hilfskräfte", sondern insbesondere auch für
die nach den Feststellungen ebenfalls eingestellte Bürokraft. Diese wird in einer Firma
in der Regel nur dann beschäftigt, wenn auch büromäßige Arbeiten, wie z.B. Angebote
und Rechnungen schreiben, zu erledigen sind, also "betriebliche Aktivitäten entfaltet"
werden oder worden sind.
23
Die vom Landgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen stehen somit schon aus
diesem Grund der Wahrunterstellung entgegen. Dahinstehen kann daher, ob das
angefochtene Urteil auch noch aus einem weiteren Grund zu beanstanden ist. In
Zusammenhang mit der Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten führt das
Landgericht nämlich aus, der Angeklagte habe angegeben, "die am 03.11.1996
gegründete Firma habe zunächst nur für seine damalige Vermieterin ausschließlich
Arbeiten ausgeführt. Weitere Aktivitäten der Firma Rethfeld Betonstein hätten sich erst
ab März 1995 ergeben." Insoweit wird möglicherweise nicht genügend deutlich, ob das
Landgericht hier nur die Einlassung des Angeklagten wiedergibt oder ob es sich auch -
noch - um vom Landgericht getroffene Feststellungen handeln soll. Für das letztere
könnte sprechen, daß das Landgericht zuvor bereits mitgeteilt hat, "dieser Sachverhalt
beruht auf dem glaubhaften Geständnis des Angeklagten". Handelt es sich aber hier
auch um tatsächliche Feststellungen des Landgerichts, würden diese ebenfalls der
Wahrunterstellung widersprechen, da danach dann der Angeklagte gleichfalls
"betriebliche Aktivitäten entfaltet" hätte.
24
d)
25
Das angefochtene Urteil beruht schließlich auch auf dem festgestellten Mangel (§337
StPO). Insoweit ist - zugleich auch für die neue Hauptverhandlung - auf folgendes
hinzuweisen:
26
Nach übereinstimmender Meinung in Rechtsprechung und Literatur braucht der
Schuldner im Verfahren nach §807 ZPO - mit der Gefahr der Strafbarkeit nach §156
StGB - bloße Erwerbs möglichkeiten nicht zu offenbaren (vgl. dazu insbesondere
BGHSt 37, 340 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des BGH; siehe aber
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auch den nicht veröffentlichten Beschluß des OLG Hamm vom 26. Juni 1978 - 3 Ss
580/78, wonach ein noch angemeldetes, nicht mehr betriebenes Gewerbe ohne
Einkünfte nicht angegeben werden muß; wegen weiter Nachweise aus der
Rechtsprechung siehe Tröndle, StGB, 48. Aufl., 1997, §156 StGB Rn. 11). Sinn und
Zweck der Vorschriften des §156 StGB i.V.m. §807 ZPO ist es nämlich, dem Gläubiger
eine Grundlage für eine etwaige Vollstreckung zu geben, was die entsprechende
Erklärungspflicht sichern soll. Eine Grundlage für eine etwaige Vollstreckung bilden
Erwerbs möglichkeiten aber nicht, da sie dem Gläubiger einen Zugriff auf konkrete, der
Zwangsvollstreckung zugängliche Vermögensgegenstände nicht eröffnen.
Damit kam es vorliegend entscheidend darauf an, inwieweit der Angeklagte nach
Gründung der Firma bereits "betriebliche Aktivitäten entfaltet" hatte, die seinem die
Abgabe der eidessstattlichen Versicherung fordernden Gläubiger ggf. einen Zugriff im
Wege der Zwangsvollstreckung, z.B. durch eine Forderungspfändung ermöglicht hätten.
Für "betriebliche Aktivitäten" spricht und sprach aber, wie oben bereits dargelegt ist, die
Beschäftigung von Arbeitnehmern, insbesondere die von Büropersonal. Daraus hat
offenbar auch das Landgericht den - grundsätzlich nicht zu beanstandenden - Schluß
auf eine Offenbarungspflicht gezogen und den Angeklagten wegen Abgabe einer
falschen Versicherung an Eides statt nach §156 StGB verurteilt. In diesem Umfang
beruht dann aber deshalb das angefochtene Urteil auf dem dargestellten
Verfahrensmangel der unzutreffenden Ablehnung des Beweisantrags mit einer
Wahrunterstellung. Denn mit dem Beweisantrag wurde gerade der Umstand:
"betriebliche Aktivitäten entfaltet" in Abrede gestellt und sollte das Gegenteil, was den
Schluß auf: keine Offenbarungspflicht, ermöglicht hatte, bewiesen werden.
28
2.
29
Nach allem war somit schon auf die formelle Rüge hin das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere
kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund, die auch über die Kosten des
Revisionsverfahrens zu befinden haben wird, zurückzuverweisen. Auf die Begründetheit
der Sachrüge kam es demgemäß nicht mehr an.
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Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich auf folgendes hin:
31
a)
32
Nach den derzeit getroffenen Feststellungen dürfte die Verurteilung des Angeklagten
nach §156 StGB wegen einer falschen Versicherung an Eides statt nicht zu
beanstanden sein. Es ist bereits darauf hingewiesen, daß für die Strafbarkeit nach
§§156 StGB, 807 ZPO das Verschweigen bloßer Erwerbsmöglichkeiten nicht ausreicht,
weil diese dem Gläubiger keinen Zugriff auf konkrete, der Zwangsvollstreckung
zugängliche Vermögensgegenstände eröffnen (BGHSt 37, 340). Vorliegend handelt es
sich nach den bislang vom Landgericht getroffenen - im übrigen nicht zu
beanstandenden - Feststellungen aber nicht mehr nur um eine "bloße
Erwerbsmöglichkeit", sondern um die bereits konkret erfolgte Aufnahme eines
Geschäftes, in dessen Betrieb in nicht mehr allzu weiter Zeit laufende Einnahmen zu
erwarten waren. Dafür spricht nicht nur die Beschäftigung von insgesamt drei
Arbeitnehmern, wovon zwei als Hilfskräfte (wofür?) eingestellt waren. Dafür spricht auch
der vom Angeklagten in seiner Einlassung vorgetragene Umstand, den das Landgericht
ggf. noch näher aufklären muß (vgl. dazu auch den oben bereits erwähnten Beschluß
33
des hiesigen 3. Strafsenats), daß die Firma des Angeklagten "zunächst nur für seine
damalige Vermieterin ausschließlich Arbeiten ausgeführt" habe und weitere Aktivitäten
sich erst ab März 1995 ergeben hätten. Die somit - bei der Vermieterin - ggf. erzielten
und die im Lauf eines halben Jahres - nach Ablauf, der Wintermonate, in denen im
Baugewerbe erfahrungsgemäß häufig nicht oder nicht voll gearbeitet wird, bei anderen
Auftraggebern erzielbaren - Einnahmen machten hier die Angabe der Gründung und
des Betriebs des Erwerbsgeschäftes "Firma ..." bei Abgabe der Versicherung an Eides
Statt erforderlich.
b)
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Es dürfte sich schließlich empfehlen, dem Angeklagten gemäß §265 StPO den
(tatsächlichen) Hinweis zu erteilen, daß er sich ggf. auch wegen falscher, weil mit "Nein"
erklärter, Beantwortung der Frage Nr. 16 des Vermögensverzeichnisses, bei der
"Ansprüche aus selbständiger und aus Nebentätigkeit" erfragt werden, nach §156 Abs.
1 StGB strafbar gemacht haben kann. Zwar soll es nach der Rechtsprechung des BGH
(vgl. BGHSt 37, 340, 342) für die Strafbarkeit nach §156 StGB bedeutungslos sein, an
welcher Stelle die wahrheitswidrige Angabe steht, da nicht die Fassung des Formblatt
des Vermögensverzeichnisses, sondern allein die wahrheitswidrige Verleugnung eines
Vermögenswertes erheblich ist (BGH, a.a.O., mit weiteren Nachweisen aus der nicht
veröffentlichten Rechtsprechung des BGH). Ein entsprechender gerichtlicher Hinweis
dürfte sich jedoch hier wegen des unterschiedlichen Inhalts und der Bedeutung der ggf.
falsch beantworteten Fragen aus Gründen der (gerichtlichen) Fürsorge empfehlen.
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