Urteil des OLG Hamm vom 04.06.2003

OLG Hamm: verfassungskonforme auslegung, grundversorgung, zusatzrente, anweisung, arbeitsentgelt, privatwirtschaft, beitragssatz, arbeitslosenversicherung, kritik, unterliegen

Oberlandesgericht Hamm, 20 U 222/02
Datum:
04.06.2003
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
22. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 U 222/02
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 15 O 158/02
Tenor:
Die Berufung der Nebenintervenientin gegen das am 23. September
2002 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster
wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufungsinstanz trägt die Nebenintervenientin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht
zuvor die Vollstreckungsgläubigerin Sicherheit in Höhe von 110 % des
zu vollstreckenden Betrages beibringt.
Gründe:
1
I.
2
Die Parteien streiten über die richtige Berechnung einer betrieblichen Altersversorgung
gemäß § 18 BetrAVG in der Fassung des ”Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes
zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung” vom 21.12.2000.
3
Der Kläger war bei der Streitverkündeten vom 01.07.1967 bis zum 05.11.1982
beschäftigt. Am 14.10.1977 schloß er mit ihr einen Versorgungsvertrag, in dem ihm eine
Gesamtversorgung zugesagt wurde.
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Bei seinem Ausscheiden aus den Diensten der Streitverkündeten wurde er gemäß
§ 18 Abs. V, VI BetrAVG in der bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung für die gesamte
Beschäftigungsdauer bei der Beklagten nachversichert.
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Mit Rentenbescheid vom 01.06.1999 erhielt der Kläger von der Beklagten eine
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Zusatzversorgung in Höhe von 421,81 DM. Diese war nach § 18 BetrAVG in der damals
geltenden Fassung berechnet worden.
Als der Kläger aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom
15.07.1998 (BVerfG, Beschluß vom 15.07.1998 1 BvR 1554/89 ... - VersR 1999, 600)
von der Nebenintervenientin eine Neuberechnung seiner Betriebsrente nach dem
Versorgungsvertrag verlangte, verwies ihn diese an die Beklagte und vertrat die
Auffassung, die im Rentenbescheid vom 01.06.1999 errechnete Zusatzversorgung, die
auf die Betriebsrente anzurechnen ist, sei falsch berechnet worden.
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Die Beklagte lehnte ihrerseits zunächst eine Neuberechnung ab, hat sodann jedoch
eine Neuberechnung der Rente des Klägers auf der Basis des "Ersten Gesetzes zur
Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung” vom
10.08.2001 vorgelegt, die zu einer Zusatzrente von 458,37 DM monatlich gelangt.
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Der Kläger und mit ihm die Nebenintervenientin haben die Ansicht vertreten, auch die
Neuberechnung vom 10.08.2001 sei fehlerhaft. Eine zutreffende verfassungskonforme
Berechnung seiner Rente auf Grund der Gesetzesneufassung ergebe einen
Rentenanspruch in Höhe von 1.059,99 DM monatlich.
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Der Kläger hat erstinstanzlich Rückstände in Höhe von 3.947,77 € eingeklagt, wie sie
nach seiner Berechnung aufgelaufen waren. Ferner hat er die Verurteilung der
Beklagten zur Zahlung der von ihm errechneten Rente für die Zeit ab dem 01.01.2002
beantragt.
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Das Landgericht hat den Zahlungsansprüchen des Klägers auf der Basis der
Rentenneuberechnung der Beklagten vom 10.08.2001 entsprochen und die Klage im
übrigen abgewiesen; wegen der Einzelheiten wird auf das am 23.09.2002 verkündete
Urteil Bezug genommen.
11
Die Nebenintervenientin greift das Urteil mit der Berufung an.
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Sie wiederholt und vertieft ihre in erster Instanz vertretene Auffassung, die Rente sei von
der Beklagten falsch berechnet worden. Eine verfassungskonforme Auslegung des
"Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen
Altersversorgung” führe zu einer Rente von 1.059,99 DM monatlich, die auf die von ihr
aufzubringende Betriebsrente anzurechnen sei. Eine Berechnung mit den von der
Beklagten verwandten Vorgaben sei hingegen verfassungswidrig.
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Die Nebenintervenientin beantragt,
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unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, die
Zusatzrente des Klägers nach § 30 d) Abs. 3 BetrAVG neu zu berechnen und
folgenden Vorgaben Rechnung zu tragen:
15
1. Das Bruttoarbeitsentgelt des Klägers vom Ausscheidedatum im Jahre 1982 ist mit
den steuerlichen und sozialversicherungsbetragsrechtlichen Abzugsverhältnissen
der Jahres 1982 in ein Nettoarbeitsentgelt umzurechnen.
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2. Für die anzurechnende Sozialversicherungsrente des Klägers ist nicht auf das
steuerliche Näherungsverfahren, sondern auf die tatsächliche BfARente des
Klägers abzustellen.
3. Die tatsächliche Sozialversicherungsrente des Klägers mit den Wertverhältnissen
von 1999 ist für die Zwecke der Berechnung der Zusatzrente nach § 30 d)
Abs. 3 BetrAVG vorher umzurechnen in die Wertverhältnisse von 1982.
Hilfsweise verfolgt die Nebenintervenientin die Zahlungsanträge des Klägers aus erster
Instanz mit aktualisierten Beträgen weiter.
17
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze
verwiesen.
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II.
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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klage ist sowohl mit den
Haupt- als auch mit den hilfsweise gestellten Zahlungsanträgen unbegründet.
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1. Der Kläger kann nicht verlangen, daß die Beklagte bei der Berechnung seiner Rente
das Bruttoarbeitsentgelt des Ausscheidedatums im Jahr 1982 mit den steuerlichen und
sozialversicherungsbetragsrechtlichen Abzugsverhältnissen des Jahres 1982 in ein
Nettoarbeitsentgelt umrechnet.
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Bei der Berechnung der Zusatzrente des Klägers ist in einem ersten Rechenschritt die
Voll-Leistung zu ermitteln. Diese ist nach §§ 18 Abs. II, 30 d Abs. I, III BetrAVG zu
berechnen und basiert auf einem fiktiven Nettoentgelt, das ausgehend von dem
Bruttoarbeitseinkommen zum Zeitpunkt des Ausscheidens berechnet wird.
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In § 30 d Abs. I BetrAVG heißt es (auszugsweise):
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Ist der Arbeitnehmer vor dem 01.01.2001 aus dem Beschäftigungsverhältnis bei
einem öffentlichen Arbeitgeber ausgeschieden, sind für die Berechnung der Voll-
Leistung die Regelungen der Zusatzversorgungseinrichtungen nach § 18 Abs. 1
Satz 1 und 2
sowie die weiteren Berechnungsfaktoren jeweils in der am
31.12.2000 geltenden Fassung maßgebend
bleibt unberührt.
26
In § 30 d Abs. III BetrAVG heißt es (auszugsweise):
27
Für Arbeitnehmer im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 5 und 6 in der bis zum
31. Dezember 1998 geltenden Fassung, für die bis zum 31. Dezember 1998 ein
Anspruch auf Nachversicherung nach § 18 Abs. 6 entstanden ist, gilt Absatz 1 Satz
1 für die aufgrund der Nachversicherung zu ermittelnde Voll-Leistung entsprechend
mit der Maßgabe, dass sich der nach § 2 zu ermittelnde Anspruch gegen den
ehemaligen Arbeitgeber richtet. Für den nach § 2 zu ermittelnden Anspruch gilt §
18 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b entsprechend;
für die übrigen Bemessungsfaktoren
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ist auf die Rechtslage am 31. Dezember 2000 abzustellen
§ 18 Abs. 2 Nr. 1 lit b) lautet:
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Für die Berechnung der Voll-Leistung ist das Arbeitsentgelt maßgebend, das nach
der Versorgungsregelung für die Leistungsbemessung maßgebend wäre, wenn
im
Zeitpunkt des Ausscheidens
Versorgungsregelung eingetreten wäre.
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Für den Kläger, der zu den aufgrund des § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und 6 in der bis zum
31. Dezember 1998 geltenden Fassung nachzuversichernden Personen gehört, gilt
gemäß § 30 d Abs. III BetrAVG die Vorschrift des § 30 d Abs. I BetrAVG entsprechend;
für das in die Berechnung der Versicherungsrente einzustellende Brottoarbeitsentgelt ist
nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 lit b) BetrAVG mithin das Arbeitsentgelt zum Zeitpunkt seines
Ausscheidens im Jahr 1982 maßgebend. Die übrigen für die Berechnung des (fiktiven)
Nettoeinkommens zu berücksichtigenden Faktoren sind auf der Basis der am
31.12.2000 geltenden Rechtslage einzusetzen. Der Stichtag 31.12.2000 gilt nach dem
eindeutigen Wortlaut des Gesetzes für alle Fälle gleichermaßen, unabhängig davon,
wann der nachversicherte Versicherungsnehmer aus dem öffentlichen Dienst
ausgeschieden ist. Das Gesetz nimmt die Berechnung auf der Grundlage zweier
verschiedener Zeitpunkte nicht nur in Kauf, sondern weist ausdrücklich und
ausnahmslos dazu an.
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Eine
Auslegung
geltenden Berechnungsfaktoren führen soll, würde dieser ausdrücklichen gesetzlichen
Anweisung zuwiderlaufen.
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Der Gesichtspunkt einer "verfassungskonformen Auslegung” gebietet keine Berechnung
dem Wortlaut der §§ 18 Abs. II, 30 d Abs. I, III BetrAVG zuwider mit der von der
Nebenintervenientin gewünschten Vorgabe; die Notwendigkeit einer
verfassungskonformen Auslegung impliziert, daß verfassungsrechtliche Bedenken
gegen den Regelungsgehalt der Norm bestehen, wenn sie ihrem klaren Wortlaut
entsprechend angewendet wird. Der Senat kann jedoch nicht feststellen, daß die §§ 18
Abs. II, 30 d Abs. I, III BetrAVG verfassungswidrig sind (dazu näher unten unter Ziff. 3).
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2. Der Kläger kann nicht verlangen, daß die Beklagte bei der Berechnung der Voll-
Leistung die Grundversorgung nicht mit dem pauschalierten Betrag des steuerlichen
Näherungsverfahrens, sondern mit dem Betrag der tatsächlich gezahlten BfA-Rente,
zudem bereinigt und umgerechnet in die Wertverhältnisse von 1982, von der
maßgebenden Gesamtversorgung in Abzug bringt.
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Die Anrechnung der Grundversorgung richtet sich nach § 18 Abs. II Nr. 1 lit f) BetrAVG.
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Dort heißt es:
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Für die Berechnung der Voll-Leistung ist eine anzurechnende Grundversorgung
nach dem bei der Berechnung von Pensionsrückstellungen für die
Berücksichtigung von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung allgemein
zulässigen Verfahren zu ermitteln. Hierbei ist das Arbeitsentgelt nach Buchstabe b
zugrunde zu legen ....
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Auch insoweit ist der Gesetzeswortlaut nicht auslegungsbedürftig, sondern eindeutig.
Die von dem Kläger in seine Berechnung eingestellte tatsächliche Rente,
zurückberechnet auf das Jahr 1982, ist mit dem Gesetzeswortlaut nicht zu vereinbaren.
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Das Gesetz verweist wiederum auf das zum Zeitpunkt des Ausscheidens maßgebende
individuelle Bruttoarbeitsentgelt zur Berechnung der Nettogesamtversorgung und stellt
dieser als Abzugsposten die Grundversorgung gegenüber, die nicht individuell, sondern
nach einem pauschalierten Verfahren in Ansatz zu bringen ist.
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Der Senat kann nicht feststellen, daß die Anweisung des Gesetzes, die Voll-Leistung
sowohl mit individuellen Berechnungsfaktoren (Bruttoarbeitsentgelt im Zeitpunkt des
Ausscheidens) als auch mit pauschalen Faktoren (nach dem steuerlichen
Näherungsverfahren ermittelte Rente) zu errechnen, verfassungswidrig ist (näher dazu
gleich unten). Folglich gibt auch dieser Streitpunkt keine Veranlassung zu einer
"verfassungskonformen Auslegung” gegen den Gesetzeswortlaut.
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3.
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a) Mit der Neufassung der §§ 18, 30 d BetrAVG in der Fassung des ”Ersten Gesetzes
zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung” vom
21.12.2000 hat der Gesetzgeber den Bedenken Rechnung getragen, die das
Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 15.07.1998 (1 BvR 1554/89 ...,
aaO.) zu § 18 BetrAVG in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung geäußert
hat.
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Das Bundesverfassungsgericht hatte einen Verstoß gegen Art. 3 GG festgestellt, da die
Ausgestaltung der Versicherungsrente nach der früheren Fassung des § 18 BetrAVG
und den dieser Vorschrift angepaßten Satzungen der Zusatzversorgungsträger völlig
unabhängig von der konkreten Versorgungszusage des Arbeitgebers berechnet wurde
und dadurch Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst gegenüber Arbeitnehmern in der
Privatwirtschaft benachteiligt wurden. Zudem erschwere der Verlust eines erheblichen
Teils der erworbenen Versorgungsanwartschaften, der in § 18 a.F. BetrAVG angelegt
war, den Arbeitsplatzwechsel und verstoße daher gegen Art. 12 GG. Das auf § 18
BetrAVG a.F. beruhende System führe dazu, daß der öffentliche Arbeitgeber seine
Versorgungszusage bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder
teilweise zurücknehme, was dem Arbeitgeber in der Privatwirtschaft nicht möglich sei.
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Nach § 30 d Abs. III BetrAVG in der Neufassung wird Arbeitnehmern wie dem Kläger,
die aufgrund der Absätze V, VI des § 18 BetrAVG in der bis zum 31.12.1998 geltenden
Fassung nachzuversichern waren, nunmehr ein Anspruch nach § 2 BetrAVG gegen
ihren früheren Arbeitgeber zugesprochen, so daß sie im Ergebnis die ihnen individuell
zugesagte Gesamtversorgung erhalten. Dadurch wird der Benachteiligung der im
öffentlichen Dienst beschäftigt gewesenen Arbeitnehmer durch die früher angelegte
teilweise Rücknahme der Versorgungszusage entgegengewirkt.
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Die Gesamtversorgung wird im System der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes
in Anlehnung an die Berechnung der Versorgungsrente ermittelt; eine Gleichstellung der
Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes mit denen der gewerblichen Wirtschaft nach
Eintritt der Unverfallbarkeit der betrieblichen Altersversorgung wird für vor dem
Versorgungsfall ausscheidende Arbeitnehmer dadurch angestrebt, daß sie
Anwartschaften auf einen ihrer Betriebszugehörigkeit entsprechenden Anteil der ihnen
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zugesagten Zusatzversorgung erhalten.
Dabei wird das fiktive Nettoeinkommen, das Berechnungsgrundlage für die
Gesamtversorgung ist, ausgehend vom Bruttoarbeitseinkommen zum Zeitpunkt des
Ausscheidens berechnet. Das stellt den Bezug zu § 2 BetrAVG her, wo in Abs. 1) im
Ansatz die zustehende Versorgungsleistung in Höhe des Teiles der ohne das vorherige
Ausscheiden zustehenden Leistung Berechnungsgrundlage ist.
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b) Der Senat kann nicht feststellen, daß die Anweisung des Gesetzgebers
verfassungswidrig ist, die maßgebende Nettogesamtversorgung mit Werten aus
unterschiedlichen Zeitpunkten zu berechnen (Stichtag 31.12.2000 für die Abzüge
Bruttoarbeitseinkommen mit dem Wert zum Ausscheidenszeitpunkt).
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Dieses Verfahren, in der Diktion des Klägers als "Vermischung von Äpfeln und Birnen”
kritisiert, erweckt keine verfassungsrechtlichen Bedenken, da die ungleichen Zeitpunkte
nicht willkürlich gewählt sind, sondern sachlich begründet werden können.
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Im übrigen ist nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht dargelegt, gegenüber welchen
Personengruppen der Kläger benachteiligt worden sein soll.
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In der Begründung zur Gesetzesneufassung ist ausgeführt, eine individuelle
Berechnung sei wegen der Komplexität und Vielschichtigkeit der Regelungen, die auch
in kürzeren Zeiträumen immer wieder weitgehenden Veränderungen unterliegen, kaum
praktikabel. Insbesondere sei sie nicht unter Zuhilfenahme der Datenverarbeitung
durchzuführen, sondern erfordere eine manuelle Einzelberechnung und damit einen
unangemessenen Personal- und Kostenaufwand.
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Gegen diese Begründung ist aus Sicht des Senats nichts zu erinnern, zumal auch das
Bundesverfassungsgericht gewisse Ungleichbehandlungen in der Zusatzversorgung im
öffentlichen Dienst als hinnehmbar bezeichnet hat, da die "hochkomplizierte Materie” zu
Vereinfachungen zwinge und praktische Erfordernisse der Verwaltung sowie erhebliche
Schwierigkeiten bei der Vermeidung der Ungleichbehandlung zu Gunsten einer
Typisierung ins Gewicht fielen (Beschluß v. 22.03.2000 - 1 BVR 1136/96
http://www.bverfg.de/).
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Die Kritik des Klägers und der Nebenintervenientin, daß die Bezieher einer
Zusatzversorgungsrente bei einer pauschalen Berechnung zum Stichtag 31.12.2000
hinsichtlich aller Berechnungsfaktoren schlechter gestellt werden als bei einer
Berechnung auf der Grundlage der Abzugsverhältnisse zum Zeitpunkt ihres
Ausscheidens, trifft schon generell nicht zu.
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Zwar ist dem Kläger einzuräumen, daß es bei seinem Ausscheiden im Jahr 1982 noch
keinen Solidaritätszuschlag gab. Andererseits entfiel im Jahr 1982 auf ein
Arbeitseinkommen von (rund) 100.000,00 DM, wie es der Kläger damals unstreitig
bezog, eine Einkommensteuerschuld von 41.236,00 DM nach der Grundtabelle
gegenüber einer Einkommensteuerschuld von nur 30.690,00 DM nach der für das Jahr
2000 geltenden Grundtabelle.
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Zwar liegen - auch das ist dem Kläger einzuräumen - die Beiträge zur Renten- und
Arbeitslosenversicherung zum Stichtag 31.12.2000 höher als die Beiträge bei seinem
Ausscheiden im Jahr 1982. Diese Beiträge sind jedoch nicht kontinuierlich gestiegen,
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sondern die Beiträge zur Rentenversicherung lagen z.B. im Jahr 1993 mit einem
Beitragssatz von 17,5 % unter dem für 1982 geltenden Beitragssatz von 18,0 %.
Für Arbeitnehmer, die in den Jahren 1997 bis 1999 aus dem öffentlichen Dienst
ausgeschieden sind, erweist sich eine Berechnung nach dem Stichtag 31.12.2000 als
günstiger, da in diesen Jahren Rentenversicherungsbeiträge von 20,3 % abgeführt
wurden.
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Die beispielhaft dargestellten unterschiedlichen Berechnungsgrundlagen, die sich in
relativ kurzen Zeiträumen ändern, stützen das Anliegen des Gesetzgebers, einen
allgemeingültigen und praktikablen Stichtag für Abzüge zu schaffen, zumal nicht
ersichtlich ist, daß die individuelle Berechnung zum einheitlichen Zeitpunkt des
Ausscheidens aus dem öffentlichen Dienst ein Mehr an Gerechtigkeit verspricht. Im
Gegenteil unterläge diese vom Kläger (bzw. der Nebenintervenientin) favorisierte
Berechnungsweise allen Zufälligkeiten, wie sie die wechselnde Höhe der Beitragssätze
zur Rentenversicherung sowie die Entwicklung der Steuergesetzgebung widerspiegeln.
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c) Die Entscheidung, die Grundversorgung in Höhe der nach dem Näherungsverfahren
zu ermittelnden fiktiven Rente auf die Gesamtversorgung anzurechnen, wird vom
Gesetzgeber dahingehend begründet, daß damit die Kongruenz zwischen der
Gesamtversorgung und der anzurechnenden Rente angestrebt werde.
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Die Berechnung der Gesamtversorgung ist fiktiv und führt zu dem höchstmöglichen
Versorgungssatz, der einen durchgehenden Versicherungsverlauf unterstellt.
Entsprechend soll auch das Näherungsverfahren fiktiv einen durchgehenden
Versicherungsverlauf von 45 Jahren unterstellen. Die Entscheidung des Gesetzgebers,
der fiktiv errechneten Gesamtversorgung eine pauschal ermittelte anzurechnende
Grundversorgung gegenüberzustellen, orientiert sich an sachlichen Kriterien; eine
Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes wird vom Kläger ebensowenig wie von der
Nebenintervenientin aufgezeigt und ist vom Senat auch nicht festgestellt worden.
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d) Die Differenz zwischen der Höhe der aufgrund der §§ 18 Abs. II, 30 d Abs. I,
III BetrAVG errechneten Zusatzversorgungsrente in Höhe von 458,37 DM und der vom
Kläger unter Berücksichtigung seiner Vorgaben errechneten Rente von 1.059,99 DM
monatlich erreicht kein Ausmaß, das die vom Gesetzgeber angestrebte Typisierung der
Berechnung mißbräuchlich erscheinen ließe. Das Bundesverfassungsgericht hat in der
Entscheidung vom 15.07.1998 (aaO.) den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers
betont und deshalb § 18 BetrAVG a.F. nicht für nichtig erklärt, um der vorzunehmenden
Neuregelung nicht vorzugreifen. Bei Nichtigkeit des § 18 BetrAVG a.F. wäre § 2
BetrAVG anwendbar gewesen, eine Konsequenz, die das Bundesverfassungsgericht
gerade vermeiden wollte. Damit ist klargestellt, daß der Gesetzgeber nicht an die
Vorgaben des § 2 BetrAVG gebunden werden sollte, sondern daß wegen der
Besonderheiten der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst eine anderweitige von § 2
BetrAVG abweichende Regelung durchaus zu tolerieren ist.
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Der Senat hat nicht festgestellt, daß der hinzunehmende Rahmen möglicher
Ungleichbehandlungen durch die Berechnungsanweisungen des ”Ersten Gesetzes zur
Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung”
überschritten worden ist.
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4) Gemäß § 543 Abs. II Nr. 2 ZPO läßt der Senat die Revision gegen dieses Urteil zu.
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5) Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. I, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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