Urteil des OLG Hamm vom 04.10.2001

OLG Hamm: gesamteindruck, hund, vergleich, gestaltung, urheber, form, fotokopie, anhörung, neuheit, begriff

Oberlandesgericht Hamm, 4 U 87/01
Datum:
04.10.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 U 87/01
Vorinstanz:
Landgericht Bielefeld, 4 O 361/99
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 16. März 2001 verkündete
Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar und beschwert die Klägerin mit
100.000 DM.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des
Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000 DM
abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit
in dieser Höhe leistet.
Die Sicherheitsleistung kann durch unbedingte, unwiderrufliche,
unbefristete selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- und
Steuerbürgen anerkannten Kreditinstitutes in der Europäischen Union
erbracht werden.
Tatbestand:
1
Die Klägerin produziert und vertreibt u.a. Plüschtiere und Dekoleuchten. Eine solche
Dekoleuchte in Form eines L hatte der Beklagte für die Klägerin entworfen, die von der
Klägerin auch vermarktet worden war. Im Anschluß daran planten die Parteien, eine
weitere Dekoleuchte in Form eines Hundes auf den Markt zu bringen.
2
Der Beklagte entwarf zu diesem Zweck drei Skizzen eines Hundewelpen mit Vorder,
Rück- und Seitenansicht (vgl. Anlage K 2 zur Klageschrift Bl. 15 d.A.), die er der
Klägerin übersandte. Die Klägerin leitete die Skizzen an ihre Modelleurin, die Zeugin T
weiter. Am 12. Juni 1998 fand eine Besprechung zwischen dem Beklagten und der
Zeugin T wegen der Umsetzung der Skizzen in ein Modell statt. Am 12. Juli 1998 fand
3
eine weitere Besprechung zwischen dem Beklagten und der Zeugin T statt, nachdem
die Zeugin T ein Gipsmodell eines Hundewelpen geschaffen hatte. Der Beklagte will mit
diesem Modell nicht zufrieden gewesen sein. Er machte jedenfalls Fotos von diesem
Modell, brachte zu Hause auf den Fotos Korrekturen an der Linienführung im Bereich
des Kopfes an (vgl. Fotos Bl. 141, 142 d.A.) und schickte diese Fotos mit den
Korrekturen der Zeugin T zurück (vgl. Schreiben des Beklagten vom 13. Juli 1998
Anlage A 10 zur Klageerwiderung vom 7. Mai 1999, Bl. 51 d.A.).
Die Zeugin T nahm daraufhin Korrekturen an dem Hundemodell vor und schickte dem
Beklagten mit Anschreiben vom 21. Juli 1998 vier Fotografien des so korrigierten
Hundemodells (vgl. Anlage A 11 und A 12 zur Klageerwiderung vom 7. Mai 1999, Bl. 51
d.A.).
4
Auf der Grundlage dieser Fotografien meldete der Beklagte am 18. August 1998 ein
Geschmacksmuster unter der Bezeichnung "X" an, das unter der Nr. ########## in das
Musterregister eingetragen wurde (vgl. Fotokopien der Eintragungsurkunde Bl. 138 ff
d.A.).
5
Die geänderte Bezeichnung des Geschmacksmusters als "X" beruhte darauf, daß die
Parteien zwischenzeitlich davon Abstand genommen hatten, eine Dekoleuchte in
Hundeform zu schaffen, sondern statt dessen an den früheren Erfolg der Klägerin mit
ihrem "X2" aus 1965 anknüpfen und wieder ein Hundemodell schaffen wollten, das bei
Bewegung mit dem Kopf wackeln konnte. Der "X2" der Klägerin aus 1965 (vgl.
Werbeblatt Bl. 319 R d.A.) hatte seinerzeit vielfach vor allem Platz auf der Rückablage
von Pkws gefunden.
6
Parallel zur Geschmacksmusteranmeldung meldete der Beklagte am 14. August 1998
die Marke "O" an, die am 18. November 1998 in das Markenregister für den Beklagten
eingetragen wurde (vgl. Fotokopie der Eintragungsurkunde als Anlage A 2 zur
Klageerwiderung vom 7. Mai 1999, Bl. 46 d.A.). Diese Bezeichnung sollte als Name für
den neuen X dienen.
7
Am 5./6. Oktober 1998 schlossen die Parteien eine Lizenzvereinbarung über die
Vermarktung des X. Danach räumte der Beklagte der Klägerin gegen Zahlung einer
Lizenzgebühr das Vertriebsrecht an dem für ihn geschmacksmusterrechtlich
geschützten X ein (vgl. Fotokopie dieser Lizenzvereinbarung Bl. 19 d.A.).
8
In der Folgezeit vertrieb die Klägerin unter der Bezeichnung "O" diesen X (vgl.
Werbeprospekt Bl. 129 o d.A., Foto des "O" Bl. 16 d.A., sowie das im Senatstermin
überreichte Belegexemplar).
9
Im November 1998 kam es zu Streitigkeiten zwischen den Parteien über die Art und
Weise der Vermarktung des X (vgl. Fotokopie des Schreibens der Klägerin an den
Beklagten vom 16. November 1998 als Anlage A 13 zur Klageerwiderung vom 7. Mai
1999, Bl. 53 d.A., sowie Fotokopie des Antwortschreibens des Beklagten vom
20. November 1998 als Anlage A 14).
10
Mit Schreiben vom 29. Januar 1999 kündigte der Beklagte die Lizenzvereinbarung mit
der Klägerin fristlos (vgl. Fotokopie des Schreibens Bl. 21 d.A.) und wandte sich wegen
des X einem anderen Vermarkter zu (vgl. Fotokopie des entsprechenden
Lizenzvertrages des Beklagten mit diesem Vermarkter vom 29. Januar 1999 Bl. 24 ff
11
d.A.).
Die Klägerin ihrerseits ging mit einem abgewandelten Modell des X unter der
Bezeichnung "C" auf den Markt (vgl. Werbeprospekt Bl. 319 R d.A.).
12
Mit der vorliegenden Klage greift die Klägerin das Geschmacksmusterrecht des
Beklagten an dem X an. Dem Beklagten stehe dieses Recht nicht zu, weil nicht er,
sondern die Zeugin T in Wahrheit Urheber des geschützten Modells sei.
13
Die Klägerin behauptet, daß es schon ihre Idee gewesen sei, statt der Dekoleuchte in
Hundewelpenform einen neuen X auf den Markt zu bringen. Sie habe ihrer Modelleurin
die Zeichnung des Beklagten übersandt und diese beauftragt, einen X zu modellieren.
In der Folgezeit hätten sich ihr Mitarbeiter S und die Modelleurin Frau T darauf geeinigt,
die Zeichnung des Beklagten nicht weiter zu verwenden und den Hund vielmehr
comicartig neuzugestalten. Frau T habe dazu nach ihren eigenen Vorstellungen das
Modell des X entwickelt und die Rechte daran auf sie, die Klägerin, übertragen.
Obgleich ein völlig anderer Hund von Frau T gestaltet worden sei als der vom Beklagten
entworfene, habe sie dem Beklagten gleichwohl zugesichert, ihn zu beteiligen, weshalb
es zum Abschluß des Lizenzvertrages gekommen sei. Denn der Beklagte habe
immerhin die Idee zu einem neuen Hund gehabt und sei auch der Inhaber der
Bezeichnung "O" gewesen, unter der der neue X habe vertrieben werden sollen.
14
Die Klägerin hat beantragt,
15
1. den Beklagten zu verurteilen, durch Erklärung gegenüber dem Deutschen Patent-
und Markenamt in die Löschung seines Geschmacksmusters ############
einzuwilligen;
2. der Klägerin die Befugnis zu erteilen, bei erneuter Anmeldung des dem
Geschmacksmuster ########### zugrundeliegenden Modells die Priorität vom
18.08.1998 in Anspruch zu nehmen.
16
17
Der Beklagte hat beantragt,
18
die Klage abzuweisen.
19
Der Beklagte hält sich für den Schöpfer des X. Das von der Zeugin T entworfene Modell
beruhe allein auf seinen Vorgaben. Soweit das zunächst geschaffene Modell zu seinem
Mißfallen von der in den Skizzen niedergelegten und von ihm auch erläuterten
Gestaltung abgewichen sei, habe er dies durch seine Korrekturen wieder rückgängig
machen können, so daß das endgültig geschaffene und auch der
Gebrauchsmusteranmeldung zugrundegelegte Modell seinem Entwurf und seinen
Vorstellungen entsprochen habe.
20
Das Landgericht hat zu der Frage, ob die Zeichnungen des Beklagten und dessen
Änderungsvorschläge dem Geschmacksmustermodell zugrundegelegen haben, Beweis
21
erhoben durch ein schriftliches Sachverständigengutachten des N vom 6. Oktober 2000
sowie durch dessen mündliche Anhörung im Verhandlungstermin des Landgerichts vom
16. März 2001. Wegen der Äußerungen des Sachverständigen im einzelnen wird auf
das zu den Akten genommene Gutachten sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 16. März
2001 Bl. 222 ff d.A. verwiesen.
Sodann hat das Landgericht durch Urteil vom 16. März 2001 die Klage als unbegründet
abgewiesen, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Beklagte als Urheber
des geschützten Modells anzusehen sei und der Klägerin folglich keine von der Zeugin
T abgeleiteten Rechte zustünden.
22
Wegen des Inhaltes des Urteiles im einzelnen wird auf Blatt 229 ff der Akten verwiesen.
23
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der
sie ihr Klagebegehren aus erster Instanz weiterverfolgt.
24
Unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages leugnet die Klägerin
nunmehr zusätzlich die Schutzfähigkeit des Klagemodells. Sämtliche
Gestaltungsmerkmale, die den Gesamteindruck des X auch nach Ansicht des Beklagten
prägten, seien vorbekannt gewesen. Auch die Kombination dieser
Gestaltungsmerkmale bei dem strittigen X "O" könne nicht als eigentümlich angesehen
werden.
25
Selbst wenn man aber von der Geschmacksmusterfähigkeit ausgehen wolle, sei der
Beklagte zur Anmeldung nicht berechtigt gewesen, da er nicht der Schöpfer des "O" sei.
Die anders lautenden Aussagen des gerichtlichen Sachverständigen seien nicht
haltbar. Allein die Zeugin T sei für das Aussehen und die Gestaltung des "O"
verantwortlich. Dem Zwischenmodell hätten augenscheinlich nicht die Zeichnungen des
Beklagten zugrundegelegen. Die vom Beklagten auf den Fotografien vom
Zwischenmodell eingezeichneten Striche seien marginal und hätten das
Zwischenmodell nicht derart verändert, daß nunmehr der Beklagte als Urheber des
Endergebnisses angesehen werden könne. Der Zeugin T sei es gelungen, einen
rasseübergreifenden Hundewelpen zu erstellen. Der Beklagte habe dagegen versucht,
einen X2-Welpen zu zeichnen.
26
Unzutreffend sei auch die Annahme des Sachverständigen, daß die Zeugin T die Ohren
des Hundes allein aus herstellungstechnischen Gründen ummodelliert habe. Es treffe
auch nicht zu, daß die gestalterische Integration der Wackelmechanik zwangsläufig
einige formale Änderungen im Halsbereich gegenüber den Zeichnungen erfordert habe.
Schließlich sei auch die geänderte Kopfhaltung nicht nur auf Grund praktischer
Anforderungen wegen der Nickbewegung erforderlich gewesen.
27
Die Klägerin beantragt,
28
das am 16.03.2001 verkündete Urteil des Landgerichts Bielefeld abzuändern und
29
1.
30
den Beklagten zu verurteilen, durch Erklärung gegenüber dem Deutschen Patent-
und Markenamt in die Löschung seines Geschmacksmusters ############
einzuwilligen;
31
2.
32
der Klägerin die Befugnis zu erteilen, bei erneuter Anmeldung des dem
Geschmacksmuster ########### zu Grunde liegenden Modells die Priorität vom
18.08.1998 in Anspruch zu nehmen.
33
Der Beklagte beantragt,
34
die gegnerische Berufung zurückzuweisen.
35
Unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages behauptet der
Beklagte, daß er von Anfang an einen rasseübergreifenden Welpen habe schaffen
wollen. Die Zeugin T habe auch sämtliche von ihm angebrachten Änderungswünsche
berücksichtigt. Da der Wackelkopf mithin nach seinen Weisungen gestaltet worden sei
und die Klägerin zudem noch einen Lizenzvertrag mit ihm geschlossen habe, sei es
nicht verständlich, weshalb die Klägerin annehmen könne, er sei an der Gestaltung des
X nicht beteiligt gewesen.
36
Wegen des Inhaltes der Parteivorträge im einzelnen wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
37
Entscheidungsgründe:
38
Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Landgericht hat das Klagebegehren zu
Recht zurückgewiesen, weil nicht die Zeugin T, sondern der Beklagte als Urheber des
geschützten Modells des X im Sinne des § 1 Abs. 1 GeschmMG anzusehen ist.
39
Die Klägerin kann darüber hinaus die Löschung des eingetragenen
Geschmacksmusters auch nicht mit dem erstmals in der Berufungsinstanz geltend
gemachten Einwand der fehlenden Schutzfähigkeit nach §§ 10 c Abs. 2 Ziff. 1, 1 Abs. 2
GeschmMG erreichen.
40
Für diesen letzteren Einwand spielt die Frage der Urheberschaft an dem X, die von den
Parteien in den Vordergrund ihrer Auseinandersetzung gestellt wird, keine Rolle.
Insoweit kommt es allein darauf an, ob das vom Beklagten angemeldete Modell des X,
wie es aus den der Anmeldung zugrundegelegten Fotografien ersichtlich ist (vgl. die
Fotografien Bl. 140 d.A.), die erforderliche Gestaltungshöhe besitzt, um als schutzfähig
angesehen werden zu können (BGH GRUR 2001, 503 - Sitz-Liegemöbel).
41
Nach § 1 Abs. 2 GeschmMG muß das Modell dazu neu und eigentümlich sein, wobei
nach § 13 GeschmMG hinsichtlich der Neuheit eine Vermutung zugunsten des
Anmelders spricht (Eichmann/von Falckenstein, GeschmMG, 2. Aufl., § 14 a Rz. 58
m.w.N.).
42
Für die Eigentümlichkeit reicht es aus, daß es sich um eine eigenpersönliche Leistung
handelt, die über das Landläufige, Alltägliche, dem Durchschnittskönnen eines
Mustergestalters Entsprechende hinausgeht (BGH GRUR 1980, 235 - Play-Family).
43
Die Neuheitsvermutung hat die Klägerin nicht widerlegt.
44
Soweit die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung (vgl. Bl. 273 d.A.) auf das Modell
eines C2 als X aus ihrer früheren Produktion verweist (vgl. Werbeprospekt Bl. 319 d.A.
dort Modell Nr. #####1 bzw. #####2), weist die Berufungserwiderung des Beklagten zu
Recht darauf hin, daß es sich bei diesem Modell erkennbar gerade um einen C2-Hund
handelt, der keine Ähnlichkeit mit dem hier in Rede stehenden "O" aufweist. Die Größe
der Pfoten und Falten sind nicht identisch, auch nicht Schnauze, Nasenspiegel und
Breite der Wangen. Der abgebildete C2 zeigt eine leicht geöffnete Schnauze, aus der
auch noch die Zunge heraushängt. Er weist nicht die rundliche Kopfform des "O" auf.
45
Auch der D (vgl. Werbeprospekt Bl. 318 d.A. dort Modell unter der Nr. #####3 bzw.
#####4) hat mit dem O lediglich die Sitzhaltung und den Umstand gemeinsam, daß es
sich um einen X handelt. Im übrigen weist dieser Hund keinerlei Ähnlichkeiten mit dem
"O" auf. Der D hat völlig andere Augen, Ohren und eine andere Kopfform. Die
Darstellung ist insgesamt streng rassebezogen, während der O vom Betrachter auf
keinen Fall der Rasse der D zugeordnet wird.
46
Auch der "legendäre" X2 der Klägerin (vgl. Werbeprospekt Bl. 319 d.A. R dort Modell Nr.
#####5 bzw. #####6) kann nicht als Vorläufer des "O" angesehen werden.
Kennzeichnend für dieses Hundemodell ist die E-Form, die beim "O" nicht wiederkehrt.
47
Der sitzende E2 (Anlage K 19 zur Berufungsbegründung) kann schon wegen der hier
besonders deutlich herausgestellten Rassemerkmale nicht als Vorläufer des "O"
angesehen werden. Allein die ähnliche Sitzhaltung reicht für eine solche Annahme nicht
aus. Entscheidend kommt es auf einen Vergleich des Gesamteindrucks der jeweiligen
Hundefiguren an. Es reicht nicht aus, daß hinsichtlich einzelner Aspekte gewisse
Assoziationen geweckt werden mögen. Eine Übereinstimmung lediglich in einzelnen
Gestaltungselementen reicht nicht aus, um das geschützte Modell als vorbekannt
ansehen zu können.
48
Gleiches gilt für die mit der Berufungsbegründung als Anlagenkonvolut K 20
überreichten Hundefiguren. Die jeweiligen Posen dieser Hundefiguren unterscheiden
sich deutlich von der Erscheinungsform des "O". Mögen auch einzelne
Gestaltungselemente dieser Hundefiguren im "O" wiederkehren, so ändert das doch
nichts daran, daß die Neuheit eines Modells im Sinne des § 1 Abs. 2 GeschmMG nur
dann widerlegt ist, wenn das Modell als solches den Einzelvergleich mit vorbekannten
Modellgestaltungen nicht aushält (Eichmann/von Falckenstein, GeschmMG, 2. Aufl., § 1
Rz. 22 m.w.N.). Soweit lediglich einzelne Gestaltungselemente als solche vorbekannt
gewesen sind, kann das im Rahmen der Prüfung der Eigentümlichkeit eine Rolle
spielen, die Neuheit des Modells läßt dies unberührt.
49
Im Ergebnis muß deshalb zugunsten des Beklagten davon ausgegangen werden, daß
das geschützte Modell des X "O" nicht als vorbekannt angesehen werden kann.
50
Ihm muß ferner auch die für die Schutzfähigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 GeschmMG
erforderliche Eigentümlichkeit zugebilligt werden.
51
Auch wenn die Gestaltungselemente im einzelnen bereits vorbekannt gewesen sein
mögen, was bei einer Darstellung, die weitgehend naturgetreu sein will, auf der Hand
liegt, so geht die hier gegebene Zusammenfügung und Verschmelzung dieser einzelnen
Elemente zu einem charakteristischen Gesamteindruck über eine durchschnittliche
Gestaltung hinaus. Dies ist auch in keinem der vorliegenden Gutachten in Zweifel
52
gezogen worden. Gerade auch die zuletzt noch von der Klägerin selbst vorgelegte
ergänzende Untersuchung der Gutachterin I vom 26. September 2001 betont auf Seite
10 die komplexe amorphe Gestalt des "O", wobei schon das Gesicht allein eine hoch
komplexe Form darstelle. Unabhängig von der Frage, ob und welcher konkreten
Hunderasse der X "O" zugeordnet werden kann, zeichnet sich das Hundemodell durch
"sprechende" Züge aus, die es dem Betrachter als "süß" und "niedlich" erscheinen
lassen. Dabei mag die emotionale Ansprache des Hundemodells sicher unterschiedlich
sein, je nach dem Maße, nach dem der jeweilige Betrachter solche Hundemodelle als
Kitsch empfindet und deshalb ihnen ablehnend gegenübersteht.
Solche unterschiedlichen Geschmacksansichten ändern aber nichts daran, daß das
strittige Hundemodell in seiner individuellen Ausgestaltung als solche jedenfalls so weit
über eine durchschnittliche Gestaltung eines Hundewelpen als Dutzendware
hinausgeht, daß von einer Eigentümlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 GeschmMG
zugunsten des Beklagten auszugehen ist. Insoweit muß es ausreichen, daß das strittige
Hundemodell jedenfalls für den Betrachter, der für solche Darstellungen empfänglich ist,
eine emotionale Wirkung entfaltet, die nicht von vornherein jeder Welpendarstellung
eigen ist. Denn der Begriff der Eigentümlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 GeschmMG ist
nicht an eine bestimmte Geschmackshöhe gebunden. Es reicht vielmehr aus, daß
innerhalb des gewählten Gestaltungsrahmens eine Leistung erzielt wird, die über das
Landläufige hinausgeht (Eichmann/von Falckenstein, a.a.O., § 1 Rz. 34 ff).
53
Insoweit weist das strittige Hundemodell aber solch ausreichend individuell
ausgestaltete Züge auf, insbesondere was die Gesichtsform und die Körperhaltung
insgesamt betrifft, daß man geneigt ist, den Hund mit seinem "Namen" "O" zu rufen, um
ihn so von anderen Hundewelpen zu unterscheiden. Diese so geschaffene Individualität
reicht aus, um das strittige Hundemodell bereits als nicht alltäglich ansehen zu können.
54
Der Senat kann die Frage der Schutzfähigkeit auch aus eigener Sachkunde beurteilen,
weil es insoweit gerade auf die Anschauungen des für geschmackliche und ästhetische
Fragen aufgeschlossenen und mit ihnen einigermaßen vertrauten
Durchschnittsbetrachters ankommt (BGH a.a.O. - Sitz-Liegemöbel).
55
Die Klägerin kann vom Beklagten auch nicht nach § 10 c Abs. 2 Ziff. 2 GeschmMG die
Einwilligung in die Löschung des eingetragenen Geschmacksmusters verlangen.
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Nach dieser Vorschrift kann der wirkliche Anmeldeberechtigte den unbefugten
Anmelder zur Einwilligung in die Löschung zwingen (Eichmann/von Falckenstein,
a.a.O., § 10 c Rz. 9), wobei die Vermutungsregelung des § 13 GeschmMG zugunsten
des Anmelders zu berücksichtigen ist (BGH a.a.O. - Play-Family).
57
Das bedeutet für den vorliegenden Fall, daß der Erfolg der Klage davon abhängig ist,
daß der Klägerin der Nachweis gelingt, daß sie bzw. die Zeugin T in Wahrheit der
Schöpfer des zum Geschmacksmuster angemeldeten Hundemodells ist und nicht der
Beklagte. Denn nach § 1 Abs. 1 GeschmMG steht das Geschmacksmuster nur dem
wahren Urheber des angemeldeten Modells zu.
58
Diesen Nachweis hat die Klägerin aber nicht erbringen können.
59
Unstreitig stammen die drei Zeichnungen des Hundes (Vorderansicht, Seitenansicht,
Rückenansicht), die Ausgangspunkt des Streites zwischen den Parteien sind, vom
60
Beklagten. Diese Zeichnungen sind der Zeugin T ebenfalls unstreitig auch zugänglich
gemacht worden. Unstreitig ist ferner, daß der Beklagte an dem von der Zeugin T
gefertigten Hundemodell Korrekturen angebracht hat und daß danach ein weiterer
Entwurf des Hundemodells von der Zeugin T gefertigt worden ist, dessen Fotografien
dann Grundlage für die Geschmacksmusteranmeldung durch den Beklagten geworden
sind.
Angesichts dieser unstreitigen Ausgangslage kommt es für die Frage, wer als Urheber
des angemeldeten Modells eines X im Sinne des § 1 Abs. 1 GeschmMG anzusehen ist,
nur darauf an, ob dieses Modell auf die Entwurfsskizzen des Beklagten zurückzuführen
ist oder ob dieses angemeldete Modell eine eigenschöpferische Leistung der Zeugin T
darstellt, bei der die Entwurfsskizzen des Beklagten lediglich Ideengeber gewesen sind.
Das von der Zeugin T geschaffene Hundemodell muß eine neue eigene Schöpfung im
Sinne des § 4 GeschmMG darstellen in freier Benutzung der Entwurfsskizzen des
Beklagten, um die Zeugin T als die in Wahrheit berechtigte Urheberin des Modells
ansehen zu können. Es darf sich dabei nicht lediglich um eine unfreie Bearbeitung im
Sinne des § 5 GeschmMG handeln. Die Züge des alten Werkes müssen verblassen, um
eine freie Benutzung im Sinne des § 4 GeschmMG annehmen zu können (Eichmann/
von Falckenstein, a.a.O., § 4 Rz. 2 m.w.N.).
61
Es kommt mithin allein auf einen objektiven Vergleich der einzelnen
Entwicklungsschritte an, inwieweit sie zu einer neuen eigenständigen Schöpfung der
Zeugin T geführt haben. Die bloßen Absichten und Erklärungen der Parteien sind
unerheblich, so daß diese zwischen den Parteien strittigen Punkte auch nicht aufgeklärt
zu werden brauchten.
62
Danach ist es zunächst unerheblich, von wem die Idee ausgegangen ist, statt einer
Dekoleuchte einen neuen X zu schaffen. Denn eine solche bloße Idee ist weder
schutzfähig, noch vorliegend Streitgegenstand.
63
Unerheblich ist ebenfalls, ob die Zeugin T bei der Modellierung des ersten Modells, an
dem der Beklagte dann die Korrekturen vorgenommen hat, die Entwurfsskizzen des
Beklagten noch vorliegen oder sie bereits zur Seite gelegt hatte. Denn eine sog.
Doppelschöpfung, also das Vorhandensein zweier Werke, die unabhängig voneinander
entstanden und deshalb prinzipiell auch selbständig schutzfähig sind (Nirk/Kuntze,
GeschmMG, 2. Aufl., § 4 Rz. 17), scheidet hier von vornherein schon deshalb aus, weil
der Zeugin T die Entwurfsskizzen des Beklagten bekannt gewesen sind, bevor sie ihren
Hund modellierte. Deshalb ist die bloße Absicht der Zeugin T, ein eigenständiges Werk
zu schaffen, unerheblich. Es kommt allein darauf an, ob ihr dies tatsächlich auch
gelungen ist. Denn bloße Absichten des neuen Schöpfers können die Urheberschaft
des ersten Schöpfers an dem vorbekannten Modell nicht beseitigen. Ob das neue
Modell lediglich eine unfreie Bearbeitung dieses vorbekannten Modells darstellt oder
bereits eine neue eigenständige Schöpfung eines seinerseits als neu und eigentümlich
zu qualifizierenden Modells, ist allein objektiv durch einen Vergleich der
konkurrierenden Modelle zu bestimmen. Denn es geht allein um den Erwerb von
Sonderschutzrechten an Modellen, also Gegenständen der äußeren Erscheinungswelt.
Ein solcher Rechtserwerb ist aber schon im Hinblick auf seine Drittwirkung nur objektiv
zu bestimmen.
64
Insbesondere die Gegenüberstellung der verschiedenen Entwürfe auf Seite 14 des von
der Klägerin vorgelegten Ergänzungsgutachtens der Sachverständigen I vom
65
26. September 2001 zeigt aber mit hinreichender Deutlichkeit, daß sich die
Entwurfsskizzen des Beklagten als die grundlegende Gestaltungsform durch alle
Entwürfe durchziehen und auch das Erscheinungsbild des Geschmacksmustermodells
entscheidend prägen, so daß der Beklagte nicht nur als Urheber der Entwurfsskizzen,
sondern auch des daraus, wenn auch mit Hilfe der Zeugin T, entstandenen
Geschmacksmustermodells entsprechend den Fotos Blatt 140 der Akten anzusehen ist
(vgl. ferner auch noch die Gegenüberstellungen Bl. 103, 143 d.A.).
Bei dieser vergleichenden Beurteilung kommt es nicht so sehr auf die Unterschiede der
einzelnen Modelle an, sondern es ist für den Vergleich entscheidend auf den
Gesamteindruck des jeweiligen Modells abzustellen (BGH a.a.O. - Sitz-Liegemöbel).
Denn der Charakter eines Modells und seine Eigentümlichkeit stellt sich nicht als bloße
Summe seiner einzelnen Merkmale dar, sondern ergibt sich gerade erst aus dem
Zusammenspiel dieser Merkmale, die dem Modell seine unverwechselbare Gestalt
geben.
66
Dieser Gesamteindruck, den die Entwurfsskizzen des Beklagten vermitteln und den die
Klägerin in dem von der Zeugin T geschaffenen Kleinmodell (von der Klägerin im
Senatstermin vorgestellt, sowie fotografisch dargestellt in der mittleren Zeile der oben
erwähnten gutachterlichen Gegenüberstellung der Sachverständigen I) dargestellt hat,
kehrt aber in dem "O" des Geschmacksmustermodells wieder.
67
Dabei kann hier das sog. "Zwischenmodell", das die Zeugin T zunächst geschaffen und
an dem der Beklagte die Korrekturvorschläge gemacht hatte, außer Betracht bleiben.
Denn es geht hier allein darum, ob sich die Entwurfsskizzen des Klägers gerade in dem
Geschmacksmustermodell wiederfinden, oder ob sich das Geschmacksmustermodell
als anderes Hundemodell darstellt im Vergleich zu den Entwurfsskizzen des Klägers.
Mag sich die Zeugin T im Rahmen von Zwischenschritten auch von den
Entwurfsskizzen des Beklagten entfernt haben, so bleibt dies unerheblich, wenn sie sich
in ihrem endgültigen Entwurf, der Grundlage der Geschmacksmusteranmeldung
geworden ist, wieder den Entwurfsskizzen des Klägers in unfreier Weise angenähert
hat. Denn es geht nur darum, wer als Urheber des angemeldeten Hundemodells
anzusehen ist. Eine unfreie Nachbildung wird nicht dadurch zu einer freien Bearbeitung
eines vorbekannten Werkes, daß sich der Bearbeiter zeitweilig von dem benutzten
Vormodell hinreichend weit entfernt hat. Entscheidend ist allein das endgültige Modell,
das den Vergleich als andersartig aushalten können muß, um als eine freie Bearbeitung
im Sinne des § 4 GeschmMG angesehen werden zu können. Dies kann das Modell "des
O", das Grundlage der Geschmacksmusteranmeldung des Beklagten ist, aber nicht.
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Unerheblich ist dabei zunächst der Streit der Parteien über die Rassezugehörigkeit des
vom Beklagten entworfenen Hundewelpen, ob es sich dabei um einen "X3" Welpen
handelt, während das Geschmacksmustermodell rasseübergreifend ist. Denn weder die
Entwurfsskizzen des Beklagten noch das Geschmacksmustermodell wenden sich an
Hundeliebhaber, denen eine bestimmte Hunderasse vorgestellt werden soll. Es handelt
sich vielmehr um einen allgemeinen Dekorationsgegenstand, der lediglich einen
Hundewelpen als "Thema" hat. Auch wenn diejenigen Betrachter, denen die
Hunderasse "X3" bekannt ist, Merkmale dieser Rasse in den Entwurfsskizzen des
Beklagten wiedererkennen mögen, so sind sie doch nicht dergestalt herausgestellt, daß
der angesprochenen Allgemeinheit der Hundewelpe in den Entwurfsskizzen des
Klägers als reinrassiger Angehöriger einer bestimmten Hunderasse erscheint, während
das Geschmacksmustermodell demgegenüber als sog. "Promenadenmischung"
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erscheinen würde. Vielmehr werden sowohl in den Entwurfsskizzen als auch im
Geschmacksmustermodell gerade keine spezifischen Rassenmerkmale herausgestellt,
so daß bei beiden Darstellungen der Verkehr lediglich allgemein von einem
Hundewelpen ausgeht, was man dann als rasseübergreifend bezeichnen mag. Für den
Vergleich der Darstellungen, was deren Gesamteindruck angeht, stellen sich für den
Durchschnittsbetrachter, auf den allein abzustellen ist, weil sich der X als bloßes
Dekorationsstück an die Allgemeinheit wendet, beide Darstellungen allgemein als die
eines rassemäßig nicht näher bestimmten Hundewelpen dar im Gegensatz zu anderen
jungen Haustieren. In beiden Fällen nimmt dieser Hundewelpe eine sitzende Haltung
ein, die im Vergleich zur natürlichen sitzenden Haltung eines Hundewelpen auch nicht
besonders verfremdet wirkt.
Kann sich damit für den Betrachter weder aufgrund rassespezifischer Merkmale noch
aufgrund der allgemeinen Körperhaltung ein Unterschied der beiden
Hundedarstellungen ergeben, bleiben dafür dann nur noch der besondere
Gesichtsausdruck und die besondere Sitzhaltung der jeweiligen Hundedarstellungen,
um einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorrufen zu können.
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Auch insoweit ergibt sich für den Betrachter aber kein unterschiedlicher
Gesamteindruck.
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Die jeweiligen Unterscheidungsmerkmale, wie sie in dem Gutachten der
Sachverständigen I vom 25. Juni 1999 aufgeführt sind von der Klägerin als Anlage K 14
mit Schriftsatz vom 29. Juni 1999 Bl. 74 ff d.A. vorgelegt , sind nicht geeignet, einen
unterschiedlichen Gesamteindruck der beiden Welpendarstellungen hervorzurufen, wie
es auch der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachten gesehen hat.
72
Dabei können die Angriffe der Klägerin gegen dieses Gutachten des gerichtlichen
Sachverständigen im einzelnen dahingestellt bleiben, ob etwa die gestalterische
Integration der Wackelmechanik zwangsläufig formale Veränderungen gegenüber den
Entwurfsskizzen des Beklagten zur Folge hat, ob die Nickbewegung eine Korrektur der
Kopfhaltung bedingt und ob die abstehenden Ohren der Entwurfsskizze ein
problemloses Herauslösen des Kopfes aus der Fertigungsform nicht hätten möglich sein
lassen. Diese technischen Zusammenhänge sind für die hier allein entscheidende
Frage unerheblich, ob durch diese und weitere Änderungen bei dem
Geschmacksmustermodell gegenüber den Entwurfsskizzen des Beklagten sich der
Gesamteindruck des Hundewelpen tatsächlich geändert hat.
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Dies hat der gerichtliche Sachverständige im Ergebnis zutreffend verneint.
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Wie bei dem Streit der Parteien um den Begriff der rasseübergreifenden
Hundedarstellung gehen auch die Angriffe der Klägerin gegen den vom gerichtlichen
Sachverständigen entwickelten Begriff des "Kindchenschemas" an der Sache vorbei. Es
geht bei der Verwendung dieses Begriffes nicht um klassifikatorische Einordnungen,
sondern um die zusammenfassende schlagwortartige Bezeichnung, welchen Eindruck
der Hundewelpe zunächst in den Entwurfsskizzen des Beklagten beim Betrachter
erweckt, eben den Eindruck eines ganz jungen Hundes, der noch nicht erzogen oder
dressiert worden ist, der vielmehr noch von einer kindlichen unverfälschten Neugier
geprägt ist, wie der Sachverständige in seiner Anhörung vor dem Landgericht auch noch
einmal erläutert hat. Insoweit hat der Sachverständige in seinem Gutachten und in
seiner Anhörung überzeugend dargelegt, daß sich dieser Eindruck, vom
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Sachverständigen eben schlagwortartig als "Kindchenschema" bezeichnet, in dem
Geschmacksmustermodell für den Betrachter wiederfindet, es sich also nicht um einen
anderen Hundewelpen als den in den Entwurfsskizzen des Beklagten handelt.
Demgegenüber können die Schlußfolgerungen der Sachverständigen I in ihrem bereits
erwähnten Gutachten vom 25. Juni 1999 (Anlage K 14 zum Schriftsatz der Klägerin vom
29. Juni 1999 Bl. 74 ff d.A.) nicht überzeugen, daß die Haltung des Hundewelpen in den
Entwurfsskizzen des Beklagten eine aggressive und in Achtung stehende sei, während
die Anmutung des Geschmacksmustermodells von natürlichem, freundlichem und
lustigem Ausdruck sei; es sei ein braves, freundliches, fast freches knubbeligeres
Modell, wogegen der Hundewelpe in den Entwurfsskizzen des Beklagten einen
zurückhaltenden Eindruck erwecke.
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Diese Charakterunterschiede vermag der Senat nicht nachzuvollziehen, was er auch
ohne zusätzliche sachverständige Beratung beurteilen kann (BGH a.a.O. - Sitz-
Liegemöbel). Denn es geht im vorliegenden Zusammenhang um den ästhetischen
Gesamteindruck, den ein Durchschnittsbetrachter aus dem Vergleich der beiden
Darstellungen des Hundewelpen gewinnt, nicht um Fragen, auf welche Art und Weise
und durch welche gestalterischen Mittel ein Designer verschiedenartige Anmutungen
herstellen kann.
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Die Sachverständige I hat in ihrem erwähnten Gutachten die unterschiedlichen
Gestaltungselemente in den beiden Darstellungsformen sicher zutreffend
herausgearbeitet. Um den entscheidenden ästhetischen Gesamteindruck festzustellen,
reicht es aber nicht aus, nur die einzelnen Unterschiede festzustellen, vielmehr ist es
erforderlich, diese einzelnen Elemente in Bezug auf ihre Maßgeblichkeit für den
Gesamteindruck zu bewerten und zu gewichten (BGH a.a.O. - Sitz-Liegemöbel).
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Dabei ergibt sich hier, daß die aufgeführten Unterschiede im Erscheinungsbild der
beiden Hundewelpen insgesamt von so untergeordneter Bedeutung sind, daß sie den
übereinstimmenden Gesamteindruck der beiden Darstellungen, wie er sich aus
Gesichtsausdruck und Körperhaltung ergibt, nicht beeinflussen.
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Was zunächst die Beule auf dem Kopf des Hundewelpen in den Entwurfsskizzen des
Beklagten betrifft, so erscheint diese nur als zufälliges Beiwerk, als hätte sich der
Hundewelpe einmal den Kopf gestoßen und das andere Mal nicht. Weder erscheint
diese Beule in den Entwurfsskizzen des Beklagten als prägender Bestandteil für die
Kopfform, noch erhält diese Kopfform gerade durch das Weglassen der Beule im
Geschmacksmustermodell eine prägnant abweichende Gestaltung.
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Auch die Gesichtsform insgesamt ist in beiden Darstellungsformen in erster Linie durch
die pausbäckige Gestaltung geprägt. Die abweichende Nasenform beim
Geschmacksmustermodell erscheint gegenüber der ausgeprägteren Nasenform des
Hundewelpen in den Entwurfsskizzen lediglich als Vereinfachung, ohne daß diese
Vereinfachung gestalterische Wirkung hat.
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Ähnliches gilt für die Augenpartie. Auch hier ist der übereinstimmende Eindruck der weit
geöffneten Augen, die kindliche Neugier assoziieren, vorherrschend.
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Auch die unterschiedliche Form der Ohren bewirkt keinen verschiedenartigen
Gesamteindruck. Zwar stehen sie beim Hundewelpen in den Entwurfsskizzen des
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Beklagten ab, während sie beim Hundewelpen des Geschmacksmustermodells
anliegen. Für den Betrachter sind es aber dieselben Ohren, die lediglich vom Tier
jeweils anders gehalten werden. Für den Betrachter bleibt es der gleiche Hund, der
seine Ohren im Falle des Geschmacksmustermodells lediglich angelegt hat. Dieses
Spiel mit den Ohren ist für einen Hund charakteristisch und führt deshalb dazu, daß ein
Betrachter der jeweiligen Haltung der Ohren für die Identifizierung des Hundes keine
besondere Bedeutung beimißt, wenn nur Form und Größe der Ohren im wesentlichen
übereinstimmen, wie es hier bei beiden Modellen der Fall ist.
Auch die Körperhaltung insgesamt ist von ihrem Gesamteindruck her die gleiche.
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Die unterschiedliche Gestaltung der Vorderläufe erscheint dem Betrachter beim
Geschmacksmustermodell, soweit sie dort weniger ausgeprägt ist, wiederum nur als
bloße Vereinfachung des Modells der Entwurfsskizzen, ohne daß gerade durch die
Vereinfachung ein gestalterischer Effekt erzielt würde.
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Die unterschiedliche Stellung der Vorderläufe erscheint wiederum nur, wie bei den
Ohren, als gewissermaßen "natürlich" bedingte Veränderung in der Haltung der
Vorderläufe. Derselbe Hund hat seine Vorderläufe eben einmal so und das andere Mal
so gestellt.
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Diese aufgeführten Abweichungen sind aber jeweils so nebensächlich, daß sie auch
insgesamt genommen keine abweichende Anmutung des Geschmacksmustermodells
gegenüber dem Modell der Entwurfsskizzen zu begründen vermögen.
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Insgesamt besteht bei beiden Darstellungsformen der übereinstimmende Eindruck einer
abwartenden, aber zugleich neugierigen Haltung, geprägt von einer positiven
Grundstimmung, die beide Modelle dem Betrachter übereinstimmend freundlich,
erwartungsvoll und unvoreingenommen entgegenblicken läßt, vom gerichtlichen
Sachverständigen eben schlagwortartig als "Kindchenschema" bezeichnet.
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Die Unterschiede der Seitenansicht und Rückenansicht fallen demgegenüber für den
Betrachter von vornherein nicht ins Gewicht, weil sich der Eindruck vom Charakter eines
Hundes in erster Linie aus der Vorderansicht ergibt, nämlich aus dem Gesichtsausdruck
und der Körperhaltung, die gerade dem Betrachter gegenüber gezeigt wird.
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Um durch unterschiedliche Gestaltung der Rückenansicht und der Seitenansicht einen
anderen Gesamteindruck des Modells zu erzielen, muß es sich schon um markante
Unterschiede handeln.
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Bei der Rückenansicht stellt sich die unterschiedliche Haltung des Schwanzstummels
aber wiederum nur als Spiel des Tieres mit diesem Gliedmaß dar. Die unterschiedliche
Rückengestaltung mag auf einen anderen Gewichtszustand hindeuten, aber nicht auf
ein unterschiedliches Hundemodell.
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Gleiches gilt bei der Seitenansicht für die unterschiedliche Körperform.
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Insgesamt verleihen die Unterschiede zwischen den beiden Modellen, wie sie sich für
den Betrachter ergeben, dem Geschmacksmustermodell kein solch eigenständiges
"Gesicht", daß das Modell der Entwurfsskizzen des Beklagten nur noch von Ferner Pate
gestanden hat. Vielmehr erscheinen die Unterschiede nur als Abwandlungen des
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Hundewelpen aus den Entwurfsskizzen des Beklagten, die sich im wesentlichen nur als
Vereinfachungen dieses Modells ohne eigenen gestalterischen Ausdruck darstellen
oder als bloße Veränderungen der Körperhaltung, die dem Betrachter lediglich aus der
Lebendigkeit eines Hundewelpen zu resultieren scheinen, ohne ihn zu einem anderen
Hundewelpen zu machen.
Fehlt es somit bereits an einem Löschungsanspruch der Klägerin, weil dem Beklagten
als Urheber des geschützten X das Geschmacksmuster zu Recht zusteht, entfällt auch
der zusätzlich geltend gemachte Prioritätsanspruch nach § 10 c Abs. 3 GeschmMG.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 10, 711
ZPO.
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