Urteil des OLG Hamm vom 04.03.1999

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Oberlandesgericht Hamm, 4 U 218/98
Datum:
04.03.1999
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 U 218/98
Vorinstanz:
Landgericht Siegen, 6 O 106/98
Tenor:
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 22. Sept. 1998
verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts
Siegen wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Antragsgegnerin
auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
1
(Von der Darstellung des
Tatbestandes
2
Die Berufung der Antragsgegnerin ist unbegründet. Das Landgericht hat das von dem
Antragsteller beanstandete Gewinnspiel der Antragsgegnerin zu Recht für
wettbewerbswidrig erachtet und deshalb der Antragsgegnerin untersagt, im
geschäftlichen Verkehr für Waren im Versandhandel unter Verwendung von Textteilen
wie
3
"Gewinn-Benachrichtigung, 100.000,00 DM, Ausschüttung August 1998, Sie
stehen als Gewinner fest! Heute geht es für Sie um 50.000,00 DM"
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und
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"Liebe(r)..., ich würde mich freuen, wenn ich Sie auch in Zukunft zu unseren
Kunden zählen könnte und darum freut es mich besonders, daß sie am ... um ... als
Gewinner ermittelt wurden und damit 50.000,00 DM in bar für Sie reserviert sind"
6
und
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"Offizielle Auszahlungs-Garantie
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Hiermit wird offiziell bestätigt, daß (der Mitteilungsempfänger) berechtigt ist, frei zu
wählen, in welcher Form er die 50.000,00 DM im Gewinnfall erhalten möchte,
vorausgesetzt er schickt sein persönliches Gewinnzertifikat vollständig ausgefüllt
und mit freigerubbelter Gewinn-Nummer vor dem .... zurück! Nach diesem Termin
kann der Gewinnbetrag nur noch in Form eines Barschecks vergeben werden!"
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und
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"Vertrauliches Ziehungsprotokoll vom ..., Bargeldvergabe, 50.000,00 DM,
Vertraulich-Kopie für Gewinner, Anlaß: Bargeld-Vergabe 50.000,00 DM,
Maßnahmen: Herr ... über seinen Gewinn informieren und die erforderlichen
Gewinn-Dokumente zusenden."
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und
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"Persönliches Gewinn-Zertifikat, Wichtig: Unter der goldenen Fläche befindet sich
die Gewinn-Nummer, die über 50.000,00 DM in bar entscheidet. Vergleichen Sie
Ihre Gewinn-Nummer mit der offiziell zugelassenen (im vertraulichen
Ziehungsprotokoll mitgeteilten) Nummer für den Barpreis über 50.000,00 DM und
reagieren Sie sofort!"
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potentiellen Kunden im Rahmen des Versandhandels Mitteilung von einem
Bargeldgewinn zu machen, obwohl der Gewinn als auszahlbarer Gewinn noch
nicht feststeht.
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Diese so verbotenen Textteile machen den charakteristischen Inhalt des beanstandeten
Gewinnspiels aus und sind deshalb vom Landgericht zu Recht zum Inhalt der
Verbotsformel gemacht worden.
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Dieses solchermaßen charakterisierte Gewinnspiel ist wettbewerbswidrig, und zwar
bereits nach § 1 UWG, ohne daß es darauf ankäme, ob es auch zu konkreten
Irreführungen nach § 3 UWG führt.
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Grundsätzlich sind solche Gewinnspiele wie hier, bei denen es ohne Einsatz des
Mitspielers nur um eine Aufmerksamkeitswerbung des Veranstalters geht,
wettbewerbsrechtlich zulässig, wenn nicht besondere Umstände negativer Art
hinzutreten (BGH WRP 1995, 591 - Gewinnspiel II; Köhler/Piper UWG § 1 Rz. 57;
Baumbach/Hefermehl Wettbewerbsrecht 20. Aufl. § 1 UWG Rz. 151).
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Solche Umstände, die ein Gewinnspiel wettbewerbswidrig machen, können vor allem in
einer Täuschung des Publikums liegen (BGH a.a.O. - Gewinnspiel II; BGH GRUR 1974,
729 - Sweepstake; Baumbach/Hefermehl a.a.O. § 1 UWG Rz. 152).
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Zu Recht hat das Landgericht einen solchen Fall hier angenommen. Dem Leser wird
einzureden versucht, er habe bereits einen Betrag von 50.000,00 DM gewonnen,
obwohl ihm insoweit lediglich eine Gewinnchance eingeräumt ist. Die Angaben in der
Wettspielbeschreibung erwecken den Eindruck, wenn dort von
"Gewinnbenachrichtigung" und ähnlichen Ausdrücken die Rede ist, als habe sich die
Gewinnchance für den angeschriebenen Leser bereits realisiert. Zwar mögen bei einem
kritischen Leser Zweifel aufkommen, wie er zu einem solch hohen Gewinn von
50.000,00 DM kommen konnte, ohne bisher etwas dazu getan zu haben. Bei
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eingehendem Studium der Spielbedingungen mag ein aufmerksamer Leser dann auch
zu der richtigen Erkenntnis kommen können, daß der bereits realisierte Gewinn ein
anderer ist, dessen Höhe nicht angegeben wird, daß es jedenfalls nicht die groß
herausgestellten 50.000,00 DM sind, daß vielmehr insoweit nur eine Gewinnchance
besteht wie bei anderen Gratisverlosungen auch.
Diese versteckten Hinweise auf die wahren Spielbedingungen reichen aber nicht aus,
um das veranstaltete Gewinnspiel der Antragsgegnerin noch als wettbewerbsrechtlich
zulässig erscheinen zu lassen. Vielmehr begründet die Unklarheit und verwirrende
Darstellung der tatsächlichen Gewinnchancen bereits das Unwerturteil nach § 1 UWG.
Die verwirrende Darstellung bringt den Leser dazu, sich mit dem Gewinnspiel näher zu
befassen, um die wahren Teilnahmebedingungen und Gewinnchancen herauszufinden,
wobei er zwangsläufig auch den dazwischengepackten Angeboten begegnet. Es ist
aber schon als wettbewerbswidrig zu erachten, die Aufmerksamkeit für seine Waren
nicht durch deren Attraktivität, sondern durch die verwirrenden Teilnahmebedingungen
eines Gewinnspiels zu erreichen, die eine bessere Gewinnchance suggerieren, als sie
tatsächlich besteht. Entscheidend ist insoweit, daß jedenfalls zunächst einmal der
Eindruck beim Leser erweckt wird, als habe er die angekündigten 50.000,00 DM bereits
gewonnen, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall ist. Mag sich dieser Irrtum später auch
aufklären, so ändert dies nichts an dem Umstand, daß der Leser zunächst einmal über
die Höhe seiner Gewinnchance getäuscht worden ist. Schon dies macht das
beanstandete Gewinnspiel wettbewerbswidrig nach § 1 UWG, weil dem Leser über Art
und Höhe der Gewinnchance bereits im ersten Zugriff Klarheit verschafft werden muß.
Das veranstaltete Gewinnspiel muß seine Attraktivität aus der tatsächlich gegebenen
Gewinnchance gewinnen und nicht aus deren Verschleierung.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziff. 10 ZPO.
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