Urteil des OLG Hamm vom 26.02.2008

OLG Hamm: mangel, nachbesserung, käufer, fahrzeug, rückabwicklung, radio, werkstatt, rücktritt, gebrauchstauglichkeit, einbau

Oberlandesgericht Hamm, 28 U 135/07
Datum:
26.02.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
28. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
28 U 135/07
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 14 O 168/07
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 09.08.2007 verkündete Urteil
der 14. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung
gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils
zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
1
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der dort gestellten Anträge
wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Münster (Bl. 37 f. d.A.) Bezug
genommen. Ergänzend ist anzuführen: Das erstinstanzliche Vorbringen des Klägers zu
dem Mangel am rechten Seitenspiegel, an der Innenverkleidung des Fahrerspiegels
und an den beiden Seitenscheiben bestreitet die Beklagte nicht mehr. Bei einem
Werkstattaufenthalt des Fahrzeuges vom 16. bis zum 17.08.2007 behob die Beklagte
den Mangel am rechten Seitenspiegel, erneuerte die Innenverkleidung des
Fahrerspiegels, tauschte die Fensterführung der Beifahrertür aus und entfernte im
Beifahrerfußraum Klebereste, die durch die anfänglich fehlerhafte Kabelführung beim
iPod-Anschluss entstanden waren. Wegen der genauen Arbeiten, die die Beklagte
damals an den beiden Spiegeln und an der Beifahrertür vornahm, sowie wegen der
Kosten, die die Beklagte dem Hersteller in Rechnung stellte, wird auf die Kopie der
Rechnung der Beklagten vom 17.08.2007 (Bl. 74 f. d.A.) verwiesen. Nach diesem
Werkstattbesuch fiel dem Kläger auf, dass die beiden Spaltmaße der vorderen
Stoßfänger nicht ordnungsgemäß waren. Ursächlich hierfür war ein beschädigter
Aufhänger, den die Beklagte während eines Werkstattaufenthalts des Fahrzeugs vom
28.09.2007 bis zum 02.10.2007 reparierte. Zugleich tauschte die Beklagte die Motoren
und die Scheibenheber der beiden vorderen Seitenscheiben aus und befestigte erneut
die Innenverkleidung des linken Außenspiegels, die sich in der Zwischenzeit wieder
gelöst hatte. Die Beklagte berechnete für diese Arbeiten dem Hersteller Peugeot
2
insgesamt 847,22 € (Bl. 76 f. d.A.). Da die Beklagte die Scheibeneinstellungen nicht
exakt justiert hatte, schlug in der Folgezeit die rechte Seitenscheibe bei geöffnetem
Dach gegen den Seitenholm. Diesen Mangel beseitigte die Beklagte bei einem
Werkstattaufenthalt am 09.10.2007. Am 29.10.2007 suchte der Kläger erneut die
Werkstatt auf, weil ein Felgenschlüssel gebrochen war. Auf seine Rüge, die rechte
Seitenscheibe senke sich beim Türöffnen wieder nicht ordnungsgemäß, wollte sich ein
Mitarbeiter des Peugeot-Werkes die Seitenscheiben ansehen. Der Kläger brachte daher
den Pkw am 31.10.2007 erneut in die Werkstatt der Beklagten. Am 15.11.2007 setzte
die Beklagte wieder eine Innenverkleidung an dem Fahrerspiegel ein. Das Fahrzeug
gab die Beklagte in diesem Tag erst heraus, nachdem der Kläger unter Protest für den
neuen Felgenschlosssatz 111,30 € bezahlt hatte. Derzeit zeigen sich sowohl an der
rechten als auch an der linken Seitenscheibe wieder die ursprünglichen Mängel. Die
Scheiben senken sich zumindest zuweilen nicht ordnungsgemäß beim Öffnen der
rahmenlosen Türen, so dass die Scheiben beim Öffnen der Tür eine am Dach
angebrachte Dichtung berühren.
Das Landgericht hat am 09.08.2007 die Klage abgewiesen. Wegen seiner Begründung
wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils (Bl. 38 f. d.A.) verwiesen.
3
Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung unter teilweiser
Wiederholung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Er behauptet:
Bereits kurze Zeit nach dem Werkstattaufenthalt vom 09.10.2007 habe sich wieder der
ursprüngliche Mangel an der rechten Seitenscheibe gezeigt. Im Gegensatz zu der linken
Seitenscheibe senke sich die rechte Seitenscheibe seit einiger Zeit bei jedem Öffnen
der Beifahrertür nicht ordnungsgemäß. Dadurch, dass die Türen mit Gewalt aus der
Führung gezogen werden müssten, bestehe die Gefahr, dass die Scheiben brechen
würden. Es liege zudem ein grundlegender Mangel an der Steuerungselektronik oder
software vor. Der Bruch des Felgenschlüssels und der Schiefstand der Stoßfänger seien
nicht in seiner Sphäre verursacht worden. Für die bisherige Mängelbeseitigung sei ein
Aufwand in Höhe von ca. 3.000,00 € erforderlich gewesen.
4
Nach seiner Ansicht ist er unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht
gehalten gewesen, die Mängel durch die Beklagte beseitigen zu lassen, um
weitergehende Schäden an dem Fahrzeug zu vermeiden. Dadurch habe er jedoch nicht
auf sein Rücktrittsrecht verzichtet.
5
Der Kläger beantragt,
6
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Münster vom 09.08.2007
7
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 24.931,99 € Zug um Zug gegen Rückgabe des
Fahrzeugs Pkw Peugeot 307 CC JBL HDI 135, Fahrgestellnummer #####1 zzgl.
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit zu zahlen,
2. festzustellen, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet.
8
9
Die Beklagte beantragt,
10
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
11
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Vorbringen. Dabei wiederholt und ergänzt
sie teilweise ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie vertritt die Ansicht, dass die noch
vorhandenen Mängel auch in einer Gesamtschau zusammen mit den beseitigten
Mängeln unerheblich sind. Im Übrigen seien die Gebrauchsvorteile mit 1 % pro
gefahrene 1.000 km anzusetzen.
12
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den
Berichterstattervermerk zur mündlichen Verhandlung vom 26.02.2003, in der der Senat
die Parteien persönlich angehört hat.
13
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines mündlichen Gutachtens des
Sachverständigen Dipl.Ing. V. Wegen des Beweisergebnisses wird ebenfalls auf den
Berichterstattervermerk Bezug genommen.
14
Entscheidungsgründe:
15
A.
16
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten
kein Recht auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gemäß §§ 437 Nr. 2, 440, 323, 346
Abs. 1 BGB zu.
17
I.
18
Der mit Schreiben vom 16.04.2007 erklärte Rücktritt des Klägers ist unwirksam. Denn zu
diesem Zeitpunkt lagen nur noch zwei offene und drei verdeckte Mängel vor (1.), deren
Beseitigung der Kläger der Beklagten unstreitig nicht ermöglicht hat, obwohl dies nach
den oben genannten Vorschriften erforderlich gewesen wäre (2.). Im Übrigen ist ein
Rücktrittsrecht ausgeschlossen, da die Pflichtwidrigkeiten der Beklagten unerheblich
sind (3.).
19
1.
20
Ein Rücktrittsrecht kann nur auf solche Mängel gestützt werden, die vor der
Rücktrittserklärung noch nicht beseitigt worden sind. Im Falle einer erfolgreichen
Nachbesserung gemäß §§ 440, 323 BGB entstehen die Rechte auf Rücktritt oder
Schadensersatzleistung erst gar nicht (BGH, NJWRR 1998, 680 ff; Reinking/Eggert, Der
Autokauf, 9. Aufl., Rdn. 411). Wenn die Nacherfüllung i.S.v. § 440 BGB scheitert, jedoch
der Käufer vor Ausübung seines Rücktrittsrechts oder seines Rechts auf
Schadensersatzleistung dem Verkäufer eine weitere Gelegenheit zur Nacherfüllung
einräumt und der Verkäufer diese Chance nutzt, ist es dem Käufer verwehrt, sich auf das
anfängliche Scheitern der Nacherfüllung zu berufen (BGHZ 90, 198, 204; Senat, ZfS
1999, 60; OLG Düsseldorf, NJWRR 1998, 845, 846; Reinking/Eggert, a.a.O., Rdn. 412).
Sollte der Käufer in diesem Fall nicht auf sein Rücktrittsrecht oder seinen
Schadensersatzanspruch verzichtet haben, so stünde der Ausübung seiner Rechte
§ 242 BGB unter dem Gesichtspunkt des Verbots widersprüchlichen Verhaltens und des
21
fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses entgegen (vgl. BGH, a.a.O.).
Zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung vom 16.04.2007 lagen nur noch fünf unstreitige
Sachmängel vor, und zwar als offene Mängel der Defekt am rechten Seitenspiegel und
die Klebereste im Beifahrerfußraum sowie als verdeckte Mängel die
Funktionsbeeinträchtigungen an den beiden Seitenscheiben und die nicht
ordnungsgemäße Befestigung der Abdeckung des Fahrerspiegels.
22
Der Kläger ist beweisfällig für seine Behauptung geblieben, dass ein grundlegender
Mangel an der Steuerungselektronik oder software bestanden habe. Der
Sachverständige Dipl.Ing. V hat ausgeführt, dass aus technischer Sicht keine
Anhaltspunkte für einen solchen Mangel gegeben sind. Wegen der Einzelheiten seiner
Darlegungen zu diesem Punkt wird auf den Berichterstattervermerk Bezug genommen.
Von der Richtigkeit der nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen ist der
Senat überzeugt. Der Gutachter ist dem Senat aus vielen Verfahren als besonders
sachkundig und erfahren bekannt.
23
Des weiteren steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Schiefstand der
Stoßfänger und der Bruch des Felgenschlüssels Sachmängel i.S.v. § 434 BGB sind.
Denn es besteht die Möglichkeit, dass der Schiefstand der Stoßfänger und der Bruch
des Felgenschlüssels auf einen unsachgemäßen Umgang mit dem Fahrzeug in der
Sphäre des Klägers zurückzuführen sind. Für das Gegenteil hat der Kläger trotz
Hinweises des Senats keinen Beweis angeboten. Der Sachverständige hat nach seinen
glaubhaften Ausführungen die Ursache für den Schiefstand der Stoßfänger und den
Bruch des Felgenschlüssels mangels Vorlage der insoweit ausgetauschten Teile nicht
zu ermitteln vermocht. Der Kläger trägt die volle Beweislast für das Vorhandensein
eines Mangels in diesem Zusammenhang, da sich unstreitig sowohl der Schiefstand der
Stoßfänger als auch der Bruch des Felgenschlüssels erst nach Ablauf der seit
Übergabe des Fahrzeugs am 08.12.2006 laufenden 6Monats-Frist i.S.v. § 476 BGB
gezeigt haben.
24
2.
25
Zur Beseitigung der am 16.04.2007 unstreitig vorhandenen zwei offenen und drei
verdeckten Mängeln hat der Kläger vor seiner Rücktrittserklärung am 16.04.2007
unstreitig der Beklagten keine Frist gesetzt. Eine solche Fristsetzung war jedoch gemäß
§§ 437 Nr. 2, 440, 323 BGB für das Bestehen eines Rücktrittsrechts am 16.04.2007
erforderlich. Entgegen der Ansicht der Beklagten war eine weitere Nachbesserung für
ihn nicht unzumutbar i.S.v. § 440 BGB.
26
Unzumutbar ist eine Nacherfüllung für den Käufer nur bei Vorliegen von besonderen
Umständen, die sich aus der Person des Verkäufers, der Art und Schwere der Mängel
und aus sonstigen Umständen ergeben können. Die besonderen Umstände können
durch andere Begleittatsachen ganz oder teilweise kompensiert werden, wie z.B. die
kostenlose Zurverfügungstellung einer Ersatzsache während der Nachbesserung (vgl.
Palandt-Weidenkaff, 26. Aufl., § 440 BGB, Rdn. 8; Faust in Bamberger/Roth, Beck’scher
Onlinekommentar, Stand 01.02.2007, § 440 BGB Rdn. 35 ff; jeweils m.w.N.).
27
a)
28
Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die Unzumutbarkeit einer Nachbesserung bei einem
29
Neuwagenkauf überhaupt aus der Person des Verkäufers gefolgert werden kann, da der
Käufer eines Neufahrzeuges aufgrund der Herstellergarantie berechtigt ist, eine andere
Werkstatt mit der kostenlosen Behebung der Mängel zu beauftragen. Diese Frage kann
jedoch hier dahinstehen, da eine Nachbesserung nicht aufgrund der Person der
Beklagten unzumutbar war. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn das Vertrauen
des Klägers in eine ordnungsgemäße Nacherfüllung durch die Beklagte nachhaltig
gestört gewesen wäre. Eine solche Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen den
Kaufvertragsparteien kommt in Betracht, wenn der Verkäufer den Käufer über den
Mangel oder über Nacherfüllungsversuche arglistig getäuscht hat, berechtigte
Mängelrügen des Käufers bagatellisiert hat oder im Betrieb des Verkäufers generell
nicht sorgfältig gearbeitet wird (vgl. Faust, a.a.O., Rdn. 37 m.w.N.; Reinking/Eggert, Der
Autokauf, 9. Aufl., Rdn. 399 ff).
Hier hat die Beklagte unstreitig den Kläger nicht arglistig getäuscht oder berechtigte
Mängelrügen bagatellisiert. Auch liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die
Beklagte in besonderer Weise unsorgfältig und fehlerhaft arbeitet. Nach den glaubhaften
Ausführungen des Sachverständigen ist aus technischer Sicht nichts dafür ersichtlich,
dass die Beklagte unsorgfältig bei ihrer Suche nach der Ursache für die Fehler an den
beiden Seitenscheiben vorgegangen ist oder pflichtwidrig gehandelt hat bei ihrem
Versuch, die Innenabdeckung des Fahrerspiegels ordnungsgemäß zu befestigen sowie
die Funktionsbeeinträchtigung am Fernlicht zu beheben. Wegen der Einzelheiten der
Erläuterungen des Sachverständigen in diesem Zusammenhang wird auf den
Berichterstattervermerk verwiesen. Als Arbeitsfehler der Beklagten verbleiben allein die
fehlerhafte Verlegung des iPod-Kabels, das Übersehen von Kleberesten im Zuge der
Änderung der Kabelführung, eine mangelhafte Einstellung der Scheiben im Rahmen
des erst nach der Rücktrittserklärung vom 16.04.2007 erfolgten – Austausches der
Scheibenmotoren und ein etwaiger Montagefehler bei dem ersten Versuch des
Anschlusses des iPods an das Radio. Allein diese Fehler rechtfertigen es nicht, der
Kompetenz und dem Einsatzwillen der Beklagten bei den hier vorliegenden Mängeln
grundsätzlich zu misstrauen. Denn die Beklagte hat unstreitig eine Vielzahl von Arbeiten
an dem Fahrzeug ausgeführt und die von ihr begangenen Fehler, die zudem nicht
schwerwiegend sind, sofort eingeräumt und nachgebessert.
30
b)
31
Die Unzumutbarkeit einer Nachbesserung ergibt sich auch nicht aus der Art und
Schwere aller aufgetretenen Mängel unter Vornahme einer Gesamtschau.
32
aa)
33
Alle Mängel waren in ihren Auswirkungen für den Kläger nicht gravierend. Unstreitig
beeinträchtigten sie weder die Betriebs- noch die Verkehrssicherheit des Fahrzeuges.
Ferner schränkten die Mängel unstreitig nur in geringem Umfang die
Gebrauchstauglichkeit des Fahrzeuges ein.
34
bb)
35
Weiterhin lagen keine Anhaltspunkte für eine begründete Sorge des Klägers vor, es
werden immer neue, auf eine unsachgemäße Herstellung des Pkws zurückzuführende
Ausfälle auftreten. Ein solcher Verdacht hinsichtlich des Auftretens zukünftiger Mängel
wird unter dem Schlagwort "Montagsauto" in der Rechtsprechung (vgl. OLG Frankfurt,
36
NJWRR 1990, 899 f.; OLG Köln, NJWRR 1992, 1147 f.; OLG Düsseldorf, NJWRR 1998,
845 ff; Landgericht Saarbrücken, SuR 2005, 188 f.) und Literatur (vgl. Reinking/Eggert,
a.a.O., Rdn. 403 f.) dann erörtert, wenn sich eine Vielzahl von herstellerbedingten
Mängeln innerhalb kurzer Zeit zeigen. Eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit den
sich im Zusammenhang mit einem sog. Montagsauto stellenden Fragen bedarf es im
vorliegenden Fall nicht, da hier nicht innerhalb von wenigen Monaten so viele
Produktionsmängeln aufgetreten sind, dass ernsthaft das Auftreten weiterer
herstellerbedingter Mängel zu befürchten war. Unstreitig lagen zum Zeitpunkt der
Rücktrittserklärung am 16.04.2007 insgesamt fünf Mängel vor, von denen jedoch
unstreitig ein Mangel nicht werksseitig bedingt war (Klebereste infolge fehlerhafter
Kabelführung). Zuvor waren zwei weitere herstellerbedingte Mängel (fehlendes
Einrasten des Fernlichtschalters und ein Mangel an der Sitzheizung) behoben worden.
Selbst wenn die anfänglich fehlende Verbindung des iPods zu dem Radio nach dem
Einbau des iPods ebenfalls auf einem Fehler des Peugeot-Werkes beruhen sollte,
begründeten diese insgesamt sieben herstellerbedingten Mängel weder von ihrer
Anzahl her noch angesichts des Umstandes, dass sie sich mit Ausnahme eines
Mangels an der rechten Seitenscheibe, innerhalb von ca. 4 ½ Monaten nach der
Übergabe gezeigt haben, eine konkrete Gefahr, es werden zukünftig weitere
Produktionsmängel auftreten. Die Richtigkeit dieser Bewertung wird belegt durch den
Umstand, dass zumindest seit Ende Juli 2007, d.h. seit etwa 7 ½ Monaten keine neuen
Mängel aufgetreten sind, sondern sich nur als behoben erachtete Mängel erneut gezeigt
haben.
c)
37
Schließlich ist nicht aufgrund sonstiger Umstände eine Nacherfüllung der am
16.04.2007 noch vorhandenen fünf Mängel als unzumutbar zu beurteilen. Insbesondere
reichen die Anzahl von 10 Fahrten zu der Beklagten, die der Kläger nach seinen
Behauptungen vorgenommen hat, und die Anzahl von insgesamt acht in der Zeit bis
zum 16.04.2007 aufgetretenen Mängel nicht aus, um eine weitere Nachbesserung als
unzumutbar anzusehen. Auch nach den Behauptungen des Klägers zogen zwei Fahrten
keinen Werkstattaufenthalt des Pkws nach sich. Alle bis zum 16.04.2007
stattgefundenen Werkstattaufenthalte währten nach dem eigenen Vorbringen des
Klägers längstens ein bis zwei Stunden, einige sogar erheblich kürzer (z.B. der
Aufenthalt zum Ablesen der Prozessornummer). Jeder Mangel, hinsichtlich derer der
Kläger vor dem 16.04.2007 Nacherfüllung begehrt hatte, beseitigte die Beklagte
innerhalb der vom Gesetzgeber grundsätzlich als vom Käufer hinzunehmenden Anzahl
von zwei Nachbesserungsversuchen, ausgenommen den Mangel an der linken
Seitenscheibe und an der Innenabdeckung des Fahrerspiegels. Bezüglich dieser
beiden Mängel wussten die Parteien damals nicht, dass der erste
Nachbesserungsversuch zu keiner dauerhaften Behebung geführt hatte. Wie oben
dargelegt, waren aus technischer Sicht die Ursachen dieser beiden Mängel nicht
einfach zu finden. Gleiches gilt - wie gezeigt - für die Ursache des Fehlers am Fernlicht,
der unstreitig ebenfalls nicht im ersten Nachbesserungsversuch beseitigt werden
konnte. Schließlich ist zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen, dass er im Vergleich
zu einem typischen Neuwagenkäufer ein höheres Mängelrisiko mit der Vereinbarung
einging, die Beklagte solle das iPod an das Radio anschließen. Dieses Risiko hat sich
auch realisiert, da der Anschluss nach klägerischem Vorbringen erst mit dem zweiten
Nachbesserungsversuch gelang.
38
3.
39
Selbst wenn der Kläger der Beklagten keine Gelegenheit hätte mehr einräumen
müssen, die am 16.04.2007 vorhandenen Mängel zu beseitigen, so hätte zum Zeitpunkt
der Rücktrittserklärung am 16.04.2007 kein Rücktrittsrecht bestanden. Denn die
gerügten Pflichtverletzungen waren unerheblich i.S.v. §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 5 BGB.
40
Bei der Erheblichkeitsprüfung hat eine umfassende Interessenabwägung und
Gesamtwürdigung aller Umstände stattzufinden (BGH, NJW 2006, 1960; OLG Köln,
NJW 2007, 1694; OLG Nürnberg, NJW 2005, 2019 f.; OLG Bamberg, DAR 2006, 456 ff).
Insoweit sind vor allem der für die Mangelbeseitigung erforderliche Aufwand im
Verhältnis zum Fahrzeugpreis und bei einem nicht behebbaren Mangel die von ihm
ausgehenden Beeinträchtigungen zu berücksichtigen (BGH, a.a.O.; Palandt-Grüneberg,
a.a.O., § 323 BGB, Rdn. 32). Bei einer Mehrheit von Mängeln kommt es auf ihre
Gesamtauswirkungen an. Dabei ist entgegen der Auffassung beider Parteien nur auf
die noch nicht beseitigten Mängel abzustellen (vgl. Palandt-Grüneberg, a.a.O.;
Reinking/Eggert Rdn. 447; ohne Begründung auch OLG Bamberg, DAR 2006, 456 ff).
41
Als unerheblich wurden in der Rechtsprechung Mängel angesehen, deren
Beseitigungskosten 1 % (BGH, NJW 2005, 3490 ff), 2 - 3 % (OLG Düsseldorf, NJWRR
2004, 1060) und 4,5 % (LG Kiel, DAR 2005, 38) des Kaufpreises ausmachen. OLG
Bamberg, DAR 2006, 456 ff (zustimmend Palandt-Grüneberg, a.a.O.) nahm eine
unerhebliche Pflichtverletzung bei unter 10 % des Kaufpreises an, während das OLG
Köln, NJW 2007, 1694 ff bei 5 % eine erhebliche Pflichtverletzung bejaht hat. Nach OLG
Düsseldorf, ZGS 2007, 157 ff ist bei einem Neuwagenkauf die Bagatellgrenze
insbesondere bei negativen Auswirkungen auf den Fahrkomfort tendenziell enger zu
ziehen als bei gebrauchten Kraftfahrzeugen. Zudem soll nach dieser Entscheidung
maßgebend sein, ob sich der Mangel einfach oder schwer beheben lässt (ebenso
Reinking/Eggert, a.a.O., Rdn. 427) und ob im Falle eines geringen
Mangelbeseitigungsaufwandes die Verkehrs- oder Betriebssicherheit beeinträchtigt ist.
42
Hier betrug der erforderliche Mangelbeseitigungsaufwand unter 600,00 €, d.h. unter
2,5 % des Fahrzeugpreises von 24.750,00 € unter Berücksichtigung der
Inzahlungnahme des Altwagens des Klägers. Der Sachverständige Dipl.Ing. V hat
glaubhaft dargelegt, dass sich die Beseitigungskosten für die Mängel an den beiden
Seitenscheiben auf insgesamt maximal 200,00 € inkl. 19 % Umsatzsteuer belaufen.
Wegen der Einzelheiten der Ausführungen des Gutachters zu diesem Punkt wird auf
den Berichterstattervermerk verwiesen. Die Gesamtkosten zur Behebung des Defekts
am rechten Seitenspiegel und an der Innenabdeckung des Fahrerspiegels lagen
unstreitig unterhalb des Betrages von 320,97 € zzgl. Mehrwertsteuer, d.h. von 372,38 €.
Den Betrag von 320,97 € ohne Umsatzsteuer hatte die Beklagte dem Peugeot-Werk
nicht nur für die Beseitigung dieser Mängel, sondern auch für die Vornahme weiterer
Arbeiten (u.a. dem Aus- und Einbau der Türverkleidung vorne rechts und dem
Austausch der Fensterführung der Beifahrertür) in Rechnung gestellt. Für die
Beseitigung der Klebereste im Beifahrerfußraum sind nach allgemeiner
Lebenserfahrung nur ganz geringfügige Kosten anzusetzen.
43
Zusätzlich zu den geringfügigen Mängelbeseitigungskosten wird die unerhebliche
Pflichtverletzung indiziert durch die Tatsache, dass die am 16.04.2007 vorliegenden
Mängel weder die Betriebs- noch die Verkehrssicherheit beeinträchtigten und sie die
Gebrauchstauglichkeit nur in sehr geringem Umfang einschränkten.
44
Angesichts dieser Umstände sind nicht allein deswegen die Pflichtverletzungen der
Beklagten bezogen auf die am 16.04.2007 noch vorliegenden Mängel als nicht
unerheblich anzusehen, weil wegen der Anzahl der Mängel und ihrer teilweise nicht
einfach zu findenden Ursache das sich auch tatsächlich verwirklichte Risiko bestanden
hat, die Reparatur aller Mängel wird nicht während eines Werkstattaufenthaltes
gelingen.
45
II.
46
Der Kläger ist auch nicht nach dem 16.04.2007 wirksam vom Kaufvertrag
zurückgetreten.
47
1.
48
Es kann dahinstehen, ob zum Zeitpunkt der Zustellung des Schriftsatzes des
Klägervertreters vom 22.10.2007, der eine konkludente Rücktrittserklärung enthält, es
gemäß §§ 437 Nr. 2, 440 BGB erforderlich gewesen ist, der Beklagten eine Frist zur
Beseitigung der damals unstreitig noch vorhandenen Mängel an den Seitenscheiben
und an der Innenverkleidung des Fahrerspiegels zu setzen. Denn in jedem Fall ist ein
Rücktrittsrecht des Klägers zu diesem Zeitpunkt gemäß §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 5 BGB
ausgeschlossen, weil die auf diese drei Mängel bezogene Pflichtverletzungen der
Beklagten unerheblich sind. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen Bezug
genommen.
49
2.
50
Bereits wegen unerheblicher Pflichtverletzungen der Beklagten i.S.v. §§ 437 Nr. 2, 323
Abs. 5 BGB bestand schließlich weder zum Zeitpunkt des Zuganges des Schriftsatzes
des Klägervertreters vom 20.12.2007 noch zum Zeitpunkt der Antragstellung des
Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ein Rücktrittsrecht des Klägers
gemäß §§ 437 Nr. 2, 440, 323, 346 BGB. Zu diesen Zeitpunkten lagen unstreitig nur
noch die beiden Mängel an den Seitenscheiben vor.
51
B.
52
Aus den gleichen Erwägungen, aus denen dem Kläger kein Rücktrittsrecht gemäß
§§ 437 Nr. 2, 440, 323, 346 BGB zusteht, kann der Kläger auch nicht die
Rückabwicklung des Kaufvertrages gemäß §§ 437 Nr. 3, 440, 280 f. BGB verlangen.
53
C.
54
Mangels eines Rechts des Klägers auf Rückabwicklung des Kaufvertrages ist des
Weiteren sowohl die Klage auf Zahlung von Zinsen aus 24.750,00 € als auch die Klage
auf Feststellung eines Verzuges der Beklagten mit der Annahme des gekauften
Fahrzeuges unbegründet.
55
D.
56
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
57
E.
58
Die Voraussetzungen der Zulassung einer Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen
nicht vor. Das Urteil stellt eine Einzelfallentscheidung dar, die der Senat auf der
Grundlage weitgehend vertretener und anerkannter Auffassungen in Rechtsprechung
und Literatur getroffen hat. Die Rechtssache besitzt weder grundsätzliche Bedeutung,
noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts oder
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
59