Urteil des OLG Hamm vom 07.03.2006

OLG Hamm: treu und glauben, ablauf der frist, pastor, beherrschende stellung, besteller, geschäftsführer, vormerkung, grundstück, sicherheit, wohnung

Oberlandesgericht Hamm, 21 W 7/06
Datum:
07.03.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
21. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
21 W 7/06
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 9 O 18/06
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß der 9.
Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 24.01.2006 wird
zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
G r ü n d e
1
I.
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Die Antragstellerin erbrachte im Auftrag der M GmbH Bauträger- Baubetreuer- Makler
Dachdecker- und Klempnerarbeiten am Bauvorhaben F-Weg/T-Straße in I.
Miteigentümer des unter der lfd. Nr. 8 im Grundbuch von X Bl. ### (Amtsgericht
Hattingen) eingetragenen Grundstücks sind zu je ¼ Anteil der Antragsgegner, der
zugleich alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH ist, L, L1 und L3. Den
Arbeiten lag ein – für die GmbH von dem Antragsgegner unterzeichneter – VOB-Vertrag
vom 07./09.12.2004 zugrunde. Vertragsgrundlage war u. a. ein Einheitspreisangebot
vom 01.12.2004 über 135.175,64 Euro. Im Zuge der Arbeiten kam es zu
Unstimmigkeiten zwischen den Vertragsparteien. Die Antragstellerin forderte daraufhin
mit Schreiben vom 09.04.2005 unter Hinweis auf § 648 a BGB Sicherheit in Höhe von
128.183,79 Euro bis zum 26.04.2005 und wies darauf hin, dass sie nach Ablauf der Frist
ihre Leistung verweigere. Unter dem 19.05.2005 setzte sie eine Nachfrist zum
06.06.2005 und erklärte für den Fall fruchtlosen Fristablaufs die Kündigung. Nachdem
auch diese Frist verstrichen war, ohne dass die GmbH Sicherheit geleistet hat, rechnete
die Antragstellerin ihre Leistungen mit Schlussrechnung vom 10.08.2005 ab. Die
Rechnung schließt unter Berücksichtigung diverser Nachträge und
Abschlagszahlungen mit einem (Netto-) Betrag von 21.893,71 Euro.
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Die Antragstellerin hat wegen dieser Forderung sowie wegen eines Kostenbetrages von
1.291,80 Euro zur Sicherung ihres Anspruchs auf Einräumung einer
Bauhandwerkersicherungshypothek eine Vormerkung auf dem ¼-Miteigentumsanteil
des Antragsgegners aufgrund einstweiliger Verfügung verlangt. Sie hat geltend
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gemacht, der Antragsgegner müsse sich nach Treu und Glauben so behandeln lassen,
als wäre er ihr Auftraggeber. Zum einen beherrsche er die GmbH als deren alleiniger
Gesellschafter und Geschäftsführer. Zum anderen ziehe er einen tatsächlichen Vorteil
aus ihren Leistungen, da er – unstreitig – eine Wohnung im Haus T-Straße selbst nutze
und die Wohnungen im Hause F-Weg gemeinsam mit den anderen Eigentümern
vermietet habe.
Das Landgericht hat den Antrag ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß vom
24.01.2006 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antragsgegner
müsse sich nicht so behandeln lassen, als wäre er Auftraggeber der Antragsteller.
Dergleichen komme nur in Betracht, wenn der Grundstückseigentümer die Werkleistung
optimal nutze. Davon könne aber bei der Nutzung einer Wohnung und der Vermietung
anderer Wohnungen keine Rede sein.
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Gegen diesen Beschluß wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde.
Sie rügt, das Landgericht habe einen zu strengen Maßstab angelegt. Eine optimale
Nutzung der Werkleistung sei nicht voraus zu setzen; insoweit genüge vielmehr, dass
der Grundstückseigentümer tatsächlich Vorteil aus der Werkleistung ziehe.
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Die Antragstellerin beantragt,
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unter Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts Essen vom 24.01.2006 im
Wege der einstweiligen Verfügung zu beschließen:
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Auf dem ¼-Miteigentumsanteil des Antragsgegners an dem unter der laufenden Nr.
8 im Grundbuch von X Bl. ### (Amtsgericht Hattingen) eingetragenen Grundstück
wird zugunsten der Antragstellerin eine Vormerkung zur Sicherung ihres
Anspruchs auf Einräumung einer Sicherungshypothek für ihre Forderung aus
erbrachten Dachdeckerarbeiten aufgrund Bauvertrags vom 07./09.12.2004 in Höhe
von 21.893,71 Euro gem. Schlussrechnung vom 10.08.2005 sowie wegen eines
Kostenbetrages von 1.291,80 Euro eingetragen.
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Das Grundbuchamt beim Amtsgericht Hattingen wird um Eintragung der
Vormerkung ersucht.
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Der Antragsgegner beantragt,
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die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
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Er meint, die Antragstellerin könne sich nicht auf Treu und Glauben berufen. Dass die
GmbH nicht Eigentümerin des Grundstücks sei, hätte sich schon deshalb aufdrängen
müssen, weil sie – unstreitig – als Generalunternehmerin aufgetreten sei. Darüber
hinaus habe die Antragstellerin – ebenfalls unstreitig – vor Vertragsschluß Pläne
erhalten, die die Eigentümergemeinschaft L als Bauherr auswiesen. Auch bei den
Vertragsverhandlungen sei mehrmals erklärt worden, dass das Grundstück nicht im
Eigentum der GmbH stehe. Deshalb sei die Antragstellerin nicht schutzwürdig, zumal
sie eine Sicherheit nach § 648 a BGB schon vor Ausführung der Arbeiten hätte
verlangen können. Schließlich seien Mängel vorhanden gewesen, deren Beseitigung
rund 30.000,-- Euro gekostet habe.
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II.
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Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.
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Das Landgericht hat den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zur Eintragung
einer Vormerkung mit Recht zurückgewiesen (§§ 883 Abs. 1 S. 1, 885 Abs. 1 S. 1, 937
Abs. 2 ZPO). Denn die Antragstellerin kann wegen ihrer Forderung aus dem Vertrag
vom 07./09.12.2004 über Dachdecker- und Klempnerarbeiten am Bauvorhaben F-
Weg/T-Straße in I gem. Schlußrechnung vom 10.08.2005 nicht die Einräumung einer
Sicherungshypothek an dem ¼-Miteigentumsanteil des Antragsgegners an dem unter
der laufenden Nr. 8 im Grundbuch von X Bl. ### (Amtsgericht Hattingen) eingetragenen
Grundstück verlangen (§ 648 Abs. 1 BGB).
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1.
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Grundsätzlich kann der Unternehmer die Einräumung einer Sicherungshypothek nach §
648 Abs. 1 BGB nur verlangen, wenn Besteller und Grundstückseigentümer rechtlich
dieselbe Person sind (formale Beurteilung); eine Übereinstimmung nach wirtschaftlicher
Betrachtungsweise genügt in der Regel nicht (BGHZ 102, 95/100; OLG Hamm, BauR
1990, 365; OLG Naumburg, NJW-RR 2000, 311; OLG Frankfurt/M., MDR 2001, 1405;
OLG Celle, BauR 2000, 101; 2001, 834 f.; 2003, 576; NJW-RR 2005, 460;
Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl. 2006, § 648 Rdn. Rdn. 3; Pastor, in: Werner/Pastor, Der
Bauprozeß, 11. Aufl. 2005, Rdn. 253). Allerdings schließt das nicht aus, dass sich der
Grundstückseigentümer ausnahmsweise nach § 242 BGB wie ein Besteller behandeln
lassen muß, wenn sich sonst wegen der formalen Beurteilung ein untragbares Ergebnis
ergäbe (BGHZ 102, 95/102 ff.; OLG Hamm, BauR 1990, 365/366; OLG Naumburg, NJW-
RR 2000, 311/312; OLG Frankfurt/M., MDR 2001, 1405; OLG Celle, BauR 2000, 101;
2001, 834/835; 2003, 576 f.; NJW-RR 2005, 460/461; Palandt/Sprau, a.a.O.; Pastor in:
Werner/Pastor, Rdn. 258).
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2.
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Nach diesen Grundsätzen steht der Antragstellerin gegen den Antragsgegner kein
Anspruch auf Einräumung einer Sicherungshypothek zu.
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a)
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Besteller und Grundstückseigentümer sind rechtlich verschiedene Personen.
Auftraggeberin der Dachdecker- und Klempnerarbeiten ist die M GmbH Bauträger-
Baubetreuer-Makler. Eigentümer des unter laufender Nummer 8 im Grundbuch von X Bl.
### (Amtsgericht Hattingen) eingetragenen Grundstücks sind hingegen zu je ¼-Anteil
der Antragsgegner, L, L2 und L3.
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b)
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Der Antragsgegner muß sich auch nicht etwa nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) so
behandeln lassen, als wäre er Auftraggeber der Antragstellerin. Denn um einen
Ausnahmefall, in dem sich nach der formalen Betrachtung ein untragbares Ergebnis
ergäbe, handelt es sich hier nicht.
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aa)
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Dass der Antragsgegner die M GmbH Bauträger- Baubetreuer- Makler als deren
alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer beherrscht, kann allein nicht dazu führen,
ihn über § 242 BGB als Auftraggeber der Antragstellerin zu behandeln. Vielmehr
müssen insoweit die Regeln gelten, die für die sogenannte Durchgriffshaftung entwickelt
worden sind. Wollte man über die Voraussetzungen des Durchgriffs hinaus allein an die
beherrschende Stellung des alleinigen Gesellschafters und Geschäftsführers einer
GmbH anknüpfen, liefe das nämlich darauf hinaus, dass entgegen dem oben genannten
Grundsatz im Ergebnis doch eine Übereinstimmung nach wirtschaftlicher
Betrachtungsweise genügen würde (vgl. BGHZ 102, 95/103; OLG Hamm, BauR 1990,
365/366; OLG Dresden, BauR 1998, 136; OLG Celle, BauR 2000, 101; OLG
Frankfurt/M., MDR 2001, 1405; Palandt/Sprau, a.a.O.). Nach den Regeln der
Durchgriffshaftung (vgl. Palandt/Heinrichs, Einführung vor § 21 Rdn. 12 bis 12 e) ist eine
Mithaftung des Antragsgegners nicht zu begründen. Insbesondere macht die
Antragstellerin, wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt hat, nicht
etwa geltend, die Kapitalausstattung der GmbH sei so unzureichend gewesen, dass von
vornherein zu erwarten gewesen wäre, sie könne den Bauvertrag vom 07./09.12.2004
nicht erfüllen.
26
bb)
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§ 242 BGB kann im Streitfall auch nicht schon deshalb eingreifen, weil der
Antragsgegner den Bauvertrag kannte und billigte. Das ergab sich zwangsläufig darauf,
dass er den Vertrag vom 07./09.12.2004 für die GmbH als deren Geschäftsführer
unterzeichnet hatte (§ 35 Abs. 1 GmbHG). Daraus kann nicht etwa hergleitet werden, der
Antragsgegner habe sich mit der späteren Einräumung einer Sicherungshypothek
einverstanden erklärt. Gegen eine solche Auslegung spricht vor allem, dass ansonsten
der – mit der Gründung einer GmbH regelmäßig verfolgte und von der Rechtsordnung
gebilligte – Zweck, die persönliche Haftung zu beschränken, verfehlt würde (vgl. BGHZ
102, 95/103 f.; OLG Frankfurt/M. MDR 2001, 1405 f.; ähnlich OLG Celle, NJW-RR 2005,
460/461 für zwangsläufige Kenntnis eines Ehegatten beim Bau eines gemeinsamen
Hauses).
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cc)
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Von besonderen Umständen im Sinne des § 242 BGB kann schließlich selbst dann
nicht gesprochen werden, wenn man über die oben genannten Gesichtspunkte hinaus
berücksichtigt, dass der Antragsgegner über die von ihm beherrschte GmbH insofern
tatsächlich Vorteil aus den Arbeiten der Antragsgegnerin zieht, da er eine Wohnung im
Hause T-Straße selbst nutzt und die Wohnungen im Hause F-Weg gemeinsamen mit
den anderen Eigentümerin vermietet hat.
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Die wirtschaftliche Beherrschung des Bestellers durch den Grundstückseigentümer und
das tatsächliche Ausnutzen der Werkleistung sind zwar Umstände, die es rechtfertigen
können, den Eigentümer wie einen Besteller zu behandeln (vgl. BGHZ, 102, 95/104 f.;
OLG Celle, BauR 2003, 576/577; OLG Dresden, BauR 1998, 136/137; Pastor, in:
Werner/Pastor, Rdn. 258; Palandt/Sprau, § 648 Rdn. 3). Allerdings weist der Streitfall
eine Besonderheit auf, die der Annahme eines Ausnahmefalls entgegen steht.
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Die Antragstellerin hätte, was der Antragsgegner zu Recht geltend macht, aus mehreren
Umständen erkennen müssen, dass die GmbH nicht Eigentümerin des Grundstücks ist.
Bereits der Umstand, dass die GmbH als Generalunternehmerin auftrat, wies auf
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fremdes Eigentum hin, weil Generalunternehmer in der Regel nicht Eigentümer der zu
bebauenden Grundstücke sind (OLG Celle, BauR 2000, 101; Pastor: in Werner/Pastor,
Rdn. 253). Hinzu kommt, dass die Antragstellerin vor Vertragsschluß Pläne erhalten
hatte, die die Eigentümergemeinschaft L als Bauherrn auswiesen.
Unter diesen Umständen ist es nicht gerechtfertigt, das gesetzliche Erfordernis der
Identität von Besteller und Grundstückseigentümer nach § 242 BGB zu durchbrechen.
Der Unternehmer ist in der Regel nicht schutzbedürftig, wenn er hätte erkennen müssen,
dass der Besteller nicht zugleich Grundstückseigentümer ist (OLG Schleswig, BauR
2000, 1377; Pastor, in: Werner/Pastor, Rdn. 256; ähnlich OLG Köln, BauR 1986,
703/704). Dass die Antragstellerin ausnahmsweise gleichwohl schutzwürdig sein sollte,
ist nicht ersichtlich, zumal ihr Geschäftsführer im Senatstermin erklärt hat, wichtig sei nur
die Person des Auftraggebers gewesen; darüber, wer Grundstückseigentümer sei, habe
er sich keine Gedanken gemacht.
33
dd)
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Auf die von dem Antragsgegner aufgeworfene (Streit-) Frage, ob der Unternehmer, der
eine Leistung auf einem bestellerfremden Grundstück erbringt, durch die Möglichkeit,
schon vor Ausführung der Arbeiten eine Sicherheit nach § 648 a BGB zu verlangen, in
der Regel ausreichend geschützt ist (bejahend OLG Celle, BauR 2000, 101/102; NJW-
RR 2005, 460/461; ablehnend OLG Naumburg, NJW-RR 2000, 311/312; KG, BauR
1999, 921; Pastor: in Werner/Pastor, Rdn. 258, Palandt/Sprau, § 648 Rdn. 3), kommt es
danach im Streitfall nicht an.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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