Urteil des OLG Hamm vom 22.02.1988

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Oberlandesgericht Hamm, 22 U 239/87
Datum:
22.02.1988
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
22. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 U 239/87
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 2 O 193/87
Tenor:
Auf die Berufung der Kläger wird das am 1. Juli 1987 verkündete Urteil
der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster dahin abgeändert, daß die
Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt werden, an die Kläger
3.277,80 DM zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung
zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 45% und die
Beklagten zu 55 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer der Parteien übersteigt nicht den Betrag von 40.000,--
DM.
Entscheidungsgründe
1
Durch notariellen Vertrag vom 9. Juni 1983 verkauften die Kläger an die Beklagten eine
Eigentumswohnung im Obergeschoß des von ihnen bewohnten Hauses zum Preise von
140.000,-- DM.
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Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war die Teilung noch nicht vollzogen, es waren
noch Umbauarbeiten erforderlich, zu deren Vornahme sich die Kläger in § 3 des
Vertrages verpflichteten. Im übrigen wurden die Gewährleistungsansprüche
ausgeschlossen.
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Der Kaufpreis sollte ebenso wie der Besitzübergang zunächst am 1. August 1983 fällig
sein, später einigten sich die Parteien darauf, daß dies erst am 1. Oktober 1983 der Fall
sein sollte. Der Kaufpreis sollte zahlbar sein auf ein vom beurkundenden Notar
einzurichtendes Notaranderkonto. Es wurden ferner als Voraussetzung für die Fälligkeit
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des Kaufpreises u.a. vereinbart, daß die Teilungserklärung von den Beklagten
privatschriftlich genehmigt sei, daß Teileigentum begründet sei, eine
Auflassungsvormerkung zugunsten der Beklagten eingetragen sei und der Notar
bestätige, daß alle Genehmigungen mit Ausnahme der steuerlichen
Unbedenklichkeitsbescheinigung vorlägen.
Die Wohnung wurde den Beklagten am 1. Oktober 1983 übergeben. Sie zogen am 15.
Oktober 1983 ein. Unstreitig waren bei Einzug der Beklagten noch nicht alle Arbeiten
erledigt. Der Umfang der noch ausstehenden Arbeiten ist allerdings zwischen den
Parteien streitig.
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Erst am 29. Februar 1984 wurde die Auflassungsvormerkung zugunsten der Beklagten
eingetragen. Mit Schreiben vom 2. März 1983 teilte der Notar den Beklagten mit, daß
nunmehr alle Fälligkeitsvoraussetzungen gegeben seien. Die Beklagten zahlten
daraufhin den Kaufpreis wie folgt, wobei auf Wunsch der Kläger die Zahlung auf ein
Notaranderkonto des Notars xxx erfolgte:
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15.03.
7.800,-- DM
26.03.1984
45.406,-- DM
04.04.1984
20.000,-- DM
03.05.1984
7.794,-- DM
12.06.1984
59.000,-- DM
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Während der Abwicklung stellte man fest, daß die Auflassung noch nicht erklärt war,
was am 4. April nachgeholt wurde, worauf die Beklagten als Eigentümer eingetragen
wurden.
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Mit der Klage verlangen die Kläger Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die Zeit
vom 1. Oktober 1983 bis zum 15. März 1984 in Höhe von monatlich 546,-- DM für die 84
m2 große Wohnung. Ferner machen sie für die Zeit vom 15. März 1984 bis zum 12. Juni
1984 Verzugszinsen in Höhe von 16 % geltend, die sie bei Inanspruchnahme von
Bankkredit hätten zahlen müssen. Insgesamt verlangen sie Zahlung von 5.841,47 DM.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil im Kaufvertrag eine
Nutzungsentschädigung nicht vereinbart worden sei. Auch fehle es für das Vorliegen
eines Verzuges an einer Mahnung.
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Die Kläger waren bereits mit einer Klage gegen den Notar erfolglos (6 O 391/86 LG
Münster). Das Landgericht hatte sie dabei auf eine anderweitige Ersatzmöglichkeit
durch Inanspruchnahme der Käufer aus § 812 BGB wegen der gezogenen Nutzungen
verwiesen.
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Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihren Anspruch weiter. Sie berufen sich darauf,
daß die Parteien einverständlich davon ausgegangen seien, daß eine Fälligkeit bereits
am 1. Oktober 1983 gegeben sein werde und nicht beabsichtigt gewesen sei, die
Beklagten die Wohnung kostenlos nutzen zu lassen. Im übrigen seien die Beklagten
auch mehrfach gemahnt worden.
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Die Beklagten wenden ein, die Kläger hätten, als das Problem der
Nutzungsentschädigung bei Beurkundung angesprochen worden sei, nicht darauf
bestanden. Man habe abgewinkt. Außerdem habe man sich im Sommer 1984 dahin
verglichen, daß die Kläger Nutzungsersatzansprüche nicht mehr geltend machen
wollten. Eine Zahlung komme auch deshalb nicht in Betracht, weil die Wohnung bei
Einzug mit derart gravierenden Mängeln behaftet gewesen sei, daß ein Nutzungsvorteil
nicht gegeben gewesen sei. Auch eine Anwendung des § 452 BGB komme nicht in
Betracht, weil er die Fälligkeit des Kaufpreises voraussetze, die hier erst nach dem 2.
März 1984 eingetreten sei.
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Die Berufung ist in Höhe eines Betrages von 3.277,80 DM begründet, weil die
Beklagten verpflichtet sind, den Kaufpreis für die Zeit, für die ihnen die Nutzung der
Wohnung möglich war, mit 4 % gem. § 452 BGB zu verzinsen.
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Den Klägern steht allerdings ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung nicht zu. Die
Besitzverschaffung erfolgte nicht rechtsgrundlos. Auch eine Anwendung des § 812 Abs.
1 S. 2 BGB im Hinblick auf eine Zweckverfehlung scheidet aus. Das Landgericht hat im
Vorprozeß gegen den Notar verkannt, daß ein derartiger Anspruch nicht gegeben ist,
wenn es sich um eine Leistung aus einem gegenseitigen Vertrag handelt. Die Übergabe
stand mit der Zahlung des Kaufpreises im Verhältnis der Gegenseitigkeit, so daß für
Leistungsstörungen die Regeln der §§ 323 ff BGB maßgebend sind (Palandt-Heinrichs,
§ 812 Anm. 6 A d; BGH NJW 1966, 541; BGH NJW 1963, 806). Hier bietet zudem das
Gesetz selbst eine Regelung in § 452 BGB an. Danach soll der Käufer, der den
Kaufpreis nicht zahlen muß, jedoch die Nutzungen der Sache bereits genießt, sog.
Nutzungszinsen auf den Kaufpreis zahlen. Es ist zwar richtig, daß die Vorschrift nicht
auf andere Vertragsverhältnisse ausgedehnt werden darf, jedoch ist auf den
vorliegenden Vertrag, der im wesentlichen Kaufvertrag und nur zu einem geringen Teil
Werkvertragscharakter hat, die Vorschrift im Hinblick auf § 651 BGB anwendbar.
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Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Zinspflicht auch dann schon gegeben, wenn
der Kaufpreis noch nicht fällig ist (Planck, BGB, § 452 Anm. 2; Staudinger-Köhler, § 452
Rdn. 4; OLG Oldenburg NJW RR 1987, 722). Der Gesetzgeber wollte einen Ausgleich
dafür schaffen, daß der Verkäufer die Nutzungsmöglichkeit der Kaufsache dem Käufer
überläßt , ohne den Kaufpreis zu erhalten. Ausnahme ist lediglich der Fall der Stundung,
in dem der Verkäufer freiwillig auf die Nutzung der Kaufsache verzichtet, ohne
gleichzeitig den Kaufpreis nutzen zu können, d.h. die Stundung im Kaufpreis
einkalkulieren kann. Die Gegenansicht (Soergel-Huber, § 452 BGB Rdnr. 6; ihm folgend
Münchener Kommentar Westermann, § 452 BGB Rdnr. 3 und Palandt-Heinrichs, § 452
BGB Anm. 1b), die es für ausgeschlossen hält, daß der Gesetzgeber eine Pflicht zur
Verzinsung nicht fälliger oder einredebehafteter Forderungen habe schaffen wollen,
verkennt den klaren Wortlaut des § 452 BGB, der gerade nur für den Fall der Stundung
diese Zinspflicht entfallen lassen will (die von den Klägern zitierte Entscheidung BGH
NJW 1978, 1482 betrifft nicht das Problem der Voraussetzungen des § 452 BGB,
sondern behandelt die Frage, ob die Geltendmachung der Zinsen aus § 452 BGB
rechtsmißbräuchlich sein kann). Im übrigen bleibt es dem Käufer auch unbenommen,
darauf zu bestehen, daß die Regelung des § 452 BGB ausgeschlossen wird.
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Die zur ähnlichen Regelung in § 641 BGB ergangene Rechtsprechung, die eine
Verzinsung ablehnt, wenn dem Vergütungsanspruch die Einrede des
Zurückbehaltungsrechts entgegenstehe (BGH NJW 1971, 2310), ist auf den Fall des §
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452 BGB nicht übertragbar, da das Werkvertragsrecht synallagmetischen
Voraussetzungen unterliegt. Das zeigt sich schon daran, daß § 452 BGB nicht auf die
tatsächliche Nutzung, sondern lediglich auf die Nutzungsmöglichkeit abstellt; § 641
BGB jedoch auf die Abnahme des Werks.
Die Beklagten waren somit verpflichtet, bis zur endgültigen Bezahlung des Kaufpreises
Nutzungszinsen vom 1. Oktober 1983 an in Höhe von insgesamt 3.277,80 DM zu
zahlen. Wenn sie einwenden, die Wohnung sei mit Mängeln behaftet gewesen, so ist
dies unerheblich, da die Mängel entweder die Nutzung nicht beeinträchtigt haben oder
dem Gewährleistungsausschluß unterfielen. Von den Beklagten ist im übrigen auch
nicht vorgetragen worden, wann die Mängel von den Klägern beseitigt worden sind,
unstreitig lagen sie jedenfalls zum Zeitpunkt der Fälligkeit nicht mehr vor.
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Der Vortrag der Beklagten zum Verzicht der Kläger auf Nutzungsentschädigung ist
sowohl im Hinblick auf einen Ausschluß des § 452 BGB als auch im Hinblick auf einen
Verzicht auf die entstandenen Ansprüche unerheblich. Das Abwinken bei der Frage
nach der Nutzungsentschädigung, das von den Klägern im übrigen auch bestritten wird,
kann als rechtsgeschäftliche Erklärung im Hinblick auf den Ausschluß von Ansprüchen
nicht gewertet werden, zumal die Parteien übereinstimmend davon ausgingen, daß der
Vertrag rechtzeitig abgewickelt werden konnte. Hinsichtlich des angeblichen Verzichts
haben die Beklagten weder Gelegenheit noch Hintergründe vorgetragen. Auch insoweit
ist ihr Vortrag unsubstantiiert.
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Ein Anspruch der Kläger auf Verzugszinsen besteht dagegen nicht. Die Kläger haben
zwar in zweiter Instanz Mahnschreiben vorgelegt, jedoch richten sich diese entweder an
den Notar oder an die finanzierenden Banken. Lediglich ein Aktenvermerk über ein
Telefongespräch mit dem Beklagten betrifft eine Restzahlung von 8.000,-- DM. Es ist
aber unklar, ob es sich dabei überhaupt um einen Teil des Kaufpreises handelt, weil zu
diesem Zeitpunkt unstreitig noch ein Betrag von 59.000,-- DM ausstand.
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Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 92, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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