Urteil des OLG Hamm vom 19.01.2010

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Oberlandesgericht Hamm, 4 U 162/09
Datum:
19.01.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 U 162/09
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 025 O 83/09
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 07. Juli 2009 verkündete
Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster
abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der
Zuwi-derhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu
250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im
Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, im geschäftlichen
Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs,
1.
Tierwaschmittel, die Kaliummonopersulfat enthalten und dazu bestimmt
sind, die Klebefähigkeit von Spulwurmeiern zu beseitigen, ohne Regist-
riernummer der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
(sog. N-Nr.) anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen;
2.
Tierwaschmittel, die Kaliummonopersulfat enthalten und dazu bestimmt
sind, die Klebefähigkeit von Spulwurmeiern zu beseitigen, zu bewerben,
ohne dass folgender Hinweis hinzugefügt wird :“Biozide sicher
verwenden. Vor Gebrauch stets Kennzeichnung und Produktinformation
lesen“, wobei das Wort „Biozide“ auch durch eine genauere
Bezeichnung der Produktart ersetzt werden kann.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der
Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 70.000,- EUR
abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
1
I.
2
Die Parteien produzieren und vertreiben Desinfektionsmittel und Reinigungs- und
Waschmittel zum Einsatz in Zucht- und Mastbetrieben. Die Beklagte vertreibt
bundesweit unter der Marke "W" u.a. ein Desinfektionsmittel und ein Spezial-
Tierwaschmittel. Beide enthalten den Stoff "Kaliummonopersulfat", der ein Wirkstoff im
Sinne der Biozid-Richtlinie ist. Während sie das Desinfektionsmittel als Biozid-Produkt
nach § 4 Biozid-Meldeverordnung bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und
Arbeitsmedizin hat registrieren lassen und im Rahmen der Werbung für dieses Produkt
einen Gefahrenhinweis nach § 15 a ChemG erteilt, ist das Spezial-Tierwaschmittel nicht
registriert und die Beklagte erteilt in Zusammenhang mit der Werbung dafür auch keinen
solchen Gefahrenhinweis.
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Das Spezial-Tierwaschmittel bewirbt die Beklagte unter der Überschrift "W Spezial-
Tierwaschmittel reinigt und entfernt Wurmeier mit gutachtlich geprüfter Leistungsformel."
u.a. mit folgenden Werbeaussagen (Bl.23) :
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"W Spezial-Tierwaschmittel löst das Klebeverhalten der Spulwurmeier auf. Die Eier
können nach Anwendung von W Spezial-Tierwaschmittel durch einfaches Abspülen
vom Tier entfernt werden.
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Die auf der Stallfläche liegenden Spulwurmeier sind anschließend durch eine
Desinfektion mit M endgültig abzutöten.
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Mit W Spezial-Tierwaschmittel wird die Lücke zwischen Entwurmung und
Stalldesinfektion durch Einbeziehung der Sau über eine ordnungsgemäße Reinigung
geschlossen.
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Denn: Nur durch eine systematische und integrierte Behandlungsstrategie lässt sich der
Schweinespulwurm bekämpfen."
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Die Klägerin hält das Spezial-Tierwaschmittel gleichfalls für ein nach der Biozid-
Meldeverordnung registrierpflichtiges Biozid-Produkt nach § 3 b ChemG, für das die
Beklagte auch nicht ohne einen entsprechenden Gefahrenhinweis werben dürfe. Sie hat
in dem Verhalten der Beklagten einen Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit
§ 4 Biozid-Meldeverordnung und § 15 a ChemG gesehen.
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Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu
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verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken
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des Wettbewerbs,
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1.
Tierwaschmittel, die Kaliummonopersulfat enthalten und dazu bestimmt sind,
die Klebefähigkeit von Spulwurmeiern zu beseitigen, ohne Registriernummer
der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (sogenannte N-Nr.)
anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen,
2.
Tierwaschmittel, die Kaliummonopersulfat enthalten und dazu bestimmt
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sind, die Klebefähigkeit von Spulwurmeiern zu beseitigen, zu bewerben,
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ohne dass folgender Hinweis hinzugefügt wird: "Biozide sicher
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verwenden. Vor Gebrauch stets Kennzeichnung und Produktinformation
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lesen", wobei das Wort "Biozide" auch durch eine genauere
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Bezeichnung der Produktart ersetzt werden kann.
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Die Beklagte hat sich gegen die Klage verteidigt. Sie hat gemeint, bei dem
streitgegenständlichen Tierwaschmittel handele es sich entsprechend seiner
Bezeichnung um ein Reinigungsmittel, nicht um ein Biozid-Produkt. Darauf, ob es zu
Reinigungszwecken einen Biozid-Wirkstoff enthalte, könne es nicht entscheidend
ankommen. Es käme hinzu, dass das Mittel auch keiner Produktart zugehöre, die in
Anhang V der Biozid-RL 98/8/EG aufgeführt sei. Es sei insbesondere nicht für die
Hygiene im Veterinärbereich, nämlich in den Flächen und Räumen, in denen die Tiere
untergebracht seien, bestimmt, sondern zur Anwendung am Tier selbst.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der
Klägerin stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 4 Nr. 11 UWG in
Verbindung mit der Biozid-Meldeverordnung und dem Chemikaliengesetz nicht zu.
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Das von der Beklagten vertriebene Tierwaschmittel sei nämlich kein Biozid-Produkt im
Sinne von § 3 b ChemG. Zwar wirke das Spezial-Tierwaschmittel auf Spulwurmeier in
der Weise ein, dass es deren Klebefähigkeit beseitige oder jedenfalls erheblich
vermindere. Es diene somit zumindest dazu, Schadorganismen im Sinne des weit zu
fassenden Anwendungsbereiches des Biozid-Rechts zu bekämpfen. Als Biozid-Produkt
unterfalle es aber nicht dem Chemikaliengesetz, weil es nicht zu einer Produktart nach
Anhang V der Richtlinie 98/8/EG gehöre. Es käme insoweit nur die Hauptgruppe 1 in
Frage, die neben Desinfektionsmitteln auch allgemeine Biozid-Produkte erfasse. Das
Mittel der Beklagten sei zwar nicht schon als Reinigungsmittel ohne beabsichtigte
biozide Wirkung ausgeschlossen. Denn nach den Aussagen in der Werbung für das
Mittel diene es nicht lediglich dem Waschen und Reinigen der Tiere, sondern gemäß
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seiner Bestimmung gerade auch der Bekämpfung des Schweinespulwurms. Es solle die
anschließende Abtötung der Eier unter Einsatz eines weiteren Mittels gezielt
vorbereiten. Das Spezial-Tierwaschmittel sei aber nicht als ein Produkt zum Zwecke der
Hygiene im Veterinärbereich im Sinne der Produktart 3 zu verstehen. Nach der
Definition gehe es dabei um Produkte, die erkennbar räumlich auf die Herstellung von
Hygiene an den Orten bezogen seien, an denen sich Tiere aufhalten. Hier handele sich
aber um ein Produkt, dass nicht dazu diene, die hygienischen Voraussetzungen in den
Schweineställen sicherzustellen, sondern es diene der Anwendung an den Tieren
selbst.
Die Klägerin greift das Urteil mit der Berufung an. Sie verfolgt ihre erstinstanzlichen
Klageanträge weiter und ist nach wie vor der Auffassung, dass es sich bei dem Spezial-
Tierwaschmittel der Beklagten um ein Biozid-Produkt im Sinne des § 3 b ChemG
handele. Auch das Landgericht habe zu Recht die biozide Wirkung des Mittels bejaht.
Nach den eigenen Angaben der Beklagten ziele das Mittel auf eine nachhaltige
Bekämpfung der Spulwurmeier ab. Diese sollten wesentliche Körperfunktionen und
damit ihre Klebefähigkeit an dem Tierfell verlieren. Erst dadurch werde ein Abspülen der
veränderten Eier vom Tier möglich gemacht. Diese Art der Bekämpfung der
Spulwurmeier gehe über eine reine Waschfunktion hinaus. Zum Zeitpunkt des
Abspülens dürften vielmehr die meisten Spulwurmeier bereits abgetötet sein. Die
anschließende Stalldesinfektion diene dann allein einer sicheren Abtötung aller Eier.
Das Biozid-Produkt könne aber entgegen der Einschätzung des Landgerichts auch dem
Produktbereich für die Hygiene im Veterinärbereich (Produktart 3) zugeordnet werden.
Die Klägerin meint, dass die Auslegung des Anhangs der Richtlinie durch das
Landgericht im Widerspruch zur deutschen Textfassung stehe. Der Begriff
"Veterinärbereich" schließe zwar als Oberbegriff auch die räumlich bezogenen
Bereiche, in denen Tiere untergebracht sind, gehalten oder befördert werden, mit ein. Er
erschöpfe sich darin aber nicht, sondern umfasse alle im Veterinärbereich denkbaren
Anwendungen. Darunter fielen auch die Bekämpfung von Eiern von Parasiten auf dem
Tierfell. Das werde besonders deutlich, wenn man die englische und französische
Textfassung zum Vergleich heranziehe. Nach der weiteren Ansicht der Klägerin
widerspricht die restriktive Auslegung des Landgerichts auch der Intention des
Richtliniengebers, ein hohes Schutzniveau für Mensch, Tier und Umwelt
sicherzustellen. Diese Intention erfordere, gerade auch in Zweifelsfällen von einem
Biozid-Produkt im Sinne des Chemikaliengesetzes auszugehen. Es führe zu einem
widersinnigen Ergebnis, wenn die gesetzlichen Vorgaben für den Einsatz des Mittels in
räumlichen Anwendungsbereichen wesentlich strenger seien als bei der Anwendung
am Tier selbst.
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Die Klägerin beantragt,
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das angefochtene Urteil abzuändern und nach den in erster
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Instanz gestellten Klageanträgen zu entscheiden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Sie weist zunächst darauf hin, dass es sich bei
dem Stoff Kaliummonopersulfat zwar um einen Inhaltsstoff des Spezial-Waschmittels
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handele, aber nicht um einen Wirkstoff. Die Meldepflicht bestehe aber ebenso wie die
Hinweispflicht ohnehin nicht für Biozid-Wirkstoffe, sondern nur für Biozid-Produkte. Ein
Produkt, welches einen oder mehrere Biozid-Wirkstoffe enthalte, müsse deshalb noch
kein Biozid-Produkt sein. Insoweit sei entscheidend, wofür das Produkt
bestimmungsgemäß eingesetzt werden solle. Das hier streitgegenständliche
Tierwaschmittel sei aber ausschließlich für die Reinigung der Tierhaut und des Fells
und zum Waschen, also zum Lösen oder Ablösen von organischen oder anorganischen
Schmutzpartikeln von Haut und Fell bestimmt. Zu diesen gehörten zwangsläufig auch
Partikel mit Spulwurmeiern. Es handele sich somit um ein Reinigungsmittel im Sinne
des Freistellungsprivilegs in der Präambel der Regelung betreffend die Hauptgruppe 1
im Anhang V der Biozid-Richtlinie, bei dem eine biozide Wirkung nicht beabsichtigt sei.
Da das Mittel auch ausdrücklich nur zur Anwendung am Tier zweckbestimmt sei, gehöre
es auch nicht zu den Produkten für die Hygiene im Veterinärbereich. Mit dem
Veterinärbereich seien Flächen und Räume gemeint, in denen Tiere untergebracht sind,
gehalten oder befördert werden. Am Tier direkt anwendbare wirksame "Biozide" seien
dagegen zulassungspflichtig und deshalb dem Anwendungsbereich des
Arzneimittelgesetzes zugewiesen.
II.
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Die Berufung der Klägerin ist begründet. Ihr steht der geltend gemachte Anspruch auf
Unterlassung gegen die Beklagte zu, weil diese gegen Marktverhaltensregelungen im
Sinne des § 4 Nr. 11 UWG verstoßen hat.
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1) Der Antrag ist bestimmt genug im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es ist zwischen
den Parteien klar, dass ein Tierwaschmittel mit den beschriebenen Eigenschaften
weder ohne die unterlassene Registrierung angeboten oder in Verkehr gebracht werden
darf noch ohne den gesetzlich vorgeschriebenen Gefahrhinweis beworben werden darf,
und zwar generell nicht. Deshalb bedarf es hier auch nicht der Einbeziehung des
konkreten Mittels und der konkreten Werbung, die vor allem für die Einordnung des
Mittels von Bedeutung ist.
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2) Der Klägerin steht als Mitbewerberin im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG gegen die
Beklagte ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V. m. §§ 4
Biozid-Meldeverordnung und 15a Abs. 2 ChemG zu. Bei den vorgenannten
gesetzlichen Vorschriften handelt es sich als Verbraucherschutzbestimmungen im
Bereich des Angebots von Bioziden oder der Werbung dafür zugleich um
Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG (vgl. OLG Hamburg GRUR-
RR 2008, 94 zu § 15a ChemG). Gegen diese beiden Marktverhaltensregelungen hat die
Beklagte auch verstoßen, weil es sich auch bei dem W Spezial-Tierwaschmittel um ein
Biozid-Produkt im Sinne von § 3 b Abs. 1 ChemG handelt.
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a) Biozid-Produkte nach der gesetzlichen Definition sind zunächst Biozid-Wirkstoffe und
Zubereitungen, die einen oder mehrere Biozid-Wirkstoffe enthalten, die dazu bestimmt
sind, auf chemischem oder biologischem Wege Schadorganismen zu zerstören,
abzuschrecken, unschädlich zu machen, Schädigungen durch sie zu verhindern oder
sie
in anderer Weise zu bekämpfen
eine Zubereitung, bei der das zugehörige Pulver unstreitig Kaliummonopersulfat enthält.
Dieser Inhaltsstoff ist ein Biozid-Wirkstoff im Sinne des § 3 b Abs. 2 ChemG, weil er als
Stoff mit spezifischer Wirkung gegen Spulwurmeier zur Verwendung als Wirkstoff in dem
Spezial-Tierwaschmittel bestimmt ist, Schädigungen von Schweinen durch solche
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Schadorganismen zu verhindern. Gerade die Werbung der Beklagten macht deutlich,
dass es bei dem bestimmungsgemäßen Gebrauch des Spezial-Tierwaschmittels gerade
nicht nur um die Reinigung der Tiere, sondern insbesondere um die Entfernung der
Wurmeier gehen soll. Gerade die Eigenschaft des Produkts, das Klebeverhalten der an
dem Haarkleid und auf der Haut festsitzenden Spulwurmeier beeinflussen zu können,
die anschließend deren Entfernung durch einfaches Abspülen und sicheres Abtöten
durch eine anschließende Stalldesinfektion ermöglicht, wird in der Werbung besonders
herausgestellt. Insoweit wird das Prüfungsergebnis einer Begutachtung durch die I-
Universität in C in die Werbung einbezogen. Nicht auf die gleichfalls erfolgende
Reinigung der Tiere kommt es bei dem Einsatz des Mittels entscheidend an.
Entscheidend ist vielmehr der wichtige Beitrag zur Entfernung der schädlichen
Spulwurmeier. Das Mittel dient nicht nur zur Reinigung, sondern soll nach den Angaben
in der Werbung die Lücke zwischen Entwurmung und Stalldesinfektion im Rahmen
einer systematischen und integrierten Behandlungsstrategie zur Bekämpfung des
Schweinespulwurms schließen. Gerade zu diesem bestimmenden Zweck wird das
Kaliummonopersulfat dem Waschmittel zugesetzt. Der Wirkstoff, der gegen die
Spulwurmeier wirken kann, indem er sie aus ihrer klebrigen Hülle löst, soll somit an der
Bekämpfung dieser Schadorganismen entscheidend mitwirken. Jedenfalls aber soll der
Einsatz des Mittels Schädigungen durch Spulwürmer, die sich aus den Eiern entwickeln
können, verhindern. Die Bezeichnung als Spezial-Tier
waschmittel
zu ändern. Die Spezialität gegenüber anderen Tierwaschmitteln ergibt sich gerade aus
der zusätzlichen Wirkung in Zusammenhang mit der besseren Bekämpfung der für die
Schweine gefährlichen Spulwurmeier. Das macht der Bericht der I-Universität über die
vergleichende Untersuchung mit 3 Waschmitteln in Bezug auf deren Wirkung gegen
Spulwurmeier (Bl.48 ff.) besonders deutlich.
b) Das beworbene Tierwaschmittel gehört auch einer Produktart zu, die im Anhang V
der Biozid-Richtlinie 98/8/EG vom 16. Februar 1998 aufgeführt ist. Dabei kommt der
Präambel zur Hauptgruppe 1 aus Desinfektionsmitteln und allgemeinen Biozid-
Produkten nicht die Bedeutung zu, die die Beklagte ihr beilegen will. Es handelt sich
nicht um eine gesonderte Auschlussklausel mit eigenem Regelungsgehalt, sondern um
eine Klarstellung. Reinigungsmittel, bei denen eine biozide Wirkung nicht beabsichtigt
ist, sind schon nach den obigen Ausführungen keine Biozid-Produkte. Denn solche
Mittel sind gerade nicht dazu bestimmt, Schadorganismen zu bekämpfen, selbst wenn
sie es könnten und beiläufig sogar täten. Es wird nur klargestellt, dass es auf den
bestimmungsgemäßen Einsatz der Möglichkeit zur Bekämpfung der Schadorganismen
in der Auslobung in der Werbung –wie hier- entscheidend ankommt. Entscheidend ist,
ob das Spezial-Tierwaschmittel als Produkt für die Hygiene im Veterinärbereich
anzusehen ist. Das ist entgegen der Einschätzung des Landgerichts zu bejahen.
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aa) Der Wortlaut des Anhangs zur Richtlinie lässt nicht darauf schließen, dass unter
Produkten zur Hygiene für den
Veterinärbereich
werden können, die für die Verwendung in räumlichen Bereichen, in denen sich die
Tiere aufhalten, bestimmt sind. Die Produkte für die Hygiene im Veterinärbereich sollen
vielmehr von den Produkten für die menschliche Hygiene (PA 1) abgegrenzt werden.
Auch die Erläuterung macht ausreichend deutlich, dass zu dieser Produktgruppe
allgemein alle Produkte für Zwecke der Hygiene im Veterinärbereich gezählt werden
sollen, somit auch für für die Hygiene der Tiere bestimmte Produkte, die zur Anwendung
am Tier selbst, nämlich zur vorbeugenden Reinigung von Fell und Haut dienen. Es wird
dann ausdrücklich klargestellt, dass dazu
auch
Aufenthaltsbereichen zu zählen sind. Das Wort "einschließlich" macht deutlich, dass es
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nicht nur um solche Produkte gehen soll, sondern auch um solche Produkte neben
anderen Produkten zur Anwendung ganz allgemein für Hygienezwecke bei Tieren des
Veterinärbereichs.
bb) Der Sinn und Zweck der Regelungen des Biozid-Rechts bestätigt dieses Ergebnis.
Sowohl die Biozid- Richtlinie 98/8/EG als auch die Regelung des § 3 b ChemG haben
einen weiten Biozid-Begriff gewählt, um betroffene biologisch oder chemisch wirkende
Produkte einem geordneten Zulassungsverfahren zu unterwerfen und mit
entsprechenden Warnhinweisen zu versehen, um Menschen und die Umwelt vor dem
schädlichen Einfluss gefährlicher Stoffe und Zubereitungen zu schützen (vgl. OLG
Hamburg, a.a.O. S. 95). Dass es sich aber bei dem hier in Rede stehenden Produkt um
eine solche gefährliche Zubereitung handelt, zeigt schon das vorgelegte EG-
Sicherheitsdatenblatt (Bl.29 ff.). Ist das Produkt wegen seines Inhaltsstoffs
Kaliummonopersulfat aber gefährlich, kann nicht entscheidend sein, ob es zur
Anwendung in den Ställen oder sonstigen Aufenthaltsbereichen für das Vieh bestimmt
ist oder zur (reinigenden) Einwirkung auf das Fell oder die Haut des Tieres.
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c) Das Produkt unterfällt schließlich auch nicht einem in Artikel 1 Abs. 2 der Biozid-
Richtlinie aufgeführten Ausnahmebereiche. Es ist insbesondere auch kein
Tierarzneimittel. Bei dem Mittel geht es nicht um die medizinische Wirkung, sondern um
den zur Vorsorge bestimmten Reinigungseffekt. Darüber besteht zwischen den Parteien
auch ernsthaft kein Streit.
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3) Es steht außer Frage und wird auch zu Recht von keiner Seite problematisiert, dass
ein solcher Verstoß gegen diese Marktverhaltensregelungen zum Schutz der
Verbraucher und der Umwelt auch nach altem wie nach neuem UWG keine Bagatelle
darstellt.
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Zur Fortbildung des Rechts ist die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10,
711 ZPO.
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