Urteil des OLG Hamm vom 24.06.2004

OLG Hamm: verwechslungsgefahr, telefonbuch, begriff, werbung, farbe, klagebegehren, gestaltung, auskunft, kennzeichnungskraft, vollstreckung

Oberlandesgericht Hamm, 4 U 34/04
Datum:
24.06.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 U 34/04
Vorinstanz:
Landgericht Bochum, 12 O 136/03
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 17. Februar 2004 verkündete
Urteil der 12. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des
Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,00 EUR abzuwenden, wenn
nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe
leistet.
Tatbestand:
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Die Klägerin ist eine einhundertprozentige Tochtergesellschaft der U AG. Sie gibt in
Zusammenarbeit mit privaten Verlagen im gesamten Bundesgebiet
Telekommunikationszeichnisse unter Verwendung der offiziellen Daten der U3 AG
heraus. Unter anderem vertreibt die Klägerin das bekannte Telefonbuch "Das Örtliche".
Für die Klägerin sind beim Deutschen Patent- und Markenamt mehrere Marken "Das
Örtliche" eingetragen, u. a. die Wort-/Bildmarke Nr. x. Diese Marke, die aus dem
Schriftzug "Das Örtliche" in der Farbe dunkelblau auf weißem Grund besteht, wird
derzeit auf den örtlichen Telefonbüchern verwendet. Die örtlichen Telefonbücher der
Klägerin werden unter Verwendung des Slogans "ohne Ö fehlt dir was" massiv
beworben.
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Die Klägerin gibt u. a. auch ein Telefonbuch "Das Örtliche" für die Orte T, C und M und
Umgebung heraus. Wegen der Ausgestaltung der Titelseite auch in farblicher Hinsicht
im Einzelnen wird auf die Farbkopie Bl. 112 d. A. verwiesen.
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Die Beklagte bietet ebenfalls Telekommunikationsverzeichnisse an. Diese tragen den
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Titel "Vor Ort" und werden für die Orte T, C, M, X3, F, X, X2 und Umgebung
herausgegeben. Die Beklagte verwendet dabei eine weiße Schrift auf dunkelblauem
Grund. Wegen der Ausgestaltung der Titelseite auch in farblicher Hinsicht im Einzelnen
wird auf die Farbfotokopie Bl. 114 d. A. verwiesen.
Die Klägerin ist der Ansicht, daß die Beklagte durch diese Ausgestaltung der Titelseite
ihres Telefonbuches sowohl die Markenrechte der Klägerin, wie auch ihr
Werktitelschutzrecht hinsichtlich ihres eigenen Telefonbuches verletze. Es bestehe
insoweit eine unmittelbare, zumindest aber eine mittelbare Verwechslungsgefahr.
Zudem verstoße die Beklagte auch gegen §§ 1, 3 UWG, weil die Beklagte durch die
Ausgestaltung ihres Telefonbuches den guten Ruf der Telefonbücher der Klägerin
ausnutze und zudem über die Herkunft des Telefonbuches der Beklagten täusche.
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Die Klägerin hat beantragt,
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der Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verbieten, die
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Titelgestaltung ihres Telefonbuches weiter zu verwenden,
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sowie der Klägerin Auskunft über den Vertriebsweg, die Auftraggeber
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und Abnehmer ihres Telefonbuches zu erteilen sowie den erzielten
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Umsatz unter Angabe der betriebenen Werbung anzugeben.
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Ferner hat die Klägerin die Feststellung begehrt, daß die Beklagte ihr wegen der
Verwendung der Titelseite ihres Telefonbuches schadenersatzpflichtig ist.
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Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
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Das Landgericht hat durch Urteil vom 17. Februar 2004 die Klage antragsgemäß als
unbegründet abgewiesen.
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Markenrechtliche Ansprüche scheiterten mangels Zeichenähnlichkeit an der fehlenden
Verwechslungsgefahr. Zudem fehle es an einem Grad von Ähnlichkeit der
beiderseitigen Titelseiten, der zu einer Ausnutzung des Zeichens der Klägerin durch die
Beklagte führen könne. Zudem sei es der Beklagten unbenommen, im Titel darauf
hinzuweisen, daß ihr Telefonbuch nur für einen regional begrenzten Raum ausgegeben
werde. Mit der Bezeichnung "Vor Ort" halte die Beklagte einen hinreichenden Abstand
zur Marke und zum Titel der Klägerin ein. Ansprüche aus § 1, 3 UWG seien ebenfalls
nicht gegeben. Es könne nicht von einer wettbewerbswidrigen Nachahmung oder einer
vermeidbaren Herkunfttäuschung die Rede sein.
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Gegen dieses Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der
sie ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiter verfolgt.
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Unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens betont die Klägerin
im Zusammenhang mit der Verwechslungsgefahr die bildliche Zeichenähnlichkeit, der
das Landgericht zu wenig Gewicht beigemessen habe. Zudem habe das Landgericht
die Wechselwirkung der für die Verwechslungsgefahr wesentlichen Kriterien
unberücksichtigt gelassen. Anderenfalls hätte es bei der gegebenen Produktidentität
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und der überragenden Kennzeichnungskraft dem klägerischen Kennzeichen den
weitestgehenden Schutzumfang zukommen lassen müssen. Die vom Landgericht
angesprochene Vertauschung der Farben spiele rechtlich keine Rolle. Insgesamt habe
das Landgericht die gebotene Gesamtwürdigung vermissen lassen. Zu Unrecht habe
das Landgericht einen Bekanntheitschutz der klägerischen Marke verneint. Es habe die
farblichen und die durch die Bezeichnung "Vor Ort" gegebene Anlehnung der Beklagten
an die klägerische Marke und ihr Telefonverzeichnis übersehen.
Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Landgerichts Bochum vom 17.02.2004, Az.: 12 O 136/03,
abzuändern und die Beklagte kostenpflichtig und vorläufig vollstreckbar zu
verurteilen,
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1.
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es bei Meidung von Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR -
ersatzweise Ordnungshaft - oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken
an ihrem Geschäftsführer, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, im
geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für ein
Telekommunikationsverzeichnis, nämlich für das "Vor Ort" Telefonbuch für T mit C
und M, X3 mit F und X sowie X2 und Umgebung, den nachstehend eingelichteten
Titel
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zu verwenden und/oder verwenden zu lassen;
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2.
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der Klägerin Auskunft zu erteilen über den Vertriebsweg, Auftraggeber,
gewerbliche Abnehmer sowie über die Menge der hergestellten, ausgelieferten
oder bestellten derartig widerrechtlich i. S. der Ziffer 1 gekennzeichneten Waren;
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3.
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der Klägerin Auskunft zu erteilen, unter Angabe des erzielten Umsatzes sowie
unter Angabe der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach den Werbeträgern,
Kalendervierteljahren und Bundesländern.
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4.
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Es wird festgestellt, daß die Beklagte wegen der in Ziffer 1 beschriebenen
Handlungen der Klägerin zum Ersatz des daraus bereits entstandenen und/der
zukünftig noch entstehenden Schadens verpflichtet ist.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages ist die Beklagte der
Ansicht, daß das Klagebegehren schon deshalb unbegründet sei, weil die U2 AG als
Konzernmutter der Klägerin über die Verwendung ihrer Daten schon im Sommer 2002
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informiert worden sei und den Vertrieb der Telefonbücher der Beklagten gestattet und
ermöglicht habe. Darüber hinaus sei zu beachten, daß die Klägerin nicht über eine
abstrakte Farbmarke verfüge. Deshalb stehe es der Beklagten frei, über den hier
interessierenden Blauton ebenfalls zu verfügen. Die Klägerin habe nur die Bekanntheit
der Kennzeichnung "Das Örtliche" nachgewiesen. Bei den entsprechenden
Erhebungen sei es nicht um die farbliche Gestaltung gegangen. Auch von einer
Verwechslungsgefahr könne keine Rede sein.
Wegen des Inhalts der Parteivorträge im Einzelnen wird auf die gewechselten
Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das Landgericht hat das Klagebegehren zu
Recht insgesamt zurückgewiesen, weil es schon an einer Verletzung der
Kennzeichenrechte der Klägerin durch die Beklagte fehlt und der Beklagten mit der
Herausgabe ihres Telefonbuches auch kein Wettbewerbsverstoß zur Last gelegt
werden kann.
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Als verletzte Schutzrechte der Klägerin kommen hier sowohl die Marke der Klägerin
"Das Örtliche" (Nr. 30067215 Bl. 100 ff. d. A.) als auch der Werktitel des von der
Klägerin herausgegebenen Telefonbuchs (Fotokopie Bl. 112 d. A.) in Betracht. Soweit
der Klägerin noch weitere Marken und weitere Titelrechte im Zusammenhang mit
Telefonbüchern zustehen, können diese vernachlässigt werden, weil die Beklagte mit
ihrem Telefonbuch von diesen Kennzeichenrechten einen weiteren Abstand einhält, als
von der eingangs genannten Marke und vom eingangs genannten Werktitel. Da schon
eine Verletzung dieser beiden Kennzeichenrechte nicht vorliegt, kommt eine Verletzung
der übrigen Kennzeichenrechte der Klägerin erst recht nicht in Betracht.
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Der Begründetheit des Unterlassungsanspruchs steht allerdings nicht schon entgegen,
daß als Verletzungsfall hier nur das Das Örtliche Telefonbuch der Beklagten für den
Bereich T und Umgebung in Betracht kommt (vgl. Fotokopie der Titelseite Bl. 114 d. A.)
und es sich dabei um einen Werktitel handelt, der nach § 5 Abs. 3 Markengesetz
seinerseits schutzfähig ist. Da die Kennzeichenrechte der Klägerin, aus denen sie
gegen die Beklagte vorgeht, prioiätsälter sind als der Werktitel der Beklagten, kommt ein
Verbotsanspruch der Klägerin prinzipiell auch gegenüber dem Werktitelrecht der
Beklagten in Betracht (BGH 2000, 504 - Fax).
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Für Kennzeichenschutzansprüche der Klägerin aus ihrer Wort-/Bildmarke "Das Örtliche"
nach § 14 Abs. 2 Ziffer 2 Markengesetz fehlt es aber an der für eine Markenverletzung
erforderlichen Verwechslungsgefahr. Dafür sind schon die Kollisionszeichen einander
zu unähnlich. Dabei verkennt der Senat nicht, daß hier identische Produkte bezeichnet
worden sind und die Kennzeichnungskraft der klägerischen Marke zumindest
durchschnittlich ist. Entscheidend ist aber das Gesamterscheinungsbild der
Kollisionszeichen, also auf der einen Seite die Bezeichnung "Das Örtliche" und auf der
anderen Seite "Vor Ort" und zwar jeweils in ihrer speziellen grafischen und farblichen
Gestaltung. Vernachlässigt man zunächst einmal diese spezielle Ausgestaltung und
sieht man wie auch sonst in der Regel bei Wort-/Bildzeichen den Wortbestandteil als
prägend an, scheidet einen Verwechslungsgefahr von vorn herein aus. Bildlich und
klanglich sind die jeweiligen Wortbestandteile jeweils etwas anderes. Das hat das
Landgericht auch zutreffend gesehen, wenngleich sein Hinweis auf die Werbung der
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Klägerin nur im Zusammenhang mit der Kennzeichnungskraft der Klagemarke
Bedeutung gewinnen könnte, nicht aber im Zusammenhang mit der Frage der
Zeichenähnlichkeit, bei der es nur auf die Gegenüberstellung der jeweiligen
Kollisionszeichen ankommt.
Bildlich und klanglich sind die Wortbestandteile der Kollisionszeichen jeweils etwas
anderes. Die Klägerin will deshalb auch in erster Linie auf den Begriff "Ort" hinaus, der
in den Wortbestandteilen beider Zeichen steht. Der gemeinsame Kern, der beim
Benutzer den Eindruck eines regional beschränkten Telefonbuchs erweckt, reicht aber
zur Begründung der Ähnlichkeit der Wortbestandteile nicht aus. Eine gemeinsame
Assoziation zu einem beschreibenden Begriff kann nicht die erforderliche Ähnlichkeit
der Zeichen begründen. Das zeigt auch die Kontrollüberlegung, daß man anderenfalls
den freizuhaltenden beschreibenden Begriff, um welche Art von Telefonbuch es nämlich
geht, in die Frage der Zeichenähnlichkeit und damit in den Schutzbereich der
Klagemarke einbeziehen würde. Deshalb muß sich die Ähnlichkeit der Zeichen aus
deren unmittelbarem Vergleich ergeben, also ohne Zuhilfenahme einer Brücke über
einen dritten Begriff wie hier den des örtlichen Bereiches. Vergleicht man die Bedeutung
der Kollisionszeichen also unmittelbar miteinander, dann wird der Begriff "Das Örtliche"
aber anders verstanden als der Begriff "Vor Ort". Dies zeigt sich schon darin, daß die
beiden Begriffe nicht als Synonym verwandt werden (vgl. Ingerl/Rohnke Markengesetz
2. Aufl., § 14 Rdnz. 586 ff.).
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Die Klägerin stellt deshalb vorwiegend auch auf die farbliche Übereinstimmung der
Telefonbücher in ihren charakteristischen Farben von weiß/blau ab. Das Landgericht
hat diese Betrachtung nicht geteilt, weil bei der Klägerin die Schriftfarbe blau und der
Hintergrund weiß ist, während dies bei der Beklagten umgekehrt ausgestaltet ist. Dieses
Argument ist zwar nicht durchschlagend. Denn dem Verkehr liegen Kollisionszeichen in
der Regel nicht nebeneinander vor. Nach der Lebenserfahrung behält der Verkehr die
farbliche Reihenfolge normalerweise nicht in Erinnerung. Er erinnert sich nur an die
jeweilige Farbzusammenstellung. Er weiß aber nicht mehr, was nun blau und was weiß
war.
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Gleichwohl kann sich die Klägerin aber nicht mit Erfolg auf die Farbübereinstimmung
berufen. Denn bei der klägerischen Marke haben die Farben keine selbständige und
prägende Funktion. Das Blau ist lediglich die Farbe, in der der Wortbestandteil der
Marke gehalten ist. Die Klägerin beruft sich zu Unrecht in diesem Zusammenhang auf
die Entscheidung des Bundesgerichtshofs "Farbmarkenverletzung II (GRUR 2004, 154).
Denn dort ging es allein um eine reine Farbmarke, aus der vorgegangen wurde. Kommt
aber der farblichen Ausgestaltung der Marke der Klägerin im Verhältnis zum
Wortbestandteil keine prägende Kraft zu, kann die bloße Farbübereinstimmung den
durch die unterschiedlichen Wortbestandteile bewirkten Abstand der Kollisionszeichen
nicht überwinden. Auf die spezielle Ausgestaltung der Titelseite des Telefonbuches der
Klägerin kommt es im Rahmen des Markenschutzes nicht an. Insoweit ist nur die
Ausgestaltung der Marke entsprechend ihrer Eintragung im Markenregister maßgebend.
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Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr der Kollisionszeichen scheidet aus. Es fehlt
bei der Marke an einem abgrenzbaren Teil, der stammbildend wirken könnte. Einem
einzelnen Begriff kommt diese Funktion nicht zu. Wie dargelegt spielen auch die Farben
blau/weiß keine eigenständige Rolle in der Ausgestaltung der Marke, daß sie als
Stammzeichen für Telefonbücher der Klägerin wirken könnten, mit der Folge, daß der
Wortbestandteil dann nur noch den Verbreitungsgrad örtlich oder regional kennzeichnet
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(Bundespatentgericht GRUR 1996, 895 - rote Kreisfläche; Ingerl/Rohnke a.a.O. § 14
Rndz. 702). Jedenfalls bei der Marke ist die farbliche Ausgestaltung so wenig prägend,
daß allein diese Übereinstimmung mit dem Werktitel der Beklagten nicht zur
Verwechslungsgefahr auch nicht im mittelbaren Sinne unter dem Gesichtspunkt
organisatorischer Verflechtungen zwischen den Parteien führt.
Die Klägerin kann für ihre Marke auch keinen Ausbeutungsschutz nach § 14 Abs. 2
Ziffer 3 Markengesetz beanspruchen. Der Werktitel der Beklagten "Vor Ort" ist dafür zu
weit von der Bezeichnung der Klägerin "Das Örtliche" entfernt, um den Verkehr zu
Rufübertragungen zu veranlassen. Nicht einmal die Schreibweise und Farbgebung
lehnt sich an die Marke der Klägerin, so wie sie eingetragen ist, in einer Weise an, daß
der Verkehr annehmen muß, die Beklagte wolle sich mit ihrem Telefonbuch an den
guten Ruf der Telefonbücher der Klägerin anhängen. Auch in diesem Zusammenhang
der Rufausbeutung nach § 14 Abs. 2 Ziffer 3 Markengesetz kann nicht auf die
übereinstimmende Ausgestaltung der beiden Telefonbücher abgestellt werden, weil es
hier nur um Markenschutz geht. An die Marke der Klägerin erinnert die Ausgestaltung
der Titelseite des Telefonbuchs der Beklagten auf keinen Fall.
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Die Klägerin kann ihre Ansprüche auch nicht auf Werktitelschutz nach § 15
Markengesetz stützen. Insoweit stehen sich die Aufmachungen der beiden
Telefonbücher Bl. 112 und 114 d. A. einander gegenüber.
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Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr nach § 15 Abs. 2 Markengesetz scheidet auch
hier aus, weil die zentralen Bezeichnungen "Das Örtliche" und "Vor Ort" vom Verkehr
hinreichend deutlich auseinander gehalten werden. Insoweit gilt zunächst einmal das
Gleiche, was oben zur markenrechtlichen Verwechslungsgefahr ausgeführt worden ist.
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Allerdings spielt bei Werktiteln auch die Aufmachung eine Rolle für die Frage der
Verwechslungsgefahr (BGH Guhr 2000, 504 - FACTS; Ingerl/Rohnke a.a.O. § 15 Rndz.
130). Hierauf stellt die Klägerin wesentlich ab. Die Übereinstimmung besteht aber nur in
der Farbauswahl als solcher für die Gestaltung der Titelseite. Die Anordnung der Farben
wiederholt sich nicht und ist nicht deckungsgleich. Allein die Farbauswahl als solche
erscheint aber nicht so charakteristisch für das Telefonbuch der Klägerin, daß es schon
deshalb mit dem der Beklagten verwechselt wird. Die von der Klägerin dargelegte hohe
Verkehrsdurchsetzung bezieht sich jedenfalls nicht auf die bloße Farbauswahl, daß die
Klägerin, wie etwa bestimmte Fußballvereine, ohne weiteres mit blau/weiß identifiziert
wird. Auch die vorgelegte Werbung der Klägerin (Bl. 50 ff. d. A.) zeigt, daß die Klägerin
die Bezeichnung "Das Örtliche" in den Vordergrund rückt und die Farbauswahl nur als
Hintergrund erscheint. Darüber hinaus fehlt es auch an einem konsequenten Farbauftritt
der Klägerin, wenn man etwa die Ausgestaltungen der Telefonbücher Bl. 101 ff. und Bl.
214 mit einander vergleicht und berücksichtigt, daß auch noch das Magenta der
Konzernmutter der Klägerin eine Rolle spielt, wie bei dem "T" auf dem hier in Rede
stehenden Telefonbuch der Klägerin, das blickfangartig in der Farbe Magenta gehalten
ist.
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Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Werktiteln besteht hier
nicht (vgl. dazu BGH Guhr 1999, 235 - Wheels Magazine). Auch insoweit kommt als
Bindeglied nur die Farbauswahl in Betracht. Dabei ist hier aber schon zu beachten, daß
es sich jeweils um ein örtliches Telefonbuch handelt. Um eine mittelbare
Verwechslungsgefahr annehmen zu können, müßte es sich aber schon um
Telefonbücher handeln, die sinnvoll nebeneinander benutzt werden können. Nur dann
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geht der Verkehr von organisatorischen Verflechtungen aus. Telefonbücher, die sich
unmittelbar Konkurrenz machen, ohne dem Benutzer unterschiedliche Vorteile zu
bieten, ordnet der Benutzer schon deshalb nicht dem selben Herausgeber zu, weil solch
eine doppelte Herausgabe von gleichartigen Telefonbüchern wirtschaftlich nicht sinnvoll
ist. Für den Benutzer liegt es vielmehr von vornherein nahe, daß es sich um miteinander
konkurrierende Telefonbücher handelt.
Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht auf einen Ausbeutungsschutz nach § 15
Abs. 3 Markengesetz berufen (vgl. dazu BGH GRUR 1997, 311- Yellow Phone). Auch
dieser Ausbeutungsgesichtspunkt kann wiederum nur aus der übereinstimmenden
Farbauswahl hergeleitet werden. Das reicht aber nicht aus, um die Unlauterkeit zu
begründen. Anderenfalls käme man auch zu einer Monopolisierung der Farbauswahl zu
Gunsten der Klägerin, ohne daß der Klägerin Sonderschutzrechte an der Farbauswahl
zustehen. Die Wertung des § 15 Abs. 2 Markengesetz darf aber nicht durch § 15 Abs. 3
Markengesetz unterlaufen werden. Die Unlauterkeit verlangt also noch neben der
farblichen Übereinstimmung zusätzliche Unlauterkeitsgesichtspunkte, die hier nicht
ersichtlich sind. Allein der Umstand, daß gewisse Übernahmen im Titel Assoziationen
an den geschützten Titel hervorrufen, reicht zur Begründung der Unlauterkeit nicht aus.
Die Beklagte darf rein gedanklich an den Titel der Klägerin durchaus anknüpfen, zumal
beide Telefonbücher ja auch aus der selben Datenquelle schöpfen. Erst der Transfer,
mit dem bewußt an Gütevorstellungen des anderen Produkts angeknüpft wird, macht die
Annäherung unlauter. Von einem solchen Image-Transfer kann hier aber nicht
ausgegangen werden. Dafür ist die Farbgebung der Klägerin wiederum zu schwach, als
daß der Verkehr daran die Gütevorstellungen anknüpfen würde, die dann die Beklagte
durch die gleiche Farbauswahl auf ihr Telefonbuch überleiten würde. Vielmehr sagt die
übereinstimmende Farbauswahl den Benutzern nur, daß es sich bei dem Telefonbuch
der Beklagten ebenfalls um ein örtliches Telefonbuch handelt. Mag die Beklagte auch
durch eine andere Farbauswahl für einen noch größeren Abstand hätte sorgen können.
Nach der gesetzlichen Wertung muß sie das aber nicht. Sie darf sich der Marke und
dem Titel der Klägerin soweit annähern, bis die Grenze zur Verwechslungsgefahr bzw.
Rufausbeutung überschritten ist. Titelgestaltungen, die dies wie hier nicht tun, muß die
Klägerin hinnehmen.
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Nach den vorstehenden Überlegungen scheiden Ansprüche aus dem UWG von
vornherein aus. Denn die Klägerin hat keine Unlauterkeitsgesichtspunkte vortragen
können, die neben dem Schutz für Rufausbeutung nach dem Markengesetz noch einen
eigenständigen Schutz nach dem UWG begründen könnten.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziffer 10 ZPO.
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