Urteil des OLG Hamm vom 12.12.1990

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Oberlandesgericht Hamm, 31 U 126/90
Datum:
12.12.1990
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
31. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
31 U 126/90
Vorinstanz:
Landgericht Hagen, 24 0 62/89
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts XXX
vom 8. März 1990 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht
die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Den Parteien wird nachgelassen, Sicherheit auch durch Vorlage einer
unbedingten und unbefristeten, selbstschuldnerischen Bürgschaft einer
im Gebiet der XXX als Zoll- oder Steuerbürgin zugelassenen Bank oder
Sparkasse zu erbringen.
Die Beschwer der Beklagten übersteigt 40.000,-- DM.
Tatbestand
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Die Beklagte war bis zu ihrer Liquidation Großhändlerin für XXX und XXXprodukte, die
Klägerin ist Einzelhändlerin in dieser Branche. Nach einem Telefongespräch bestellte
die Klägerin bei der Beklagten 120 Pagemaker 1.0 Vollversion "updatefähig in Version
3,0" zum Stückpreis von 700,-- DM. Die Bestellung wurde von der Beklagten unter dem
27.1.1989 bestätigt.
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Nach Auslieferung von 122 Pagemaker an die Klägerin lehnte die Herstellerin der
Software, die Firma XXX, mit Telefax vom 14.2.1989 die Lieferung der Updates an die
Beklagte ab mit der Begründung, bei der Klägerin handele es sich um einen
Wiederverkäufer, die Auslieferung und Abwicklung der Updates erfolge nur direkt an
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den Endkunden.
Daraufhin hat die Klägerin mit Anwaltschreiben vom 17.2.1989 die Wandlung des
Kaufvertrages mit der Beklagten erklärt. Mit ihrer Klage hat sie Rückzahlung des
gezahlten Kaufpreises von 97.356,-- DM verlangt. Im Verlaufe des Rechtsstreits hat sie
12 Pagemaker verkauft und unter Androhung von Prozessen bei der Firma XXX erreicht,
daß diese den Kunden die Updates lieferte.
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Nach Vernehmung der Zeugen XXX und XXX sowie einer schriftlichen Stellungnahme
des Zeugen XXX hat das Landgericht die Beklagte zur Rückzahlung von 87.780,-- DM
nebst 4% Zinsen seit dem 23. Februar 1989 Zug-um-Zug gegen Herausgabe von 110
Pagemaker verurteilt sowie den Annahmeverzug der Beklagten mit der Rücknahme
festgestellt. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Wandlungsbegehren sei
gerechtfertigt, da die Zusicherung nach dem Sinn der vertraglichen Absprachen nur
dahin verstanden werden könne, daß die Klägerin in die Lage versetzt wurde, die
Pagemaker en bloc der Firma XXX zum Zwecke der Umrüstung anzudienen.
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Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht
eingereichten und begründeten Berufung. Sie ist der Auffassung, sie habe lediglich die
grundsätzliche Updatefähigkeit der gelieferten Version 1.0 in die Version 3.0 zugesagt.
Diese sei unstreitig gewährleistet. Da über die nähere Verfahrensweise der Umrüstung
keine Absprachen getroffen worden seien, könne die Klägerin nicht Wandlung
verlangen.
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Die Beklagte beantragt,
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abändernd die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, die Zusicherung der Beklagten sei dahin auszulegen, daß die
Klägerin vom Hersteller der Software die Updates selbst vor einer Weiterveräußerung
an Endabnehmer geliefert erhalten sollte.
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Hilfsweise stützt sie ihr Verlangen nach Rückgängigmachung des Vertrages auf einen
Schadensersatzanspruch wegen Verletzung von vorvertraglichen Aufklärungspflichten
mit der Begründung, die Beklagte habe sie darauf hinweisen müssen, daß die
Herstellerin die Updates grundsätzlich nur direkt an Endkunden lieferte.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen
Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze einschließlich der
Beweisantritte sowie auf die vorgelegten Urkunden, die Gegenstand der mündlichen
Verhandlung waren, Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
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I.
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Die Klägerin begehrt zu Recht die Wandlung des Kaufvertrages mit der Beklagten vom
26./27.1.1989. Auf die zutreffenden Ausführungen des landgerichtlichen Urteils wird
gemäß § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO Bezug genommen. Entgegen der Auffassung der
Berufungsbegründung kann nicht davon ausgegangen werden, die Beklagte habe
lediglich die grundsätzliche Updatefähigkeit der gelieferten Version 1.0 in die Version
3.0 zugesichert. Die beiderseitigen Vertragserklärungen sind ausgehend von ihrem
Wortlaut unter Berücksichtigung der Begleitumstände, des Zwecks des
Rechtsgeschäfts, der bestehenden Interessenlage, Treu und Glauben sowie der
Verkehrssitte gemäß den §§ 133, 157 BGB dahin auszulegen, daß die Beklagte die
Updates für die Klägerin bei der Herstellerin vor der Vermarktung der Programme durch
die Klägerin besorgen wollte.
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Die Zusicherung wurde von der Beklagten unmittelbar gegenüber der Klägerin gemacht.
Die Klägerin war nicht Endabnehmer, sondern Einzelhändlerin, die die Pagemaker
weiterverkaufen wollte. Die Beklagte konnte somit nicht davon ausgehen, die Klägerin
sei damit einverstanden, die Umrüstung nach jedem einzelnen Weiterverkauf durch die
Endabnehmer durchführen zu lassen. Der Klägerin kam es für die Beklagte ersichtlich
darauf an, zum Zwecke der besseren Vermarktung die Updates selbst geliefert zu
erhalten. Nur dies entsprach dem Zweck des Vertrages und der Interessenlage der
Klägerin. Daß die Beklagte dies erkannt hat, folgt aus ihrem vom Landgericht im
einzelnen dargelegten Verhalten, insbesondere aus der Aussage ihres ehemaligen
Geschäftsführers XXX der die Verhandlungen mit der Klägerin geführt hat. Die Beklagte
wußte seit Mitte 1988 von der generellen Praxis der Firma XXX verbesserte Versionen
als Update nur direkt an die Endkunden auszuliefern. Dies war der Grund dafür, daß
sich der Zeuge XXX mit dem Zeugen XXX von der Firma XXX unmittelbar vor Abschluß
des Kaufvertrages mit der Klägerin in Verbindung setzte, um zu klären, ob die Firma
XXX bereit war, die Umrüstung auch gegenüber der Klägerin als Weiterverkäuferin
durchzuführen. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten in ihrer
Streitverkündungsschrift vom 3.1.1990 hatte sich die XXX zunächst bereit erklärt, "das
Update nach Durchgabe der Seriennummern durchzuführen", und erst in der Folgezeit
"die Aktualisierung verweigert". Mit Telefax vom 14.2.1989 lehnte die XXX dann die
Lieferung der Updates an die Beklagte (nicht an die Klägerin) ab. Auch dies spricht
dafür, daß die Beklagte nicht allgemein die Updatefähigkeit zusichern wollte, sondern
die Gewähr dafür übernehmen sollte und wollte, daß die Updates durch ihre Vermittlung
der Klägerin selbst zur Verfügung gestellt wurden. Die grundsätzliche Updatefähigkeit
war zwischen den Parteien nicht im Streit. Vielmehr war allen Beteiligten klar, daß diese
gewährleistet war. Es ging ausschließlich darum, entgegen der Übung der Firma XXX
der Klägerin als Weiterverkäuferin die Möglichkeit der Umrüstung durch den Hersteller
vor der Vermarktung der von der Beklagten gelieferten Software zu sichern. Daß dies
von der Firma XXX abgelehnt wird, fällt in den Risikobereich der Beklagten.
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II.
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Selbst wenn man in der Zusage der Beklagten nicht eine Zusicherung im Sinne des §
459 Abs. 2 BGB sehen wollte mit der Begründung, die Umrüstbarkeit der Programme sei
keine Eigenschaft, weil sie ihren Grund nicht in der Beschaffenheit der Kaufsache selbst
habe, nicht von ihr ausgehe, ihr auch nicht für eine gewisse Dauer anhafte und lediglich
durch Heranziehung von Umständen in Erscheinung trete, die außerhalb der Sache
liegen (vgl. BGHZ 70, 47, 49; WM 1985, 1167; EBE 1990, 156 ff.), ergibt sich eine
Zahlungsverpflichtung der Beklagten wegen Verletzung der vertraglich übernommenen
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Verpflichtung zur Sicherstellung der Lieferung der Updates. Die Zusage der Beklagten,
die Herstellerin werde die gelieferten Pagemaker für die Klägerin umrüsten, konnte
wegen der Weigerung der XXX nicht eingehalten werden. Dies ist von der Beklagten zu
vertreten. Aufgrund des Distributorenvertrages, den die Herstellerin unstreitig der
Beklagten zur Kenntnis gebracht hatte, war der Beklagten bekannt, daß die Herstellerin
"Auslieferung und Abwicklung der Updates ... direkt mit den Endkunden", nicht aber mit
Weiterverkäufern vornahm. Unabhängig vom Inhalt der telefonischen Auskunft des
Zeugen XXX hat die Beklagte gegenüber der Klägerin die Gewähr für die Umrüstung
übernommen. Dies war ursächlich für den Vertragsabschluß. Die Beklagte muß deshalb
die in ihrem Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben enttäuschte Klägerin so stellen,
wie sie bei Nichtabschluß des Kaufvertrages stünde. Sie kann daher
Rückgängigmachung des Vertrages und Rückzahlung des Kaufpreises verlangen (vgl.
hierzu auch BGH EBE 1990, 156 ff.).
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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