Urteil des OLG Hamm vom 30.10.2008

OLG Hamm: internetadresse, bestätigung, erkenntnis, wiederherstellung, link, verkehr, zelle, rechtspflicht, werbung, irreführung

Oberlandesgericht Hamm, 4 W 117/08
Datum:
30.10.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
4 W 117/08
Vorinstanz:
Landgericht Dortmund, 8 O 589/03
Tenor:
wird auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers vom 15.09.2008 unter
Abänderung des Beschlusses der 8. Zivilkammer des Landgerichts
Dortmund vom 25.08.2008 gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld in
Höhe von 5.000,- € verhängt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt nach einem Streitwert von
5.000,- € die Schuldnerin.
G r ü n d e
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I.
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Mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 11.11.2005 wurde die Schuldnerin unter
Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel rechtskräftig verurteilt, es zu unterlassen,
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im geschäftlichen Verkehr für sogenannte "N"-Produkte zu werben:
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...
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5.
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"Die sanfte Naturkraft gegen Schmerzen"
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...
8
8.
9
"Die N Magnetfeldtherapie dringt perkutan (durch die Haut) ein, sie benötigt keinen
Strom zur Entfaltung ihrer Wirkung. Die besondere Art der Magnetisierung,
wechselpolar, hat eine Eindringungstiefe von mehreren Zentimetern und
gewährleistet somit, dass tief im Gewebe die gewünschte Wirkung erzielt werden
kann.
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Die gewünschte Wirkung besteht darin, dass in den magnetfeldkontaktierten Zellen
eine höhere Sauerstoffsättigung erreicht werden soll. Jede Zelle lebt vom
Sauerstoff und kann ohne ihn nicht die notwendige Energie erzeugen, um voll
funktionstüchtig zu sein. Ein Mehr an Sauerstoff bewirkt also eine bessere
Energieversorgung der Zelle und eine stärkere Durchblutung des Gewebes.
Zusätzlich entsteht Wärme."
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9.
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"Auf diesen Effekten beruht die Wirkungsweise der N Magnetfeldtherapie, alle
weiteren Wirkungen, wie Aktivierung des Stoffwechsels, Anregung der
Durchblutung und Sauerstoffversorgung von Zellen und Geweben zur
beschleunigten Regeneration, Förderung der körpereigenen Abwehr und
Selbstheilungsregulationen, Linderung schmerzhafter Verkrampfungen,
beschleunigter Abbau krankhafter Flüssigkeitsansammlungen und Schwellungen,
schnellere Regenerationen der Haut und Harmonisierung des Nervensystems und
der Psyche sind eine Folge des Sauerstoffeffektes und der lokalen
Temperaturerhöhung. Da der Körper nur die Energie des Magnetfeldes aufnimmt,
die er für die Wiederherstellung seines natürlichen Gleichgewichtes braucht, kann
jeder — ohne Angst vor Nebenwirkungen - sich selbst behandeln."
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10.
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mit den Abbildungen und dem dazugehörigen Text:
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11.
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"Anwendungsdauer
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Da der menschliche Körper nur die magnetische Energie aufnimmt, die er zur
Wiederherstellung der körpereigenen Energiebilanz benötigt, kann die N
Magnetfeldtherapie unbedenklich angewendet werden. Jeder Anwender kann für
sich entscheiden, wie lange er die Therapie anwendet, bzw. darauf anspricht. Auch
nach dem Abklingen von Beschwerden sollte die N-Magnetfeldtherapie weiter
angewendet werden, um den Körper im energetischen Gleichgewicht zu halten."
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12.
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"Kontraindikationen
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Es gibt kaum Befindlichkeitsstörungen bei der die Magnetfeldtherapie nicht als
Grund- oder Ergänzungsbehandlung angewendet werden könnte."
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"wie geschehen...in dem Ausdruck aus dem Internet am 15.03.2004 unter
*internetadresse*
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Die hiergegen von der Schuldnerin eingelegte Berufung wurde durch Urteil des Senats
vom 15.02.2007 zurückgewiesen. Entscheidend für die Begründetheit des Verbots war
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dabei, dass die Schuldnerin die beanstandeten Werbeaussagen als gesicherte
Erkenntnis erscheinen ließ, obwohl solche gesicherten Erkenntnisse nicht vorlagen.
In ihrem aktuellen Internetauftritt wirbt die Schuldnerin unter der domain
*internetadresse* wortgleich mit den verbotenen Angaben weiter. Im Anschluss an die
aufgeführten Kontraindikationen und den Hinweis auf einen Link "Anwendungstabelle:
PDF (92 KB)" fügt sie dann (ohne weitere Überschrift wie in den vorherigen Bereichen,
aber in gleicher Schriftgröße wie bei den vorangegangenen Textteilen) das Folgende
an:
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"Aus Rechtsgründen müssen wir darauf hinweisen, dass es für die auf dieser
Homepage dargestellten Wirkungen der Magnetfeldtherapie und unserer Produkte keine
gesicherte wissenschaftliche Bestätigung gibt".
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Auf das Anlagenkonvolut OA 1 von Bl. 459 bis Bl. 476 wird insoweit im
Gesamtzusammenhang Bezug genommen.
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Das Landgericht hat den Antrag der Gläubigerin auf Festsetzung eines angemessen
Ordnungsmittels zurückgewiesen, und zwar mit der Begründung, dass ein Verstoß
gegen den Unterlassungstitel nicht vorliege. Kern des Titels sei es hier gewesen, der
Schuldnerin zu untersagen, in unzulässiger Weise den Eindruck zu verschaffen, ihre
Werbeangaben seien wissenschaftlich hinreichend bestätigt. Da die Schuldnerin den
ausdrücklichen Hinweis angefügt habe, dass eine hinreichende wissenschaftliche
Bestätigung ihrer Angaben nicht existiere, werbe sie nicht mehr "wie geschehen ... in
dem Ausdruck aus dem Internet am 15.03.2004 unter *internetadresse*". Es liege ein
neuer Sachverhalt vor, der lediglich in einem neuen Erkenntnisverfahren überprüft
werden, nicht jedoch Gegenstand des Vollstreckungsverfahrens sein könnte.
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Der Gläubiger verfolgt seinen Ordnungsmittelantrag mit der von ihm eingelegten
sofortigen Beschwerde weiter. Die Schuldnerin hält die Zurückweisung für richtig. Das
Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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II.
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Die nach §§ 793, 567 I Nr. 2, 890 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Gläubigers
ist begründet und führt zur Verhängung des titulierten Ordnungsgeldes. Dieses ist
gerechtfertigt aus § 890 I ZPO.
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Die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen liegen vor, insbesondere ist
das Urteil der Schuldnerin am 27.12.2005 zugestellt worden.
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Eine schuldhafte Zuwiderhandlung gegen das streitgegenständliche
Unterlassungsgebot ist, anders als das Landgericht es gemeint hat, zu bejahen, da die
Schuldnerin mit ihrer erneuten Internetwerbung – Ausdruck vom 18.04.2008 - wortgleich
mit den ihr zu Ziffern 5, 8, 9, 10, 11, 12 und 13 des Hauptsachetenors verbotenen
Werbeaussagen geworben hat. Alle diese Werbebehauptungen, die sich über viele
Seiten erstrecken, lassen nicht im Geringsten erkennen, dass es sich um Wirkungen der
Magnetfeldtherapie handelt, die nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis
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entsprechen. Insbesondere auch unter "Wirkweise" werden die verbotenen
Wirkungsbehauptungen wortgleich und identisch wiederum als wissenschaftlich belegt
erscheinend, in wissenschaftlich gehaltener Sprache und mit entsprechenden Grafiken
unterlegt nach außen gegenüber dem Verbraucher publik gemacht.
Der Verstoß ist nicht deshalb zu verneinen, weil weit am Ende der Werbedarstellung
nunmehr völlig isoliert sich der Satz befindet, dass man "aus Rechtsgründen" darauf
hinweisen "müsse", dass es für die auf dieser Homepage dargestellten Wirkungen der
Magnetfeldtherapie und der beworbenen Produkte keine gesicherte wissenschaftliche
Bestätigung gebe. Zum einen werden die tatsächlichen Werbeaussagen zu den
Wirkweisen hierdurch gerade nicht in relevanter Weise in Frage gestellt, weil dieser
Hinweis erkennbar nur Folge einer Rechtspflicht darstellen soll. Der Hinweis liest sich
als ein der Sache nach nicht maßgeblicher Formhinweis. Hierin bereits liegt inhaltlich
eine erkennbare Distanzierung zu den mangelnden wissenschaftlichen Erkenntnissen,
die man, da die Wirkungsaussagen betont über eine Vielzahl von Seiten aufrecht
erhalten werden, dann doch nicht teilt. Vor allem auch die versteckte Platzierung dieses
Hinweises, wie sie sich aus dem Gesamtzusammenhang ergibt, kann nicht als
ausreichend angesehen werden, um dem Verkehr mitzuteilen, dass entsprechende
wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse tatsächlich nicht vorliegen. Der Text ist zwar in
der gleichen Schriftgröße gehalten wie der vorherige Fließtext unter den Überschriften
Wirkungsweise, "Nebenwirkungen ... keine", Anwendungsdauer, Kontraindikationen.
Indes verschwindet der hier in Rede stehende Auflösungshinweis nach der Überschrift
und dem Link "Anwendungstabelle" (in Fettdruck) am "letzten" Ende des Textes, wo
dieser im Zusammenhang mit Anwendungsfragen auch nicht mehr erwartet wird, so
dass ein Leser diesen häufig überhaupt nicht mehr wahrnimmt oder jedenfalls nicht
mehr in einer Weise in Bezug nimmt zu den auch räumlichgestalterisch
hervorgehobenen Wirkungsweisen. Die Darstellung wird so letztlich in der
ursprünglichen Form aufrechterhalten.
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Dabei kann auch nicht darauf abgestellt werden, dass dem Verbot angefügt war "wie
geschehen ... in dem Ausdruck aus dem Internet am 15.03.2004 unter
*internetadresse*". Denn eine identische Darstellung ist für die Annahme einer
Zuwiderhandlung nicht erforderlich. Ebenso wenig ist aufgrund dessen ein anderer
Lebenssachverhalt nicht begründet. Eine Zuwiderhandlung gegen einen
Unterlassungstitel liegt vielmehr auch dann vor, wenn der Schuldner zwar keine
identische Handlung, wohl aber eine solche vorgenommen hat, die von dem
wettbewerbswidrigen Kern, dem "Charakteristischen" der Handlung, die die Grundlage
für die Unterlassungsverurteilung gebildet hatte, nur geringfügig abweicht, ihr aber
praktisch gleichwertig ist (st.Rspr., sog. Kerntheorie; vgl. Ahrens-Spätgens, 5. Aufl. 2005,
Kap. 64 Rn. 57; Kap. 65 Rn. 9 m.w.N.). Hier aber erweist sich die neue Handlung als im
Kernbereich mit den verbotenen Aussagen jedenfalls gleichwertig. Denn es verhält sich
immer noch so, dass die Schuldnerin die beanstandeten Werbeaussagen als gesicherte
wissenschaftliche Erkenntnis erscheinen lässt. Der nur versteckte Hinweis, der nunmehr
ergänzend angefügt ist und der in sich, wie ausgeführt, auch schon wieder eine
Distanzierung beinhaltet, reicht in diesem Zusammenhang nicht aus, um die zunächst
einmal eingetretene Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise im Nachhinein
wieder zu beseitigen. Der Gläubiger braucht sich insoweit nicht auf die Einleitung eines
neuen Erkenntnisverfahrens verweisen zu lassen.
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Die Schuldnerin hat auch schuldhaft, zumindest in relevanter Weise fahrlässig
gehandelt.
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III.
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Der Höhe nach ist in diesem Fall die Verhängung eines Ordnungsgeldes von 5.000, €
gerechtfertigt. Ordnungsmittel im Sinne des § 890 ZPO sind im Hinblick auf ihren Zweck
zu bemessen. Zu berücksichtigen sind deshalb bei ihrer Festsetzung insbesondere Art,
Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus
der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglicher
künftiger Verletzungshandlungen für den Verletzten. Eine Titelverletzung soll sich für
den Schuldner nicht lohnen (BGH GRUR 1994, 146, 147 - Vertragsstrafebemessung;
2004, 506 Rn. 52 – Euro-Einführungsrabatt; Ahrens, 5. Aufl. 2005, Kap. 68 Rn. 6 f.
m.w.N.). Auf dieser Grundlage ist auf der einen Seite zu berücksichtigen, dass ein
gewisser Relativierungsversuch stattgefunden hat und dass es sich um das erste
Ordnungsmittelverfahren handelt. Indes sind der Verschuldensgrad insofern recht hoch
und der Umfang des Verstoßes groß, als eine ansonsten im Kern identische Werbung
wortgleich in der verbotenen Weise über eine lange Dauer fortgeschrieben worden ist.
Unter Berücksichtigung auch der weiteren Gesamtumstände des Streitfalls ist zur
Ahndung dessen die Verhängung eines Ordnungsgelds von 5.000,- € erforderlich, aber
auch ausreichend.
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IV.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO.
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