Urteil des OLG Hamm vom 01.04.2008

OLG Hamm: fahrzeugführer, sicherungsmittel, verfügung, adr, verantwortlichkeit, beförderung, geschäftsführer, firma, ordnungswidrigkeit, transport

Oberlandesgericht Hamm, 3 Ss OWi 128/08
Datum:
01.04.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
3. Senat für Bußgeldsachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 Ss OWi 128/08
Vorinstanz:
Amtsgericht Detmold, 4 OWi 293/07
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugehörigen Feststellungen
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über
die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Detmold
zurückverwiesen.
Gründe
1
Die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm hat in ihrer Antragsschrift vom 17.03.2008
Folgendes ausgeführt:
2
" I.
3
Das Amtsgericht Detmold hat den Betroffenen am 17.09.2007 wegen einer
fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit (Nichtzurverfügungstellen der
erforderlichen Ausrüstung für Ladungssicherung) zu einer Geldbuße in Höhe von
800,- EUR verurteilt (Bl. 75 - 85 d. A.).
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Gegen dieses dem Betroffenen am 28.11.2007 zugestellte (Bl. 87 d. A.) Urteil
richtet sich die am 20.09.2007 bei dem Amtsgerichts Detmold eingegangene
Rechtsbeschwerde vom 19.09.2007 (Bl. 61 d. A.), die mit am 21.12.2007 bei dem
Amtsgericht Detmold eingegangenem Schriftsatz vom 20.12.2007 mit der Rüge der
Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet worden ist (Bl. 88 ff. d. A.).
5
II.
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Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWIG statthafte Rechtsbeschwerde, die rechtzeitig
eingelegt und fristgerecht begründet worden ist, hat mit der Sachrüge zumindest
vorläufig Erfolg.
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Die tatrichterlichen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen fahrlässiger
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Nichtzurverfügungstellung von Ladungssicherungsmitteln als Beförderer von
Gefahrgut nicht.
Das Amtsgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen:
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"Der Betroffene ist Geschäftsführer der Firma I Spedition. Am 22.11.2006
gegen 10.15 Uhr befuhr Herr H als Arbeitnehmer der Firma I Spedition mit
dem LKW, Fabrikat MAN, Kennzeichen ####, in E den O-Ring. Der Betroffene
ist Halter dieses LKWs.
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Er ist auch Beförderer.
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Auf der Ladefläche des LKWs transportierte Herr H Gefahrgüter, die wie folgt
gekennzeichnet waren:
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UN 1263, Farbe, Klasse 3, I, Gesamt 736 Kilogramm,
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UN 1263, Farbzubehörstoffe, Klasse 3, III, 2140 Kilogramm,
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UN 2618, Vinyltoluene, stabilisiert, Klasse 3, III, 54 Kilogramm,
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UN 2735, Amine, flüssig, ätzend, N.A.G. Klasse 8, II, 29 Kilogramm.
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Die Ladesituation sah derart aus, dass an der Stirnseite der Ladefläche zwei
große Kartons stehen, neben diesen Kartons steht eine Gitterbox mit einem
großen Plastikbehälter darin. Auf diesen Kartons auf der Stirnseite steht ein
großer Karton auf einer Holzpalette. In diesem befindet sich ein Sabo-
Rasenmäher Dieser Sabo-Rasenmäher in diesem Holzkarton, der auf einer
Palette steht, der wiederum auf diesen großen Kartons steht, ist völlig ohne
Sicherung dort abgestellt. Der Rasenmäherkarton steht höher als die übrige
Ladung.
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In Fahrtrichtung hinter den beiden Kartons und der Gitterbox befinden sich
Metalltonnen mit dem Gefahrengut. Diese stehen auf Holzpaletten und sind
mit Schrumpffolie ummantelt. In Fahrtrichtung hinter den beiden großen
Kartons befindet sich eine solche Palette mit metallenen Fässern, in denen
sich Gefahrengut befindet Daneben in Fahrtrichtung zur rechten Seitenwand
der Ladefläche befindet sich liegend ein Paket aus Pappe, das völlig
ungesichert neben diesen Gefahrenguttonnen liegt. Daneben, also in
Fahrtrichtung hinter der Gitterbox, befinden sich drei ebensolche Paletten mit
Gefahrengut, auf denen sich mit Schrumpffolie "zusammengeschweißte"
Kanister befinden. Der Abstand zwischen den Kanistern auf den Paletten
beträgt ca. 30 - 40 cm. In diesen Zwischenräumen ist nichts gestellt und es
sich auch nicht gesichert, dass diese Kanister sich nicht zueinander
verschieben können.
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In Fahrtrichtung dahinter befinden sich sodann Kanister mit Gefahrengut auf
Paletten, die wiederum oben drauf mit Paletten aufgelegt und so abgesichert
sind, dass sie ohne Zwischenraum zwischen diesen Paletten, die oben auf
den Kanistern befestigt sind, stehen. Rechts daneben stehen jedoch zwei
weitere Paletten, auf denen lediglich die Kanister in Schrumpffolie eingepackt
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sind, mit ebenfalls ca. 30 - 40 cm jeweils zueinander Platz als auch zu den
eben beschriebenen mit oben drauf liegenden Holzpaletten zusätzlich
gesicherten Paletten.
Im Hinteren Bereich die Kanister auf den Paletten, die sich auf in
Fahrtrichtung Iinker Seite befinden, haben ebenfalls Ladelücken von ca. 30
bis 40 cm bis zur linken Seitenwand in Fahrtrichtung. Auch diese Ladelücken
sind nicht mit Auffüllstoffen oder leeren Paletten abgesichert. Ebenfalls sind
diese Tonnen nicht zusätzlich durch irgendwelche Sicherungsmaßnahmen
abgesichert, wie z.B. Gurte oder Spannbalken. Auf dem hinteren Bereich der
Ladefläche befinden sich sodann noch mehrere Pakete, die völlig ungesichert
auf der Höhe der metallenen Tonnen mit Gefahrgut stehen bzw. liegen.
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Der Rasenmäher in dem Karton war zu linken Seite und nach hinten nicht
gesichert. Vorne war er bündig an die Stirnseite heran gestellt worden. Die
Tonnen mit dem Gefahrengut waren weder zur Seite noch nach hinten noch
nach vorne, jedenfalls soweit sie nicht oben drauf mit einer zusätzlichen
Palette gesichert waren, bündig zu irgendetwas abgestellt. Zwischen diesen
Tonnen befand sich jeweils noch mindestens 30 - 40cm Platz an Ladelücke.
Ebenfalls war der größere, längliche Karton völlig ungesichert und auch nicht
mit Gurten irgendwie befestigt, sondern konnte sich nach hinten hin frei
bewegen und bei extremen Fahrsituationen auch zur linken Seite. Ebenso wie
die Kartons, die im hinteren Bereich völlig ungesichert herumstanden. Der
Karton mit dem Rasenmäher als auch die anderen Kartons konnten, da sie
nicht hinreichend gesichert waren, während der Fahrt auf die Tonnen mit dem
Gefahrgut einwirken und auch die Tonnen mit dem Gefahrgut selber
zueinander konnten aufeinander einwirken und ihre Position stark verändern,
da zwischen ihnen noch Ladelücken bestanden, die nicht gefüllt waren.
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Zur Ausrüstung des Fahrzeuges gehörten drei Spannbalken sowie zwei bis
drei große Gurte und drei kleinere Gute und auch diverse Bindegurte. Diese
Gurte sind allesamt nicht eingesetzt worden, ebenso wenig wie die
Spannbalken. Der Betroffene hätte als verantwortlicher Halter und Beförderer
erkennen können und müssen, dass die Ladung
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nicht ordnungsgemäß gesichert war und der Fahrzeugführer, Herr H, nicht
genügend Sicherungsmaterial mit an Bord gehabt hat, um die konkrete
Ladungssituation ordnungsgemäß abzusichern."
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Nach § 9 Abs. 12 Nr. 7 GGVSE (Verordnung über die innerstaatliche und
grenzüberschreitende Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße und mit
Eisenbahnen - Gefahrgutverordnung Straße und Eisenbahn) haben der Halter und
der Beförderer im Straßenverkehr dafür zu sorgen, dass der Fahrzeugführer über
die erforderliche Ausrüstung zur Durchführung der Ladungssicherung nach
Unterabschnitt 7.5.7.1 ADR (Europäisches Übereinkommen über die internationale
Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße) verfügt. Ein fahrlässiger oder
vorsätzlicher Verstoß gegen dieses Gebot stellt eine Ordnungswidrigkeit nach § 10
Nr. 16e GGVSE dar. Dass sich der Betroffene ordnungswidrig im Sinne dieser
Vorschriften verhalten hat, lässt sich den tatrichterlichen Feststellungen nicht
entnehmen.
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Zwar hat das Amtsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die näher bezeichneten
Gefahrgüter nicht hinreichend gegen Verrutschen gesichert waren und die an Bord
des Fahrzeugs befindlichen Sicherungsmittel nicht eingesetzt wurden. Entgegen
der Auffassung des Amtsgerichts können diese Mängel jedoch nicht dem
Betroffenen in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des Transportunternehmens,
das Fahrzeughalter und Beförderer war, angelastet werden. Der Halter und der
Beförderer haben nach § 9 Abs. 12 Nr. 7 GGVSE im Straßenverkehr lediglich dafür
zu sorgen, dass der Fahrzeugführer über die erforderliche Ausrüstung zur
Durchführung der Ladungssicherung nach Unterabschnitt 7.5.7.1 ADR verfügt.
Damit reicht die Verantwortlichkeit des Halters und des Beförderers nicht so weit
wie diejenige des Verladers und des Fahrzeugführers, die gemäß § 9 Abs. 13
GGVSE im Straßenverkehr die Vorschriften über die Beladung und die
Handhabung nach Kapitel 7.5 ADR zu beachten haben. Während der Verlader und
der Fahrzeugführer die volle Verantwortung für die Beachtung der Vorschriften über
die Be- und Entladung und die Handhabung gefährlicher Güter nach Kapitel 7.5
ADR tragen - gegen den Verlader I1 (Bl. 67 d. A.) und den Fahrer H (Bl. 37, 41
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d. A.) sind gesonderte Bußgeldverfahren anhängig gewesen -‚ erschöpft sich die
Verantwortlichkeit des Halters und des Beförderers für die Ladungssicherung darin,
dem Fahrzeugführer die zur Durchführung der Ladungssicherung erforderliche
Ausrüstung zur Verfügung zu stellen. Ein Verstoß gegen das Gebot des § 9 Abs. 12
Nr. 7 GGVSE liegt nur dann vor, wenn
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der Halter bzw. der Beförderer dem Fahrzeugführer die im Einzelfall zur
Ladungssicherung erforderlichen Ausrüstungsgegenstände nicht zur Verfügung
stellt. Die tatsächliche Benutzung der zur Verfügung gestellten Sicherungsmittel ist,
wie sich aus § 9 Abs. 13 GGVSE ergibt, allein Sache des Verladers und des
Fahrzeugführers. Diesbezüglich obliegt dem Halter und dem Beförderer auch keine
Kontroll- und Überwachungspflicht (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 26. Mai 2005 -
1 Ss OWi 98/05 -; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.01.2008 - lV-2 Ss (OWi)
50/07 - (OWi) 79/07 III, 2 Ss (OWi) 50/07 - (OWi) 79/07 III -; jeweils zitiert nach juris).
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Für die Bereitstellung der erforderlichen Mittel zur Durchführung der
Ladungssicherung reicht es aus, dass dem Fahrzeugführer die hierfür benötigten
Ausrüstungsgegenstände zur Verfügung stehen und er von diesen ohne
Schwierigkeiten - in eigener Verantwortung - Gebrauch machen kann (vgl. OLG
Hamm a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG Zweibrücken NZV 1989, 203). Dies ist
nicht nur dann der Fall, wenn sich die im Einzelfall benötigten Sicherungsmittel bei
Fahrtantritt griffbereit im Fahrzeug befinden. Vielmehr stehen die zur
Ladungssicherung erforderlichen Ausrüstungsgegenstände dem Fahrzeugführer
auch dann zur eigenverantwortlichen Benutzung zur Verfügung, wenn der Halter
bzw. der Beförderer solche Sicherungsmittel in ausreichender Anzahl an einem
Standort, von dem aus der Fahrzeugführer seine Fahrt antritt, lagermäßig vorrätig
hält und sich der Fahrzeugführer ihrer ohne Schwierigkeiten bedienen kann (vgl.
OLG Hamm a.a.O.).
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Das angefochtene Urteil beschränkt sich auf die Feststellung, dass das Gefahrgut
bei dem Transport nicht hinreichend gesichert war, da es seine Lage zueinander
sowie zu den Wänden des Fahrzeugs mehr als geringfügig verändern konnte,
weitere ungesicherte Kartons auf die Tonnen mit dem Gefahrgut einwirken konnten
und die an Bord des Fahrzeugs befindlichen Sicherungsmittel nicht eingesetzt
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wurden. Allein hierauf kann die Verurteilung des Betroffenen aus den dargelegten
Gründen indes nicht gestützt werden. Bereits die Feststellungen des Amtsgerichts
dazu, ob die mitgeführten, jedoch wegen befürchteter Deformierungen der
Metalltonnen nicht eingesetzten Gurte und Spannbänder eine ausreichende
Ladungssicherheit geboten hätten, sind lückenhaft. Insoweit wird ohne nähere
Darlegung lediglich ausgeführt, das Gericht sei auch davon überzeugt, dass die auf
den Fotos dokumentierte Ladungssituation nicht mit den sich an Bord befindlichen
Sicherungsmitteln von drei großen Gurten, drei kleinen Gurten und drei
Spannbalken hätte ordnungsgemäß gesichert werden können (UA S. 6). Der
Tatrichter hat überdies keine Feststellungen dazu getroffen, ob die erforderlichen
Sicherungsmittel auf dem eigenen Betriebsgelände des Betroffenen oder dem
Betriebsgelände des Verladers lagermäßig zur Verfügung standen und der
Fahrzeugführer sich ihrer unschwer hätte bedienen können. So hat es der
Einlassung des Betroffenen, jedes Fahrzeug verfüge in der Grundausstattung über
drei Spannbalken, fünf große Gurte und zwei bis drei kleinen Gurten nebst diversen
Spannbändern, ebenso wie der Aussage des Disponenten C, das Material zum
Sichern - insbesondere Paletten als Füllmaterial - sei vor Fahrtantritt vorhanden
gewesen, keine Bedeutung zugemessen.
Selbst wenn - was sich aus den Urteilsfeststellungen nicht hinreichend ergibt - ein
sicheres Verstauen der Gefahrgüter mit Hilfe der an Bord befindlichen
Sicherungsmittel nicht möglich gewesen wäre, ist nicht festgestellt, dass dem
Fahrer solche nicht (ohne weiteres) zur Verfügung standen und lediglich nicht
eingesetzt wurden. Die hierzu getroffenen Feststellungen sind lückenhaft."
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Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an und
macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung.
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Der Senat sieht gem. § 79 Abs. 6 OWiG von der Zurückverweisung an eine andere für
Bußgeldsachen zuständige Abteilung des Amtsgerichts ab. Dadurch kann bei der
erneuten Verhandlung und Entscheidung der bereits mit der Materie vertraute Erstrichter
seine bereits gewonnene Sachkunde einsetzen, wodurch dem Gebot der
Verfahrensbeschleunigung Rechnung getragen wird.
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