Urteil des OLG Hamm vom 20.05.2008

OLG Hamm: immobilie, befristung, beschränkung, einkünfte, trennung, abfindung, freiwillige leistung, neue tatsache, anrechenbares einkommen, leistungsfähigkeit

Oberlandesgericht Hamm, 1 UF 208/07
Datum:
20.05.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
1. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 UF 208/07
Vorinstanz:
Amtsgericht Minden, 30 F 245/06
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 07. August 2007 verkündete
Urteil
des Amtsgerichts – Familiengericht – Minden unter Zurückweisung des
weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu
gefasst:
Der am 03.06.2004 vom Amtsgericht Minden – Aktenzeichen 10 F
359/02 – protokollierte Vergleich der Parteien wird für die Zeit ab dem
01.08.2006 abgeändert.
Der Kläger bleibt verpflichtet, an die Beklagte nachehelichen Unterhalt
zu zahlen, und zwar in Höhe von monatlich
a) 204,00 € für die Zeit vom 01.08.2006 bis zum 31.12.2010
b) 62,00 € für die Zeit ab dem 01.01.2011.
Die weitergehende Abänderungsklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen. Die
Kosten der ersten Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
1
Die Parteien, die im Jahre 2004 nach 36jähriger Ehe, aber nach rd. 18jähriger Trennung
von einander geschieden worden sind, streiten um nachehelichen Unterhalt. Im
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Scheidungstermin am 03.06.2004 hatten sie sich auf eine monatlich vom Kläger zu
zahlende Unterhaltsrente für die Beklagte in Höhe von 325,00 € geeinigt. Diesem
Vergleich lag die Erwägung zugrunde, dass der Kläger zum damaligen Zeitpunkt über
ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von rd. 1.400,00 € verfügte. Seit dem 01.
August 2006 bezieht er eine Altersrente in Höhe von nur noch 1.024,42 € monatlich
netto, was er zum Anlass für eine Abänderungsklage genommen hat, mit der er ein
völliges Entfallen seiner Unterhaltsverpflichtung erstrebt hat.
Auf seine Abänderungsklage hat das Amtsgericht durch das am 07.08.2007 verkündete
Urteil, wegen dessen vollständigen Sachverhalts und der Entscheidungsgründe auf Bl.
113 ff. d. A. verwiesen wird, seinem Begehren teilweise stattgegeben und den am
03.06.2004 geschlossenen Vergleich mit Wirkung ab 01.08.2007 dahin abgeändert,
dass der Kläger nur noch zur Zahlung eines nachehelichen Ehegattenunterhalts in
Höhe von 217,00 € monatlich, zahlbar bis zum jeden 3. eines Monats, verpflichtet blieb
und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen
ausgeführt, der Kläger verfüge über ein monatliches Renteneinkommen in Höhe von
1.024,00 € netto. Er habe zusätzlich mit Eintritt in den Ruhestand von seinem
Arbeitgeber eine Abfindung von 7.935,18 € erhalten als Ausgleich für die
Mindereinkünfte infolge der zuvor vereinbarten Altersteilzeit. Diese Abfindung sei
billigerweise auf 36 Monate umzulegen und ergebe monatlich anteilige 220,42 €. Nach
Abzug der Kreditbelastung von 138,00 €, die noch bestünden und die
Vergleichsgrundlage gewesen seien, verblieben ihm monatlich rd. 1.107,00 €. Bei
einem ihm zuzubilligenden Selbstbehalt von 890,00 € sei er deshalb in Höhe von
217,00 € monatlich leistungsfähig.
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Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und
begründeten Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Ziel weiter verfolgt sowie,
erstmals in der Berufungsinstanz und unter Bezugnahme auf die jüngere
höchstrichterliche Rechtsprechung sowie auf das seit dem 01.01.2008 geltende Recht
nach der Unterhaltsreform, hilfsweise eine Befristung des zu zahlenden nachehelichen
Unterhalts begehrt. Seine Einkünfte seien seit dem Vergleich stark gesunken. Er verfüge
nur noch über Renteneinkünfte. Die Darlehensbelastung belaufe sich auch nicht auf
138,00 €, wie es im Vergleich aus dem Jahr 2004 heiße, sondern tatsächlich auf 160,00
€ monatlich (so sein schriftsätzlicher Vortrag) bzw. auf 185,00 € monatlich (so sein
Prozessbevollmächtigter im Senatstermin). Auch im Jahre 2004 seien das nicht
monatlich 138,00 € monatlich gewesen, die er gezahlt habe, sondern habe sich auf das
Doppelte belaufen. Schon beim Vergleichsschluss hätten "die vorhandenen
Mieteinnahmen den Wohnwert nicht überstiegen". Im Senatstermin, dem der Kläger trotz
der Anordnung des persönlichen Erscheinens fern geblieben ist, erläuterte sein
Prozessbevollmächtigter dies dahin, dass auf seiner Seite praktisch kein Wohnwert
vorgelegen habe. Die Belastungen hätten den Wohnvorteil und die Mieteinnahmen
immer überstiegen. Die Mieteinnahmen seien unregelmäßig gewesen. Zwar treffe zu,
dass die letzten Einkommensbescheide vor der Veräußerung des Hauses Gewinne
ausgewiesen hätten. Diese Gewinne berücksichtigen indessen nicht die
Tilgungsleistungen, die er ebenfalls zu erbringen gehabt habe. Es sei abzusehen
gewesen, dass er mit seiner Rente trotz der Mieteinkünfte die Zins- und
Tilgungsleistungen nicht würde aufbringen können. Deshalb habe er sich zum Verkauf
des Hauses entschlossen. Er habe 177.000,00 € erlöst. Davon seien rd. 137.000,00 €
an die Bank geflossen, was im wesentlichen der Höhe des Darlehens entsprochen
habe, das er ursprünglich aufgenommen habe. Mit dem Überschuss von knapp
40.000,00 € habe er seine Steuerschulden, Anwaltskosten aus dem
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Scheidungsverfahren und Schulden bei Freunden beglichen.
Wegen der Einzelheiten dieser Erläuterungen zum Wohnwert wird auf den
Berichterstattervermerk über den Senatstermin vom 17.04.2008 zur Vermeidung
überflüssiger Wiederholungen verwiesen.
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Der Kläger behauptet, auf Seiten der Beklagten sei immer ein echter Wohnwert
vorhanden gewesen. Dieser belaufe sich auf monatlich mindestens 800,00 €. Dazu
erklärte sein Prozessbevollmächtigter im Senatstermin, im Jahre 2004 habe unter den
Parteien nicht geklärt werden können, welche der Parteien im Innenverhältnis die
Verbindlichkeiten, deretwegen die Immobilie als Sicherheit diene, träfen. Deshalb seien
die Parteien auf den Vorschlag des Richters eingegangen, Wohn- oder sonstige Vorteile
aus den beiderseits vorhandenen Immobilien bei der Unterhaltsberechnung gänzlich
unberücksichtigt zu lassen und daraus resultierende Ungerechtigkeiten gegebenenfalls
einem separat durchzuführenden Gesamtschuldnerausgleich zuzuführen.
6
Der Kläger rügt, die Zubilligung eines Selbstbehalts von nur 890,00 € sei
unangemessen. Er beansprucht einen billigen Selbstbehalt von 1.000,00 € monatlich.
Er wendet sich gegen eine Berücksichtigung der Abfindung. Jedenfalls sei es
unangemessen, diese nur auf 36 Monate umzulegen. Als Ausgleichszahlung für die
wegen der Inanspruchnahme von Altersteilzeit geringere Altersrente sei jedenfalls ein
längerer Zeitraum zugrundezulegen, nämlich zumindest derjenige bis zum Erreichen
der statistischen Lebenserwartung von 80 Jahren, die er erreichen würde. Seinen
Hilfsantrag auf Befristung des nachehelichen Unterhalts begründet er damit, dass die
Beklagte nach der Trennung ihrer Erwerbsobliegenheit nicht ausreichend
nachgekommen sei. Deshalb habe sie selbst zu vertreten, wenn sie jetzt keine ihren
Unterhaltsbedarf deckende Rente erhalten könne. Bei alledem sei sie finanziell
wesentlich besser gestellt als er, da sie neben ihrer Rente Mieteinkünfte aus ihrer
Immobilie erziele und sich einen Wohnvorteil zurechnen lassen müsse, während er
gemeinsame Verbindlichkeiten bediene.
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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Auf Seiten des Klägers sei mit fiktiv
höheren Einkünften zu rechnen. Das Absinken der Einkünfte infolge des verfrühten
Eintritts in die Altersrente nach Altersteilzeit sei vorwerfbar. Jedenfalls seien die
damaligen Vergleichsgrundlagen weiterhin bindend, soweit auf seiner Seite lediglich
138,00 € monatlich für das Bedienen von Krediten abzusetzen seien.
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Auf Seiten des Klägers seien darüber hinaus zumindest fiktiv Einkünfte aus
Kapitalvermögen zu berücksichtigen, weil ihm zuzumuten gewesen wäre, den Erlös aus
dem Verkauf seiner Immobilie zinswirksam anzulegen. Es treffe auch nicht zu, dass der
Kläger nur Verluste aus Vermietung und Verpachtung zu verzeichnen gehabt habe. Die
letzten, die Zeit vor der Veräußerung der Immobilie betreffenden
Einkommenssteuerbescheide wiesen in den Jahren 2001 und 2002 nicht Verluste,
sondern Gewinne aus Vermietung und Verpachtung aus. Seine Einkünfte für die Jahre
2003 und 2004 habe er nicht dargelegt. Die Immobilie hätte sich aus den Mieterlösen
getragen und auch die Kredite hätten weiter bedient und getilgt werden können.
Tatsächlich sei der Grund für die Veräußerung der Immobilie gewesen, dass er mit
seiner Lebensgefährtin zusammengezogen sei, die Immobilie für eigene Wohnzwecke
nicht mehr benötigt habe und seither mietfrei wohne. Auch dies sei – als neue Tatsache
– bei einer Neuberechnung zu berücksichtigen. Sie bestreitet, dass sie selbst einen
Wohnvorteil in der behaupteten Höhe aus ihrer Immobilie erziele. Ihr Wohnvorteil
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belaufe sich allenfalls auf 500,00 € monatlich. Die Beklagte wendet sich auch gegen
eine Befristung der Unterhaltsverpflichtung des Klägers. Sie seien lange Jahre
verheiratet gewesen. Auf die Trennungszeit komme es dabei nicht an. Der Kläger habe
es in der Hand gehabt, diese Trennungszeit durch einen Scheidungsantrag zu
verkürzen. Sie habe sich auch durchaus um eine Erwerbstätigkeit bemüht, soweit ihr
dies möglich gewesen sei. Zunächst habe sie sich allerdings überwiegend um die
Erziehung des gemeinsamen Sohnes gekümmert. Danach habe sie ihr
Gesundheitszustand an einer frühen Wiederaufnahme ihrer früheren Erwerbstätigkeit
oder deren Ausweitung gehindert.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die in der Akte befindlichen
Schriftsätze sowie auf den Berichterstattervermerk über den Senatstermin vom
17.04.2008 verwiesen.
10
II.
11
Das Rechtsmittel des Klägers hat teilweise Erfolg.
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Es führt zu einer geringfügigen Herabsetzung des Anspruchs der Beklagten auf
Aufstockungsunterhalt und auf den Hilfsantrag hin zu einer Beschränkung des
Unterhaltsanspruchs nach Maßgabe der ehelichen Verhältnisse bis zum Ende des
Jahres 2010. Für die Folgezeit hat der Senat ihren Unterhaltsanspruch auf den
angemessenen Lebensbedarf herabgesetzt. Ein völliges Entfallen des Anspruchs auf
Aufstockungsunterhalt erreicht der Kläger allerdings nicht. Im Einzelnen ergibt sich dies
aus folgenden Erwägungen:
13
1.
14
Die Parteien haben anlässlich des Termins im Scheidungsverfahren im Jahre 2004 eine
Vereinbarung über den nachehelichen Unterhalt getroffen, die sie auch weiterhin bindet.
Beide Parteien haben allerdings nach Maßgabe des § 313 BGB einen Anspruch darauf,
dass diese Unterhaltsvereinbarung, soweit sich die zugrundeliegenden Tatsachen
maßgeblich geändert haben, an die aktuellen Gegebenheiten angepasst werden.
Unstreitig ist insoweit, dass der Kläger, anders noch als im Jahr 2004, nun über
geringere Einkünfte verfügt, weil er kein Arbeitseinkommen mehr bezieht, sondern nur
noch Renteneinkünfte. Diese belaufen sich, ebenso unstreitig, auf 1.024,42 € netto
monatlich.
15
Der Senat hat keine Veranlassung, den Kläger insoweit an seinen früheren Einkünften
zu messen aus dem Gesichtspunkt, dass er letztlich auf sein eigenes Betreiben, verfrüht
und deshalb vorwerfbar in den vorzeitigen Ruhestand gewechselt sei. Denn im Bereich
der tariflich Beschäftigten ist der Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand nach
vorangegangener Altersteilzeit ein nicht mehr umkehrbarer Vorgang. Die Tatsachen, die
in ihrer Konsequenz zum vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand bei geminderten
Rentenbezügen geführt haben, lagen bereits im Jahre 2004 vor, waren den Parteien
bekannt und binden beide auch heute noch. Bereits im Jahre 2004 war die wesentliche
Tatsche gesetzt, die dazu geführt hat, dass der Kläger ab dem 60. Lebensjahr nur noch
gegenüber der regulären Altersrente verringerte Rentenbezüge erhalten würde. An
dieser Tatsache muss sich die Beklagte auch heute noch festhalten lassen.
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Eine gewisse Kompensation erfährt das Einkommen des Klägers dadurch, dass er von
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seinem Arbeitgeber nach dem Ende der Altersteilzeit und damit mit dem Eintritt in den
Ruhestand wegen des Bezugs einer verkürzten Rente eine Abfindung erhalten hat.
Diese ist, wovon auch das Amtsgericht zu Recht ausgegangen ist, zu berücksichtigen
und angemessen umzulegen. Allerdings teilt der Senat die Ansicht des Amtsgerichts
nicht, wonach ein Zeitraum von 3 Jahren dem Zahlungszweck angemessen wäre. Denn
diese Abfindungszahlung findet ihre Zweckbestimmung darin, dem Kläger einen Teil
des Verlustes auszugleichen, den er wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der
Altersrente an Rentenkürzung hinnehmen muss. Soll die Abfindungszahlung danach für
den Rest des zu erwartenden Rentenbezuges die Verluste auffüllen, überzeugt auch die
Ansicht des Klägers, dass eine Verteilung dieser Abfindung, allerdings zuzüglich
anfallender Zinsen, auf die zu erwartende Dauer des künftigen Rentenbezuges
angemessen sei. Das beinhaltet allerdings eine Reihe von Unwägbarkeiten, wobei nur
die Ungewissheit hinsichtlich der Dauer des künftigen Rentenbezuges und die
Entwicklung des Kapitalmarktes genannt sei, und erlaubt daher lediglich eine
Schätzung anhand von Erfahrungswerten.
Ausgehend von einer Lebenserwartung von noch 20 Jahren ab dem Eintritt in den
vorzeitigen Ruhestand und von einer durchschnittlichen Verzinsung von 5 %, die auf die
Sicht von 20 Jahren nicht unrealistisch erscheint, könnte der Kläger monatlich 50,00 €
dem Depot entnehmen, bis das Kapital dann mit Erreichen des 80. Lebensjahres
verbraucht wäre.
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Im Ergebnis bedeutungslos ist – jedenfalls für den Unterhaltsbedarf der Beklagten -,
dass der Kläger unentgeltlich in der Wohnung seiner Lebensgefährtin lebt. Hierbei
handelt es sich um eine freiwillige Leistung Dritter, die nicht den Zweck hat, die
unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit bedarfsbestimmend zu erhöhen.
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Im Übrigen ergibt sich zur Überzeugung des Senats gegenüber der Situation, wie sie
sich für die Parteien bei Abschluss des Vergleichs im Jahr 2004 darstellte, keine
wesentliche Änderung.
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Das gilt zunächst für die beiderseitigen Wohnwerte bzw. deren Surrogat. Denn die
Parteien haben sich im Jahre 2004 darauf verständigt, dass der Wohnwert bzw. die
Nutzungen, die beide aus ihren Immobilien zogen oder hätten ziehen können, bei der
Unterhaltsbedarfsbestimmung außer Betracht bleiben sollte. Wie die Erörterung im
Senatstermin ergeben hat, war es nämlich nicht so, dass die Parteien der Auffassung
waren, dass die beiderseitig gezogenen oder zu ziehenden Nutzungen einander
ebenbürtig waren und deshalb für die Unterhaltsbedarfsbestimmung neutral, sondern
sie haben sich angesichts der tatsächlichen und rechtlichen Streitigkeiten und einem
Vorschlag des amtierenden Richters folgend dazu entschlossen, diesen Streit nicht im
Unterhaltsverfahren, sondern gegebenenfalls an anderer Stelle klären zu lassen. Das
bindet beide Parteien auch heute noch.
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Entsprechendes gilt für die Belastungen, die sie mit 138,00 € monatlich bei der
Unterhaltsbedarfsrechnung berücksichtigen wollten. Wie der Kläger selbst dargelegt
hat, hat sich in tatsächlicher Hinsicht, jedenfalls zu seinen Gunsten, insoweit nichts
geändert. Er behauptete, schon im Jahre 2004 habe die von ihm getragene Rate
eigentlich doppelt so hoch gelegen. Weil der Zweck zwischen den Parteien damals
streitig gewesen sei, hätten sie sich darauf verständigt, sie lediglich in Höhe von 138,00
€ bei der Unterhaltsbedarfsberechnung zu berücksichtigen. Weggefallen ist diese
Belastung bis heute nicht. Sie ist auch nicht unter den Betrag von 138,00 € gesunken.
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Der Kläger ist daher weiterhin an die Vereinbarung aus dem Jahre 2004 gebunden,
wonach diese Belastung, auch wenn sie tatsächlich höher liegt, nur mit 138,00 €
monatlich in die Berechnung einzustellen ist. Denn die Parteien haben damals bewusst
den Streit um die Zahlungspflicht im Innenverhältnis dem Unterhaltsstreitverfahren
entzogen und sich durch gegenseitiges Entgegenkommen auf diesen Betrag von 138,00
€ monatlich geeinigt.
Der Kläger dringt auch mit seiner Behauptung nicht durch, dass die im Jahre 2006
erhaltene Abfindung seine wirtschaftlichen Verhältnisse heute nicht mehr mitbestimme,
weil er damit Schulden getilgt habe. Denn zum Einen hat er sich darauf berufen, mit der
Abfindung Steuerschulden getilgt zu haben. Bewiesen hat er dies indessen nicht.
Außerdem hatte er bereits im Zusammenhang mit dem Gewinn aus der Veräußerung
seiner Immobilie in Anspruch genommen, damit neben Anwaltsschulden und solchen
bei Freunden und Bekannten Steuerschulden getilgt zu haben. Dabei bezog er sich auf
die Steuerbescheide, die durchgehend aus dem Jahr 2005 stammen und Folge einer
Nachveranlagung für zurückliegende Jahre waren. Diese waren indessen sofort fällig,
so dass die Annahme ohnehin näher liegt, dass er, wenn schon, den
Veräußerungserlös im Jahre 2005 aus der Veräußerung der Immobilie zumindest
teilweise auf die Steuerschulden verwendet hat. Nach alledem ergibt sich, unter
Wahrung der Vergleichsgrundlagen aus dem Jahr 2004, folgende
Unterhaltsbedarfsberechnung:
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Renteneinkünfte des Klägers
1.024,42 €
zuzüglich Abfindung anteilig monatlich
50,00 €
abzüglich Annuität
138,00 €
anrechenbares Einkommen
936,42 €
Renteneinkünfte der Beklagten
530,12 €
Differenz
406,30 €
24
Die Hälfte davon, aufgerundet 204,00 € monatlich, ergibt den Unterhaltsbedarf der
Beklagten nach Maßgabe der ehelichen Verhältnisse.
25
2.
26
Die Aufrechterhaltung eines monatlichen Unterhaltsanspruchs in Höhe von 204,00 €
monatlich scheitert auch nicht an Leistungsfähigkeit des Klägers. Insbesondere ist
insoweit der vorstehend dargestellte Barbetrag von 936,42 €, auf den der Kläger
zurückgreifen kann, nicht maßgeblich. Im Rahmen der Beurteilung der
Leistungsfähigkeit des Beklagten, für die der Vergleich keine Festlegungen enthält, sind
durchaus die Dinge von Bedeutung, die die Parteien für die
Unterhaltsbedarfsberechnung ausgeschlossen haben, namentlich Wohnvorteil,
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder deren Surrogate. Auch die Tatsache,
dass der Kläger unentgeltlich bei seiner Lebensgefährtin wohnt, ist bei der Bemessung
des eheangemessenen Selbstbehalts zu berücksichtigen.
27
a)
28
Der Senat erachtet es zunächst als angemessen, dem Beklagten fiktive Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung bzw. einen fiktiven Wohnvorteil in Höhe von 300,00 €
monatlich aus seiner im Jahre 2005 veräußerten Immobilie zuzurechnen. Auszugehen
ist insoweit von der Darlegungs- und Beweislast des Beklagten für seine
eingeschränkte Leistungsfähigkeit. Dieser Beweis ist ihm nicht gelungen. Er hat im
Senatstermin, nach dem er seiner uneingeschränkten Freizeitgestaltung gegenüber
seiner Verpflichtung, zum Termin zur mündlichen Verhandlung zu erscheinen, den
Vorzug gegeben hat und damit die Gelegenheit, sein Anliegen näher zu erläutern, nicht
wahrgenommen hat, durch seinen Prozessbevollmächtigen, wie schon zuvor
schriftsätzlich, erklären lassen, er habe aus seiner Immobilie keinerlei Gewinne
erwirtschaften können, diese auf Dauer nicht halten können und wäre deshalb über kurz
oder lang ohnehin zu deren Veräußerung gezwungen gewesen.
29
Die Beklagte hatte diesen Vortrag bereits schriftsätzlich bestritten und dieses Bestreiten
im Senatstermin im Hinblick auf die vom Kläger selbst vorgelegten
Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2001 und 2002 wiederholt. Diese sind im
Senatstermin eingehend erörtert worden, gerade auch im Hinblick auf die Erläuterungen
des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Senatstermin. Aus den
Einkommenssteuerbescheiden ergab sich, dass der Kläger im Jahre 2001 Gewinne aus
Vermietung und Verpachtung nach Abzug von Abschreibungen in Höhe von rd.
8.000,00 DM hatte und im darauffolgenden Jahr 2002 ebensolche in Höhe von rd.
6.000,00 €. Ausgehend davon, dass es sich dabei um Gewinne handelt, berücksichtigen
diese Beträge bereits die vom Kläger geleisteten Kreditzinsen, wenn auch nicht die
Tilgungsleistungen. Solche könnten im Ergebnis zwar dazu führen, dass per Saldo –
neben dem eigenen Wohnvorteil - und abgesehen von der Vermögenssteigerung durch
Verringerung der Verbindlichkeiten, kein monatlich abschätzbarer Betrag für den
Lebensunterhalt verblieb. Allerdings kann der Senat aufgrund des eigenen
Sachvortrags des Klägers, den sich die Beklagte im Senatstermin hilfsweise zu eigen
gemacht hat, ausschließen, dass der Kläger überhaupt Tilgungsleistungen erbracht hat.
Denn er hat durch seinen Prozessbevollmächtigten selbst vortragen lassen, dass zum
Zeitpunkt der Ablösung des Kredits nach der Veräußerung des Hauses im Jahre 2005
noch nahezu der selbe Betrag valutierte, wie er der Kreditsumme bei dessen
Inanspruchnahme entsprach. Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der
Kläger keineswegs aus wirtschaftlichen Gründen, auch nicht in Erwartung einer
knappen Rente, gezwungen war, seine Immobilie zu veräußern, weil sich diese nämlich
nicht nur selbst trug, sondern sogar Gewinne erwirtschaftete und den Kläger in die Lage
versetzt hätte, sogar Tilgungsleistungen zu erbringen. Die Veräußerung der Immobilie
kann daher nur von dem Willen getragen gewesen sein, sich dieser aus Gründen der
Bequemlichkeit oder zur Erlangung flüssiger Mittel für andere Zwecke zu entledigen. Im
Hinblick auf die Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit bedeutet dies, dass er sich so
behandeln lassen muss, als sei er nach wie vor Eigentümer dieser Immobilie.
30
Ausgehend von den Gewinnen für die Jahre 2001 und 2002 – jüngere Zahlen liegen
nicht vor und sind auch nicht dargelegt – schätzt der Senat die monatlichen Einkünfte
aus der Immobilie unter Berücksichtigung zu entrichtender Steuern, einer etwaigen
Instandhaltungsrücklage, etwaigen Mietausfällen wegen säumiger Mietzahler und eine
angemessene Tilgung auf zumindest noch monatlich 300,00 €, die der Senat ihm fiktiv
bei der Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit zurechnet.
31
Danach verfügt der Kläger über tatsächliche und fiktive Einkünfte in Höhe von rd.
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1.374,00 € monatlich (Renteneinkünfte 1.024,00 € netto, fiktive Entnahme aus der
Abfindung von 50,00 € monatlich, fiktive Gewinne aus Vermietung und Verpachtung von
300,00 € monatlich). Damit wäre, selbst ohne Berücksichtigung des zur Absenkung des
Selbstbehalts führenden freien Wohnens bei der Lebensgefährtin, der eheangemessene
Selbstbehalt von 1.000,00 € monatlich selbst dann gewahrt, wenn der Kläger nicht nur
monatlich 204,00 € an Unterhalt zu zahlen hätte, sondern auch unter Berücksichtigung
der schriftsätzlich vorgetragenen und von ihm tatsächlich zu leistenden Rate auf die
Verbindlichkeiten in Höhe von 160,00 statt 138,00 €.
b)
33
Einen gewissen Erfolg, allerdings aufgrund des Vorbringens erst in der
Berufungsinstanz, hat der Kläger insoweit, als er unter Berufung auf die jüngere
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 1573 Abs. 5 a. F. BGB und auf den seit
dem 01.01.2008 geltenden neuen § 1578 b BGB eine Befristung bzw. eine
Beschränkung des Unterhaltsanspruchs begehrt. Diese Bestimmungen, die sich trotz
etwas anders lautendem Wortlaut aufgrund der jüngeren Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs inhaltlich einander entsprechen, erlauben beim
Aufstockungsunterhalt unter gewissen engen Voraussetzungen aus Billigkeitsgründen
entweder eine Befristung der Verpflichtung zur Zahlung nachehelichen Unterhalts
überhaupt oder eine Beschränkung dergestalt, dass der Unterhaltsberechtigte nur noch
für einen bestimmten Zeitraum Unterhalt nach Maßgabe der ehelichen
Lebensverhältnisse verlangen und sein Unterhalt danach auf den angemessenen
Lebensbedarf herabzusetzen ist. Bei der Abwägung sind insbesondere ehebedingte
Nachteile zu berücksichtigen, die beim Unterhaltsberechtigten infolge einer
Einschränkung seiner Möglichkeit eingetreten sind, für seinen eigenen Unterhalt zu
sorgen. Derartige Nachteile können sich vor allem aus der Pflege und Erziehung eines
gemeinschaftlichen Kindes, aber auch aus der Gestaltung von Haushaltsführung und
Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben.
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Im konkreten Fall waren die Parteien 36 Jahre lang miteinander verheiratet. Eine
derartig lange Ehedauer hindert aber noch nicht von sich aus die Annahme, dass der
Unterhalt aus Billigkeitsgründen begrenzt oder beschränkt werden kann. Auch der
Bundesgerichtshof hat sich immer und sogar vergleichsweise früh nach der Einführung
der Beschränkungsmöglichkeiten durch das Unterhaltsänderungsgesetz vom
20.09.1986 gegen die Annahme fester Zeitgrenzen gewandt, andererseits aber auch
dargelegt, dass ab einer Ehedauer von etwa 10 Jahren der "Grenzbereich" für eine
Befristung erreicht sei (BGH FamRZ 1990, 857 (858)). Denn angesichts der vielfältigen
persönlichen und wirtschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten einer Ehe sei eine feste
Zeitschranke zu eng und könne die durch die gesetzliche Regelung bezweckte
Billigkeitsentscheidung unzulässig behindern. Zwar sei nicht zu verkennen, dass der
über eine Ehedauer von 10 Jahren hinausgehende Bereich sich einer Ehe von langer
Dauer nähere. Auch spreche die Lebenserfahrung dafür, dass die Ehegatten mit
fortschreitender Ehe ihre Lebensführung wechselseitig aufeinander eingestellt und sich
insoweit wechselseitig Abhängigkeiten entwickelt hätten. Gleichwohl könne für die
gebotene Billigkeitsabwägung nur die jeweilige Lebenssituation der Ehegatten, und
nicht eine von vornherein festgelegte Ehedauer, maßgeblich sein. Seine anfangs
restriktive Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof namentlich in den
zurückliegenden 2 Jahren zusehends gelockert, erstmals wahrnehmbar in der
Entscheidung vom 12.04.2006 (FamRZ 2006, 1006). Danach beruht die Möglichkeit,
den Aufstockungsunterhalt zu befristen, auf dem Gedanken, dass eine lebenslange
35
Beibehaltung des ehelichen Lebensstandards nur dann angemessen sei, wenn etwa
die Ehe lange gedauert habe, wenn aus ihr gemeinsame Kinder hervorgegangen seien,
die der Berechtigte betreue oder betreut habe, wenn er erhebliche berufliche Nachteile
um der Ehe willen auf sich genommen habe oder wenn sonstige Gründe (z. B. Alter oder
Gesundheitszustand des Berechtigten) für eine dauerhafte Lebensstandardgarantie
sprächen. Lägen diese Voraussetzungen dagegen nicht vor, habe sich der
Lebensstandard des Berechtigten durch die Ehe sogar verbessert, sei ihm nach einer
Übergangszeit ein Lebensstandard zuzumuten, der demjenigen entspreche, den er vor
der Ehe gehabt habe. Ein Aufstockungsunterhalt komme dann nicht mehr bis zum vollen
eheangemessenen Unterhalt in Betracht, sondern allenfalls in dem Umfang, den der
Berechtigte aufgrund seiner eigenen beruflichen Qualifikation ohne den Eintritt
ehebedingter Nachteile hätte erreichen können (BGH, a.a.O., 1007). Diese
Rechtsprechung, die auf das Vorliegen sog. ehebedingter Nachteile abstellt, hat der
BGH seither fortgesetzt. In einer weiteren Entscheidung (Urteil vom 25.10.2006, FamRZ
2007, 200) hat er diese Grundsätze bestätigt und darauf hingewiesen, dass erhebliche
fortwirkende ehebedingte Nachteile in der beruflichen Entwicklung nur in ihrem
jeweiligen Umfang und bei entsprechender Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen
einen dauerhaften unterhaltsrechtlichen Ausgleich zugunsten des unterhaltsbedürftigen
Ehegatten rechtfertigten, auch wenn im Übrigen die Voraussetzungen einer zeitlichen
Begrenzung bzw. einer Herabsetzung des Unterhalts auf den angemessenen
Lebensbedarf vorlägen.
Diese, ihm teilweise bekannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der
Gesetzgeber mit der Neufassung der Beschränkungs-/Befristungsmöglichkeiten in einer
einzigen statt zuvor in zwei Bestimmungen im neuen § 1578 b BGB unter Ausweitung
des Anwendungsbereichs nicht nur auf den Aufstockungs-, sondern auf sämtliche
Unterhaltstatbestände aufgenommen. Dazu heißt es in der amtlichen Begründung
(Bundestagsdrucksache, 1830, S. 18):
36
"Mit § 1578 b des Entwurfs wird eine grundsätzlich für alle Unterhaltstatbestände
geltende Billigkeitsregelung eingeführt, die nach Maßgabe der in der Regelung
aufgeführten Billigkeitskriterien eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung von
Unterhaltsansprüchen ermöglicht. Damit wird der vom Gesetzgeber in dem
Unterhaltsänderungsgesetz vom 20. Februar 1986 eingeschlagene Weg fortgesetzt.
Das erste Ehereformgesetz vom 14.06.1976 ......... ließ in der bis zum 01. April 1986
geltenden Fassung kaum Raum für Billigkeitsabwägungen. Die Möglichkeit einer
zeitlichen Begrenzung bestand nicht. Von Beginn ist dies unter Hinweis darauf kritisiert
worden, dass einschneidende wirtschaftliche Folgen einer Trennung und Scheidung,
wie sie insbesondere durch die Auferlegung einer grundsätzlich lebenslangen
Unterhaltspflicht entstehen, nicht völlig losgelöst von Billigkeitsgesichtspunkten geregelt
werden kann. Diese Kritik hat der Gesetzgeber mit dem Unterhaltsänderungsgesetz
aufgegriffen und durch die Einführung von § 1573 Abs. 5 BGB erstmals die Möglichkeit
geschaffen, den Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit und den Aufstockungsunterhalt
aufgrund von Billigkeitserwägungen zeitlich zu begrenzen. Gleichzeitig wurde durch §
1578 Abs. 1 S. 2 und 3 BGB ermöglicht, bei allen Unterhaltstatbeständen das Maß des
Unterhalts auf den eheangemessenen Lebensbedarf herabzusetzen. Das Gesetz
verfolgt hiermit ausdrücklich das Ziel, die Eigenverantwortung zu fördern und der
Einzelfallgerechtigkeit mehr Raum zu geben. Von diesen Möglichkeiten hat die
Rechtsprechung in den folgenden Jahren jedoch kaum Gebrauch gemacht. In jüngerer
Zeit hat die Kritik vor allem vor dem Hintergrund der Abkehr des Bundesgerichtshofs von
der sog. Anrechnungsmethode unter Hinwendung zu sog. Differenzmethode mit der
37
Entscheidung vom 13. Juni 2001 deutlich zugenommen. In der neueren
Rechtsprechung ist eine Tendenz zu einer vermehrten Beschränkung von
Unterhaltsansprüchen festzustellen. Daran knüpft der Entwurf mit dem neu eingeführten
§ 1578 b an. Die Neuregelung verfolgt das Ziel, die Beschränkung von
Unterhaltsansprüchen anhand objektiver Billigkeitsmaßstäbe und hier insbesondere
anhand des Maßstabs der ehebedingten Nachteile zu erleichtern."
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Hinsichtlich des Begriffs dieser ehebedingten Nachteile knüpft der Gesetzgeber an die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Gleichwertigkeit in der Ehe arbeitsteilig
erbrachter Leistungen der Ehepartner an. Diese begründet aber nicht von vornherein
eine Lebensstandardgarantie im Sinne einer zeitlich unbegrenzten und der Höhe nach
nicht abänderbaren Teilhabe nach der Scheidung. Die nacheheliche Solidarität gebiete
vielmehr nur, dem bedürftigen Partner die Nachteile auszugleichen, die ihm deshalb
entstehen, weil er wegen der Aufgabenverteilung in der Ehe nicht oder nicht
ausreichend in der Lage sei, nach der Scheidung für seinen Unterhalt zu sorgen.
Beispielhaft und ohne Anspruch auf Vollständigkeit nennt der Gesetzgeber dabei die
Kindesbetreuung, an die vornehmlich bei Betreuungs-, Ausbildungs- und
Aufstockungsunterhalt zu denken sei. Soweit andere Unterhaltsansprüche betroffen sind
(Alters-, Krankheits- oder Arbeitslosigkeitsunterhalt), träfen die diesen
Unterhaltstatbeständen zugrundeliegenden Tatsachen teilweise unabhängig von der
Ehe ein und seien nicht "ehebedingt". Deshalb könne gerade in diesen Fällen, was aber
in jedem Einzelfall sorgfältig unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe zu prüfen sei,
eine uneingeschränkte Fortwirkung ehelicher Solidarität, die sich in einem
Unterhaltsanspruch niederschlage, unangemessen sein. Namentlich im Hinblick auf
Krankheitsfälle heißt es in dem Entwurf (a.a.O.):
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"§ 1578 b des Entwurfs erfasst auch die Fälle, in denen es nicht um die Kompensation
"ehebedingter Nachteile", sondern allein um das Ausmaß der darüber hinausgehenden
nachehelichen Solidarität geht. Zu denken ist etwa an den Fall der Erkrankung eines
Ehegatten, die ganz unabhängig von der Ehe eingetreten ist. Billigkeitsmaßstab für die
Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des Unterhalts ist hier allein die fortwirkende
Solidarität im Lichte des Grundsatzes der Eigenverantwortung, wobei die in § 1578 b
Abs. 1 S. 3 des Entwurfs genannten Umstände auch Bedeutung für das Ausmaß einer
fortwirkenden Verantwortung haben. Dies gilt insbesondere für die Dauer der Ehe. Die
gleichen Grundsätze gelten auch für den Fall, in dem etwa eine Erwerbstätigkeit allein
an der bestehenden Arbeitsmarktlage scheitert und damit nicht auf einen "ehebedingten
Nachteil" zurückzuführen ist. Ob und in welchem Ausmaß der Unterhaltsanspruch
wegen Erwerbslosigkeit gem. § 1573 BGB in Höhe und/oder Dauer beschränkt werden
kann, wird auch hier ganz wesentlich von der Dauer der Ehe abhängen.... Ob und in
welchem Umfang Unterhaltsansprüche beschränkt werden können, hängt danach
wesentlich davon ab, ob und in welchem Ausmaß durch die Ehe Nachteile im Hinblick
auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Hinsichtlich
der Verknüpfung "durch die Ehe" genügt es, dass der Nachteil, nicht für den eigenen
Unterhalt sorgen zu können, ganz überwiegend bzw. im wesentlichen auf die
vereinbarte Aufgabenteilung während der Ehe zurückzuführen ist. Die wichtigsten
Umstände, aus denen sich solche Nachteile ergeben können, benennt Abs. 1 S. 3. Steht
die Unbilligkeit fest, besteht kein Ermessensspielraum; der Unterhaltsanspruch muss
hinsichtlich der Höhe und/oder Dauer begrenzt werden."
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Gemäß diesen Ausführungen hat der Senat im konkreten Fall insbesondere der
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objektiven Dauer der Ehe Bedeutung zugemessen, die hier 36 Jahre bis zur Rechtskraft
der Scheidung gedauert hat, allerdings auch dem Umstand, dass die wirtschaftlichen
Verhältnisse der Parteien seit über 18 Jahren, der Dauer der Trennung, wirtschaftlich
entflochten waren. Beide lebten ihr eigenes Leben, und zwar im wesentlichen aufgrund
der eigenen Einkünfte und des eigenen Vermögens. Auch die Betreuung des
gemeinschaftlichen Sohnes, der zum Zeitpunkt der Trennung volljährig war, ist ein
weiteres Indiz für die wirtschaftliche Selbständigkeit der Parteien seit heute über 20
Jahren. Dabei misst der Senat dem Umstand, dass die Parteien sich gleichwohl noch
als "verheiratet" fühlten und die Beklagte es nach eigenem Bekunden deshalb auch
zuließ, dass der Kläger ein nur ihm und seinem Interesse gewährtes Darlehen über ihre
Immobilie absichern ließ, keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Ähnliches gilt für die
Tatsache, dass die Parteien sich über Jahre hinweg noch gemeinschaftlich steuerlich
veranlagen ließen, obwohl sie längst getrennt lebten. Kein Zusammenhang mit der Ehe
und daher als für die Beklagte eher "schicksalhaft" sieht der Senat auch die beiden
durchaus erheblichen Erkrankungen an, die die Beklagte im Laufe der Ehe erlitten hat,
nämlich die Erkrankung an Morbus Crohn im Jahre 1986 und die später diagnostizierte
Erkrankung an Morbus Bechterev. Soweit die Beklagte hierdurch an einer Ausübung
einer eigenen Erwerbstätigkeit gehindert war, sind dies nicht ehebedingte Nachteile,
sondern schicksalhaft erlittene Nachteile, die auch vor dem Hintergrund der langen
Ehedauer den Kläger nicht zu einer lebenslangen nachehelichen Solidarität nötigen.
Von entscheidender Bedeutung ist es zur Überzeugung des Senats aber, dass die
Beklagte aufgrund eines gemeinschaftlich getroffenen Entschlusses anlässlich der
Geburt des gemeinsamen Sohnes aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist und, da
die Eheleute noch bis Mitte der 80iger Jahre zusammenlebten, aufgrund ihrer
Arbeitsleistung infolge des ehelichen Zusammenlebens und der Betreuung des Sohnes
bis zur Trennung der Eheleute im Jahre 1986 auch an einer Wiederaufnahme der
Berufstätigkeit gehindert war. Wie sie dazu nachvollziehbar dargelegt hat, hat sie
danach in ihrem erlernten Beruf nach knapp 20iger Abwesenheit nicht wieder Fuß
fassen können und sich um eine Umschulung bemüht. Anschließend im Jahre 1989 – 3
Jahre nach der Trennung – und nach einer Umschulung hat sie beruflich, wenn auch
geringer qualifiziert, wieder Fuß fassen können. Ehebedingte Nachteile nach der
Vorstellung des Gesetzgebers und nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs,
die heute noch fortwirken, sind daher ohne weiteres feststellbar. Zumal die Beklagte
jetzt ebenfalls eine Rente bezieht, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass diese
Rente, die Ehe und das dadurch bedingte endgültige Ausscheiden aus dem erlernten
Beruf als Bankangestellte hinweggedacht, heute höher ausgefallen wäre. Diese
ehebedingten Nachteile wirken auch über den Zeitpunkt der Scheidung bis ans
Lebensende der Beklagten fort.
Darüber hinaus besteht indessen, insbesondere auch aufgrund der langen
Trennungszeit, aus Billigkeitsgründen keine Veranlassung, den Kläger an der
Verpflichtung zur Zahlung des eheangemessenen Unterhalts nach Maßgabe der
ehelichen Verhältnisse festzuhalten. Daraus ergibt sich, dass eine Befristung des
Unterhaltsanspruchs wegen der fortwirkend ehebedingten Nachteile ausscheidet,
andererseits aber, zumal die Unbilligkeit feststeht, der Zeitraum, während dessen die
Beklagte Aufstockungsunterhalt nach Maßgabe der ehelichen Lebensverhältnisse
beanspruchen kann, zu beschränken und der Unterhaltsanspruch danach auf den
angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen.
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Der Unterhaltsbedarf nach Maßgabe der ehelichen Lebensverhältnisse beträgt, wie im
vorstehenden dargelegt, aufgerundet 204,00 € monatlich. Der Senat hat die Frage zu
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beantworten, für welche Zeitdauer der Kläger aus Billigkeitsgründen noch an diesem
Unterhaltsanspruch festzuhalten ist. Dabei hat der Senat insbesondere berücksichtigt,
dass die Beklagte konkret eigentlich erst seit der Lockerung der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs ab April 2006 angesichts der objektiven Dauer der Ehe mit einem
solchen Einwand rechnen musste. Der Kläger hat auch noch nicht sogleich mit der
Klageerhebung, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre, eine Beschränkung bzw.
Befristung des Unterhaltsanspruchs aus Billigkeitsgründen geltend gemacht, sondern
erstmals mit der Berufungsbegründung vom 19.07.2007 und damit nahezu zeitgleich mit
dem Inkrafttreten des neuen Unterhaltsrechts. Davon ausgehend erscheint dem Senat,
auch aus Billigkeitsgründen, eine Übergangsfrist von zumindest 3 Jahren, beginnend
mit dem erstmaligen Beschränkungs- Befristungsbegehren des Klägers, erforderlich, um
der Beklagten Gelegenheit zu geben, ihre Lebensumstände diesen neuen rechtlichen
Gegebenheiten anzupassen. Demgemäß hält der Senat das Ende des Jahres 2010 für
den angemessenen Zeitpunkt, ab dem eine Herabsetzung des Aufstockungsunterhalts
nach Maßgabe der ehelichen Verhältnisse auf den angemessenen Bedarf eintreten soll.
Der Senat sieht den Kläger nicht mit dem Einwand der Beschränkung/Befristung als
präkludiert an, auch nicht vor dem Hintergrund, dass er theoretisch schon im Lichte der
Rechtsprechungsänderung des Jahres 2001 bei Vergleichsschluss im Jahre 2004 die
nunmehr geltend gemachte Befristung/Beschränkung hätte geltend machen können.
Denn dass bei einer Ehe von 36 Jahren Dauer eine solche Befristung oder
Beschränkung ernsthaft in Erwägung zu ziehen wäre, eröffnete sich den
Rechtsunterworfenen frühestens ab dem Jahre 2006 mit der Verkündung der
entsprechenden höchstrichterlichen Entscheidung und der Betonung der sog.
ehebedingten Nachteile.
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c)
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Bei der Bemessung des angemessenen Unterhaltsbedarfs gem. § 1578 b Abs. 1 BGB
hat der Senat, wie dargelegt, im wesentlichen auf die Auswirkungen der Ehe im Hinblick
auf die berufliche Karriere der Beklagten und konkret auf die Höhe ihrer heute
bezogenen Rente abgestellt. Insoweit ergibt sich aus dem Versicherungsverlauf für die
Beklagte, der sich in der beigezogenen Scheidungsakte befindet, dass sie bis zu ihrem
Ausscheiden aus dem erlernten Beruf Mitte des Jahres 1969 in jedem Jahr etwa 0,93
Entgeltpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben hat. Unterstellt, sie
wäre weiterhin dort beschäftigt gewesen, wäre nicht die Ehe mit dem Kläger
eingegangen und hätte kein Kind geboren, betreut und erzogen, kann deshalb
unterstellt werden, dass sie auch in den Jahren bis zur Trennung – nur bis dahin wurde
auch der Versorgungsausgleich durchgeführt – im Jahre 1986 weitere Entgeltpunkte in
der gesetzlichen Rentenversicherung erworben hätte, und zwar hochgerechnet etwa
16,4 Entgeltpunkte. Welchen Einfluss die Erkrankung der Beklagten darauf gehabt
hätte, wäre vom Kläger darzulegen gewesen und kann daher nicht berücksichtigt
werden. Stattdessen hat sie aber in der gesetzlichen Rentenversicherung nur
Pflichtbeiträge für Kindererziehung erworben sowie aufgrund von freiwillig entrichteten
Beiträgen bis zur Trennung knappe 3 Entgeltpunkte, also insgesamt rd. 13,4
Entgeltpunkte weniger, als ohne Ehe zu erwarten gewesen wäre. Diese Entgeltpunkte
entsprechen bei dem aktuellen allgemeinen Rentenwert einer monatlichen Rente in
Höhe von rd. 352,00 €. Allerdings würde sie, die Ehe hinweggedacht, heute nicht
352,00 € monatlich mehr an Rente beziehen, weil die aktuelle Rente durch die
Durchführung des (einverständlich nur bis zum Zeitpunkt der Trennung) durchgeführten
Versorgungsausgleichs in Höhe von rd. 290,00 € beeinflusst ist. Daraus ergibt sich eine
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monatliche Differenz von 62,00 € zwischen der fiktiven Rente unter Außerachtlassung
der Ehe und der tatsächlich bezogenen Rente. In Höhe dieser 62,00 € monatlich wirken
somit ehebedingte Nachteile bei den Rentenansprüchen der Beklagten auch heute
noch fort. Deshalb hat der Senat den monatlichen Unterhaltsanspruch als den
angemessenen Unterhalt gem. § 1578 b Abs. 1 BGB für die Zeit ab dem 01.01.2011 auf
monatlich 62,00 € festgesetzt.
3.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
48
Die Beschränkung des Unterhalts ab 2011 hat wirtschaftlich erhebliche Bedeutung und
rechtfertigt für die erste Instanz eine Aufhebung der Kosten.
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Für die Berufungsinstanz stellt dies allerdings keinen Erfolg im kostenrechtlichen Sinne
dar, weil er diesen Einwand erstmals im Berufungsverfahren erhoben hat, § 97 Abs. 2
ZPO.
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