Urteil des OLG Hamm vom 16.03.2005

OLG Hamm: chemotherapie, anhörung, behandlungsfehler, patient, einwilligung, hausarzt, gutachter, schmerzensgeld, verdacht, vollstreckung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Hamm, 3 U 225/04
16.03.2005
Oberlandesgericht Hamm
3. Zivilsenat
Urteil
3 U 225/04
Landgericht Bielefeld, 4 O 355/03
Die Berufung der Klägerin gegen das am 29. Juni 2004 verkündete Urteil
der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn
nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
I.
Bei der am 01.11.1955 geborenen Klägerin wurde am 10.10.2001 im Kreiskrankenhaus M
(Träger: Beklagter zu 1)) eine Ablatio mammae links mit Ausräumung der axillären
Lymphknoten durchgeführt, nachdem eine Probeexcision mit Schnellschnittuntersuchung
den Verdacht auf ein multifokales Mammakarzinom bestätigt hatte. Die Klägerin wurde am
20.10.2001 nach postoperativ komplikationslosem Behandlungsverlauf aus der stationären
Behandlung entlassen. Aufgrund des histologischen Befundes sollte bei ihr eine adjuvante
ambulante Chemotherapie mit 6 Zyklen nach dem EC-Schema durchgeführt werden. Die
erste ambulante Chemotherapie am 02.11.2001 erfolgt über eine periphere Vene. Um bei
den schwierigen Venenverhältnissen der Klägerin einen sicheren Zugang zu
gewährleisten, wurde der Klägerin am 16.11.2001 durch die chirurgische Abteilung des
Krankenhauses M oberhalb der rechten Brust ein Port implantiert. Der zweite Zyklus der
Chemotherapie am 22.11.2001 wurde erstmals über diesen Port verabreicht, wobei die
Beklagte zu 2) die zytostatischen Mittel bei der Klägerin infundierte, während die Beklagte
zu 3) am Ende der Chemotherapie jenes Tages unter Verwendung der entsprechenden
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Medikamente die Infusionsnadel bei der Klägerin entfernte.
Am Abend des 24.11.2001 wurde die Klägerin im Krankenhaus M stationär aufgrund der
von ihr angegebenen Schmerzen und Schwellung ihres rechten Armes aufgenommen.
Nach dem Ergebnis der Aufnahmeuntersuchung bestand der Verdacht eines Paravasates
mit Zytostatika, woraufhin die Klägerin bis zu ihrer Entlassung am 07.12.2001
entsprechend behandelt wurde.
Am 13.12.2001 wurde bei der Klägerin der geplante 3. Chemotherapiezyklus zeitgerecht
und komplikationslos über eine periphere Vene ambulant durchgeführt. Die weiterhin
vorgesehenen Therapiezyklen wurden dann nicht mehr durchgeführt. Aufgrund einer
hartnäckigen Entzündung im Portbereich wurde die Klägerin von dem Allgemeinmediziner
Dr. G im Januar 2002 erneut in das Kreiskrankenhaus M eingewiesen, wo der implantierte
Port bei der Klägerin wieder entfernt wurde.
Die Klägerin, die seit dem Jahre 2000 einen Schwerbehindertenausweis besitzt und
aufgrund des Rentenbescheides der LVA vom 07.02.2003 seit dem 01.09.2002 eine
Erwerbsunfähigkeitsrente bezieht, wirft dem Beklagten eine fehlerhafte Behandlung bei der
Chemotherapie vom 22.11.2001 sowie eine unzureichende Aufklärung über die Risiken
eines Paravasats vor.
Das Landgericht hat die auf Zahlung materiellen Schadensersatzes und angemessenen
Schmerzensgeldes sowie auf Feststellung gerichtete Klage nach Einholung eines
schriftlichen Sachverständigengutachtens und ergänzender mündlicher Anhörung des
Gutachters abgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, daß kein
Behandlungsfehler im Krankenhaus M in Bezug auf die Chemotherapie vom 22.11.2001
und die anschließende Behandlung ab dem 24.11.2001 festzustellen sei und sich die
Klägerin auch nicht auf eine mangelnde Aufklärung berufen könne, da sie den Perimed-
Aufklärungsbogen vom 15.11.2001 vor der Port-Implantation unterschrieben habe und
ferner kein Entscheidungskonflikt glaubhaft dargelegt sei. Auf die tatsächlichen
Feststellungen in dem angefochtenen Urteil – die zur Frage des Entscheidungskonflikts
allerdings ohne Anhörung der Klägerin getroffen worden sind - wird Bezug genommen (§
540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Mit der Berufung macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Die Chemotherapie vom
22.11.2001 sei fehlerhaft erfolgt. Aufgrund des Erbrechens der Klägerin zum Ende der
vormittäglichen Infusion sei eine Kontrolle der Lage der Nadel vor der nachmittäglichen
Infusion möglich und geboten gewesen, jedoch nicht erfolgt. Im Hinblick auf die am Schluß
der Chemotherapie vom 22.11.2001 aus der Einstichstelle herausgespritzte Flüssigkeit
seien die insofern unterlassene Maßnahmen der Beklagten nicht unerheblich, da nach den
Angaben im schriftlichen Gutachten bei sofortiger Behandlung durchaus
Therapiemöglichkeiten – Behandlung mit einem sogenannten Antidot – gegeben gewesen
wären.
Ferner sei die erforderliche Aufkärung der Klägerin über die mit der Durchführung der
Chemotherapie verbundenen Komplikationsmöglichkeiten und Risiken – insbesondere in
Bezug auf den Gebrauch des Ports – nicht gegeben. Der Aufklärungsbogen vom
15.11.2001 sei insoweit unzureichend. Zur Frage des Entscheidungskonflikts sei bislang
kein Vorbringen ihrerseits erforderlich gewesen und sei die Klägerin auch nicht angehört
worden. Sie könne nicht sagen, ob sie bei korrekter Aufklärung über das erhebliche Risiko
eines Paravasats sich der Chemotherapie unterzogen hätte. Zwar habe sie zunächst
durchaus Vertrauen zu den behandelnden Ärzten des Klinikums gehabt, jedoch habe auf
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der anderen Seite ihr behandelnder Hausarzt von der Durchführung einer Chemotherapie
abgeraten. Dieser generelle Gewissenskonflikt hätte sich sicherlich erheblich verstärkt, so
daß es durchaus im Bereich des Möglichen läge, daß sie nach einem ordnungsgemäßen
Aufklärungsgespräch letztlich auf eine Chemotherapie verzichtet hätte.
Die Klägerin beantragt abändernd,
1.
die Beklagten zu verurteilen, an sie als Gesamtschuldner ein angemessenes
Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 5 %
Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 22.11.2001 zu zahlen,
2.
die Beklagten zu verurteilen, an sie 15.033,91 Euro zu zahlen,
3.
festzustellen, daß die Beklagten dazu verpflichtet sind, ihr alle weiteren materiellen und
künftigen immateriellen Schäden zu ersetzen, die auf den ärztlichen Behandlungsfehler
vom 22.11.2001 zurückzuführen sind, soweit kein Anspruchsübergang auf
Sozialversicherungsträger bzw. sonstige Dritte erfolgt ist.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen mit näherem Vorbringen das angefochtene Urteil und berufen
sich – neben ihrem Vortrag zur ordnungsmäßen Aufklärung – nunmehr auch auf den
fehlenden Entscheidungskonflikt bei der Klägerin.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf
die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die beigezogenen Krankenunterlagen
Bezug genommen.
Der Senat hat die Klägerin sowie die Beklagten zu 2) und 3) angehört und ergänzend
Beweis erhoben durch mündliche Vernehmung des Sachverständigen Prof. Dr. y. Wegen
der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll und den Berichterstattervermerk zum
Senatstermin vom 14.02.2005 Bezug genommen.
II.
Die Berufung bleibt ohne Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten keine Ansprüche auf Schmerzensgeld, Ersatz
materieller Schäden sowie Feststellung der Ersatzpflicht aus unerlaubter Handlung oder -
soweit materielle Schäden in Frage stehen – Schlechterfüllung des Behandlungsvertrages.
In der medizinischen Beurteilung des Geschehens macht sich der Senat die Feststellung
des Sachverständigen Prof. Dr. y eigen, der sein Gutachten auch bei der Anhörung in
zweiter Instanz eingehend und sachlich überzeugend begründet hat.
1.
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Zu Recht hat das Landgericht einen Ersatzanspruch der Klägerin aus dem Gesichtspunkt
einer fehlerhaften Behandlung verneint, da eine solche bei der Chemotherapie vom
22.11.2001 und der anschließenden Nachbehandlung nicht festgestellt werden kann. Zur
Vermeidung von Wiederholungen wird insofern zunächst auf die zutreffenden
Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Im Hinblick auf die im Berufungsverfahren von der Klägerin noch geltend gemachten
Einwendungen hat der Sachverständige Prof. Dr. y bei seiner nochmaligen Anhörung
nachvollziehbar dargestellt, daß die bei der Klägerin angewandte Chemotherapie
medizinisch eindeutig aufgrund der ernsthaften Tumorerkrankung indiziert war. Hierbei hat
der Sachverständige nachdrücklich zum Ausdruck gebracht, daß ihn die von der Klägerin
wiedergegebene Äußerung ihres Hausarztes über die evtl. fehlende Notwendigkeit dieser
Therapie erschaudern lasse, da zu der unbedingt gebotenen Chemotherapie keine
sinnvolle Alternative bestanden habe. Der Gutachter, der über erhebliche klinische und
forensische Erfahrung verfügt, hat ferner erläutert, daß die Benutzung des implantierten
Ports grundsätzlich sachgerecht und richtig gewesen sei, da diese Form der Verabreichung
von Zytostatika generell und speziell auch im Hinblick auf die Venenverhältnisse bei der
Klägerin als sicherer gegenüber einem peripheren Venenzugang anzusehen sei.
Behandlungsfehler bei der Durchführung der Chemotherapie vom 22.11.2001 sind nach
Angaben des Sachverständigen nicht feststellbar. Das Erbrechen der Klägerin habe keine
weiteren Maßnahmen oder Kontrollen erforderlich gemacht, da keinerlei Anhaltspunkte für
zusätzliche Maßnahmen ersichtlich gewesen seien. Auch der geschilderte Vorgang am
Ende der Chemotherapie gebe keinen Grund zu Beanstandungen. Insbesondere sei
mangels klinischer Hinweise keine Antidot-Therapie geboten gewesen. Diese – ohnehin
umstrittene - Therapie hätte mangels Vorliegen der erforderlichen Faktoren nicht
angewandt werden dürfen, wie der Gutachter bereits beim Landgericht im Einzelnen
dargestellt hat.
Auch hinsichtlich der Frage des Hinweises auf die Erforderlichkeit, sich während der
Chemotherapie möglichst ruhig zu verhalten, kann auf die landgerichtlichen Ausführungen
verwiesen werden, zumal sich die Klägerin nach ihren Angaben ohnehin ziemlich ruhig
verhalten hat und auch nicht zur Toilette gegangen ist. Danach hätte sich der angeblich
fehlende Hinweis gar nicht ausgewirkt, da eine weitergehende Regelung ohnehin nicht
erforderlich ist. Darüber hinaus geht auch der Senat davon aus, daß die Klägerin von der
Beklagten zu 2) auch routinemäßig entsprechend instruiert worden ist.
2.
Im Ergebnis hat das Landgericht auch zu Recht eine Haftung der Beklagten aus dem
Gesichtspunkt einer Aufklärungspflichtverletzung verneint. Dabei hat die Kammer jedoch –
wie auch in anderen Fällen – unberechtigt auf die fehlende Darlegung eines
Entscheidungskonflikts abgestellt, ohne daß sich die Beklagten überhaupt auf eine
hypothetische Einwilligung berufen hatten und ohne die im Kammertermin anwesende
Klägerin nach dem Protokoll vom 25.05.2004 überhaupt zur Frage des
Entscheidungskonflikts anzuhören. Erst wenn die Behandlungsseite substantiiert
vorgetragen hat, daß ein Patient bei ordnungsgemäßer Aufklärung den Eingriff in gleicher
Weise hätte durchführen lassen, muß der Patient plausible Gründe dafür darlegen, daß er
sich in diesem Fall in einem echten Entscheidungskonflikt befunden hätte (BGH, NJW
1990, 2928; 1994, 799; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 9. Aufl., Rdn. 627; Müller, Macht
und Grenzen ärztlichen Handelns, GesR 2004, 257, 262; Gehrlein, Neuere
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Rechtsprechung zur Arzt- Berufshaftung, VersR 2004, 1488, 1497).
a)
Allerdings ist die Rüge der Klägerin berechtigt, sie sei nicht ordnungsgemäß über das sich
hier verwirklichte Risiko eines Paravasates bei Durchführung der Chemotherapie
aufgeklärt worden.
Nach den Angaben des Sachverständigen im schriftlichen Gutachten und bei seiner
Anhörung ist davon auszugehen, daß über das bei 1 bis 6 % aller Chemotherapiezyklen
auftretende Risiko von Paravasaten aufzuklären ist. Auch die Beklagten erheben gegen die
grundsätzliche Erforderlichkeit einer solchen Aufklärung keine Einwendungen.
Es kann vorliegend nicht festgestellt werden, daß die Klägerin im Rahmen eines
Aufklärungsgesprächs über dieses Paravasatrisiko aufgeklärt worden wäre. Von einer
Aufklärung durch die Beklagten zu 2) und 3) kann nach deren Anhörung nicht
ausgegangen werden. Die Beklagte zu 2) hat weder vor dem Senat noch vor dem
Landgericht angegeben, sie habe die Klägerin oder Patienten generell über das
Paravasatrisiko aufgeklärt. Ihre Angaben bezogen sich lediglich auf Hinweise zum
Verhalten der Patienten im Rahmen der Durchführung der einzelnen Chemotherapie. Aus
den Angaben der Beklagten zu 3) kann ebenfalls nicht auf eine Risikoaufklärung in Bezug
auf die Klägerin gefolgert werden. Sie hat insoweit angegeben, daß sich ihre Erklärungen
gegenüber den Patienten primär auf das Verhalten während der Chemotherapie bezieht
und nicht jeweils eine spezielle Aufklärung über die einzelnen Risiken einer
Chemotherapie darstellt. Aus dem Umstand, daß die Beklagte zu 3) nach ihren Angaben
gelegentlich gegenüber einzelnen Patienten gesagt habe, daß auch etwas austreten
könne, kann ebensowenig eine Aufklärung der Klägerin hergeleitet werden wie aus den
Angaben der Beklagten zu 3) beim Landgericht, daß bei der Erstapplikation eines Ports
dem Patienten auch erklärt werde, daß das Risiko des Eintritts eines Paravasats bei
Anlegung der Nadel oder in der Folgezeit entstehen könne.
Auf eine Aufklärung der Klägerin über ein Paravasatrisiko – insbesondere im
Zusammenhang mit der Nutzung des implantierten Ports – durch den erstinstanzlich
genannten Dr. S oder den in Verbindung mit dem Aufklärungsbogen zur Portimplantation
tätigen Arzt der chirurgischen Abteilung hat sich die Beklagtenseite trotz der
ausdrücklichen Anfragen in den gerichtlichen Verfügungen vom 08.12.2004 sowie
31.01.2005 im Berufungsrechtszug nicht berufen. Eine ausdrückliche Aufklärung der
Klägerin im Rahmen eines Gesprächs zwischen Arzt und Patientin ist danach nicht
feststellbar.
Die Beklagtenseite kann sich zur Erfüllung ihrer Aufklärungsverpflichtung ferner nicht auf
den Aufklärungsbogen vom 15.11.2001 berufen. Die regelmäßig verwendeten und auch
sinnvollen Merkblätter (Perimedbögen) können grundsätzlich nicht das nach ständiger
Rechtsprechung erforderliche vertrauensvolle Gespräch zwischen Arzt und Patienten
ersetzen (BGH, VersR 1985, 361; Wussow, Umfang und Grenzen der ärztlichen
Aufklärungspflicht, VersR 2002, 1337, 1343). Die Klägerin hat aber ausdrücklich bestritten,
daß im Zusammenhang mit der Port-Operation eine Risikoaufklärung zur Frage des
Paravasats erfolgt sei. Die Indizwirkung des Aufklärungsbogens reicht daher hier zum
Nachweis einer entsprechenden Aufklärung nicht aus.
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Die defizitäre Aufklärung führt aber letztlich nicht zu einer Haftung der Beklagten. Die
Klägerin hat nach Auffassung des Senats der nunmehr ausdrücklich geltend gemachten
hypothetischen Einwilligung, wonach sie die Chemotherapie mittels Port bei
ordnungsgemäßer Aufklärung in gleicher Weise hätte durchführen lassen, keine plausible
Darlegung eines echten Entscheidungskonflikts entgegen gesetzt.
Da nach den Angaben des Sachverständigen die Ablehnung einer Chemotherapie unter
Benutzung des sichereren und bei der Klägerin vorzugswürdigen Portsystems medizinisch
eindeutig unvernünftig gewesen wäre, hätte die Klägerin plausible Gründe dafür darlegen
müssen, daß sie sich bei erfolgter Aufklärung in einem wirklichen Entscheidungskonflikt
befunden hätte (Steffen/Dressler, a.a.O., Rdn. 442). Allerdings darf hierbei nicht durch
überzogene und zu sehr an einem vernünftigen Patienten orientierten Anforderungen der
Sinn der Aufklärung verfehlt werden, die individuelle Entscheidungsfreiheit sicherzustellen
(Müller, a.a.O., Seite 262).
Nach Anhörung der Klägerin und unter Berücksichtigung ihres schriftsätzlichen
Vorbringens vermochte der Senat aber letztlich keinen echten Entscheidungskonflikt der
Klägerin in Bezug auf die Chemotherapie vom 22.11.2001 festzustellen, wenn sie vorher
über das verhältnismäßig geringe Risiko eines Paravasats von 1 bis 6 % vor dem
Hintergrund der kurz zuvor erfolgten Krebsoperation und der medizinischen Gebotenheit
einer Chemotherapie aufgeklärt worden wäre.
Die Klägerin hatte nach ihrem eigenen Vorbringen ein recht weitgehendes Vertrauen zu
den Ärzten im Krankenhaus. Sie hat sich auf deren Anraten auch ohne weiteres zum
Schutz ihrer Venen einen Port implantieren lassen und insbesondere sogar nach dem
Vorfall vom 22.11.2001 nach einer Rücksprache mit Dr. S noch den 3. Therapiezyklus vom
13.12.2001 durchführen lassen. Gerade der letztgenannte Umstand spricht in Verbindung
mit ihrem grundsätzlichen Vertrauen zu den Ärzten im Krankenhaus nachhaltig dagegen,
daß eine Aufklärung über das noch reduzierte Paravasatrisiko bei der Portbenutzung zu
einem echten Entscheidungskonflikt bei der Klägerin geführt hätte, da sie vor dem 3.
Therapiezyklus auch mit ihrem gegenüber der Chemotherapie grundsätzlich krititsch
eingestellten Hausarzt gesprochen hatte, ohne daß sie dadurch von einer Fortsetzung der
Therapie abgesehen hätte.
Der spätere Abbruch der weiteren Therapiezyklen steht dem nicht entgegen, da dies auf
den Folgen des abgelaufenen Paravasatgeschehens und den damit verbundenen
Beschwerden der Klägerin beruhte. Diese Auswirkungen und Folgen der Verwirklichung
des Risikos können jedoch nicht entscheidend für die Beurteilung sein, ob ein Patient aus
der Sicht ex ante in einen echten Entscheidungskonflikt geraten wäre.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht
vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts
oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des
Revisionsgerichts nicht.
Das Urteil beschwert die Klägerin mit mehr als 20.000,-- Euro (Art. 26 Nr. 8 EGZPO).