Urteil des OLG Hamm vom 25.11.2004

OLG Hamm: verbraucher, anzeige, werbung, wettbewerbshandlung, aufnehmen, schranke, auflage, wettbewerbsrecht, kauf, händler

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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2
Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Hamm, 4 U 137/04
25.11.2004
Oberlandesgericht Hamm
4. Zivilsenat
Urteil
4 U 137/04
Landgericht Essen, 41 O 78/04
Auf die Berufung des Klägers wird das am 14. Juli 2004 verkündete
Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen
abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden
Fall
der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von
250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis
zur
Dauer von 6 Monaten zu unterlassen, in der an den Endverbraucher
gerichteten Werbung, wie nachstehend wiedergegeben, ein
Kraftfahrzeug unter Preisangabe anzukündigen mit dem Hinweis:
"zuzügl. Überführung" :
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 176,56 EUR nebst 5 %
Zinsen über den jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28. April 2004 zu
zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits,
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
Die Berufung ist begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte
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Unterlassungsanspruch ebenso zu wie der der Höhe nach unstreitige
Aufwendungsersatzanspruch betreffend die Zahlung von 176,56 EUR nebst Zinsen.
1) Der Unterlassungsantrag ist nach der erfolgten Einbeziehung der Anzeige in der WAZ
vom 13. März 2004 hinreichend bestimmt.
2) Ein Unterlassungsanspruch des Klägers ergibt sich hier aus §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 2, 3, 4 Nr.
11 UWG.
a) Der Kläger ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt. Er hat in diesem wie auch in
früheren Verfahren, die Wettbewerbsverstöße im Bereich des Kraftfahrzeughandels
betrafen, dargelegt, dass ihm eine erhebliche Anzahl von Unternehmen angehört, die
Waren gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt wie die Beklagte vertreiben.
b) Die Beklagte ist nach § 8 Abs. 1 UWG zur Unterlassung verpflichtet, weil sie § 3 UWG
zuwider gehandelt hat, indem sie eine unlautere Wettbewerbshandlung vorgenommen hat,
die auch geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Verbraucher nicht nur unerheblich
zu beeinträchtigen.
aa) Die in der Schaltung der Werbeanzeige zu sehende Wettbewerbshandlung der
Beklagten ist nach § 4 Nr. 11 UWG unlauter, weil die Beklagte damit einer gesetzlichen
Vorschrift zuwider gehandelt hat, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der
Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
bb) Die Vorschriften der Preisangabenverordnung (PAngV) sind in diesem Sinne
wettbewerbsbezogen, weil sie jedenfalls auch dazu bestimmt sind, das Marktverhalten im
Interesse der Verbraucher zu regeln. Nach dem Zweck dieser Verordnung soll nämlich dem
Verbraucher Klarheit über die Preise und deren Gestaltung verschafft und zugleich
verhindert werden, dass er seine Preisvorstellungen anhand nicht vergleichbarer Preise
unterschiedlicher Anbieter gewinnen muss (BGH WRP 2004, 490, 491 -FrühlingsgeFlüge;
BGH GRUR 2001, 1166, 1168 -Fernflugpreise).
cc) In der beanstandeten Werbung mit dem Angebot eines Opel Astra liegt ein Verstoß
gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 PAngV. Nach dieser Vorschrift müssen bei gewerbsmäßigen
Angeboten an Letztverbraucher Endpreise angegeben werden, die der allgemeinen
Verkehrsauffassung und den Grundsätzen von Preisklarheit und Preiswahrheit im Sinne
von § 1 Abs. 6 Satz 1 PAngV entsprechen. Dazu bedarf es der gleichzeitigen Angabe
sämtlicher Preisbestandteile der im Rahmen eines einheitlichen Leistungsangebotes
beworbenen Waren und Dienstleistungen. Dazu gehören bei Angeboten des Verkaufs von
Neuwagen auch die -wie hier- zwangsläufig anfallenden Überführungskosten zum
Geschäftshaus des Verkäufers, wo der Verkehr in solchen Fällen die Übergabe des
Fahrzeuges erwartet (BGH GRUR 1983, 443, 445 -KfZ-Endpreis;
Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Auflage, § 1 PAngV Rdn.2). In dem
herausgestellten Endpreis von 14.900 EUR sind hier die Überführungskosten nicht
enthalten. Ein sie enthaltener tatsächlicher Endpreis ist nicht angegeben. Hinzu kommt,
dass zwar ersichtlich ist, dass noch Überführungskosten hinzukommen, aber deren Höhe
nicht angegeben ist.
dd) Dieser Verstoß ist entgegen der Ansicht des Landgerichts auch geeignet,
Verbraucherinteressen nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Bei diesem
Tatbestandsmerkmal des § 3 UWG handelt es sich um eine Schranke, die gewährleisten
soll, dass nur solche Handlungen Gegenstand eines Verbots sein können, die wesentliche
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Belange der Verbraucher berühren. Der Senat hat gerade im Hinblick auf Verstöße gegen
die Preisangabenverordnung schon entschieden, dass Verbraucherbelange dann nicht
wesentlich beeinträchtigt werden, wenn es nur um einen formalen Verstoß geht, der die
Preisklarheit betrifft, weil der Endpreis zwar als solcher nicht angegeben worden ist, die
einzelnen Preisbestandteile aber in der Werbung sämtlich aufgeführt und vom Verbraucher
ohne große Mühe zusammen zu rechnen sind, so dass er nach dem Studium der Anzeige
eine richtige und zu Vergleichszwecken geeignete Preisvorstellung bekommen kann.
Anderes gilt aber unzweifelhaft, wenn eine Preiswerbung gegen die Preiswahrheit verstößt.
Davon ist insbesondere dann auszugehen, wenn unrichtige Preise angegeben werden. So
klar liegt der Fall hier indes nicht. Dem Verbraucher wird zwar der Endpreis nicht
angegeben, aber bei ihm wird auch nicht der Eindruck erweckt, es verbliebe bei dem
deutlich herausgestellten niedrigeren Preis. Bei dem situationsgemäß zu erwartenden
genauen Studium der Anzeige bleibt dem interessierten Verbraucher nicht verborgen, dass
zu dem Preis noch Überführungskosten hinzukommen. Von besonderer Bedeutung ist
aber, dass der Verbraucher nicht in der Lage ist, sich den für die Vergleiche mit den
Angeboten anderer Autohäuser wichtigen Endpreis aus der Anzeige selbst zu errechnen,
weil die Höhe der Überführungskosten weder genannt noch allgemein bekannt ist. Er kann
allenfalls darüber spekulieren, in welcher Größenordnung sich solche weiteren Kosten
bewegen könnten, wobei er aber jedenfalls weiß, dass es sich um keinen unbeträchtlichen
Kostenfaktor handelt. Der Verbraucher müsste somit mit der Beklagten erst Kontakt
aufnehmen, um den genauen Endpreis zu erfahren. Gerade weil der Verbraucher hier nicht
- auch nicht unter Erschwernissen- den genauen Endpreis erkennen kann, ist ein Fall
gegeben, der wie ein Verstoß gegen den Grundsatz der Preiswahrheit eine nicht
unwesentliche Beeinträchtigung der Verbraucher mit sich bringt.
(1) Entscheidend spricht dafür schon der Zweck der Preisangabenverordnung. Sie will
verhindern, dass die Preise für die Verbraucher nicht vergleichbar sind und deshalb seine
Preisvorstellungen erschweren können. Hier kann er zwar in etwa absehen, aber gerade
nicht auf den Euro genau erkennen, was er für den Kauf des zum Händler überführten
Fahrzeuges zahlen muss. Ihm fehlt der Preisbestandteil für die Überführung, der von
verschiedenen Faktoren abhängig und auch zum Zwecke der Verkaufsförderung
unterschiedlich privilegiert sein kann. Der Verbraucher kann deshalb auch glauben, die
zusätzlichen Kosten würden angesichts des im Übrigen günstigen Preises nicht so sehr ins
Gewicht fallen. Gerade dieser Gesichtspunkt kann sich im Rahmen des hart umkämpften
Marktes unter den Fahrzeugherstellern und Händlern letztlich doch entscheidend
auswirken. Wenn dem genannten Preis von 14.900 EUR die Überführungskosten von
immerhin 520 EUR gleich hinzu gerechnet worden wären, könnte das tatsächlich Einfluss
auf die Preisvorstellung des umworbenen Durchschnittsverbrauchers genommen haben.
Denn sein Augenmerk ist zunächst auf einen Preis gelenkt worden, der wie meist auch
unter psychologischen Gesichtspunkten kalkuliert worden ist und eine bestimmte
"magische" Grenze wie hier 15.000 EUR nicht überschreitet. Einen so "günstigen" Preis
kann die Beklagte aber nur deshalb in den Vordergrund stellen, weil sie die
Überführungskosten ausgespart und zudem offen gelassen hat.
(2) Für eine Wesentlichkeit des Verstoßes spricht hier auch noch der vom
Bundesgerichtshof gerade in diesem Zusammenhang häufig herangezogene
Gesichtspunkt der Nachahmungsgefahr. Gerade die Tatsache, dass Angebote wie dieses
der Beklagten auf den ersten Blick des Verbrauchers günstiger erscheinen, kann ein Anreiz
dafür darstellen, die Fahrzeugpreise häufiger auf diese Weise anzugeben. Gesetzestreue
Mitbewerber, die dann jedenfalls vor der abschließenden Kontrollrechnung teurer
erscheinen, sehen sich dann im Nachteil und sind zumindest geneigt, zur
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Chancengleichheit auch auf ihren Preis ohne Überführungskosten hinzuweisen. Dies dient
gerade nicht der Preisklarheit und Preiswahrheit, sondern trägt viel eher dazu bei,
Preisvergleiche immer mehr zu erschweren.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs.1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziffer 10, 711, 713
ZPO.