Urteil des OLG Hamm vom 23.07.2007

OLG Hamm: wirtschaftliches interesse, kaufpreis, gebühr, grundbuchamt, belastung, nennwert, bankbürgschaft, insolvenz, eigentumsübertragung, abschreibung

Oberlandesgericht Hamm, 15 W 169/06
Datum:
23.07.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 W 169/06
Vorinstanz:
Landgericht Hagen, 3 T 784/05
Tenor:
Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Grundbuchamtes
vom 12.12.2005 werden aufgehoben.
Gründe
1
I.
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Die Beteiligten zu 1) haben am 19.08.1997 durch notariellen Grundstückskauf- und
Bauvertrag von der O GmbH als Bauträger eine Teilfläche aus einem von dieser noch
zu erwerbenden Gesamtgrundstück nebst einem noch zu errichtenden Reihenhaus
sowie einen 1/16 Miteigentumsanteil an einer weiteren als Zuwegung vorgesehenen
Teilfläche erworben. Der Kaufpreis betrug 317.500 DM (162.335,17 €). Die Verkäuferin
verpflichtete sich zur Übertragung lastenfreien Eigentums und zur Übernahme der
Kosten einer notwendigen Lastenfreistellung. In § 4 Ziff. 2 Abs. 1 des Vertrages haben
sich die Beteiligten zu 1) zu Ratenzahlungen auf den Kaufpreis nach Baufortschritt nach
näherer Maßgabe der Einzelregelung verpflichtet. Nach § 4 Ziff. 2 Abs. 2 ist der
Bauträger berechtigt, Kaufpreiszahlungen bereits vor Eintritt der genannten
Fälligkeitsvoraussetzungen zu verlangen, wenn und soweit er dem Käufer eine
Bankbürgschaft auf Rückgewähr oder Auszahlung seiner Vermögenswerte im Sinne
des § 7 MaBV stellt. Das Gesamtgrundstück wurde im Rahmen des Erwerbs durch die
Bauträgerin mit zwei Globalgrundschulden mit Kapitalbeträgen von 7 bzw. 8,3 Mio. DM
belastet. Die verkauften Teilflächen wurden in der Folgezeit abvermessen und auf neu
angelegte Grundbuchblätter abgeschrieben. Die Globalgrundschulden wurden hierbei
unter Eintragung der Mithaft in die neuen Grundbuchblätter übertragen.
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Über das Vermögen der Bauträgerin wurde im Jahre 2003 das Insolvenzverfahren
eröffnet. Unter dem 15.06.2005 beantragte der Urkundsnotar "gemäß § 15 GBO" u.a. die
Umschreibung des Eigentums auf die Beteiligten zu 1) und 2) sowie die "pfandfreie
Abschreibung" der o.a. Grundpfandrechte. Mit dem Antrag legte er u.a. eine Erklärung
der Grundpfandrechtsgläubigerin vor, in welcher diese die Entlassung der einzeln
bezeichneten Grundstücke aus der Mithaft sowie die Löschung der Grundschulden nach
"Abschreibung des letzten Grundbuchblattes" bewilligte. Weiter legte er einen bereits
1998 beglaubigten "Pfandentlassungsantrag/Löschungsantrag" des Bauträgers sowie
eine Genehmigungserklärung der Insolvenzverwalterin hinsichtlich der
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Eigentumsumschreibung vor.
Durch Zwischenverfügung wies das Grundbuchamt darauf hin, dass die Mithaft aller
weiteren Grundstücke bereits erloschen sei, so dass im hier betroffenen Grundbuch nur
noch eine Löschung der Grundpfandrechte in Betracht komme. Hierzu sei die
Zustimmung der Insolvenzverwalterin erforderlich. Darüber hinaus werde die Löschung
gemäß § 8 Abs.2 KostO im Hinblick auf die Insolvenz der primär kostenpflichtigen
Bauträgerin von der vorschussweisen Zahlung der Kosten abhängig gemacht. Diese
berechnete das Grundbuchamt mit einem Gebührengesamtbetrag von 5.929,50 €, der
jeweils der volle Nennbetrag der zu löschenden Grundschulden zugrunde liegt. Der
Urkundsnotar nahm daraufhin den Antrag hinsichtlich der Haftungsfreistellung des
Grundstücks zurück.
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Nachdem die Beteiligten zu 1) als Eigentümer im oben genannten Grundbuch
eingetragen worden waren, beantragten sie nunmehr die Löschung der beiden
genannten Grundschulden, die am 14.11.2005 im Grundbuch eingetragen wurde. Mit
Kostenansatz vom selben Tage hat der Kostenbeamte des Grundbuchamts für die
Löschung erneut Kosten in Höhe von insgesamt 5.929,50 € erhoben. Mit Schriftsatz
ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 02.12.2005 haben die Beteiligten zu 1) gegen die
Kostenrechnung Erinnerung eingelegt, mit der sie beantragt haben, die Gebühr für die
Löschung der genannten Grundschulden lediglich aus einem Geschäftswert von
162.335,17 Euro entsprechend dem Kaufpreis des Grundstücks zu berechnen. Das
Grundbuchamt hat die Erinnerung nach § 14 Abs. 2 KostO behandelt und durch
Beschluss des Rechtspflegers vom 12.12.2005 zurückgewiesen.
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Gegen diesen Beschluss haben die Beteiligten zu 1) mit Schriftsatz ihrer
Verfahrensbevollmächtigten vom 21.12.2005 Beschwerde erhoben, die das Landgericht
nach entsprechender Übertragung durch den Einzelrichter in der durch das GVG
vorgesehenen Besetzung durch Beschluss vom 17.02.2006 unter Zulassung der
weiteren Beschwerde zurückgewiesen hat.
7
II.
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Die weitere Beschwerde ist infolge der Zulassung durch das Landgericht zulässig (§ 14
Abs. 5 S. 1 KostO).
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In der Sache ist die weitere Beschwerde begründet, weil die Entscheidung des
Landgerichts auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§ 14 Abs. 3 Satz 3 KostO). Das
Rechtsmittel führt zur Aufhebung der Entscheidungen beider Vorinstanzen.
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Die Entscheidung des Landgerichts beruht auf einem Verfahrensmangel. Dieser liegt
darin, dass die Kammer (wie auch bereits das Grundbuchamt) über den Kostenansatz
vom 14.11.2005 sachlich nicht hätte entscheiden dürfen, weil das Verfahren auf
förmliche Festsetzung des Geschäftswertes gemäß § 31 Abs. 1 KostO bereits in Gang
gesetzt und noch nicht abgeschlossen war. Dies hat der erkennende Senat in seiner
Entscheidung vom 04. 05.1992 näher ausgeführt (JurBüro 1992, 547; ebenso Beschluss
vom 10.02.1998 – 15 W 352/97 -, insoweit in Rpfleger 1998, 376 nicht abgedruckt),
hierauf wird Bezug genommen.
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Im vorliegenden Fall war zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts das
Verfahren auf förmliche Festsetzung des Geschäftswertes nach § 31 Abs. 1 KostO
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anhängig. Dieses Verfahren wird nach Satz 1 der Vorschrift entweder von Amts wegen
oder auf Antrag des Zahlungspflichtigen oder der Staatskasse eingeleitet. Die Einleitung
des Geschäftswertfestsetzungsverfahrens ist hier schon dadurch erfolgt, dass die
Beteiligten zu 1) mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 02.12.2005
Erinnerung mit dem Ziel eingelegt haben, die Gebühr für die Löschung der genannten
Grundschulden lediglich aus einem Geschäftswert von 162.335,17 Euro entsprechend
dem Kaufpreis des Grundstücks zu berechnen. Schon eine in solcher Weise begründete
Erinnerung ist als Antrag auf gerichtliche Festsetzung des Geschäftswertes nach § 31
Abs. 1 KostO zu behandeln und zu bescheiden (Senat a. a. O.).
Das Landgericht hätte deshalb auf die Erstbeschwerde der Beteiligten zu 1) den
Beschluss des Rechtspflegers des Grundbuchamtes vom 12.12.2005 aufheben müssen.
Dies hat der Senat unter gleichzeitiger Aufhebung der Entscheidung des Landgerichts
nunmehr nachgeholt. Das Amtsgericht – Grundbuchrechtspfleger – wird nunmehr
gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 KostO den Geschäftswert für die Eintragung der Löschung
der Grundschuld förmlich festzusetzen haben. Der Senat seinerseits ist dazu nicht
befugt, weil der Geschäftswert bisher vom Amtsgericht noch nicht förmlich im Sinne des
§ 31 Abs. 1 Satz 1 KostO festgesetzt, sondern stets nur als ein Element in den
Begründungen der ergangenen Entscheidungen erörtert und angenommen worden ist.
Dies gilt auch für die landgerichtliche Entscheidung. Das Landgericht war nach § 31
Abs. 1 Satz 2 KostO im übrigen ebenfalls nicht befugt, den Geschäftswert für die untere
Instanz erstmalig festzusetzen (vgl. BayObLG bei Stangemaier , RPfleger 1975, 46;
Rohs/Wedewer, KostO, § 31 Rdnr. 16; Korintenberg/LappeBengel/Reimann, KostO, 16.
Aufl., § 31 Rdnr. 21).
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Im Hinblick auf die lange Verfahrensdauer sieht der Senat Anlass, zu den
kostenrechtlichen Fragen – ohne Bindungswirkung – wie folgt Stellung zu nehmen:
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1)
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Das Landgericht hat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats den Ansatz
einer Löschungsgebühr gemäß § 68 S. 1, 1. Alt. KostO in Höhe der Hälfte der vollen
Gebühr (§ 62 Abs.1 KostO) nach dem Nennwert der Grundschulden gemäß § 23 Abs.2,
1.HS KostO für berechtigt gehalten, da diese nicht außer Verhältnis zu dem Interesse
der Beteiligten zu 1) an der Löschung der Grundpfandrechte stehe.
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Zutreffend ist dabei der rechtliche Ansatz des Landgerichts, dass die Gebühr für die
Löschung einer Globalgrundschuld auf dem letzten haftenden Grundstück oder
Wohnungseigentumsrecht auch dann nach den genannten Vorschriften zu berechnen
ist, wenn die Globalgrundschuld durch Realteilung oder Teilung nach dem WEG des
ursprünglich belasteten Grundstücks entstanden ist, und Kostenschuldner der Erwerber
des letzten (nach Mithaftentlassung der anderen Anteile) haftenden Grundstücks/
Wohnungseigentumsrechts ist. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats
(Rpfleger 1995, 272; 1998, 376), die mit der des OLG Frankfurt (NJW-RR 2004, 90) und
wohl auch des OLG Düsseldorf (Rpfleger 1999, 414) in Einklang steht. Der
gegenteiligen Auffassung des BayObLG (BayObLGZ 1992, 247; 1993, 285; FGPrax
2000, 164), des OLG Köln (Rpfleger 1997, 406) und des OLG Dresden (NotBZ
2006,324) vermag sich der Senat auch nach erneuter Überprüfung seines Standpunktes
nicht anzuschließen.
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Auszugehen ist vom Wortlaut des Gesetzes, nach welchem der Ansatz der
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Löschungsgebühr (nach dem Nennwert des Grundpfandrechts) zweifellos geboten ist.
Dies sehen auch die Vertreter der Gegenansicht nicht anders, da auch nach dieser der
Besteller des Grundpfandrechts in jedem Fall für diese Gebühr haftet, auch wenn es um
die Enthaftung des letzten verselbstständigten Anteils geht (BayObLGZ 1993, 285; OLG
Dresden Rpfleger 2003, 273).
Wie der Senat in seinem Beschluss vom 13.09.1994 (Rpfleger 1995, 273) näher
begründet hat, stellen die Regelungen der KostO über die Erhebung der Gebühren für
die Eintragung und Löschung eines Grundpfandrechts auch und gerade unter
Berücksichtigung der Regelungen hinsichtlich der Eintragung der Mithaft oder der
Mithaftentlassung ein in sich geschlossenes und sachgerechtes Bewertungssystem für
die Berechnung der zu erhebenden Gebühren dar. Für eine analoge Anwendung der
Regelung hinsichtlich der Mithaftentlassung ist daher schon mangels einer
Regelungslücke kein Raum. Eine (generelle) Durchbrechung oder Modifizierung der
gesetzlichen Regelung käme vielmehr nur dann in Betracht, wenn die gesetzliche
Regelung gegen Verfassungsrecht verstoßen würde. Dies ist indes nicht der Fall.
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Zunächst verstößt die gesetzliche Regelung nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3
Abs. 1 GG. Das Gesetz selbst knüpft bei der Gebührenbemessung nicht an die Person
des jeweiligen Kostenschuldners, sondern an den jeweiligen Grundbuchvorgang an.
Mithaftentlassung und Löschung sind jedoch unterschiedliche Vorgänge, die
dementsprechend auch unterschiedlich bewertet werden können.
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Die Frage kann daher nur sein, ob der Gesetzgeber im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG
angesichts der möglichen Kostenhaftung des "letzten" Erwerbers gehalten ist, die
Gebührenbemessung nicht ausschließlich von dem jeweiligen Grundbuchvorgang
abhängig, sondern auch das individuelle Interesse des Gebührenschuldners zum
Anknüpfungspunkt der Gebührenerhebung zu machen. Diese Frage ist zu verneinen.
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich
Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 115, 381 ff.). Der allgemeine
Gleichheitssatz ist aber nicht schon dann verletzt, wenn der Gesetzgeber
Unterscheidungen, die er vornehmen darf, nicht vornimmt. Es bleibt grundsätzlich ihm
überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge
knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will (BVerfG a.a.O.). Dies gilt auch
für die Bemessung von Gebühren zur Abdeckung von Gerichtskosten. Allerdings muss
er die Auswahl der gleich beziehungsweise ungleich zu behandelnden Sachverhalte
sachgerecht treffen (BVerfG a.a.O. m.w.N.). Es verstößt dabei erst gegen Art. 3 Abs. 1
GG, wenn für die gleiche Behandlung verschiedener Sachverhalte – bezogen auf den in
Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart – ein vernünftiger, einleuchtender
Grund fehlt (vgl. BVerfG a.a.O.). Bei der Ausübung des ihm insoweit zustehenden
Beurteilungsspielraums kann der Gesetzgeber von den Sachverhalten ausgehen, die
erfahrungsgemäß den zu regelnden Bereich prägen (v.Münch/Gubelt, GG, 5.Aufl., Art. 3
Rdn. 26). Atypische Ausnahmefälle sind danach nicht geeignet, einen Verstoß des
Gesetzes gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu begründen.
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Soweit demgegenüber die Auffassung vertreten wird, in der hier fraglichen
Fallkonstellation folge eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung daraus, dass der
Erwerber des letzten Anteils (Teilgrundstück oder Wohnungs- bzw. Teileigentum)
aufgrund einer reinen Zufälligkeit bei gleichem wirtschaftlichem Interesse schlechter
behandelt werde, als die anderen Erwerber ("den Letzten beißen die Hunde"), werden
nach Auffassung des Senats die wirtschaftlichen Zusammenhänge nicht hinreichend
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berücksichtigt. Auch für den vorliegenden Problemkreis kann der Gesetzgeber davon
auszugehen, dass ein dem Grundstückswert im Wesentlichen entsprechender Kaufpreis
vernünftigerweise nur für die Verschaffung lastenfreien Eigentums vereinbart wird, die
Löschungskosten in diesem Fall also von dem Veräußerer des Gesamtgrundstücks zu
zahlen sind, zu dessen wirtschaftlichem Gesamtinteresse sie auch in einem
angemessenen Verhältnis stehen. Die Übernahme der Löschungskosten durch den
einzelnen Erwerber ist regelmäßig nur bei einem entsprechenden Kaufpreisnachlass zu
erwarten. Wird solches vereinbart, so widerspricht es bei einer Gesamtwürdigung der
wirtschaftlichen Interessen des Erwerbers sicher nicht dem Gleichheitsgebot, auch ihn
mit der Löschungsgebühr nach dem Nennwert zu belasten.
Diese Überlegung zeigt im Übrigen, dass die Prämisse der Gegenauffassung, die
Erwerber stellten in dem vorliegenden Zusammenhang eine einheitliche
Vergleichsgruppe für die im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG vorzunehmende Bewertung
dar, so nicht zutrifft. Ob nämlich ein gleich zu gewichtendes wirtschaftliches Interesse an
der Enthaftung des Grundstücks vorliegt, lässt sich nicht ohne Berücksichtigung des
Inhalts des jeweiligen Erwerbsvertrages und der insoweit erfolgten Absicherung des
Erwerbers beurteilen. Es kann auch keine Rede davon sein, dass die Haftung den
Erwerber des letzten haftenden Anteils stets rein zufällig treffen würde. Vielmehr kann
die Reihenfolge der Enthaftungen seitens des Veräußerers, ggf. im Zusammenwirken
mit den Erwerbern, durchaus gesteuert werden. Aus Sicht des Senats ist allein die hierin
liegende Manipulationsmöglichkeit zu Lasten der Staatskasse (vgl. hierzu Pfeifer ZNotP
2000, 255, 257; Hintzen Rpfleger 1994, 85) ebenfalls ein sachlicher Grund, von einer
Differenzierung nach der Person des Kostenschuldners abzusehen.
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Zu einer zufälligen Belastung des Erwerbers des letzten Anteils, die sich bei
wirtschaftlicher Betrachtung nicht aus dem Inhalt seines Erwerbsvertrages rechtfertigt,
also nicht mehr mit den wirtschaftlichen Interessen des Erwerbers korrespondiert, kann
es allenfalls kommen, wenn der Veräußerer zwar die Verpflichtung zur Verschaffung
lastenfreien Eigentums vertraglich übernommen hat, zur Übernahme der
Löschungskosten jedoch nicht mehr in der Lage ist, und der Erwerber über keine
Sicherung verfügt, die diesen Ausfall ausgleichen könnte. In diesem Fall kann es
allerdings zur Konkurrenz der Erwerber hinsichtlich der Enthaftung ihrer Grundstücke
kommen. Dabei handelt es sich jedoch im Kern um das typische Risiko des Gläubigers
eines schuldrechtlichen Anspruchs (hier auf lastenfreie Eigentumsverschaffung), dessen
Realisierungsaussicht durch das gleichrangige Erfüllungsverlangen anderer Gläubiger
begrenzt sein kann. Es begründet deshalb keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG,
wenn die gesetzliche Regelung dem letzten Erwerber diese Risiko nicht durch eine
Kostenvergünstigung abnimmt.
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Nicht zu folgen vermag der Senat dem Landgericht allerdings insoweit, als die Kammer
die Verhältnismäßigkeit des Gebührenansatzes auch bezogen auf den konkreten
Einzelfall bejaht hat. Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 10.02.1998
(Rpfleger 1998, 376, 377) darauf hingewiesen, dass sich im Einzelfall aus dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz
des freien Zugangs zu den Gerichten eine Beschränkung der Gebührenerhebung
ergeben kann, wenn die Gebühr eine Höhe erreicht, die in Relation zu dem
wirtschaftlichem Interesse des Betroffenen einen wirtschaftlich vernünftig denkenden
Gebührenschuldner an der Wahrnehmung seiner Rechte hindern könnte. Der Senat
hatte in seiner bisherigen Rechtsprechung noch keinen Anlass die Grenze zu
präzisieren, deren Überschreitung zu einer unverhältnismäßigen Kostenbelastung des
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letzten Erwerbers in dem beschriebenen Sinn führt. Er konnte sich auch in seiner
genannten Entscheidung auf die Beurteilung beschränken, dass die dort errechnete
Kostenbelastung noch nicht unverhältnismäßig ist. Als Orientierungsrahmen für die
Bewertung hält der Senat nunmehr eine Kombination eines rechnerischen
Verhältnisses zwischen dem Verkehrwert des belasteten Immobilienobjekts und dem für
die Gebührenberechnung zugrunde zu legenden Geschäftswert (nachstehend zu a.)
und der Berücksichtigung konkreter Umstände in der Person des Erwerbers
(nachstehend zu b.) für geeignet.
a.
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In seinem bereits herangezogenen Beschluss vom 10.02.1998 hat der Senat die
Notwendigkeit einer Verhältnismäßigkeitskontrolle aus der zu § 48 Abs. 3 WEG
ergangenen Rechtsprechung des BVerfG (NJW 1992, 1673 f.) abgeleitet. Der
Gesetzgeber hat dieser Entscheidung Rechnung getragen, indem er im WEG-Verfahren
zwar weiterhin an dem Ausgangspunkt der Geschäftsbemessung nach dem Interesse
sämtlicher Beteiligten festgehalten (S. 1), jedoch eine niedrigere
Geschäftswertfestsetzung vorgeschrieben hat (S. 2), wenn der nach S. 1 berechnete
Wert zu dem Interesse eines Beteiligten nicht in einem angemessenen Verhältnis steht.
Zu § 48 Abs. 3 S. 2 WEG hat der Senat (FGPrax 2000, 185) die Auffassung vertreten,
dass als Orientierungsmaßstab die Grenze der Verhältnismäßigkeit in der Regel
überschritten wird, wenn die Gebühren nach einem Wert berechnet werden, der das
Fünffache des individuellen Interesses eines Beteiligten übersteigt. Diese Sichtweise ist
zwar auch auf Kritik gestoßen (vgl. etwa OLG Hamburg ZMR 2004,295), der Senat sieht
seine Auffassung jedoch durch die am 01.07.2007 in Kraft getretene Vorschrift des §
49a GKG sowie die Gesetzesmaterialien hierzu (vgl. BT-Drs. 16/887 S. 53 f., 76)
bestätigt. Der Gesetzgeber ist dort davon ausgegangen, dass die Begrenzung des
Gebührenwertes auf das Fünffache des Eigeninteresses ein brauchbares Instrument
darstellt, um den Justizgewährungsanspruch zu gewährleisten. Soweit § 49a GKG eine
Begrenzung des Wertes auf den Verkehrswert des jeweiligen Sondereigentums
vorsieht, ist dies den Besonderheiten des Wohnungseigentumsrechts geschuldet, zu
denen gehört, dass das Gesamtinteresse der Gemeinschaft insbesondere bei größeren
Anlagen den Wert des einzelnen Sondereigentums um ein Vielfaches übersteigen kann.
In dem vorliegenden Zusammenhang ist das individuelle Interesse hingegen von
vorneherein mit dem Grundstückswert identisch, da die Belastung des Grundstücks
demselben die wirtschaftliche Verkehrsfähigkeit nimmt. Es spricht deshalb viel dafür,
diese gesetzgeberische Entscheidung für einen vergleichbaren
Bewertungszusammenhang entsprechend heranzuziehen. Auch in diesem
Zusammenhang bleibt es dabei, dass die Wertbegrenzung nach dieser Maßgabe für
jedes der zu löschenden Grundpfandrechte gesondert zu berechnen ist.
27
a.
28
Eine einzelfallbezogene Feststellung der Unverhältnismäßigkeit der
Gebührenbelastung kann nicht erfolgen, ohne die persönlichen Verhältnisse des
Erwerbers in die konkrete Abwägung einzubeziehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass
die lastenfreie Eigentumsübertragung Teil des schuldrechtlichen Erfüllungsanspruchs
des Erwerbers ist, um dessen Realisierung er im Rahmen der ihm obliegenden
Eigenverantwortung vorrangig selbst bemüht sein muss. Die Begrenzung der
Wertberechnung darf nicht dazu dienen, die Erfüllung schuldrechtlicher Ansprüche des
Erwerbers gegen den Bauträger bzw. etwaige Dritte, die Sicherheiten gestellt haben, zu
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subventionieren. Als unverhältnismäßig kann die Gebührenbelastung des Erwerbers
deshalb nur bewertet werden, wenn er keine realistische Aussicht auf Befriedigung
seines schuldrechtlichen Anspruchs auf lastenfreie Eigentumsübertragung mehr hat.
Diese Voraussetzungen, die in seinen persönlichen Verhältnissen begründet sind, muss
der Erwerber selbst konkret glaubhaft machen.
Dafür reicht allein der nach dem Akteninhalt feststehende Umstand nicht aus, dass über
das Vermögen des Bauträgers im Jahre 2003 das Insolvenzverfahren eröffnet worden
ist. Zwar hat die Insolvenzverwalterin in ihrer Erklärung zur Genehmigung der
Eigentumsumschreibung vom 21.03.2005 die Erfüllung weitergehender Ansprüche aus
dem Erwerbsvertrag ausdrücklich abgelehnt. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen
werden, dass den Beteiligten zu 1) noch Sicherheiten zur Verfügung stehen, die sie zur
Abdeckung der entstehenden Grundbuchkosten noch verwerten können. Über die
konkrete Abwicklung des Bauträgervertrages vom 19.08.1997 ist bislang nichts bekannt.
Unklar ist insbesondere, ob die Beteiligten zu 1) an den Bauträger Ratenzahlungen
gemäß Baufortschritt nach § 4 Ziff. 2 Abs. 1 des Vertrages oder Vorauszahlungen nach
§ 4 Ziff. 2 Abs. 2 des Vertrages mit der Maßgabe geleistet haben, dass ihnen eine
Bankbürgschaft im Sinne des § 7 MaBV gestellt worden ist. Im Fall der zuerst genannten
Alternative erscheint es jedenfalls derzeit nicht ausgeschlossen, dass die Beteiligten zu
1) von den von ihnen zu erbringenden Ratenzahlungen im Hinblick auf die Insolvenz
des Bauträgers Beträge haben zurückbehalten können, die betragsmäßig auch die
(vollen) Kosten für die Löschung der Globalgrundschuld decken können. In einem
solchen Fall müssten sie den zurückbehaltenen Betrag für diesen Zweck einsetzen, da
der Kaufpreis Gegenleistung auch für die Kosten für die Löschung der
Globalgrundschulden ist, mag er auch kalkulatorisch in dem von dem einzelnen
Erwerber aufzubringenden Kaufpreis nur mit einem Anteil enthalten sein. Sollten die
Beteiligten zu 1) in der zweiten Abwicklungsvariante eine Bürgschaft im Sinne des § 7
MaBV erhalten haben, muss die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass sie aus
einer solchen Sicherung Befriedigung auch zur Deckung der Kosten für die Löschung
der Globalgrundschulden erlangen können. Eine solche Bürgschaft dient zur Sicherung
aller Ansprüche des Auftraggebers gegen den Bauträger "auf Rückgewähr oder
Auszahlung der Vermögenswerte, die der Gewerbetreibende erhalten hat." Eine solche
Bürgschaft sichert damit alle Ansprüche, "die sich aus einer Störung des Gleichgewichts
zwischen den geschuldeten oder geleisteten Zahlungen und dem Wert der
geschuldeten oder erbrachten Leistungen des Bauträgers ergeben. Da der Erwerber für
den vorausgezahlten Kaufpreis neben der Grundstücksübereignung eine vollständige,
mängelfreie Leistung des Bauträgers beanspruchen kann, ist er nur dann ausreichend
geschützt, wenn die ihm bei Leistungsstörungen gegebenen Ansprüche wegen
Nichterfüllung, verspäteter oder mangelhafter Erfüllung, die im Ergebnis dazu führen,
dass der Erwerber die Rückzahlung des geleisteten Vorschusses (teilweise) verlangen
kann, abgesichert werden" (BGH NJW 2002, 2563 = DNotZ 2002, 871, 873). Der
Sicherungszweck einer solchen Bürgschaft umfasst danach auch die
Rechtsmängelhaftung des Bauträgers (§ 633 Abs. 3 BGB), die sich aus der Verletzung
der Verpflichtung zur Verschaffung des lastenfreien Grundstückseigentums ergibt. Da
der daraus abgeleitete vertragliche Schadensersatzanspruch der Beteiligten zu 1) und
damit zugleich ein darauf beruhender Zahlungsanspruch aus einer diesen sichernden
Bürgschaft frühestens mit der Belastung durch den Kostenansatz vom 14.11.2005
entstanden ist, kann derzeit auch nicht von einer Verjährung des Anspruchs aus einer
solchen Bürgschaft ausgegangen werden. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint in dem
nunmehr durchzuführenden Verfahren auf Festsetzung des Geschäftswertes noch eine
weitere Sachverhaltsaufklärung erforderlich.
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Eine Wertfestsetzung für das Verfahren der weiteren Beschwerde ist gem. § 14 Abs. 9
KostO nicht veranlasst.
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