Urteil des OLG Hamm vom 25.10.2007

OLG Hamm: leichte fahrlässigkeit, verwalter, ausnahme, sorgfalt, unentgeltlich, rodung, anpflanzung, geschäftsführer, sparkasse, billigkeit

Oberlandesgericht Hamm, 15 W 180/07
Datum:
25.10.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
15. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 W 180/07
Vorinstanz:
Landgericht Bielefeld, 23 T 543/06
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde wird mit der klarstellenden Maßgabe
zurückgewiesen, dass der Beteiligte zu 2) verpflichtet ist, einen Betrag in
Höhe von 1.533,88 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basissatz seit dem 09.11.2005 an die
Wohnungseigentümergemeinschaft S-Straße 32, C, zu Händen der
Verwalterin, der I Immobilienservice GmbH, diese vertreten durch den
Geschäftsführer F, I-Straße, C, zu zahlen.
Die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde
werden dem Beteiligten zu 2) auferlegt. Eine Erstattung
außergerichtlicher Auslagen findet nicht statt.
Der Geschäftswert wird auf 1.533 € festgesetzt.
G r ü n d e :
1
I.
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Die zu 1) beteiligte Wohnungseigentümergemeinschaft nimmt den zu 2) beteiligten
Antragsgegner auf Erstattung zu Unrecht aus der Gemeinschaftskasse entnommener
Beträge in Anspruch. Dem liegt folgendes zugrunde:
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Der Beteiligte zu 2) ist Eigentümer der im Erdgeschoss gelegenen Wohnung Nr. 1. In
der Vergangenheit nahm er, ohne zum Verwalter bestellt worden zu sein, Aufgaben der
Verwaltung wahr. Hierbei verfügte er seit 1999 auch über zwei Konten, die die
Gemeinschaft bei der Sparkasse unterhält.
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Nachdem der Miteigentümer I im Juli 2001 die auf der Grundstücksgrenze stehenden
Tannen beschnitten hatte, veranlasste der Beteiligte zu 2) die Rodung der Tannen und
die Anpflanzung des gerodeten Grundstücks mit Kirschlorbeersträuchern durch den G-
und Landschaftspflegebetrieb Q. Die hierfür anfallenden Kosten in Höhe von 1.533,88 €
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(= 3.000 DM) bezahlte der Beteiligte zu 2) aus Mitteln der Gemeinschaftskasse.
Sämtliche neu eingepflanzten Kirschlorbeersträucher gingen nach nur kurzer Zeit ein
und wurden im Jahr 2002 durch Koniferen ersetzt.
Die Beteiligten zu 1) bis 6) sind der Auffassung, der Beteiligte zu 7) sei zur Erstattung
der im Jahr 2001 eigenmächtig aus der Gemeinschaftskasse entnommenen 1.533,88 €
verpflichtet.
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Soweit sie in der ersten und zweiten Instanz weiter beantragt hatten, den Beteiligten zu
2) zur Zahlung von 25 % der für die Neupflanzung im Jahr 2002 angefallenen Kosten
von 1.186,56 € zu verpflichten, weil er nach der Teilungserklärung gehalten sei,
sämtliche Unterhaltungs- und Pflegekosten des ihm zugewiesenen
Sondernutzungsrechts an einer Teilfläche des Gartens, die etwa ¼ der Gesamtfläche
des Gartens ausmache, zu tragen, ist dies nicht mehr Gegenstand des Verfahrens der
weiteren Beschwerde.
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Der Beteiligte zu 7) stellt in Abrede, eigenmächtig im Jahr 2001 die
Kirschlorbeersträucher eingepflanzt zu haben. Er behauptet, er habe am 27.07.2001 auf
dem Balkon der Eheleute N und M mit diesen und dem Wohnungseigentümer I
"übereinstimmend" die Rodung der Tannen und die Neubepflanzung "beschlossen".
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Die Vorinstanzen haben als Antragsteller die Wohnungseigentümer mit Ausnahme des
Antragsgegners angesehen. Das Amtsgericht hat deren Antrag mit Beschluss vom
17.08.2006 zurückgewiesen, das Landgericht hat auf die rechtzeitig eingelegte sofortige
Beschwerde der antragstellenden Wohnungseigentümer die Entscheidung des
Amtsgerichts abgeändert und den Antragsgegner verpflichtet, einen Betrag in Höhe von
1.533,88 € an die Wohnungseigentümergemeinschaft, zu Händen des Verwalters F, zu
zahlen.
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des
Antragsgegners.
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II.
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Die nach den §§ 62 Abs. 1 WEG n.F., 43, 45 WEG a.F., 27, 29 FGG statthafte und auch
sonst zulässige Beschwerde ist unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts
nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht.
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Allerdings hat die Beschwerdekammer nicht widerspruchsfrei im Rubrum als
Antragsteller die einzelnen Wohnungseigentümer mit Ausnahme des Antragsgegners
bezeichnet, während sie zutreffend im Tenor die Eigentümergemeinschaft als
Empfangsberechtigte des Geldes angesehen hat, zu dessen Zahlung sie den
Antragsgegner verpflichtet hat. Denn aufgrund der im Jahr 2005 geänderten
Rechtsprechung des BGH zur Teilrechtsfähigkeit der
Wohnungseigentümergemeinschaft (BGHZ 163, 154 = NJW 2005, 2061), die auch in
dem zum 01.07.2007 in Kraft getretenen Wohnungseigentumsgesetz in § 10 Abs. 6
(BGBl. 2007 I, 370) übernommen worden ist, ist die rechts- und parteifähige
Wohnungseigentümergemeinschaft als Inhaberin des geltend gemachten Anspruchs
anzusehen, weil dieser zum Verwaltungsvermögen der Gemeinschaft gehört (§ 10 Abs.
7 WEG n.F.). Sie ist daher für die Geltendmachung und Durchsetzung dieses Anspruchs
von vornherein allein zuständig. Der Senat hat daher das Rubrum klarstellend berichtigt
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und statt der übrigen Mitglieder der Eigentümergemeinschaft die
Eigentümergemeinschaft selbst als teilrechtsfähigen Verband als Antragstellerin
aufgeführt, die von den einzelnen Wohnungseigentümern mit Ausnahme des
Antragsgegners vertreten wird. Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass die
Gemeinschaft nunmehr, nachdem sie zwischenzeitlich die Beteiligte zu 3) zur
Verwalterin bestellt hat, diese nach § 27 WEG Abs. 2 Nr. 7 n.F. zur Weiterführung des
Verfahrens beauftragt hat. Da das Landgericht im Tenor nicht die Verwalterin selbst,
sondern nur deren Geschäftsführer aufgeführt hat, hat der Senat klarstellend auch den
Tenor insoweit berichtigt.
In der Sache hält die Entscheidung des Landgerichts rechtlicher Überprüfung stand.
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Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler eine Pflicht des Beteiligten zu 2) bejaht, den von
ihm aus der Gemeinschaftskasse entnommenen Betrag in Höhe von 1.533 € der
Gemeinschaft zu erstatten.
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Dabei ist es zutreffend davon ausgegangen, dass zwischen der
Wohnungseigentümergemeinschaft und dem Antragsgegner ein Auftragsverhältnis
i.S.d. § 662 BGB bestand, aus dem für den Beteiligten zu 2) die Pflicht entstand, mit der
im Verkehr erforderlichen Sorgfalt das Interesse der Gemeinschaft wahrzunehmen (vgl.
Palandt/Sprau, 66. Aufl., § 662 Rn. 9). Dieses Auftragsverhältnis hatte zumindest den
Inhalt, eingenommene Gelder zu verwalten und für die Gemeinschaft die Geschäfte, die
im Zusammenhang mit den bei der Sparkasse Bielefeld geführten gemeinschaftlichen
Konten anfallen, unentgeltlich zu besorgen. Im Hinblick darauf, dass bereits durch diese
Aufgabenstellung des Beteiligten zu 2) erhebliche Vermögenswerte auf dem Spiel
standen, unterscheidet sich die vorliegende Beauftragung von einem bloßen
Gefälligkeitsverhältnis, dem im Unterschied zu einem Auftrag der Rechtsbindungswille
fehlt (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O., Einf. vor § 662 Rn. 4).
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Auch wenn der weitere Pflichtenkreis des Beteiligten zu 2) nicht genau umschrieben
war, so ergibt sich doch aus der Natur seines Auftrags, dass ihm beim Umgang mit den
ihm anvertrauten Konten jedenfalls nicht weitreichendere Zuständigkeiten eingeräumt
werden sollten als sie einem bestellten Verwalter zustehen. Gegenteiliges wird selbst
vom Antragsgegner nicht geltend gemacht. Ein nach § 26 WEG bestellter Verwalter aber
darf über die Konten der Gemeinschaft nur verfügen, soweit ihm dieses gesetzlich oder
vertraglich erlaubt ist. Ausgaben aus gemeinschaftlichen Mitteln für bauliche
Veränderungen des Gemeinschaftseigentums (§ 22 Abs. 1 WEG) darf ein Verwalter nur
tätigen, wenn er hierzu ausdrücklich von der Gemeinschaft ermächtigt worden ist,
insbesondere durch einen Mehrheitsbeschluss (vgl. § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG). Handelt er
dieser Pflicht zuwider, so macht er sich schadensersatzpflichtig.
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Selbst wenn der Beteiligte zu 2) daher mit allen Befugnissen eines von den
Wohnungseigentümern bestellten Verwalters ausgestattet gewesen sein sollte, so durfte
er nur dann mit Wirkung für und gegen die Wohnungseigentümer handeln, wenn er
einen Handlungsauftrag aller Wohnungseigentümer hatte. Vorliegend gab es aber
weder einen ihn ermächtigenden Beschluss der Wohnungseigentümer noch einen
sonstigen mündlichen oder gar schriftlichen Auftrag von allen Miteigentümern, wie das
Landgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat.
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Den Einwand des Beteiligten zu 2), er habe die "Beschlüsse" vom 21.07.2002 den
übrigen Wohnungseigentümern übersandt und darauf keinen Widerspruch erhalten, hat
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das Landgericht zutreffend als unerheblich angesehen. Diese sogenannten
"Beschlüsse" sind nicht in einer nach § 24 WEG einberufenen
Wohnungseigentümerversammlung gefasst worden. Sie sind daher Scheinbeschlüsse
(Senat WE 1993, 24) und entfalten schon daher keinerlei Rechtswirkungen,
insbesondere auch nicht die Pflicht, den "Beschlüssen" bei Übersendung eines
Protokolls zu widersprechen.
Soweit der Beteiligte zu 2) in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht
eingewandt hat, er habe "vorab" mit allen Eigentümern telefoniert und deren
Zustimmung eingeholt, hat das Landgericht das Vorbringen unbeanstandet von der
Rechtsbeschwerde als unsubstantiiert angesehen.
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Den Einwand des Beteiligten zu 2), aus der Beschlussfassung der Gemeinschaft vom
13.07.2002 zu TOP 5 ("Die Kosten für weitere Sträucher, mit denen die
Grundstücksgrenze bepflanzt werden muss, trägt die Umlagenkasse") ergebe sich eine
nachträgliche Genehmigung, hat das Landgericht zutreffend dahin beschieden, dass
sich der Wortlaut nicht zu dem entnommenen Betrag verhalte. Aus dem Umstand, dass
die Wohnungseigentümer am 13.07.2002 nicht einen ausdrücklichen Beschluss über
die Tragung der Kosten für die erste Anpflanzung gefasst hat, kann daher entgegen der
Rechtsbeschwerde weder geschlossen werden, dass die Gemeinschaft der
Wohnungseigentümer im Jahr 2001 bereits einen entsprechenden Beschluss gefasst
hat, noch dass die Gemeinschaft das Vorgehen des Beteiligten zu 2) genehmigt hat.
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Der Beteiligte zu 2) hat daher seine Pflichten aus dem Auftragsverhältnis verletzt, indem
er eigenmächtig das Forstunternehmen Q eingeschaltet und deren in Rechnung
gestellten Leistungen mit den ihm anvertrauten Mitteln der Gemeinschaft beglichen hat.
Der Gemeinschaft ist daher durch das Handeln des Beteiligten zu 2) ein Schaden in
Höhe von 1.533 € entstanden. Der Einwand der Rechtsbeschwerde, es sei kein
Schaden entstanden, ist unzutreffend, weil die von dem Unternehmen Q gelieferten und
eingepflanzten Heckenpflanzen sämtlich eingegangen sind. Deshalb kommt eine den
entstandenen Schaden mindernde Vorteilsausgleichung bereits im Ansatz nicht in
Betracht.
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Das Gesetz enthält hinsichtlich des Auftragsrechts keine Haftungsmilderung wie bei der
Schenkung (§ 551 BGB), Leihe (§ 559 BGB) und unentgeltlichen Verwahrung (§ 690
BGB), obwohl auch der Auftrag unentgeltlich zu besorgen ist. Es gibt auch keinen
allgemeinen Grundsatz des Inhalts, dass bei unentgeltlichen Vertragsverhältnissen der
Schuldner nur die in eigenen Angelegenheiten übliche Sorgfalt anzuwenden braucht.
Der Beauftragte haftet daher nach der ständigen Rechtsprechung des BGH auch für
leichte Fahrlässigkeit (BGHZ 21, 102; 30, 40 = NJW 1959, 1221; WM 1963, 1229 = BB
1964, 100). Die Rechtsauffassung der Rechtsbeschwerde, eine Haftung komme nur bei
gravierenden Rechtsverletzungen in Betracht, ist daher unbegründet. Für die Annahme
einer stillschweigend vereinbarten Haftungsbeschränkung bietet der Sachverhalt keinen
Anhaltspunkt.
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Das Landgericht hat den Beteiligten zu 2) daher zutreffend zur Zahlung von 1.533 € an
die Gemeinschaft verpflichtet. Die Ausführungen des Landgerichts hinsichtlich des
geltend gemachten Zinsanspruchs sind zutreffend und werden mit der
Rechtsbeschwerde auch nicht angegriffen.
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Da das Rechtsmittel unbegründet ist, entspricht es der Billigkeit, dem Beteiligten zu 2)
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die Gerichtskosten des Verfahrens der sofortigen weiteren aufzuerlegen, § 47 S. 1 WEG.
Demgegenüber bestand keine Veranlassung, ihm ausnahmsweise auch die
außergerichtlichen Auslagen der Beteiligten zu 1) aufzuerlegen, zumal die Vorinstanzen
in der Sache unterschiedlich entschieden haben, § 47 S. 2 WEG.
Die Wertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.
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