Urteil des OLG Hamm vom 01.04.1981

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Oberlandesgericht Hamm, 19 U 199/80
Datum:
01.04.1981
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
19. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 U 199/80
Vorinstanz:
Landgericht Paderborn, 3 O 327/79
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 3. Juli 1980 verkündete Urteil
der 3. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
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Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist nicht gerechtfertigt.
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Die Beklagte muß den Kaufpreis für die Fassadenelemente an den Kläger
zurückzahlen.
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Der Rückzahlungsanspruch richtet sich gegen die Beklagte und nicht gegen die Fa. xxx.
Die Zahlung des Klägers erfolgte auf Grund der Rechnung der Beklagten vom
5.11.1979. An sich konnte der Kläger eine Rechnung der Fa. xxx GmbH erwarten, da er
dieser den Auftrag zur Lieferung gegeben hatte. Die Rechnung zeigte dem Kläger
deshalb an, daß die Belieferung und Abrechnung also die gesamte Vertragsabwicklung
von der Beklagten übernommen werde. Die Beklagte nahm ja auch die Auslieferung
vor. In den Augen des Klägers gab dieses Verhalten der Fa. durchaus einen Sinn, weil
nämlich abweichend von sonstigen Aufträgen an die xxx GmbH hier eben keine
Montage sondern eine Materiallieferung vereinbart war. Die xxx GmbH bezieht dabei
ihre Materialien offensichtlich von der Beklagten. Trotzdem war der Kläger in der
Folgezeit unsicher, wer sein Vertragspartner war, weshalb er das Rügeschreiben vom
12.11.1979 an die Beklagte und die Kunststoffmontagefirma richtete.
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Darauf meldete sich allein die Beklagte und vereinbarte die Ersatzlieferung. Nunmehr
war aber endgültig gegenüber dem Kläger klargestellt, daß sich die Beklagte als
Vertragspartner fühlte. Offenbar bestand zwischen ihr und ihrer Schwesterfirma der xxx
GmbH Einigkeit darüber, daß der Vertrag von der Beklagten abzuwickeln war. Mit
diesem Vertragspartnerwechsel war auch der Kläger einverstanden, weil er sich in der
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Folgzeit auf Verhandlungen mit der Beklagten einließ und damit zu erkennen gab, daß
die Beklagte ebenfalls als Vertragspartner ansah. Auf diese Weise liegen auch die
Voraussetzungen eines Vertragsüberganges vor. Zumindest muß sich die Beklagte
gemäß § 242 BGB im Verhältnis zu dem Kläger als Vertragspartner behandeln lassen.
Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des Kaufpreises ergibt sich aus den §§
465, 467 in Verbindung mit § 346 BGB. Der Kläger hat die Wandlung des Kaufvertrages
erklärt. Die Beklagte hat nicht bewiesen, daß von ihr mangelfrei geliefert wurde.
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Dabei ist davon auszugehen, daß grundsätzlich die Beweislast für Mangelfreiheit beim
Verkäufer liegt, solange er nicht die Sache übergeben hat. Erst dann greift § 363 BGB
ein, wonach dann die Beweislast auf den Käufer übergeht (Palandt/Putzo BGB, § 459
Anm. 6; Staudinger-Honsel BGB, 12. Aufl. § 459 Rdn. 95). Diese Beweislastverteilung
gilt ohne Rücksicht darauf, wann gezahlt wurde und wer deshalb der Kläger ist. Es wird
zwar in den Kommentierungen (s.o.) immer wiederkehrend formuliert, daß die erwähnte
Beweislastverteilung gilt, wenn der Verkäufer auf Zahlung des Kaufpreises klagt. Diese
Formulierung hat aber nur "die normale Sachlage" im Auge, daß bei streitigen Mängeln
üblicherweise der Käufer noch nicht gezahlt hat. Aus der Tatsache nämlich, daß
vorausgezahlt wurde, läßt sich eine Beweislastveränderung nicht sinnvoll begründen.
Diese Tatsache ist oft nichts anderes als die Folge rein zufälliger Handhabung.
Demgegenüber beruht der allgemeine Grundsatz, daß die Erfüllung, also auch die
richtige Erfüllung, von demjenigen zu beweisen ist, der sie behauptet, auf der
einsichtigen Erwägung, daß wohl der Erfüllende sich die Bestätigung über die
ordnungsgemäße Erfüllung auf einfache Weise verschaffen kann, nicht aber der, der die
Leistung erhalten soll. Von dieser Regel macht nur § 363 BGB die wohl begründete
Ausnahme der Beweislastumkehr bei Annahme als Erfüllung, weil einerseits die
Annahme selbst einen Erklärungswert der Billigung hat und andererseits jetzt der
Empfänger die Sachherrschaft hat und erleichtert selbst Beweis führen kann.
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Diese skizzierten sinnvollen Regelungen hinsichtlich der Beweislast dürfen sinnvoller
Weise nicht durch "Zufälligkeiten" wie etwa eine Vorausbezahlung oder dergleichen
verändert werden.
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Die Beweislastregel, daß der Verkäufer vor Abnahme der Ware die Mängelfreiheit der
Sache beweisen muß, wird im vorliegenden Fall nicht dadurch verschoben, daß
unstreitig der Kläger die erste Lieferung als Erfüllung annahm. Richtig ist allein, daß,
wäre nur diese Lieferung erfolgt, der Kläger die Mangelhaftigkeit der Fassadenelemente
beweisen müßte. Dieser Effekt des Übergangs der Beweislast ist aber im vorliegenden
Fall wieder aufgehoben werden, indem im November 1979, auf das Schreiben des
Klägers vom 12.11.1979 hin, unstreitig die Parteien fernmündlich eine Ersatzlieferung
vereinbarten. Die Beklagte ließ sich damit auf eine Ersatzlieferung im Sinne des § 480
Abs. 1 S. 1 BGB ein. Es ist dabei nicht von einer reinen Kulanzhandlung der Beklagten
auszugehen, weil sie ohne Prüfung sich auf die Nachlieferung einließ, sondern auf eine
echte Vereinbarung der Rechtsfolgen des § 480 BGB, weil auch der Kläger sich
dadurch des wichtigen Rechtes der Wandlung, die nach seiner Ansicht begründet war,
zunächst begab.
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Danach gilt für den Ersatzlieferungsanspruch ebenfalls die oben angesprochene
Beweislastregel, weil dieser Anspruch nichts anderes ist als der ursprüngliche
Erfüllungsanspruch (Palandt-Putzo § 480 Anm. 2 f BGB 40. Aufl.).
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Die Beklagte hat nicht bewiesen, daß die Ersatzlieferung mangelfrei war. Dabei ist
durchaus von Bedeutung, daß unstreitig die zweite Lieferung weiterverkauft wurde also
nicht mehr zum Beweis zur Verfügung steht. Es entsteht dadurch eine Lücke in den
Beweisführungsmöglichkeiten der Parteien, die durch die Beklagte verursacht ist.
Deshalb müssen an den von der Beklagten zu führenden Beweis der Mangelfreiheit
strenge Anforderungen gestellt werden.
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(Dabei ist es ohne Belang, ob der Beklagten die Platten als Beweismittel zunächst noch
eine ganze Zeit zur Verfügung standen, wie sie in zweiter Instanz behauptet. Da es sich
um das Beweismittel der Beklagten handelte, lag es in ihrem eigenen Interesse die
Ware insoweit aufzubewahren. Der Kläger hatte keine Veranlassung irgendetwas
hinsichtlich der Sicherstellung des Beweismittels zu unternehmen).
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Diesen Anforderungen genügen die Aussagen der Zeugen xxx und xxx nicht. Der
Zeuge xxx ist zwar für die Verpackung der Elemente als Werkmeister zuständig. Es ist
aber kaum anzunehmen, daß er konkret die Sortierung und Verpackung der Platten der
zweiten Lieferung wahrnahm. Demgemäß bekundete er auch nur, daß er die "Pakete"
sich besonders angesehen habe und meine, daß die Platten in Ordnung gewesen
seien. Das läßt aber Irrtümer und Ausnahmen zu.
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Nicht anders ist die Aussage des Zeugen xxx zu beurteilen. Dieser Zeuge hat konkret
nur das eine Paket gesehen, das am Abend des 19.12.1979 vom Kläger mit in die
Küche genommen worden war. Hier bemerkte er, daß eine Platte "nicht ganz astrein"
gewesen war. Die anderen Platten aber seien in Ordnung gewesen. Abgesehen davon,
daß gerade diese Aussage eher auf gewisse Mängel schon bei einer Stichprobe
hinweist, betrifft sie nur ein Paket von insgesamt 40 gelieferten und läßt sich deshalb
ohnehin nicht verallgemeinern. Den Aussagen steht aber außerdem noch die Aussage
der Zeugin xxx entgegen, die Schäden schon durch die Verpackung sah, in der Weise,
daß Platten an den Ecken beschädigt waren. In keinem Fall jedenfalls lassen die
Aussagen die Feststellung zu, daß die zweite Lieferung einwandfrei gewesen war.
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Es ist auch nicht von größerer Bedeutung, daß die Platten der zweiten Lieferung später
ohne Beanstandung verkauft und ausgeliefert wurden. Es ist durchaus denkbar, daß die
zweite Lieferung zwar mangelhaft aber eher zur Grenze der Mängelfreiheit hin lag und
deshalb nicht gerügt wurde, weil die Lieferung nur ein Teil einer viel größeren
Gesamtlieferung war. Im übrigen bestehen aber durchaus auch Bedenken gegen die
Aussage des Zeugen xxx, daß ohne Beanstandung verkauft wurde, weil der Zeuge
auch über den Zeitpunkt des Verkaufs irrte. Die Beklagte trägt nämlich selbst vor, daß
der Weiterverkauf nicht, wie der Zeuge xxx aussagte, sofort geschah, sondern erst
geraume Zeit später. Wenn sich der Zeuge aber schon über den Verkaufszeitpunkt irrte,
dann spricht auch viel dafür, daß er überhaupt nichts Näheres von diesem Verkauf weiß.
Dies liegt deshalb auch nahe, weil der Käufer von der Beklagten nicht als Zeuge für die
Mangelfreiheit der Platten eingeführt und benannt wurde.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Anordnung der vorläufigen
Vollstreckbarkeit folgt aus § 408 Ziff. 10 ZPO.
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