Urteil des OLG Hamm vom 03.05.2005

OLG Hamm: beweiswürdigung, identifizierung, stimme, anschluss, ermittlungsverfahren, vergleich, fahrzeug, beweiswert, geldstrafe, datum

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Hamm, 3 Ss 84/05
03.05.2005
Oberlandesgericht Hamm
3. Strafsenat
Beschluss
3 Ss 84/05
Landgericht Bielefeld, 7 Ns B 25/03
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über
die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des
Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.
G r ü n d e :
I.
Das Landgericht Bielefeld hat mit dem angefochtenen Berufungsurteil die Berufung der
Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 08.07.2004, durch das die
Angeklagte wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 25
Tagessätzen in Höhe von je 43,- € verurteilt worden ist, verworfen.
Gegen das in ihrer Anwesenheit verkündete Urteil hat die Angeklagte mit am 02.12.2004
bei dem Landgericht Bielefeld eingegangenem Schriftsatz ihrer Verteidiger Revision
eingelegt und das Rechtsmittel nach Urteilszustellung an den Verteidiger am 28.12.2004
mit am 28.01.2005 bei dem Landgericht eingegangenem weiteren Schriftsatz des
Verteidigers begründet. Die Revision beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils
sowie die Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an
eine andere Kammer des Landgerichts Bielefeld und begründet dies mit der Verletzung
formellen und materiellen Rechts. Die Revision beanstandet insbesondere, dass die
Ausführungen des Landgerichts zu der Identifizierung der Angeklagten nicht frei von
Rechtsfehlern seien.
II.
Die zulässige Revision der Angeklagten hat auf die Sachrüge einen zumindest vorläufigen
Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der
Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld, § 354 Abs. 2 S. 1
StPO. Das angefochtene Urteil weist nämlich durchgreifende Fehler bei der
Beweiswürdigung auf, die sich zu Lasten der Angeklagten auswirken. Eines Eingehens auf
die Verfahrensrüge bedarf es nicht, weil bereits die Sachrüge Erfolg hat. Die Revision rügt
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zu Recht, dass die Beweiswürdigung des Landgerichts lückenhaft ist.
Das Landgericht hat im Hinblick auf die Überführung der den Tatvorwurf bestreitenden
Angeklagten ganz wesentlich darauf abgestellt, dass der Zeuge F die Angeklagte als
Fahrzeugführerin wiedererkannt habe (UA Seite 6). Die Bekundungen dieses Zeugen
seien glaubhaft, er stehe in keiner Beziehung zu der Angeklagten und habe keinen Grund,
diese zu Unrecht zu belasten. Weiter heißt es dann im Rahmen der Beweiswürdigung des
angefochtenen Urteils wörtlich (UA 6):
"Der Zeuge F hat den Vorfall auch anlässlich der Anzeigenaufnahme sowie bei seinen
Vernehmungen in der erstinstanzlichen und in der Berufungshauptverhandlung
durchgehend gleich geschildert.
Er hat die Angeklagte auch nicht mit ihrer Schwester verwechselt.
Der Zeuge F hatte Gelegenheit, die Angeklagte, die längere Zeit neben ihrem Fahrzeug
gestanden hat, durch die geöffnete Fahrertür im Licht der Straßenbeleuchtung zu
beobachten.
Die Angeklagte ist mit ihrer Schwester auch nicht leicht zu verwechseln. Sie hat im
Gegensatz zu ihrer Schwester ein schmales Gesicht. Sie ist auch anders als ihre
Schwester sehr schlank und hat auch sonst keine Ähnlichkeit, die ein Verwechseln
wahrscheinlich machen könnte. Die Angeklagte hat schulterlanges Haar, das sie
- wie der Zeuge F es formuliert hat - "aufgebauscht" trug, während ihre Schwester nach
eigener Einlassung die Haare seinerzeit wie auch im Termin zur
Berufungshauptverhandlung kürzer geschnitten getragen hat.
Die Angeklagte war zudem mit einem langen Mantel bekleidet, wie sie ihn anlässlich ihrer
polizeilichen Vernehmung auch getragen hat. Letzteres ist aus den Fotos, die im Anschluss
an die Vernehmung von ihr erstellt worden sind, zu ersehen. Schließlich hat der Zeuge F
nach seinen Angaben, die in dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme ihre Bestätigung
finden, auch an ihrer Stimme im Vergleich zu der ihrer Schwester wiedererkannt."
Zu beanstanden ist zunächst, dass das Landgericht lediglich das Wiedererkennen der
Angeklagten durch den Zeugen F im Rahmen der Berufungshauptverhandlung bewertet.
Dagegen äußert sich das angefochtene Urteil nicht dazu, ob der Zeuge die Angeklagte
auch bereits im Ermittlungsverfahren und vor dem Amtsgericht als Fahrerin des fraglichen
Kraftfahrzeuges identifiziert hatte. Dem angefochtenen Urteil lässt sich insoweit lediglich
entnehmen, dass der Zeuge den Vorfall, also das Tatgeschehen, anlässlich der
Anzeigenaufnahme sowie bei seinen Vernehmungen in der erstinstanzlichen und in der
Berufungshauptverhandlung durchgehend gleich geschildert hatte. Ob dies auch
hinsichtlich der Identifizierung der Angeklagten gilt, lässt sich dem angefochtenen Urteil
dagegen gerade nicht entnehmen. Hinzu kommt, dass dem Wiedererkennen in der
Hauptverhandlung als "wiederholtem Wiedererkennen" nur ein beschränkter Beweiswert
zukommt (BGH, 4. Strafsenat, Urteil vom 17.03.2005, beckRS 2005 Nr. 04570; BGHSt 16,
204, 205; BGHR StPO § 261 Identifizierung 3, 10, 12, 13). Das angefochtene Urteil teilt
auch nicht mit, woran der Zeuge F die Angeklagte erkannt haben will. Allein der Umstand,
dass die Angeklagte von ihrem Äußeren her nach der Wertung der Strafkammer nicht leicht
mit ihrer Schwester, die nach den Angaben der Angeklagten das Fahrzeug geführt haben
soll, zu verwechseln sei, da sie insbesondere im Gegensatz zu ihrer Schwester ein
schmales Gesicht habe, sehr schlank sei und über längeres Haar verfüge, bedeutet noch
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nicht, dass diese Merkmale auch dem Zeugen aufgefallen waren und ihn zu der
Identifizierung der Angeklagten geführt haben. Mitgeteilt wird hier insoweit vielmehr nur,
dass dem Zeugen das "aufgebauschte" Haar der Angeklagten aufgefallen sei. Dagegen
schweigt das Urteil darüber, bei welcher Gelegenheit dies war, insbesondere, ob ihm
bereits im Ermittlungsverfahren Lichtbilder der Angeklagten oder ihrer Schwester vorgelegt
worden waren. Soweit das Urteil darüber hinaus ausführt, dass die Angeklagte anlässlich
ihrer polizeilichen Vernehmung mit einem "langen Mantel" bekleidet gewesen sei, was aus
den Fotos, die im Anschluss an die Vernehmung von ihr erstellt worden sind, zu ersehen
sei, ist dieser Beweiserhebungsakt für den Senat nicht nachvollziehbar, was einen
selbstständigen Rechtsfehler des angefochtenen Urteils begründet. Die Richtigkeit dieser
Feststellung des Landgerichts, nämlich dass die Angeklagte auf den von ihr im Anschluss
an ihre polizeiliche Vernehmung gefertigten Lichtbildern mit einem langen Mantel bekleidet
war, kann der Senat nicht überprüfen. Dies wäre nur dann möglich, wenn das Landgericht
durch eine ausdrückliche, den Anforderungen des § 267 Abs. 1 S. 3 StPO entsprechende
Verweisung auf die in den Akten befindlichen Lichtbilder diese Lichtbilder zum Gegenstand
des Urteils gemacht hätte (OLG Hamm, 2. Strafsenat, Beschluss vom 06.02.2002 - 2 Ss
79/01 -; OLG Zweibrücken, 1. Strafsenat, Beschluss vom 26.05.2003 - 1 Ss 211/02 -, in:
beckRS 2004 Nr. 00224).
Zu beanstanden ist schließlich auch, dass das Landgericht die Überführung der
Angeklagten wesentlich auch damit begründet hat, dass der Zeuge F die Angeklagte an
ihrer Stimme im Vergleich zu der ihrer Schwester wiedererkannt habe. Das Landgericht teilt
nämlich nicht mit, ob die Stimme der Angeklagten der ihrer Schwester ähnlich ist und falls
nicht, welche Unterscheidungsmerkmale insoweit bestehen. Ohne diese Angaben kann der
Senat aber wiederum die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht nachvollziehen (vgl.
hierzu BGH, Urteil vom 17.03.2005, a.a.O.).
Da der endgültige Erfolg der Revision nicht feststeht, konnte der Senat eine
Kostenentscheidung noch nicht treffen. Diese wird von der nunmehr zur Entscheidung
berufenen Berufungsstrafkammer in deren Urteil zu treffen sein.