Urteil des OLG Hamm vom 08.01.1998

OLG Hamm (vvg, kenntnis, verjährung, leistung, unfall, verhalten, versicherungsnehmer, zahlung, nacht, zeitpunkt)

Oberlandesgericht Hamm, 6 U 174/97
Datum:
08.01.1998
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
6. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 U 174/97
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 2 O 112/97
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 25. Juni 1997 verkündete
Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithelferin
werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschwer der Klägerin: unter 30.000,00 DM.
Entscheidungsgründe:
1
I.
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Am 04.04.1993 prallte der Beklagte um 03.50 Uhr in der Nacht infolge alkoholbedingter
Fahruntüchtigkeit (1,75 Promille) mit dem ... der Versicherungsnehmerin ... gegen einen
Baum.
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Das Fahrzeug war bei der Klägerin vollkaskoversichert. Die Klägerin ersetzte der
Versicherungsnehmerin ... ihren Schaden in Höhe von 23.089,13 DM und verlangt
diesen im Wege des Rückgriffs aus übergegangenem Recht nach §67 VVG von dem
Beklagten erstattet.
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Der Beklagte hat sich im wesentlichen damit verteidigt, die Klägerin habe an die
Versicherungsnehmerin ... gem. §61 VVG gar nicht zahlen müssen, weil diese den
Unfall grob fahrlässig verursacht hat. Denn - so hat er geltend gemacht - Frau ... müsse
sich das Verhalten Ihres Lebensgefährten ... als ihres "Repräsentanten" zurechnen
lassen. Dieser nämlich habe dem Beklagten in der Nacht den Fahrzeugschlüssel
ausgehändigt zu einem Zeitpunkt, als er - der Beklagte - bereits alkoholisiert gewesen
sei.
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Im übrigen hat der Beklagte sich auf Verjährung berufen.
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Das Landgericht hat der Klage ohne Beweisaufnahme stattgegeben und zur
Begründung im wesentlichen ausgeführt, der Anspruchsübergang auf die Klägerin sei
nicht gem. §67 Abs. 2 VVG ausgeschlossen. Denn Herr ... sei als Partner einer
nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht Familienangehöriger der
Versicherungsnehmerin ... im Sinne des §67 Abs. 2 VVG. Deshalb sei er auch nicht
deren Repräsentant.
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Die Verjährungseinrede nach §12 VVG greife nicht, da die Klägerin erst am 30.06.1993
- mit Einsichtnahme in die Ermittlungsakten - Kenntnis von der Person des
Ersatzpflichtigen erlangt habe. Die Verjährung sei in der Zwischenzeit gehemmt
gewesen, da in der Zeit vom 12.08.1993-23.06.1994 Verhandlungen gem. §852 Abs. 2
BGB stattgefunden hätten.
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Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten mit dem Ziel der Klageabweisung.
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Der Beklagte macht mit näheren Ausführungen weiterhin geltend, die
Versicherungsnehmerin ... müsse sich das Verhalten ihres Lebensgefährten Klever als
ihres "Repräsentanten" gegenüber der Klägerin zurechnen lassen.
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Im übrigen beruft er sich weiterhin auf Verjährung, weil er - so der Beklagte - bereits mit
Schreiben vom 10.09.1993 (GA/43) jede Zahlung abgelehnt habe.
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II.
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Die Berufung des Beklagten ist begründet. Die Klageforderung ist verjährt, §852 BGB.
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1.
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Ohne rechtliche Bedeutung allerdings ist der Einwand des Beklagten, die Klägerin sei
gemäß §61 VVG gegenüber ihrer VN (Anja Sasse) überhaupt nicht zahlungspflichtig
gewesen, da diese - durch Aushändigung des Schlüssels über ihren damaligen
Lebensgefährten - den Unfall grob fahrlässig mitverursacht habe. Im Gegensatz zum
Vortrag der Parteien geht es hier nicht um Versicherungsvertragsrecht und deshalb nicht
um Fragen der "Repräsentanz", sondern um einen haftpflichtrechtlichen Anspruch der
Geschädigten ... gegen den Beklagten, der gemäß §67 VVG auf die Klägerin
übergegangen ist. Selbst wenn die Klägerin gegenüber ihrer Versicherungsnehmerin
aus §61 VVG nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre, spielt dies für den
Anspruchsübergang keine Rolle. Auf die Pflicht des Versicherers zur Leistung kommt es
nicht an, sondern nur auf die tatsächliche Erbringung der Leistung (BGH VersR 89/250;
Römer/Langheid, VVG 1997, §67, Rdn. 23 ff. m.w.N.). Der Regreßanspruch besteht also
auch dann, wenn der Versicherer irrtümlich an den Versicherungsnehmer geleistet hat
und deshalb einen Kondiktionsanspruch gegen den Versicherungsnehmer haben sollte.
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2.
16
Die Klageforderung ist verjährt.
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Die erstinstanzlich und auch in der angefochtenen Entscheidung im Hinblick auf §12
VVG erörterte Verjährungsfrage stellt sich hier allein aus §852 BGB.
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Entgegen der Auffassung im angefochtenen Urteil und der Auffassung der Parteien
kommt es im Rahmen des Anspruchsübergangs nach §67 VVG allerdings nicht auf die
Kenntnis der Klägerin an, sondern auf die Kenntnis der Versicherungsnehmerin, sofern
diese zu einem früheren Zeitpunkt bereits Kenntnis erlangt hatte (vgl. Palandt/Thomas,
§852 BGB, Rdn. 6).
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Die Geschädigte ... hatte unmittelbar nach dem Unfall am 04.04.1993 Kenntnis vom
Schaden und vom Schädiger. Der gegen den Beklagten ergangene Mahnbescheid ist
verspätet: Er ist am 29.07.1996 beantragt und am 31.08.96 zugestellt worden. Deshalb
konnte die Verjährungsunterbrechung nach §209 Abs. 2 Satz 1 BGB nur dann wirksam
werden, wenn in der Zwischenzeit eine Hemmung gemäß §852 Abs. 2 BGB eingetreten
wäre. Das Landgericht hat hier für die Zeit vom 12.08.93 bis zum 23.06.94, also für
einen Zeitraum von 10 Monaten und 12 Tagen eine Verjährungshemmung
angenommen, weil die Parteien in dieser Zeit "verhandelt" hätten.
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Dieser Auffassung folgt der Senat nicht.
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Zwar ist der Begriff des "Verhandelns" weit auszulegen. Es genügt jeder
Meinungsaustausch über den Schadensfall zwischen dem Berechtigten und dem
Verpflichteten, sofern nicht sofort und eindeutig jeder Ersatz abgelehnt wird.
Verhandlungen schweben schon dann, wenn der Verpflichtete Erklärungen abgibt, die
den Geschädigten zu der Annahme berechtigen, der Verpflichtete lasse sich jedenfalls
auf Erörterungen über die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen ein (BGH
VersR 88/718; BGH NJW 83/2075). Die hier vorgelegte Korrespondenz zwischen den
Parteien ergibt aber nicht, daß sich der Beklagte irgendwann auf Verhandlungen über
den geltend gemachten Schadensersatzanspruch eingelassen hat. In den beiden
Schreiben vom 10.09.93 und vom 23.06.94 hat er jeweils die Zahlung abgelehnt, ohne
eine Verhandlungsbereitschaft erkennen zu lassen.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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