Urteil des OLG Frankfurt vom 26.02.2009

OLG Frankfurt: vernehmung von zeugen, flachdach, verantwortlichkeit, estrich, wasser, auflage, bauleitung, bauwerk, angestellter, abgrenzung

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Gericht:
OLG Frankfurt 22.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
22 U 240/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 634 BGB, § 635 BGB, § 636
BGB, § 823 Abs 1 BGB, § 286
ZPO
(Haftung des bauaufsichtsführenden Architekten:
Voraussetzungen einer deliktischen neben einer
vertraglichen Haftung)
Leitsatz
Abgrenzung der Verantwortlichkeit für Baumängel (hier:
Feuchtigkeitsschäden); Anscheinsbeweis für Pflichtverletzung des
Architekten
(Keine weiteren Angaben)
Anmerkung: Im Rechtsmittelverfahren hat der BGH unter dem Aktenzeichen VII ZR
70/09 die Entscheidung bestätigt
Tenor
Auf die Berufungen der Klägerin und des Streithelfers A wird das Urteil der 9.
Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 27.10.2005 aufgehoben.
Bezüglich des Beklagten zu 5) wird die Klage abgewiesen und die Berufung der
Klägerin zurückgewiesen.
Wegen der „Flachdachschäden S 2“ (Klageschrift vom 02.09.2002, S. 13,
62.558,71 DM entsprechend 31.985,76 €) wird die Klage abgewiesen und die
Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Im Übrigen wird der Klageanspruch gegen die Beklagten zu 1) – 3) dem Grunde
nach für gerechtfertigt erklärt.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Der Rechtsstreit wird zur Durchführung des Betragsverfahrens an das Landgericht
zurückverwiesen.
Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 5) zu tragen. Im
Übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist für den Beklagten zu 5) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagten gesamtschuldnerisch wegen Baumängeln an
dem in ihrem Eigentum stehenden Altenpflegeheim „B“ in O1 in Anspruch, das in
den Jahren 1998 bis 2000 durch Um- und Anbau saniert und erweitert wurde. Ihr
Streithelfer und Berufungskläger A führte die Bodenbelagsarbeiten im Objekt aus,
wobei er die inzwischen insolvente Streithelferin C GmbH & Co KG als
Subunternehmerin für die Erstellung des Estrichs einsetzte.
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Die Beklagte zu 1), die Architektenpartnerschaft GbR, war aufgrund
Architektenvertrags vom 13.10.1998 (Anlage K 1 zur Klageschrift vom 02.09.2002,
Bl. 15 ff d.A.) mit der Bauplanung, der Bauleitung sowie der Objektüberwachung
und –betreuung (Leistungsphasen 1-9 nach § 15 HOAI) betraut. Die Beklagten zu
2), 3) und 4) waren die Gesellschafter der Architektengemeinschaft. Der Beklagte
zu 3) ist am 27.02.2007 verstorben. Über das Vermögen des Beklagten zu 4) ist
am 01.07.2006 das Insolvenzverfahren vor dem Amtsgericht Darmstadt eröffnet
worden. Das Verfahren gegen ihn wurde daher mit gleichzeitig verkündetem
Beschluss abgetrennt. Der Beklagte zu 5) war als angestellter Architekt für die
Architektengemeinschaft tätig und als örtlicher Bauleiter im Bauvorhaben
eingesetzt. Generalunternehmerin für mehrere Gewerke (nicht für die
Bodenbelagsarbeiten) war die Streithelferin der Beklagten, die D GmbH & Co KG,
die die Dachbegrünungsarbeiten durch die Firma F als Subunternehmerin
ausführen ließ.
In verschiedenen Bereichen des 1. Bauabschnitts des Baus kam es zu Blasen- und
Beulenbildung in den Bodenbelägen, wobei die Schäden im Erdgeschoss,
insbesondere im Speisesaal, nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind.
Betroffen sind im ersten Obergeschoss mehrere Räume, die unter einem
Flachdach liegen. Wassereintritt erfolgte auch durch eine Fluchttür im dritten
Obergeschoss sowie durch offene Fenster und Türen in Zimmern mit Loggien im
ersten und zweiten Obergeschoss, wobei Umfang und Intensität der
Wassereintritte streitig sind. Weiterhin sind im Bereich der Baubewegungsfuge und
in anderen Bereichen Bodenbelagsschäden festzustellen.
Die Klägerin beantragte im November 2000 die Einleitung eines selbständigen
Beweisverfahrens beim Landgericht Mannheim, das dort unter dem Aktenzeichen
5 OH 15/00 durchgeführt wurde. Auf die beigezogenen Akten 5 OH 15/00,
insbesondere auf die im Rahmen dieses Verfahrens eingeholten Gutachten des
Sachverständigen SV1 vom 17. Januar 2001 (einschließlich Vorabinformationen
und Zwischenberichte) und des vom Sachverständigen beauftragten E wird Bezug
genommen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich behauptet, die Blasen- und Beulenbildung sei auf in
den Bau eingedrungenes Wasser zurückzuführen. Sie hat die Ansicht vertreten, die
Beklagten hätten ihre Pflichten durch mangelhafte Bauüberwachung und
mangelhafte Überwachung der ausführenden Firmen verletzt. Insbesondere seien
Feuchtigkeitsmessungen vor Aufbringung des Oberbelags durch den Streithelfer A
nicht ausreichend durchgeführt und durch die Beklagten nicht kontrolliert worden.
Die Beklagten haben ihre Verantwortlichkeit insbesondere unter Hinweis auf von
ihnen nicht festzustellendes Fehlverhalten des Streithelfers A bestritten.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien,
insbesondere auch zur Schadenshöhe, bei deren Ermittlung unstreitige
Honoraransprüche der Beklagten seitens der Klägerin verrechnet wurden, wegen
der erstinstanzlich gestellten Anträge und wegen des Ergebnisses der
erstinstanzlich durch Vernehmung von Zeugen, durch Anhörung des
Sachverständigen SV1 sowie durch Einholung eines Gutachtens des
Sachverständigen SV2 durchgeführten Beweisaufnahme wird auf die
erstinstanzlich gewechselten Schriftsätze, die Sitzungsniederschriften sowie auf
das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im
wesentlichen ausgeführt, die Schadensursächlichkeit des Eindringens von
Regenwasser sei nicht nachgewiesen. Die Feuchtigkeitsmessungen des
Streithelfers A vor Einbringung der Bodenoberbeläge seien nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme nicht fachgerecht durchgeführt worden. Eine Kontrollpflicht der
Beklagten diesbezüglich habe nicht bestanden. Es sei durchaus möglich, dass zu
hohe Restfeuchte des Estrichs schadensursächlich gewesen sei, so dass nicht mit
ausreichender Sicherheit festgestellt werden könne, dass von außen
eindringendes Regenwasser die Schäden verursacht habe.
Es könne deshalb dahingestellt bleiben, ob Regenwasser aufgrund mangelnder
Objektüberwachung durch die Beklagten in den Bau eingedrungen sei.
Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf das angefochtene Urteil
verwiesen.
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Gegen das der Klägerin und dem Streithelfer A am 07.12.2005 zugestellte Urteil
haben der Streithelfer A am 22.12.2005 und die Klägerin am 04.01.2006 Berufung
eingelegt. Die Berufungsbegründung der Klägerin ging am 24.01.2006, diejenige
des Streithelfers A am 30.01.2006 bei Gericht ein.
Die Klägerin rügt zweitinstanzlich, das Landgericht habe nicht beachtet, dass
bereits eine Mitursächlichkeit der Pflichtverletzungen der Beklagten für deren
Haftung ausreiche. Es stehe fest, dass während der Estrich- und
Bodenbelagsarbeiten Feuchtigkeit von außen eingedrungen sei. Die Beklagten
seien sowohl für die nicht bzw. spät abgedichtete Bauteilfuge wie auch für die zu
niedrige Schwelle vor der Fluchttür im dritten Obergeschoss und den Wassereintritt
über Fenster und Loggien verantwortlich. Der Beklagte zu 5), dessen Haftung sich
aus deliktsrechtlichen Vorschriften ergebe, hätte mehr und aussagekräftigere
Messprotokolle vom Streithelfer A anfordern müssen.
Der Streithelfer A behauptet, im 2. Bauabschnitt (Haus A) seien bei gleicher
Ausführung der Bodenbelagsarbeiten keinerlei Schäden entstanden. Er vertritt die
Ansicht, daraus ergebe sich, dass er ordnungsgemäß gearbeitet habe und dass
die Feuchtigkeitsschäden im 1. Bauabschnitt (Haus B), die – insoweit unstreitig -
859,55 qm und damit rund 55 % der Flächen betreffen, auf
Feuchtigkeitseinwirkungen von außen zurückzuführen sein müssten. Er behauptet
weiter, der Zeuge A habe die Feuchtigkeitsmessungen derart durchgeführt, dass
er die Proben vier bis fünf Mal mit zeitlichen Abständen geschüttelt habe. Die
Klageabweisung gegen den Beklagten zu 5) greift der Streithelfer A ausdrücklich
nicht an.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 27.10.2005 aufzuheben und die
Beklagten zu 1) - 5) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin
167.964,76 € zuzüglich 8 %-Punkte Zinsen über dem Basiszins ab 18.09.2002 aus
159,332,19 € und aus weiteren 8.632,57 € ab 09.12.2004 zu bezahlen.
Der Streithelfer A schließt sich dem Antrag der Klägerin mit der Maßgabe an, dass
die Verurteilung des Beklagten zu 5) nicht begehrt wird.
Die Beklagten zu 1), 2), 3) und 5) und die Streithelferin D GmbH & Co KG
beantragen,
die Berufung zurückzuweisen;
Die Beklagten zu 1), 2), 3) und 5) beantragen hilfsweise:
Zurückverweisung an die erste Instanz.
Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil. Sie tragen vor, die Ursachen
der Blasenbildung in den Bodenbelägen seien nicht bewiesen; mangelhafte
Verlegereife des Estrichs sei weder bewiesen noch widerlegt. Die Wassereintritte
von außen seien nur geringen Umfangs und lokal begrenzt gewesen. Für den
Wassereintritt durch das Flachdach seien die Beklagten nicht verantwortlich, weil
das Flachdach bereits fertig abgedichtet und durch Flutung geprüft gewesen sei,
bevor die Dachbegrünungsmaßnahmen und die Gerüsterstellung begannen.
Gegen eindringende Feuchtigkeit habe der Streithelfer A seine noch nicht
abgenommenen Werke selbst schützen müssen. Die gutachterlichen Äußerungen
des Sachverständigen SV1 seien nicht überzeugend.
Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf die im
Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Akte 5 OH 15/00 des Landgerichts Mannheim war Gegenstand der mündlichen
Verhandlung.
II.
Die zulässigen Berufungen der Klägerin und des Streithelfers A sind teilweise
begründet und führen zum Erlass eines Teil- und Grundurteils sowie zur
Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht zur Durchführung des
Betragsverfahrens.
Da der Architektenvertrag vor dem 01.01.2002 geschlossen und die hier in Rede
stehenden Baumaßnahmen vor diesem Zeitpunkt durchgeführt wurden, ist der
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stehenden Baumaßnahmen vor diesem Zeitpunkt durchgeführt wurden, ist der
Rechtsstreit auf der Grundlage der Vorschriften des BGB in der bis zum
31.12.2001 geltenden Fassung zu entscheiden (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
Unbegründet ist die Berufung der Klägerin, soweit sie eine Mithaftung des
Beklagten zu 5) erreichen will. Vertragliche Ansprüche der Klägerin gegen den
Beklagten zu 5) bestehen nicht, da dieser als angestellter Architekt nicht
Vertragspartei des zwischen der Architektenpartnerschaft und der Klägerin
geschlossenen Architektenvertrags geworden ist. In Betracht kommen daher nur
Ansprüche aus § 823 I BGB wegen Eigentumsverletzung. Grundsätzlich ist es zwar
möglich, dass vertragliche und deliktische Ansprüche nebeneinander bestehen
(vgl. hierzu Palandt-Sprau, 68. Auflage, Vor § 823 Rdn. 4 ff m.w.N.); jedoch ist bei
der Konkurrenz von werkvertraglicher Sachmängelhaftung aus Architekten- und
Bauverträgen mit deliktischen Ansprüchen zu beachten, dass es nicht Aufgabe
des Deliktsrechts ist, die Erwartung des Bestellers, hier der Klägerin, zu schützen,
dass der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt wird und deshalb der mit den
Sanierungsmaßnahmen bezweckte Erfolg eintritt (vgl. BGH BauR 2005, 705, 708).
Ansprüche aus unerlaubter Handlung können daher nur dann neben den
vertraglichen Sachmängel- und Schadensersatzansprüchen stehen, wenn eine
fehlerhafte Planungs- oder Überwachungsleistung zu einem Eingriff in eine bereits
vorhandene und vorher unversehrte Sache des Eigentümers führt und der
Schaden über den Mangelunwert der mangelhaften Leistung hinausgeht (vgl. BGH
a.a.O., Werner-Pastor, 12. Auflage, Rdn. 1839-1842). Vorrangige vertragliche
Regelungen sollen nicht ausgehöhlt werden (vgl. Werner-Pastor, Rdn. 1841). Muss
der Architekt oder Werkunternehmer nach dem erteilten Bau- oder
Architektenauftrag in die Bausubstanz eingreifen, ist eine damit
zusammenhängende Schädigung der Bausubstanz in der Regel keine selbständige
Eigentumsverletzung. Dies gilt auch dann, wenn durch die mangelhafte
Architektenleistung ein Schaden an Bauteilen entsteht, die zwar nicht erneuert
werden, jedoch derart in die Sanierungsaufgabe integriert sind, dass ohne diese
Einbeziehung der vertraglich geschuldete Erfolg nicht erzielt werden kann (BGH
a.a.O.). So liegt der Fall hier, wo durch Umgestaltung und Anbau insgesamt ein
heutigen Anforderungen entsprechendes Bauwerk erstellt wurde. Betroffen ist hier
das Interesse der Klägerin als Bauherrin an einer ordnungsgemäßen
Vertragserfüllung. In einem derartigen Fall ist eine deliktische Haftung neben der
vertraglichen nicht gegeben.
Die Beklagten zu 1) – 3) haften der Klägerin aufgrund der Verletzung vertraglicher
Pflichten aus § 635 BGB a.F., da sie der Klägerin eine mangelfreie
Architektenwerkleistung schuldeten, die sie nicht erbracht haben. Die Beklagten zu
1) bis 3) hatten mit Planung, Bauleitung und Objektüberwachung (Leistungsphasen
1 – 9 nach § 15 HOAI) die sog. Vollarchitektur übernommen, so dass sie sowohl für
Fehler bei der Planung als auch für solche bei der Bauleitung und –überwachung
verantwortlich sind, wobei sie für ihren Erfüllungsgehilfen, den Beklagten zu 5),
nach § 278 BGB einzustehen haben. Ob auch der Streithelfer A und/oder andere
Bauhandwerker der Klägerin aufgrund eigener Pflichtverletzungen zum Ersatz der
entstandenen Schäden verpflichtet sind, ist für die Haftung der Beklagten zu 1) –
3) unerheblich. Sie haften – selbst wenn sie nur einen geringen
Verursachungsbeitrag geleistet hätten - neben den Bauhandwerkern
gesamtschuldnerisch, auch wenn der oder die Bauhandwerker noch zur
Nachbesserung ihrer mangelhaften Leistungen berechtigt sein sollten (vgl. BGH VII
ZR 1/00 vom 07.03.2002, zitiert nach juris, Rdn. 50). Wie hoch die Haftungsanteile
der Beklagten zu 1) – 3) im Verhältnis zu denjenigen der ebenfalls haftenden
Bauhandwerker sind, ist im hier zu entscheidenden Rechtsstreit unerheblich. Die
Frage der quotenmäßigen Beteiligung stellt sich erst dann, wenn in einem weiteren
Verfahren der Ausgleich zwischen den Gesamtschuldnern nach § 426 BGB zu
klären ist. Der Klägerin steht es gemäß § 421 BGB frei, jeden der Gesamtschuldner
solange auf den vollen Betrag in Anspruch zu nehmen, bis sie vollständig befriedigt
ist.
Der die Bauaufsicht führende Architekt hat dafür zu sorgen, dass der Bau
plangerecht und frei von Mängeln errichtet wird (vgl. OLG Stuttgart 5 U 22/08 vom
21.04.2008, zitiert nach juris, Rdn. 22). Dass das Bauwerk Mängel hatte, ist
zwischen den Parteien unstreitig: an mehreren Stellen hatten sich Blasen und
Beulen im Bodenbelag gebildet, die durch Feuchtigkeitseinwirkungen, deren
Umfang im einzelnen streitig ist, entstanden waren.
So war durch die Fluchttür im 3. Obergeschoss Wasser eingedrungen, was damit
zusammenhing, dass ein Abfluss auf dem davor befindlichen Flachdach, das zum
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zusammenhing, dass ein Abfluss auf dem davor befindlichen Flachdach, das zum
Altbaubereich gehörte, verstopft war und sich deshalb eine größere Menge
Regenwasser dort angesammelt hatte, die über die niedrige Schwelle in den Bau
eindringen konnte. Weiterhin waren an dem auf den 02.06.2000 folgenden
Wochenende Fenster nicht geschlossen, so dass Regen eindringen konnte. Die
Bautrennfuge war über mehrere Monate im Winter 1999/2000 unverschlossen, so
dass dort Niederschläge eindringen konnten. Die Fuge wurde im März 2000
geschlossen. Ein begrünter Flachdachbereich wies Leckagen auf. Insgesamt war im
Estrich nach den Ausführungen des vom Sachverständigen SV1 hinzugezogenen E
(Stellungnahme Nr. … – … vom 29.06.2001 im Rahmen des Gutachtens vom
17.01.2002) erhöhte Feuchtigkeit vorhanden.
Über die Verantwortlichkeit für die Entstehung der unstreitig vorhandenen
Feuchtigkeit und der daraus folgenden Schäden an den Bodenbelägen streiten die
Parteien. Bei dieser Sachlage kann dem Besteller, hier der Klägerin, der Nachweis
einer für die Entstehung des Schadens ursächlichen Pflichtverletzung des
Architekten durch einen Anscheinsbeweis erleichtert sein, wenn der typische
Geschehensablauf dafür spricht, dass die Überwachung des Architekten bei den
Bauarbeiten mangelhaft war (vgl. BGH VII ZR 81/00 vom 16.05.2002, zitiert nach
juris, Rdn. 11).
Ein solcher Anscheinsbeweis ist im vorliegenden Fall im Hinblick auf die
entstandenen Schäden, außer im Hinblick auf denjenigen, der durch Undichtigkeit
des begrünten Flachdachs entstanden ist, anzunehmen: Den Beklagten war
bekannt, dass Wasser in den Bau eingedrungen war, auch wenn der Umfang des
Wassereintritts im einzelnen streitig ist. Sie hatten auf jeden Fall Anlass, den
Bereich um die erst relativ kurz vor Beginn der Bodenbelagsarbeiten geschlossene
Bautrennfuge besonders sorgfältig zu überwachen. Dort wurden noch während des
selbständigen Beweisverfahrens nach dem insoweit unbestrittenen Vortrag der
Klägerin im Schriftsatz vom 11.04.2003 (dort S. 6, Bl. 121 d.A.) Bohrungen im
Sockelbereich der Wand vorgenommen, um der Wand auf diese Weise Feuchtigkeit
zu entziehen. Zudem war der zeitliche Abstand zwischen der Fertigstellung des
Estrichs und der Aufbringung der Bodenbeläge knapp gewählt. Zwar kann nach
den Ausführungen des Sachverständigen SV1 (S. 6 des Sitzungsprotokolls des
Landgerichts vom 14.01.2004, Bl. 255 d.A.) ein Estrich nach vier Wochen
verlegereif sein; jedoch ist dies nicht zwingend, sondern hängt stark von den
konkreten Bedingungen vor Ort ab, die vorliegend nicht günstig waren. Auch der
von den Beklagten beauftragte Sachverständige Prof. Dr. SV3 hat, wie die
Beklagten im Schriftsatz vom 17.12.2002 (dort S. 33, Bl. 78 d.A.) vortragen,
Zweifel an der Verlegereife des Estrichs geäußert und eine längere Wartezeit
zwischen Estrichverlegung und Aufbringung des Bodenbelags für notwendig
erachtet. Ungeachtet der Frage, ob der Streithelfer A ausreichend und in der
richtigen Art und Weise die Feuchtigkeitsmessungen vor Einbringen des
Bodenbelags durchgeführt hat (vgl. hierzu die Ausführungen des
Sachverständigen SV2 in seinem Gutachten vom 24.08.2004 und bei der
mündlichen Erläuterung im Sitzungstermin des Landgerichts vom 25.08.2005,
insbesondere S. 3 f. des Protokolls, Bl. 584 f. d.A.), ist nach den Regeln des
Anscheinsbeweis davon auszugehen, dass die Überwachung der Bauhandwerker
durch die Architekten bei der Einbringung der Bodenbeläge mangelhaft war. Es ist
ein typischer Geschehensablauf, dass eingedrungene Feuchtigkeit und wegen
ungenügender Austrocknungsbedingungen gegebene Restfeuchte zu Schäden am
Bodenbelag führen. Die Beklagten hätten bei der gegebenen Konstellation, in
welcher eingedrungenes Wasser und knappe Wartezeit zusammenkamen, Anlass
gehabt, den Streithelfer bei der Feststellung der Verlegereife intensiver zu
überwachen. Zwar mussten die Beklagten nicht die korrekte Ausführung der
Messungen (Dauer und Anzahl der Schüttelvorgänge) des Streithelfers als
Fachhandwerker überprüfen, da sie sich insoweit auf dessen Fachkunde verlassen
konnten; jedoch hätten sie sich zumindest aussagefähige Messprotokolle vorlegen
lassen müssen, um zu prüfen, ob die Proben in ausreichendem Maße und an den
kritischsten Stellen entnommen worden waren. Die vom Streithelfer gefertigten
Messprotokolle (Anlage B 3 zum Schriftsatz der Beklagten vom 17.12.2002,
Anlagenband) sind nicht aussagekräftig. Sie nicht beanstandet zu haben, wird von
den Beklagten selbst als Nachlässigkeit eingeräumt (Schriftsatz vom 30.03.2003,
dort S. 7, Bl. 151 d.A.). Zudem hätten die Beklagten Vorkehrungen gegen den
Wassereintritt durch die Fluchttür treffen können und müssen, wie es im
nachhinein geschehen ist.
Sie hätten im Rahmen der ihnen obliegenden Objektüberwachung auch dafür
sorgen müssen, dass entweder immer jemand ansprechbar war, der Fenster mit
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sorgen müssen, dass entweder immer jemand ansprechbar war, der Fenster mit
einem Spezialschlüssel schließen konnte, die Fachhandwerker mit entsprechenden
Spezialschlüsseln ausgestattet wurden oder bei Arbeitsende jemand kontrollierte,
ob Fenster und Türen verschlossen waren.
Spricht mithin bei den unstreitig gegebenen Schäden am Bodenbelag und am
Estrich der Anschein dafür, dass sie zumindest auch durch Pflichtverletzungen der
Beklagten verursacht wurden, ist es für den hier vorliegenden Rechtsstreit
unerheblich, dass die Beklagten Pflichtverletzungen des Streithelfers A behaupten.
Solche möglicherweise gegebenen Pflichtverletzungen des Bodenlegers hindern
die Verantwortlichkeit der Beklagten als Architekten nicht.
Den Beklagten ist es nicht gelungen, diesen gegen sie sprechenden Anschein zu
erschüttern. Wie auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat deutlich
wurde, gehen die Beklagten selbst von ungeklärten Ursachenzusammenhängen
aus. Sie hätten jedoch die ernsthafte Möglichkeit eines anderen
Geschehensablaufs beweisen müssen. Dazu reicht es nicht aus, dass sie die
Feststellungen des Sachverständigen SV1 in etlichen Punkten angreifen. Vielmehr
hätten sie einen anderen, nicht in ihren Verantwortungsbereich fallenden
Ursachenzusammenhang darlegen müssen. Dies haben sie nicht getan. Auch der
von ihnen beauftragte Privatgutachter Prof. Dr. SV3 kommt in seinem Gutachten
vom 15.12.2002 (Anlage B 5 zum Schriftsatz der Beklagten vom 17.12.2002,
Anlagenband) zu dem Ergebnis, dass die Ursache der Schadensbilder aus
technisch-wissenschaftlicher Sicht nicht geklärt ist (vgl. S. 20 des Gutachtens). Die
ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ist damit nicht bewiesen.
Anders ist die Rechtslage nur hinsichtlich der durch die Leckagen im begrünten
Flachdach verursachten Schäden zu beurteilen. Hier ist ein Anscheinsbeweis nicht
gegeben, da es insoweit an einem typischen Geschehensablauf fehlt. Wie aus der
Aktennotiz vom 16.08.2001 (Anlage S 2 zum Schriftsatz D GmbH & Co KG vom
29.01.2003, Bl. 103 d.A.) hervorgeht, ist die Leckage durch eine Beschädigung der
Dachhaut verursacht worden, nachdem das im März 2001 mangelfrei
abgenommene Flachdach zuvor bereits über mehrere Monate hinweg dicht
gewesen war. Diese Beschädigung kann durch die Gartenbaufirma, die
Gerüstfirma oder Dritte fahrlässig oder sogar vorsätzlich verursacht worden sein.
Dass derartige nachträgliche Beschädigungen typischerweise durch mangelhafte
Überwachung der Architekten verursacht werden, kann nicht angenommen
werden.
Da es sich sowohl bei der Frage der Haftung des Beklagten zu 5) als auch bei
derjenigen der Schadensverursachung durch Leckagen des Flachdachs um
individualisierbare und selbständige Teile des Streitgegenstands handelt, konnte
insoweit durch Teilurteil entschieden werden. Die Abgrenzung war anhand der
Schadensaufstellung in der Klageschrift vorzunehmen (vgl. hierzu
Zöller/Vollkommer, 27. Auflage, § 301 Rdn. 4). Im übrigen war durch Grundurteil
die Haftung der Beklagten zu 1) – 3) festzustellen. Wie hoch der durch die
Pflichtverletzungen der Beklagten entstandene Schaden ist, ist in zahlreichen
Punkten (Belegung des Altenheims, Tempo der Sanierung, Einbau von Provisorien
etc.) streitig und muss durch eine umfangreiche Beweisaufnahme geklärt werden.
Der Senat hält es für sachdienlich im Sinne des § 538 II ZPO, diese
Beweisaufnahme vor dem Landgericht durchführen zu lassen. Das Interesse an
endgültiger Erledigung in einer einheitlichen zweiten Instanz überwiegt den Verlust
einer Tatsacheninstanz nicht. Der Senat entspricht daher dem Hilfsantrag der
Beklagten auf Zurückverweisung.
Die Kostenentscheidung folgt wegen der außergerichtlichen Kosten des Beklagten
zu 5) aus § 91 I ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit wegen
dieser Kosten beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Im Übrigen sind
Nebenentscheidungen derzeit nicht veranlasst, sondern dem Schlussurteil
vorbehalten.
Die Zulassung der Revision kam nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des §
543 II ZPO nicht vorliegen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.