Urteil des OLG Frankfurt vom 11.11.2003
OLG Frankfurt: recht zum verkauf, treu und glauben, kündigung, juristische person, charakteristische leistung, beweislast, inverkehrbringen, verbreitungsrecht, form, kunst
1
2
Gericht:
OLG Frankfurt 11.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 U 55/02
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main
vom 24.10.2002 teilweise abgeändert und zur Klarstellung neu
gefasst:
1) Die Beklagte wird verurteilt es bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu
250.000 ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu
vollziehen an ihrem persönlich haftenden Gesellschafter, für jeden Fall der
Zuwiderhandlung zu unterlassen, in Italien erworbene Nachbildungen von A-
Möbelmodellen, und zwar des Sessels B; des dreisitzigen Sofas B, des zweisitzigen
Sofas C, des dreisitzigen Sofas C und des Tisch-Systems D, in ihren
Verkaufsräumen und Schaufenstern, beispielsweise in ihrem Kaufhaus E in O1,
aufzustellen oder aufstellen zu lassen.
2) Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über den Vertriebsweg der
unter Ziff. 1 aufgeführten Möbel zu erteilen, insbesondere Angaben zu machen
über die Menge und Preise der seit dem 27.11.2002 an sie ausgelieferten und von
ihr bestellten Nachbildungen.
3) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden
zu ersetzen, der der Klägerin seit dem 27.11.2002 durch das Aufstellen der unter
Ziff. 1 genannten Nachbildungen entstanden ist oder noch entstehen wird.
4) Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
5) Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
6) Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
7) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird gestattet, die
Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000 €
abzuwenden, wenn nicht die Klägerin in gleicher Höhe Sicherheit leistet, Die
Sicherheiten können durch selbstschuldnerische Bürgschaft eines in Deutschland
als Zoll- oder Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.
8) Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Auf die Feststellungen im Tatbestand des angefochtenen Urteils wird Bezug
genommen, § 540 Abs. 1 Nr.1 ZPO.
Mit ihrer Berufung ergänzt und vertieft die Beklagte ihr Vorbringen: Sie vertritt
zunächst die Auffassung, die Entscheidung des Landgericht sei mangels
Bestimmtheit nicht vollstreckbar. Ferner habe das Landgericht zu Unrecht aus
dem Recht zum Verkauf der streitbefangenen Möbel (droit de vendre), das der
Klägerin im Lizenzvertrag mit den Rechtsnachfolgern von A eingeräumt worden
3
4
5
6
7
8
9
10
Klägerin im Lizenzvertrag mit den Rechtsnachfolgern von A eingeräumt worden
sei, ein umfassendes Recht zum Inverkehrbringen der Möbel i.S.v. § 17 UrhG
abgeleitet. Dies ergebe sich aus dem urheberrechtlichen
Zweckübertragungsgedanken; für den Verkauf von Möbelstücken sei es nicht
erforderlich, diese zu Zwecken der Dekoration in Geschäftsräumen aufzustellen.
Weiter meint die Beklagte, das Merkmal des „Inverkehrbringens“ in § 17 UrhG
setze eine Besitzüberlassung im Sinn des Bürgerlichen Rechts voraus. Ohne diese
liege eine bloße Benutzung des Werkes vor, die urheberrechtlich irrelevant sei.
Auch in den Entscheidungen „Möbelnachbildungen“ und „Zilleball“ des
Kammergerichts habe eine Überlassung des Besitzes im Bürgerlich-rechtlichen
Sinn stattgefunden. Eine gegenteilige Interpretation verwische die Grenzen
zwischen § 17 und § 18 UrhG. Sie führe zudem dazu, dass der Begriff des
Inverkehrbringen in § 17 UrhG anders interpretiert werde als in § 106 UrhG, wo
einhellig ein Gelangen der Werkverkörperung in die Verfügungsgewalt eines Dritten
verlangt werde. Die Verurteilung zu Auskunft und Schadensersatz gehe zu weit, da
ihr vor der Abmahnung durch die Klägerin am 27.11.2002 das erforderliche
Verschulden gefehlt habe.
Ferner stellt die Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin in Abrede. Der
Lizenzvertrag vom 15.11.1996 sei nach dessen Art. 12 Abs. 1 zum 31.12.2001
beendet worden. Es treffe nicht zu, dass dieser Vertrag nach § 12 Abs. 3
stillschweigend verlängert worden sei.
Die Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie behauptet, eine Kündigung des Vertrags vom 15.11.1996 zum 31.12.2002 sei
nicht erfolgt. Der Vertrag habe sich deshalb stillschweigend um weitere 6 Jahre
verlängert und stelle weiterhin die Grundlage für ihre Aktivlegitimation dar.
II. Die zulässige, insbesondere form und fristgerecht erhobene Berufung hat nur zu
einem geringen Teil Erfolg.
1) Bedenken gegen die Zulässigkeit des auf Unterlassung gerichteten
Klageantrags wegen mangelnder Bestimmtheit hat der Senat nicht. Der Antrag
bezeichnet die einzelnen Möbelstücke, auf die er sich bezieht, und er gibt genau
die Verhaltensweisen wieder, die der Beklagten verwehrt sein sollen (Aufstellen in
den Verkaufsräumen und Schaufenstern). 2) Den Unterlassungsanspruch hat das
Landgericht im Ergebnis zu Recht als nach § 97 UrhG i.V.m. § 17 UrhG als
begründet angesehen. a) Die streitbefangenen Möbel genießen in Deutschland als
Werke der angewandten Kunst nach § 2 Abs. 1 Nr.4 UrhG ungeachtet der Tatsache
urheberrechtlichen Schutz, dass sie in Italien rechtmäßig hergestellt und in den
Verkehr gebracht worden sind. Das Gegenseitigkeitserfordernis nach Art. 2. Abs. 2
1. Halbsatz RBÜ für den Bereich der angewandten Kunst steht dem Inlandschutz
nicht entgegen; weil Ursprungsland der Möbel A nicht Italien, sondern Frankreich
und die Schweiz ist (OLG Frankfurt, GRUR 1993, 116). Auch wenn die Herstellung
eines Werkstücks in einem Land erfolgt, in dem der Urheber keinen Schutz
genießt, kann die Verbreitung im Inland (Schutzland) unzulässig sein. Soweit es
um den Schutz im Inland geht, kommt es dabei allein darauf an, ob ein
inländischer Begehungsort gegeben ist (Schricker/Katzenberger, UrhG, 2. Aufl., vor
§§ 120 ff, Rz. 130 ff).
b) Die Klägerin hat aus dem Vertrag vom 16.11.1995 ein Recht zur Verwertung der
streitbefangenen Möbelstücke erworben, das nach seinem Inhalt einem
Verbreitungsrecht i.S.v. § 17 UrhG vergleichbar ist.
Grundlage der Rechtsposition der Klägerin ist der Vertrag vom 16.11.1995
zwischen ihr und der „Fondation A“ als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen
Urhebers. In Art. 1 dieses Vertrags, dessen Inhalt dem Senat aus zahlreichen
urheberrechtlichen Rechtsstreitigkeiten bekannt ist, heißt es: „L‘Auteur cède à
Cassina le droit exclusif de fabriquer, de vendre, dans la monde entier, les
meubles A …“. Der Umfang der hierdurch der Klägerin eingeräumten
Rechtsstellung ist durch Auslegung zu bestimmen, die sich grundsätzlich am
französischen Recht zu orientieren hat. Denn nach der sog. Einheitstheorie, der
der Senat folgt (s. dazu BGH GRUR 1959, 331,333 -Dreigroschenroman; OLG
Frankfurt, GRUR 1998, 141, 142- Mackintosh), ist für die Auslegung von
Urheberrechtsverträgen auch insoweit, als es um die dort getroffenen
Verfügungen (hier: Einräumung von Nutzungsrechten) gebt, das sog.
11
12
13
14
Verfügungen (hier: Einräumung von Nutzungsrechten) gebt, das sog.
Vertragsstatut maßgeblich. Das bedeutet, dass nach Art. 28 Abs 1 EGBGB der
Vertrag dem Recht des Staates unterliegt, mit dem er die engsten Verbindungen
aufweist. Nach Art. 28 Abs.2 Satz 1 EGBGB wird vermutet, dass das der Staat ist,
in dem die Partei, die die für den Vertrag charakteristische Leistung zu erbringen
hat; im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder, wenn
es sich - wie hier - um eine juristische Person handelt, ihre Niederlassung hat. Die
vertragstypische Leistung besteht bei urheberrechtlichen Lizenzverträgen in der
Einräumung des Nutzungsrechts. Diese hatte die „Fondation A“ zu erbringen.
Diese hatte ihren Sitz zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ausweislich des
Vertrags vom 16.11.1995 in Paris. Damit ist ihr die Auslegung des Vertrags
grundsätzlich auf französisches Urheber(vertrags)recht abzustellen. Für das im
Vertrag vom 16.11.1995 der Klägerin eingeräumte „droit de fabriquer“ führt das
zu eindeutigen Ergebnissen. Das „droit de fabriquer“ kommt in Art. 132-1 des
Code de la proprietè intellectuelle (i.F. „CI“) vor; es bezeichnet dort das einem
Verleger eingeräumte Recht, eine Anzahl von Vervielfältigungsstücken des Werkes
herzustellen ("le droit de fabriquer ou de faire fabriquer en nombre de exemplaires
de l`oeuvre“); dazu ist anzumerken, dass nach den Art. 132-1, 112-2 Nr.8 CI auch
Werke der angewandten Kunst Objekt eines solchen Verlagsvertrags (contrat d‘
édition) sein können.
Für das im Vertrag vom 16.11.1995 der Klägerin ebenfalls eingeräumte „droit de
vendre“, dessen Verletzung im vorliegenden Fall allein in Betracht kommt, lässt
sich ein vergleichbarer Befund nicht feststellen. Der CI kennt kein dem § 17 UrhG
vergleichbares Verbreitungsrecht. Zwar ist im Zusammenhang mit dem
Verlagsvertrag in Art. 132-1 CI von „Verbreitung“ (diffusion) die Rede, doch
versteht das Gesetz das nicht als Recht, sondern als Pflicht des Verlegers („a
charge pour elle d`en assurer la publication et la diffusion“). Entsprechend heißt
es in Art. 122-1 CI, das dem Urheber zustehende Verwertungsrecht umfasse das
Darbietungsrecht (droit de représentation) und das Vervielfältigungsrecht (droit de
reproduction); die in Art. 122-2 CI enthaltene Definition der „Darbietung“ zeigt
dann, dass es sich hierbei um Fälle handelt, die nicht der Verbreitung, sondern der
unkörperlichen Wiedergabe eines Werkes i.S.v. 15 Abs. 2 UrhG vergleichbar sind.
Gleichwohl macht die Einräumung eines solchen „droit de vendre“ im Vertrag vom
16.11.1995 einen guten Sinn. Denn die dort begründeten Nutzungsrechte sollten
der Klägerin weltweit (dans le monde entier) zustehen, also auch in solchen
Staaten, deren Urheberrecht dem § 17 UrhG vergleichbare Regelungen enthalten.
Für den urheberrechtlichen Schutz der Klägerin in diesen Staaten war es sinnvoll,
ihr ein - dem französischen Recht nicht bekanntes - „droit de vendre“ neben dem
„droit de fabriquer“ zuzugestehen. Dieser Befund hat nun aber Konsequenzen für
den (geändert: die Red.) Inhalt dieses „droit de vendre“. Es spricht Vieles dafür,
dass es dem - auch nach französischem Recht maßgeblichen (Art. 1156 Code civil)
- Willen der Vertragsparteien am nächsten kommt, den Inhalt dieses Rechts nach
den Vorschriften des Staates zu bestimmen, in dem es geschützt ist und in dem
deshalb auch seine Verletzung in Betracht kommt. Danach ist der Inhalt des „droit
de vendre“ nach den Grundsätzen zu bestimmen, die für das Verbreitungsrecht
gemäß § 17 UrhG gelten.
c) Der Senat muss nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand davon ausgehen,
dass das im Vertrag vom 16.11.1995 begründete Verwertungsrecht fortbesteht.
Zwar ist in Art. 12 Abs.1 dieses Vertrags vorgesehen, dass der Vertrag am
31.12.2001 beendet werden soll. Abweichend davon bestimmt aber § 12 Abs. 3
des Vertrags, dass dieser sich für einen Zeitraum von weiteren sechs Jahren
verlängert, wenn er nicht mit einer Frist von 6 Monaten zum Vertragsende
gekündigt wird. Von einer solchen Verlängerung ist nach dem Vorbringen der
Parteien auszugehen.
Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 29.9.2003 unter Beweisantritt behauptet, der
Vertrag vom 16.11.1995 habe sich um weitere 6 Jahre verlängert, weil er von
keiner Partei in der dort vorgeschriebenen Form gekündigt worden sei. Dieses
Vorbringen kann nicht nach den §§ 525, 296 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen werden.
Zwar hat die Klägerin die Vertragsverlängerung erst nach Ablauf einer hierfür
gemäß den §§ 525, 273 Abs. 2 Nr.1 ZPO gesetzten Frist und damit verspätet
behauptet; denn der Senat hat ihr in Ziff. 1 seines Hinweis- und
Auflagenbeschlusses vom 1.7.2003 nach § 273 Abs. 2 Nr. 1 ZPO eine Frist zur
Erklärung über die Vertragsverlängerung gesetzt, die zunächst am 25.7.2003 und
- nach einer Verlängerung durch den Vorsitzenden des Senats - am 25.8.2003
ablief. Diese Verspätung ist auch nicht genügend entschuldigt; der
15
16
17
ablief. Diese Verspätung ist auch nicht genügend entschuldigt; der
Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat vielmehr in der mündlichen Verhandlung
eingeräumt, dass Ziff. 1 des Beschlusses vom 1.7.2001 in seiner Kanzlei
übersehen worden sei. Das verspätete Vorbringen ist aber zu berücksichtigen, weil
seine Zulassung die Erledigung des Rechtstreits nicht verzögert. Dies wäre nur
dann anzunehmen, wenn seine Berücksichtigung die Einvernahme des von der
Klägerin ihr die Richtigkeit ihrer verspätet erhobenen Behauptung benannten
Zeugen erforderlich machen würde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Beklagte hat
zwar die Behauptung der Klägerin im Schriftsatz vom 29.9.2003 bestritten; sie hat
aber für die Beendigung des Vertrags vom 15.11.1996 keinen Beweis angetreten.
Dies hätte sie aber tun müssen, da sie grundsätzlich die Darlegungs- und
Beweislast für die Kündigung des Vertrags und damit für den Wegfall der
Aktivlegitimation der Klägerin trägt (aa); die Klägerin trifft zwar insoweit nach Treu
und Glauben eine Pflicht zum substantiierten Bestreiten ("sekundäre
Darlegungslast“, bb), die aber an der Verteilung der Beweisführungslast nichts zu
ändern vermag (cc).
aa) Die Kündigung des Vertrags vom 15.11.1996 ist eine rechtsvernichtende
Tatsache, weil ihr Vorliegen bewirken würde, dass die Klägerin die
urheberrechtlichen Nutzungsrechte, die sie aus dem Vertrag erworben hat,
nachträglich verlieren würde. Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen
Voraussetzungen solcher rechtsvernichtenden Tatbestandsmerkmale trägt
derjenige, der das (Fort-)Bestehen eines unstreitig begründeten Rechts leugnet
(BGH NJW 1986, 2426, 2427 mwN). Freilich könnte erwogen werden, nicht die
Kündigung des Vertrags als rechtsvernichtende, sondern das Unterbleiben dieser
Kündigung als rechtserhaltende Tatsache anzusehen, für die dann die Klägerin die
Darlegungs- und Beweislast zu tragen hätte. Doch erscheint eine solche Sicht
zweifelhaft. In den Fällen, in denen sich die rechtsvernichtende oder -erhaltende
Tatsache aus dem Gesetz ergibt, lässt dieses häufig durch seine Formulierung
erkennen, wem die Darlegungs- und Beweislast zugewiesen werden soll. So legen
Formulierungen wie „es sei denn, dass“, „wenn nicht“, „gilt nicht wenn“, „ist
ausgeschlossen, wenn“ die Annahme nahe, dass eine rechtshindernde oder -
vernichtende Einwendung gemeint ist (s. dazu
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., 2003, Anh. § 286, Rz. 13).
In ähnlicher Weise stellt hier Art. 12 Abs. 3 des Vertrags vom 15.11.1996 klar, dass
die Parteien die stillschweigende Verlängerung als den Regelfall; die Kündigung als
den Ausnahmefall angesehen haben: Die Verlängerung tritt nämlich ohne weiteres
ein (par tacite reconduction), die Beendigung steht unter dem Vorbehalt einer
ausdrücklichen und in der Form des Einschreibens zu erklärenden Kündigung (sauf
dénonciation … par lettre recomandée). Für eine (primäre) Darlegungs- und
Beweislast der Beklagten spricht schließlich auch die Parallele zur Rechtslage bei §
545 BGB (= § 568 BGB a.F.), wo es ebenso wie im vorliegenden Fall um die Frage
geht, wer im Fall einer möglichen stillschweigenden Vertragsverlängerung, die aber
durch Erklärung einer Partei verhindert werden kann, die Darlegungs- und
Beweislast für das Vorliegen einer solchen Erklärung trägt. Nach allgemeiner
Auffassung ist dies die Partei, die die stillschweigende Verlängerung des
Vertragsverhältnisses bestreitet (s. dazu Baumgärtel, Handbuch der Beweislast,
Bd. 1, 2. Aufl. § 568 Rz. und Fn. 2, 3 mit zahlreichen Nachweisen aus Rspr. und
Lit.).
bb) Die Klägerin war hier allerdings gehalten, zur Frage der (unterbliebenen)
Kündigung substantiiert vorzutragen. Ein solches substantiiertes Vorbringen kann
von der primär nicht darlegungs- und beweisbelasteten Partei darin gefordert
werden, wenn ein solches Vorbringen der „primär“ ‘darlegungsbelasteten Partei
nicht möglich oder zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen
Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (BGH NJW
1987, 2008, 2009). Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die
darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr vorzutragenden
Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen
besitzt (BGH NJW 1990, 3151, 3152; BGHZ 140, 156, 156). So verhält es sich hier.
Bei der Frage, ob der Lizenzvertrag zwischen der Klägerin und den
Rechtsnachfolgern A gekündigt worden ist, handelt es sich um ein Internum
zwischen den Parteien dieses Vertrags, von dem die Beklagte als Außenstehende
keine Kenntnis haben kann. Darum war es Sache der Klägerin, hierzu
(substantiiert) vorzutragen.
cc) Allerdings entspricht es allgemeiner Ansicht, dass in den oben bb)
angesprochenen Fällen einer „sekundären Darlegungslast“ die Beweis- und
Beweisführungslast bei der „primär“ darlegungsbelasteten Partei verbleibt (s. dazu
18
19
20
21
Beweisführungslast bei der „primär“ darlegungsbelasteten Partei verbleibt (s. dazu
etwa Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., 2003, Vor § 284, Rz.34; Thomas/Putzo/Reichold,
ZPO, 24. Aufl., 2002; Vorbem. § 284, Rz.18): Hat die „sekundär“
darlegungsbelastete Partei so substantiiert vorgetragen, dass es nunmehr der
„primär“ darlegungs- und beweisbelasteten Partei möglich und zumutbar ist,
Beweis anzutreten, so ist es auch ihre Sache, dies nunmehr zu tun. So verhält es
sich auch im vorliegenden Fall. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 29.9.2003
vorgetragen, dass eine Kündigung unterblieben sei, und als Person, die dies
bezeugen kann, den Präsidenten der „Fondation A“, also das Organ einer der
Beteiligten des Vertrags vom 15.11.1996, benannt. Nunmehr war es der Beklagten
möglich und zumutbar, ihrerseits durch Benennung dieser Person als Zeugen
Beweis anzutreten. Der Senat hat darum auch im Termin zur mündlichen
Verhandlung den Prozessbevollmächtigten der Beklagten, nachdem dieser das
Vorbringen der Klägerin bestritten hatte, befragt, ob darüber hinaus noch weitere
Erklärungen abgegeben werden sollten. In dieser Situation wäre es Sache der
Beklagten gewesen, entweder Beweis anzutreten oder, falls ihr eine Erklärung zu
dem Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 29.9.2003 nicht möglich war,
einen Antrag auf Schriftsatznachlass gemäß § 283 ZPO zu stellen.
d) Ist dem „droit de vendre“ ein dem Verbreitungsrecht i.S.v. § 17 UrhG
vergleichbarer Schutzbereich zuzuweisen, so hat die Beklagte dieses Recht durch
das Aufstellen der streitbefangenen Möbel in ihren Geschäftsräumen
widerrechtlich verletzt.
Verbreitungsrecht ist das Recht, das Original oder - mit oder ohne Zustimmung
des Rechtsinhabers hergestellte (vgl. Ulmer aaO.) - Vervielfältigungsstücke des
Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen. Inverkehrbringen
im Sinne von § 17 Abs. 1 UrhG ist jede Handlung, durch die Werkstücke aus der
internen Betriebssphäre der Öffentlichkeit zugeführt werden. Ausreichend ist die
Überlassung an Dritte, mit denen keine persönliche Verbundenheit besteht. Eine
Veräußerung ist nicht erforderlich. Jede Besitzüberlassung, insbesondere das
Vermieten. oder Verleihen von Werkstücken (Schricker/Löwenheim, Urherberrecht,
2. Auflage, § 17 Rn 12 m.w,N.), aber auch jedes sonstige zur Verfügung Stellen
reicht aus (Möhring/Nicolini/Kroitzsch, Urheberrecht, 2. Auflage, §17 Rn. 21). Eine
dauerhafte Besitzübertragung bzw. Besitzerlangung im Sinne von §§ 854 ff. BGB
ist nicht zwingend Voraussetzung für ein Inverkehrbringen i. Sinne von § 17 Abs. 1
UrhG (vgl. Fromm/Nordemann/Vinck, UrhG 8. Aufl. Rn. 3). Ein Inverkehrbringen von
Werkstücken und damit ein Eingriff in das Verwertungsrecht ist bejaht worden,
wenn von einem Konzertveranstalter an die Musiker Noten verteilt und nach dem
Konzert wieder eingesammelt werden, (BGH GRUR 1972, 141 -
Konzernveranstalter), bei unberechtigter Verwendung von Bild-Reproduktionen als
Balldekoration (KG Schulze KGZ 56 - Zilleball) oder bei der Ausstattung von
Hotelzimmern und sonstigen Räumlichkeiten eines Hotels, die der
gemeinschaftlichen Nutzung durch Gäste dienen, mit Nachbildungen
urheberrechtlich geschützter Möbel (KG GRUR 1996, 968 - Möbelnachbildungen).
Die Entscheidung des Kammergerichts wird im Schrifttum - soweit ersichtlich
einhellig - als Beispielsfall für das Inverkehrbringen von Werkstücken angeführt
(Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl. Rn. 4; Kroitzsch aaO. Rn. 19;
Schricker/Loewenheim aaO, Rn. 12 jeweils zu § 17 UrhG).
Der Begriff der zum Inverkehrbringen gehörenden Überlassung oder
Zurverfügungstellung eines Werkstückes darf nicht eng ausgelegt werden.
Entscheidend ist das Schutzziel des Urheberrechts (vgl. KG aaO.). Der wichtigste
Grundgedanke bei der Ausgestaltung der Verwertungsrechte, der auch für ihre
Auslegung maßgeblich sein muss, ist der Grundsatz der tunlichst angemessenen
Beteiligung des Urhebers an dem wirtschaftlichen Nutzen, der aus seinem Werk
gezogen wird (Schricker/von Ungern-Sternberg aaO. § 15 Rn. 6). Der Urheber soll
möglichst umfassend an jedem neuen Verwertungsvorgang teilhaben, der eine
neue gewerbliche Ausbeutung mit sich bringt, ohne dass es auf eine unmittelbare
wirtschaftliche Nutzziehung ankäme (Schricker/von Ungern-Sternberg aaO.). Er
hat gemäß § 15 UrhG das ausschließliche und umfassende Recht sein Werk in
körperlicher Form zu verwerten.
Daher hat es das Kammergericht (aaO.) für unerheblich gehalten, ob den
Hotelgästen an den Nachbildungen Besitz im Sinne des Bürgerlichen Rechts
überlassen wird, oder ob es dich vielmehr um eine rein faktische Überlassung
handelt, indem die Sitzmöbel den Gästen zum „Be-Sitzen“ überlassen werden.
Eine körperliche Verwertung liegt schon darin, dass ein Dritter das Werk für seine
eigenen (gewerblichen) Zwecke nutzt und dabei aus der Sphäre des Privaten in die
22
23
24
25
26
27
eigenen (gewerblichen) Zwecke nutzt und dabei aus der Sphäre des Privaten in die
Öffentlichkeit bringt, indem er es ihr zum kurzfristigen Gebrauch überlässt. Denn
es liefe dem Schutzzweck der §§ 15 ff. UrhG zuwider, wenn über den Kopf des
Berechtigten hinweg ohne dessen Beteiligung die schöpferische Leistung durch
Gebrauchsüberlassung der Nachbildungen an die Allgemeinheit ausgenutzt
werden dürfte, wenn damit zugleich ein Gewinn an Prestige und die Möglichkeit
entsprechend gehobener Preisgestaltung einhergeht (so KG aaO.).
Dem folgt der Senat auch für den zu entscheidenden Fall. Die Beklagte hat in ihren
Geschäftsräumen einen allgemeinen Verkehr eröffnet und damit die Werkstücke
aus der internen Betriebssphäre heraus der Öffentlichkeit zugeführt. Wie schon
das Landgericht zu Recht betont hat gehört die Bereitstellung von möblierten
Ruhezonen insbesondere vor Umkleidekabinen heute zu dem Standard, den
Kunden von Geschäften zumindest der gehobenen Kategorie erwarten. Die
Beklagte nutzt die Stücke nicht nur, um ihren Kunden eine besondere
Annehmlichkeit zu bieten, sondern auch, um damit eine Atmosphäre des
Besonderen und Exklusiven zu erzeugen. Andernfalls bräuchte sie zur Ausstattung
ihres Ladenlokals nicht auf die - im Inland als Werke der angewandten Kunst
anerkannten und geschützten - Modelle A zurückgreifen, sondern könnte sich mit
beliebigen „Allerweltsmöbeln“ begnügen.
Die Beklagte stellt aber nicht irgendwelche Sitzmöglichkeiten zur Verfügung,
sondern greift bewusst auf die prestigeträchtigen und im Original der gehobenen
Preisgruppe zuzurechnenden Möbelstücke der …-Serie zurück, um deren Prestige
und Wertschätzung auszunutzen und gleichsam auf ihr Geschäft zu übertragen.
Damit nutzt sie die Werkstücke in ihrem zumindest mittelbaren wirtschaftlichen
Interesse.
Bei dieser Nutzungsintensität ist von einem Eingriff in das umfassende
Verwertungsrecht des Urhebers auszugehen. Der Fall liegt nicht anderes als die
Verwendung urheberrechtlich geschützter Werkstücke zur Dekoration eines
Ballsaales (KG Schulze KGZ Nr. 56 mit Anm. von Gerstenberg), oder die
Ausstattung von den Gästen zugänglichen Räumlichkeiten eines Hotels mit
Nachbildungen urheberrechtlich geschützter Möbelmodelle. Unerheblich ist, das
der flüchtige Besitz -allenfalls um einen solchen wird es sich handeln, wenn ein
einzelner Kunde die Möbel zum Niedersetzen nutzt - keinen Besitz im Sinne von §
854 ff. BGB begründet. Es wäre ein nicht gerechtfertigter Formalismus, die Rechte
des Urhebers allein davon abhängig zu machen, ob im Rahmen einer kurzfristigen
Gebrauchsüberlassung Besitz im bürgerlichrechtlichen Sinn begründet wird.
Abzustellen ist in diesen Fällen nicht auf die Kurzfristigkeit der jeweils einzelnen
Gebrauchsüberlassung, sondern darauf, dass wiederholte Gebrauchsüberlassung
an eine Vielzahl von Personen beabsichtigt sind. Entscheidend ist, dass die
Sitzmöbel auf Dauer einer beliebigen Zahl unbekannter Kunden, die die
Geschäftsräumlichkeiten betreten, zur Nutzung angeboten und überlassen werden
sollen. Die Intensität der beabsichtigten, wiederholten Gebrauchsüberlassung
übersteigt die Nutzung, die mit einer - nur vorübergehenden - Besitzübertragung
verbunden sein kann. Damit wird das Werk einem unbestimmten Personenkreis zu
nicht lediglich privaten Zwecken zugänglich gemacht.
2) Der Anspruch auf Schadensersatz, den die Klägerin zulässigerweise im Wege
der Feststellungsklage geltend macht, ist teilweise begründet. Dass und warum die
Beklagte durch das Aufstellen der streitbefangenen Möbel in ihren
Geschäftsräumen das Verbreitungsrecht der Klägerin verletzt hat, wurde bereits
ausgeführt. Seit dem Zugang der Abmahnung am 27.11.2002 der Klägerin weiß
sie auch um die Widerrechtlichkeit ihres Verhaltens, so dass dieses ihr zum
Verschulden gereicht; für den Zeitraum vor dem Zugang der Abmahnung vermag
der Senat dagegen Anhaltspunkte für ein Verschulden der Beklagten nicht
festzustellen, so das die auf Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht vor diesem
Zeitpunkt gerichtete Klage abzuweisen ist. Die Klägerin hat auch einen Schaden
zumindest in Höhe der ihr entgangenen Lizenzgebühr erlitten.
3) Der Auskunftsanspruch folgt für den Zeitraum, in dem eine
Schadensersatzpflicht der Beklagten in Betracht kommt, aus § 101 a UrhG.
4) Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 1, 711 ZPO. Die Revision
war nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) zuzulassen, weil die Frage nach der Bedeutung
einer Besitzüberlassung für der Begriff des „Inverkehrbringens“ i.S.v. §17 UrhG
bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist .
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.