Urteil des OLG Frankfurt vom 20.12.2007
OLG Frankfurt: grundsatz der freien beweiswürdigung, culpa in contrahendo, aktiengesellschaft, beratung, begriff, anwaltskosten, ausnahme, sammlung, gesellschafter, beweislast
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Gericht:
OLG Frankfurt 24.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
24 U 98/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 276 BGB, Art 103 Abs 1 GG,
Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3
GG
Schadensersatz wegen der Verletzung von
Beratungspflichten im Zusammenhang mit der
Kapitalanlage in einer atypischen stillen Beteiligung
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts
Darmstadt vom 25.05.2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von
110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Beklagte
vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
1. Der Beklagte befasst sich mit der Beratung von Anlegern und der Vermittlung
von Versicherungen und Geldanlagen. Der Kläger war seit Jahren sein Kunde. Nach
Beratungsgesprächen mit dem Beklagten zeichnete der Kläger im Zeitraum
November 1996 bis November 2000 atypisch stille Beteiligungen als
Gesellschafter der A-Aktiengesellschaft, der B Aktiengesellschaft und der C
Aktiengesellschaft.
Nachdem sich die Beteiligungen wirtschaftlich ungünstig entwickelt haben, nimmt
der Kläger den Beklagten unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von
Beratungspflichten auf Schadensersatz in Anspruch.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der von ihm getroffenen
tatsächlichen Feststellungen und der seine Entscheidung tragenden Gründe wird
auf das Urteil vom 25.05.2007 Bezug genommen.
Mit der Berufung trägt der Kläger vor, er habe gegenüber dem Beklagten zum
Ausdruck gebracht, finanziell für sein Alter vorsorgen zu wollen. Der Beklagte habe
ihn nach seinen wirtschaftlichen Vorkenntnissen, seinen Anlageinteressen und
dem Maß seiner Risikobereitschaft nicht gefragt, auch nicht über die Risiken der –
unstreitig vom Beklagten empfohlenen – Anlagen informiert, insbesondere nicht
über die Folgen von Entnahmen und den Begriff der Verlustzuweisung aufgeklärt.
Vor Unterzeichnung der Beitrittserklärungen habe der Beklagte dem Kläger keine
Prospekte überlassen. Eigene vertiefte Kenntnisse des Charakters der Anlagen
habe der Beklagte nicht gehabt.
Der Kläger beantragt,
A. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Darmstadt vom 25.05.2007,
Az.: 3 O 133/06 wird der Beklagte und Berufungsbeklagte verurteilt,
1. wegen der Beteiligung Nr. ... an der D GmbH & Co. KGaA und der
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1. wegen der Beteiligung Nr. ... an der D GmbH & Co. KGaA und der
Beteiligungen Nr. ... und ... an der B AG (B AG) an den Kläger € 24.695,40 zu
zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 6 % p. a. vom 16.11.1996 bis zum
22.01.2007 sowie weiterer Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz p. a. seit dem 22.01.2007 zu zahlen, abzüglich von der B AG am
07.11.2006 gezahlter € 1.702,61 und weiterer am 04.04.2007 gezahlter € 270,47;
2. wegen der Beteiligung an der C AG (C AG) Nr. ... an den Kläger weitere €
15.338,76 nebst Zinsen in Höhe von 6 % p. a. vom 02.12.2000 bis zum
22.01.2007 sowie weitere Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 22.01.2007 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit wegen der Zahlungen der B AG in
Höhe von € 1.702,61 vom 07.11.2006 und in Höhe von € 270,47 am 04.04.2007
hinsichtlich des ursprünglichen Antrags zu 1) teilweise erledigt ist.
4. Der Beklagte wird weiterhin verurteilt, an den Kläger als weitere
Nebenforderung einen Betrag von € 2.056,91 vorgerichtliche Kosten zu zahlen.
B. Hilfsweise zu A. beantragt der Kläger:
Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Darmstadt vom 25.05.2007,
A.: 3 O 133/06 wird der Beklagte und Berufungsbeklagte verurteilt,
1. wegen der Beteiligung Nr. ... an der D GmbH & Co. KGaA und der
Beteiligungen Nr. ... und ... an der B AG (B AG) an den Kläger € 24.695,40 zu
zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 6 % p. a. vom 16.11.1996 bis zum
22.01.2007 sowie weiterer Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz p. a. seit dem 22.01.2007 zu zahlen, abzüglich von der B AG am
07.11.2006 gezahlter € 1.702,61 und weiterer am 04.04.2007 gezahlter € 270,47,
Zug um Zug gegen die schriftliche Zustimmung des Klägers auf Übertragung
der Ansprüche aus der Beteiligung Nr. ... an der D GmbH & Co. KGaA und den
Beteiligungen Nr. ... und ... an der B AG nebst Folgeansprüchen, mit Ausnahme
der Ansprüche des Klägers auf Ersatz dem Kläger zur Last gefallenen Verfahrens-
und Anwaltskosten der Rechtsverfolgung gegen diese Gesellschaften;
2. wegen der Beteiligung an der C AG (C AG) Nr. ... an den Kläger weitere €
15.338,76 nebst Zinsen in Höhe von 6 % p. a. vom 02.12.2000 bis zum
22.01.2007 sowie weiterer Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 22.01.2007 zu zahlen,
Zug um Zug gegen die schriftliche Zustimmung des Klägers auf Übertragung
der Ansprüche aus der Beteiligung Nr. ... an der C AG nebst Folgeansprüchen, mit
Ausnahme der Ansprüche des Klägers auf Ersatz dem Kläger zur Last gefallenen
Verfahrens- und Anwaltskosten der Rechtsverfolgung gegen diese Gesellschaften;
3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte sich mit der Annahme der
Gegenleistungen im Verzug befindet.
4. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit wegen der Zahlungen der B AG in
Höhe von € 1.702,61 vom 07.11.2006 und in Höhe von € 270,47 am 04.04.2007
hinsichtlich des ursprünglichen Antrags zu 1) teilweise erledigt ist.
5. Der Beklagte wird weiterhin verurteilt, an den Kläger als weitere
Nebenforderung einen Betrag von € 2.056,91 vorgerichtliche Kosten zu zahlen.
Weiterhin wird beantragt,
im Falle einer den Kläger beschwerenden Entscheidung die Revision zuzulassen
nach § 543 Abs. 2 ZPO.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Er trägt vor, das Anlageziel des Klägers sei von diesem in erster Linie mit dem
Wunsch umschrieben worden, Steuern zu sparen, nur am Rande sei es ihm auch
um Alterssicherung gegangen. Im Verlaufe einer Vielzahl von Gesprächen sei der
Kläger umfassend beraten, nach seinen Kenntnissen und dem Maß seiner
Risikobereitschaft gefragt worden. Der Beklagte habe den Kläger auf die Risiken
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Risikobereitschaft gefragt worden. Der Beklagte habe den Kläger auf die Risiken
der später gezeichneten Anlagen, insbesondere auf das Risiko des völligen
Verlusts des eingesetzten Kapitals hingewiesen. Er habe den Begriff der
steuerlichen Verlustzuweisung ebenso erklärt wie die Mechanismen der Entnahme.
Eine vom Beklagten angelegte Sammlung positiver und negativer
Berichterstattung über die E-Gruppe sei dem Kläger vorgelegt worden. Die
Emissionsprospekte seien stets vor Vertragsschluss übergeben worden. Bei
Vertragsschluss habe der Beklagte mit dem Kläger den Inhalt der
Zeichnungsscheine noch einmal im Einzelnen besprochen.
Wegen des zweitinstanzlichen Parteivortrages im Einzelnen wird auf die vor dem
Oberlandesgericht gewechselten Schriftsätze verwiesen.
2. Die Berufung ist unbegründet. Der Kläger kann keinen Schadensersatz wegen
der Verletzung von Beratungspflichten im Zusammenhang mit der Abgabe der
hier umstrittenen Beitrittserklärungen verlangen.
a) Wie in zweiter Instanz nicht mehr umstritten ist, hatte der Beklagte über die
bloße Vermittlung der Anlagen hinaus die Beratung des Klägers übernommen.
Damit hatte er es übernommen, den Kläger über alle für seine
Anlageentscheidungen wesentlichen Umstände aufzuklären, in diesem Rahmen
die Anlageziele des Klägers, das Maß seiner Bereitschaft zur Übernahme von
Risiken und den Umfang seines Fachwissens abzuklären. Auf dieser Grundlage
musste er den Kläger über die Chancen und – insbesondere – Risiken der Anlage
richtig und vollständig informieren.
Unter den vorliegend gegebenen Umständen waren hierbei von besonderer
Bedeutung der Wissensstand des Klägers über Anlagegeschäfte der vorgesehenen
Art, dessen Anlageziel und Risikobereitschaft in der Abgrenzung der Vorstellung
von einer sicheren Geldanlage einerseits, spekulativer Geschäfte andererseits. Auf
dieser Grundlage hatte der Beklagte nicht nur auf die allgemeinen Risiken jeder
Geldanlage – Konjunkturlage, Marktentwicklung – einzugehen, sondern auch auf
die speziellen Risiken, die sich aus den individuellen Gegebenheiten der ins Spiel
gebrachten Anlageobjekte ergaben; für die in Rede stehenden Beteiligungen als
atypisch stiller Gesellschafter waren dies vor allem die Möglichkeit eines
Totalverlusts der Anlage, etwaige Nachschusspflichten, insbesondere nach
Entnahmen, der Charakter der Anlagen als unternehmerische Beteiligung in
Abgrenzung zu mündelsicheren Anlagen.
b) Der Beweis der Tatsachen, die im umschriebenen Sinne den Schluss auf die
Verletzung von Beratungspflichten des Beklagten tragen könnten, ist dem Kläger
nicht gelungen. Damit können – da der unstreitige Sachverhalt den Schluss auf die
Verletzung von Beratungspflichten nicht erlaubt – die tatsächlichen
Voraussetzungen eines vertraglichen Schadensersatzanspruches nicht festgestellt
werden, schon gar nicht die eines – an vorsätzliche Irreführung anknüpfenden –
deliktischen Ersatzanspruches.
Derjenige, der eine Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung behauptet, trägt
die Beweislast für die tatsächliche Richtigkeit dieser Behauptung. Die mit dieser
Obliegenheit regelmäßig verbundenen Schwierigkeiten im Nachweis negativer
Tatsachen sind im Zivilprozess dadurch auszugleichen, dass die andere Partei die
behaupteten Aufklärungs- und Beratungsversäumnisse substantiiert zu bestreiten
und darzulegen hat, wie im Einzelnen beraten oder aufgeklärt worden sein soll.
Dann – erst – obliegt dem Anspruchsteller der – letztendliche – Nachweis, dass
diese Darstellung der anderen Partei nicht zutreffe (BGHZ 126, 217; 166, 56).
c) Der Beweis der Tatsachen, die den Schluss auf die Verletzung von Aufklärungs-
und Beratungspflichten im vertraglichen Verhältnis der Parteien rechtfertigen
würden, insbesondere der Beweis der Richtigkeit der Behauptungen, der Beklagte
habe den Kläger nicht nach Vorkenntnissen, Anlageinteressen und dem Maß
seiner Risikobereitschaft gefragt, habe in der Empfehlung von Anlagen zur
unternehmerischen Beteiligung den Wunsch des Klägers, in erster Linie für sein
Alter finanziell vorzusorgen, missachtet, habe den Kläger nicht über etwaige
Nachschusspflichten vor allem im Zusammenhang mit Entnahmen und die
Voraussetzungen von Verlustzuweisungen aufgeklärt, ist dem Kläger nicht
gelungen. Nachdem der Beklagte vorgetragen hatte, dem Kläger sei es nach dem
von ihm Geäußerten in erster Linie auf Möglichkeiten zur Steuerersparnis, nur am
Rande auf Altersvorsorge angekommen, nachdem der Beklagte weiter
vorgetragen hatte, er habe den Kläger umfassend beraten, nach Vorkenntnissen
und Risikobereitschaft gefragt, auf Risiken und insbesondere das Risiko des
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und Risikobereitschaft gefragt, auf Risiken und insbesondere das Risiko des
völligen Verlusts des eingesetzten Kapitals hingewiesen, Mechanismen der
Entnahme und die Voraussetzungen von Verlustzuweisungen dargestellt und in
der Presse geäußerte Bedenken gegen die Zuverlässigkeit – das Geschäftsmodell
– der E-Gruppe anhand einer selbst angelegten Sammlung von Dokumenten
offengelegt, wäre es Sache des Klägers gewesen, nachzuweisen, dass diese
(Gegen-)Darstellung des Beklagten nicht zutreffe; diesen Nachweis aber hat der
Kläger nicht geführt.
d) Das Landgericht hat in der Beweisaufnahme keine Erkenntnisse dafür gewinnen
können, dass der Beklagte sich Versäumnisse in der Aufklärung und Beratung des
Klägers hätte zuschulden kommen lassen, dass er den Kläger im Sinne der von
diesem aufgestellten Behauptungen falsch oder unzureichend beraten hätte.
Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder – soweit es der Rahmen des
Sachvortrages und der Beweisangebote des Klägers zulässt – Vollständigkeit der
entscheidungserheblichen Feststellungen des Landgerichts begründen könnten,
sind nicht aufgetaucht. Was die Grundlegung der Beratung, die Erforschung der
Vorkenntnisse, des Maßes an Risikobereitschaft, die konkreten Anlageinteressen
des Klägers angeht, kann das Berufungsgericht den Ergebnissen der
Beweisaufnahme ebenso wenig wie das Landgericht etwas dafür entnehmen, der
Beklagte habe sich hier Versäumnisse zuschulden kommen lassen. Seine
Darstellung ist in der Vernehmung der vom Kläger hierzu benannten Zeugin Z1
nicht widerlegt worden. Wie das Landgericht kann auch das Berufungsgericht ihrer
Aussage nicht entnehmen, der Beklagte habe über diese Dinge nicht im Einzelnen
mit dem Kläger gesprochen, und der Kläger habe sein Anlageinteresse nicht
vorrangig mit dem Wunsch umschrieben, Steuern zu sparen.
Wenn das Landgericht der von ihm im Einzelnen und mit unmittelbar
einleuchtenden Erwägungen auf ihre Glaubwürdigkeit untersuchten Aussage im
Gegenteil sogar entnommen hat, der Beklagte habe den Kläger mehrfach über
das Risiko des Totalverlusts des eingesetzten Geldes aufgeklärt, dann gibt dies
nicht nur einen mittelbaren Hinweis darauf, dass die Anlageinteressen des Klägers
und das Maß seiner Risikobereitschaft Gegenstand der Aufklärungsgespräche
waren. Es spricht auch stark gegen die Richtigkeit der Darstellung des Klägers,
wäre nach solchen Hinweisen doch bei einem in erster Linie an einer sicheren
Anlage zur Altersvorsorge interessierten, nicht oder wenig risikobereiten Anleger
nicht erklärlich, wie es dennoch zur Zeichnung der umstrittenen Anteile hätte
kommen können. Der Hinweis auf das Risiko eines Totalverlusts lässt sich kaum
denken, ohne dass mit diesem Hinweis das Maß an Risikobereitschaft des
Anlegers für beide Beteiligte greifbar im Raume stand.
Hilfstatsachen, welche – ebenfalls – sogar positiv dafür sprechen, dass der Kläger
durchaus Willens war, Risiken einzugehen, ergeben sich auch daraus, dass
zumindest einer der beim Beklagten gezeichneten Anlagen das Risiko gleichsam
auf der Stirn geschrieben stand, handelte es sich doch um eine Anlage, die das
Wagnis schon im Namen trug, nämlich die Anlage bei der C Aktiengesellschaft mit
dem an erster Stelle herausgehobenen Hinweis auf das Ziel der Bereitstellung von
Wagniskapital und der Investition in Aktien der C. In dieselbe Richtung deutet es,
dass der Kläger auch zuvor schon Geld in Anteile angelegt hatte, welche nicht
greifbar mündelsicher waren; hierzu wird auf die Anlagen 1 bis 3 zum Schriftsatz
vom 02.11.2006 verwiesen. Aber dies bedarf keiner Vertiefung, da – wie ausgeführt
– nicht dem Beklagten der Beweis dessen obliegt, der Kläger habe sich ihm als
risikobereit dargestellt, vielmehr dem Kläger der Beweis dessen, dies sei entgegen
der Darstellung des Beklagten nicht der Fall gewesen.
Mit dem Landgericht kann das Berufungsgericht der Aussage der Zeugin Z1 auch
nichts dafür entnehmen, dass der Beklagte nicht auf insbesondere mit Entnahmen
verbundene etwaige Nachschusspflichten und die Voraussetzungen steuerlicher
Verlustzuweisungen hingewiesen habe. Im Gegenteil spricht die Aussage der
Zeugin Z1 sogar – auf das soeben zur Beweislast Ausgeführte sei verwiesen –
stark dafür, dass der Beklagte den Kläger nicht nur in einer großen Zahl von
Gesprächen („ca. 20 Mal“) beraten und mit ihm die besonders wichtigen Aspekte
nicht nur des Charakters der Anlagen als risikobehaftete Unternehmensbeteiligung
und die Möglichkeit von Nachschusspflichten besprochen habe, sondern dass auch
der Begriff der steuerlichen Verlustzuweisung Gegenstand der Beratung gewesen
sei.
Schließlich sieht das Berufungsgericht – wie das Landgericht – auch nicht als
erwiesen an, dass der Beklagte dem Kläger nicht über in der Presse geäußerte
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erwiesen an, dass der Beklagte dem Kläger nicht über in der Presse geäußerte
Bedenken gegen das Geschäftsmodell der E-Gruppe informiert, ihm die
„Negativberichterstattung“ anders als vom Beklagten behauptet verschwiegen
habe: Dazu hat die Zeugin sich im Gegenteil ausführlich im Sinne einer
Bestätigung des Beklagtenvortrages geäußert.
e) Der zweitinstanzliche Vortrag des Klägers über eine „Parteinähe“ der Zeugin
gebietet eine Vernehmung der hierzu nunmehr benannten Zeugen nicht. Selbst
wenn sich ergäbe, dass die Zeugin Z1 entgegen dem, was das Landgericht seiner
Würdigung der Aussage als glaubhaft unter anderem zugrunde gelegt hat, nach
wie vor für den Beklagten tätig wäre, dann würde daraus doch nichts dafür folgen,
dass die Unrichtigkeit der tatbestandlichen Darstellung des Beklagten falsch, die
des Klägers richtig wäre. Denn die Aussage der Zeugin Z1 gibt schon inhaltlich
nichts für die Richtigkeit des Klägervortrages, nichts für den dem Kläger
obliegenden Nachweis dessen her, die Darstellung des Beklagten sei nicht richtig.
Die Vollständigkeit der tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil ist
auch nicht unter dem Gesichtspunkt in Frage gestellt, dass das Landgericht den
Kläger als Partei hätte vernehmen müssen. Insbesondere hat es den aus Art. 6
Abs. 1 EMRK herzuleitenden Grundsatz der Waffengleichheit nicht verletzt, als es
eine in der Sphäre des Beklagten tätige Zeugin, nicht aber den Kläger selbst
vernommen hat. Einmal abgesehen davon, dass der Kläger selbst diese Zeugin
benannt hat, zielt dieser auch im deutschen Recht im Anspruch auf Gewährung
rechtlichen Gehörs – Art. 103 Abs. 1 GG – und dem Recht auf Gewährleistung
eines fairen Prozesses und eines wirkungsvollen Rechtsschutzes – Art. 2 Abs. 1, 20
Abs. 3 GG – fundierte Grundsatz nicht auf bestimmte Förmlichkeiten, vielmehr auf
Inhalte ab. Den Inhalten aber wurde im landgerichtlichen Verfahren dadurch
umfassend Rechnung getragen, dass der Kläger ausführlich persönlich angehört
wurde, wie es im Sitzungsprotokoll vom 01.12.2006 anschaulich dokumentiert ist.
Eine förmliche Parteivernehmung hätte dem Kläger keine bessere Aussicht auf
Gehör geboten. Denn das Landgericht hatte ohnehin – und so wird es aus seinen
sorgfältigen Ausführungen zur Beweiswürdigung auch deutlich – den Inbegriff der
Verhandlungen und das Ergebnis der Beweisaufnahme im Ganzen zu würdigen,
wäre auch nicht gehindert gewesen, dem Kläger allein schon nach dem Inhalt
seiner formlosen Ausführungen (§ 141 ZPO) mehr zu glauben als der Zeugin Z1
oder dem Beklagten, wenn es dafür Gründe gesehen hätte. Dies folgt aus dem
Grundsatz der freien Beweiswürdigung.
Auch das Berufungsgericht hat solche Gründe nicht gefunden; irgendein
Anhaltspunkt, der es erlaubte, den Kläger rundheraus für glaubwürdiger als den
Beklagten – oder die Zeugin Z1 – zu halten, seine Darstellung für glaubhafter zu
erachten als dessen Darstellung, bietet sich dem Berufungsgericht nicht. Im
Gegenteil hält das Berufungsgericht sogar einige Aspekte des Klägervortrags für
ausgesprochen unglaubhaft. So gilt es insbesondere für seinen Vortrag, er habe in
den mit dem Beklagten geführten Beratungsgesprächen zentral den Wunsch nach
der Vermittlung von Anlagen zur – zwangsläufig: sicheren – Altersvorsorge
geäußert; wie schon angedeutet, ist diese Selbstdarstellung als eines auf
Sicherheit bedachten Anlegers jedenfalls mit den aus den Anlagen zum Schriftsatz
vom 02.11.2006 ersichtlichen Anlagen ebenso wenig vereinbar wie mit der Anlage
bei der C Aktiengesellschaft. Kaum glaubhaft ist es auch, dass über etwaige
Nachschusspflichten als Folgen von Entnahmen nicht gesprochen worden sein
sollte, fanden sich in den Zeichnungsscheinen der A-Aktiengesellschaft und der B
Aktiengesellschaft doch praktisch unmittelbar über den Unterschriftszeilen
Hinweise auf die – sogar in Fettdruck hervorgehobene – Nachschusspflicht.
f) Der Beklagte hat sich auch keine Verletzung von Aufklärungspflichten unter dem
Gesichtpunkt zuschulden kommen lassen, dass er nicht auf Bedenken
hingewiesen hat, die sich mit dem Inkrafttreten der 6. KWG-Novelle – Erweiterung
des Katalogs der erlaubnispflichtigen Bankgeschäfte durch den neuen
Auffangtatbestand der „Annahme rückzahlbarer Gelder des Publikums“ – ergeben
hatten.
Im Ansatz zu Recht weist der Kläger zwar darauf hin, dass nunmehr die nahe
liegende Möglichkeit bestand, dass die Aufsichtsbehörde diese Auszahlungsform
als ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft ansehen und gegen die – jeweilige –
Emittentin eine entsprechende Verbotsverfügung erlassen würde. Da die
Rechtslage mit Inkrafttreten der 6. KWG-Novelle in dieser Hinsicht unsicher
geworden war, war von fachkundiger Seite daran zu denken, die
Anlageinteressenten darauf hinzuweisen, dass aufgrund der Gesetzesänderung
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Anlageinteressenten darauf hinzuweisen, dass aufgrund der Gesetzesänderung
rechtliche Bedenken gegen die ratierliche Auszahlung der
Auseinandersetzungsguthaben bestehen könnten. Nicht anders verhielt es sich –
was am Rande hinzugefügt sei – mit der Wiederanlage eingezahlten Kapitals. Für
die Interessenten war es in dieser Lage wichtig zu wissen, ob das Anlagemodell
rechtlich abgesichert war oder ob mit bankaufsichtsrechtlichen Maßnahmen und
damit verbundenen Prozessrisiken gerechnet werden musste.
Anders als der Emittentin selbst, die den Anlegern schon im Vorfeld (culpa in
contrahendo) zur Erfüllung ihrer Aufklärungspflichten eine vorbereitende rechtliche
Prüfung ihrer Anlagemodelle schuldete, aufgrund ihrer professionellen Tätigkeit auf
dem Kapitalanlagemarkt über fachkundiges Personal verfügen musste, dem sich
rechtliche Bedenken erschließen mussten, die unabhängig vom letztendlichen
Ergebnis zu prüfen hatte, ob Zweifel an der Rechtsbeständigkeit ihrer Modelle
begründet sein könnten (BGH WM 2005, 838), ging die Problematik der KWG-
Novelle über das hinaus, was der Verkehr bei einem freien u.a. anlageberatend
tätigen Versicherungsvertreter an Kenntnis erwarten durfte. Sich über die
schwierige Problematik der Rechtvorschriften zum Kreditwesen kundig zu machen,
war von dem Beklagten redlicherweise nicht zu verlangen.
Unabhängig hiervon ist unter den besonderen Umständen des Falles nicht davon
auszugehen, dass eine objektiv mangelhafte Aufklärung des Klägers ursächlich für
seine Anlageentscheidungen geworden wäre. Denn der Kläger hat in seiner
Anhörung vor dem Landgericht sehr anschaulich deutlich gemacht, dass er sich für
„Feinheiten“ überhaupt nicht interessierte: Er habe den ihm überlassenen
Prospekt „weggeschmissen“.
3. Die gesetzlichen Voraussetzungen einer Zulassung der Revision erachtet das
Berufungsgericht für nicht gegeben; die Beweislastproblematik des Falles hält sich
im Rahmen dessen, was von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden
wurde. Soweit es das Verschulden des Beklagten angeht, geht es schlicht um eine
Anwendung des § 276 BGB.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.