Urteil des OLG Frankfurt vom 11.04.2008
OLG Frankfurt: ermittlungsverfahren, kollision, geschwindigkeit, radfahrer, gefährdung, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, quelle, fahrzeug, akteneinsicht
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Gericht:
OLG Frankfurt 14.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
14 U 149/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 3 StVG, § 7 StVG, § 9 StVG,
§ 254 BGB, § 823 Abs 1 BGB
(Alleinhaftung eines jugendlichen Radfahrers bei Kollision
mit einem entgegen kommenden Pkw infolge grob
verkehrswidrigen Verhaltens)
Leitsatz
Von einem 14jährigen Radfahrer kann grundsätzlich ein verkehrsgerechtes Verhalten
im Straßenverkehr erwartet werden, es sei denn, besondere Umstände - insbesondere
ein nicht verkehrsgerechtes Verhalten des Jugendlichen - deuten auf eine Gefährdung
hin.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts
Fulda vom 16.07.2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Gründe
Die Berufung war gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie nach
übereinstimmender Auffassung des Senats keinen Erfolg hat und die
Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nicht vorliegen. Wegen der
Begründung im Einzelnen wird zunächst auf die Hinweisbeschlüsse des Senats
vom 12.09.2007 (Bl. 102 – 106) und vom 13.02.2008 (Bl. 127, 128) Bezug
genommen.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine Zulassung des erstmals im
Berufungsverfahren erhobenen Vorbringens zur Entfernung des Beklagten zu 1.
bei Erkennbarkeit des unsicheren Fahrverhaltens des Klägers gemäß § 531 Abs. 2
ZPO nicht möglich. Es liegt keiner der Zulassungsgründe des § 531 Abs. 2 Nr. 1 bis
3 ZPO vor. Die Anknüpfungstatsachen für eine Vermeidbarkeitsbetrachtung zu
Lasten des Beklagten zu 1. betreffen einen Gesichtspunkt, über den die Parteien
bereits erstinstanzlich gestritten haben und auf den es für die Entscheidung des
Landgerichts ankam. Dies war den Parteien auch bewusst.
Der Kläger hatte bereits in erster Instanz eine Haftung der Beklagten hierauf
gestützt und in der Klageschrift diesbezüglich ausgeführt, die Haftung der
Beklagten ergebe sich daraus, dass der Beklagte zu 1. seine Geschwindigkeit nicht
rechtzeitig reduziert habe, obwohl er ausreichend Zeit gehabt habe, das
Fahrverhalten des Klägers zu erkennen. Dem sind die Beklagten in ihrer
Klageerwiderung entgegengetreten und haben behauptet, der Beklagte zu 1. sei
lediglich wenige Meter vom Kläger entfernt gewesen, als dieser in einen instabilen
Fahrzustand geraten sei; es habe sich um ein Geschehen gehandelt, das sich
innerhalb von Sekundenbruchteilen abgespielt habe. Hierauf hat der Kläger mit
Schriftsatz vom 10.07.2007 ausgeführt, das Fahrverhalten des Klägers sei deutlich
erkennbar gewesen. Er habe sich vor den Zeugen Z1 gesetzt und sei
Schlangenlinien gefahren. Da der Zeuge noch die Möglichkeit gehabt habe, den
Kläger vor dem Fahrzeug des Beklagten zu 1. warnen und der Kläger noch seine
Füße vom Rahmen des Fahrrades herabgenommen habe, habe auch dem
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Füße vom Rahmen des Fahrrades herabgenommen habe, habe auch dem
Beklagten zu 1. ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden, seine Geschwindigkeit
deutlich herabzusetzen. Zum Beweis für diese Behauptung hat er sich auf die
Aussage des Zeugen Z1 sowie auf die Einholung eines
Sachverständigengutachtens berufen. Weiter hat er unter Berufung auf die
Einholung eines Sachverständigengutachtens behauptet, dass sich der Beklagte
zu 2. noch über 60 m von der späteren Unfallstelle entfernt befunden habe, als er
den Kläger wahrgenommen habe.
Das Landgericht hat auf Seite 8 seiner Entscheidungsgründe ausgeführt, der
Kläger habe nicht spezifiziert dargelegt, dass er bereits eine ganze Zeit vor dem
Ortseingang Schlangenlinien gefahren sei und der Beklagte zu 1. dies habe auch
erkennen müssen. Jedenfalls sei dies auch nicht bewiesen. Vielmehr spreche das
im Ermittlungsverfahren eingeholte Gutachten des Sachverständigen SV1 für die
Version der Beklagten.
Es liegt auch insoweit kein Verfahrensmangel des Landgerichts, insbesondere kein
Verstoß gegen die sich aus § 139 ZPO ergebende Hinweispflichten vor. Es
handelte sich weder um einen Gesichtspunkt, den die Klägerseite erkennbar
übersehen hatte, noch war anzunehmen, der Kläger habe versehentlich einen
unvollständigen Tatsachenvortrag, der zu ergänzen gewesen wäre, gehalten.
Weder aus der Ermittlungsakte noch aus dem Vorbringen der Parteien ließ sich
entnehmen, dass die Klägerseite zu dem tatsächlichen Ablauf möglicherweise
konkreter würde vortragen können. Die Aussage des Zeugen Z1 in der
Ermittlungsakte, auf die der Kläger sich bezogen hatte, waren allgemein gehalten
und ließ Rückschlüsse auf eine Vermeidbarkeit des Unfalls für den Beklagten zu 1.
nicht zu. Das Gutachten des Sachverständigen SV1 enthielt eine Auswertung der
am Unfallort vorgefundenen Spuren, die ebenfalls keine Rückschlüsse auf die
Fahrweise des Klägers und dessen Erkennbarkeit für den Beklagten zu 1. vor dem
dokumentierten und von dem Sachverständigen ausgewerteten unmittelbaren
Unfallgeschehen zuließen. In Ermangelung hinreichender Feststellungen zu einem
Verschulden des Beklagten zu 1. wurde das Ermittlungsverfahren gegen ihn am
30.10.2006 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Die im Ermittlungsverfahren
erhobenen Beweise sowie dessen Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO waren
dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten infolge Akteneinsicht im
November 2006 bekannt.
Es wäre daher Sache des Klägers gewesen, zu seiner allgemein aufgestellten
Behauptung, der Beklagte zu 1. habe seine Fahrweise bereits deutlich vorher auf
die erkennbare Gefährdungssituation einstellen und so die Kollision vermeiden
können, hinreichende Anknüpfungstatsachen zu ermitteln und vorzutragen. Ihm
war bekannt, dass sich Entsprechendes aus dem Gutachten des Sachverständigen
SV1 nicht ergab. Gleiches gilt für die Aussage des Zeugen Z1. Auch in dem Termin
zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht, in welchem die Ermittlungsakte
und insbesondere das Gutachten des Sachverständigen SV1 zum Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, hat der Kläger sein Vorbringen
weder ergänzt noch um eine Stellungnahmefrist gebeten, sondern vielmehr den
Antrag gestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.