Urteil des OLG Frankfurt vom 21.07.2004

OLG Frankfurt: zustandekommen des vertrages, vermittler, darlehen, aufklärungspflicht, rückzahlung, firma, wohnung, kapitalanlage, missverhältnis, widerrufsrecht

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Gericht:
OLG Frankfurt 9.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 U 64/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 123 BGB , § 123 BGB, § 242
BGB, § 9 Abs 3 VerbrKrG, § 1
HTürGG
Finanzierte Kapitalanlage: Widerruf eines
Darlehensvertrages nach HWiG bei Zustandekommen des
Vertrages in einer Haustürsituation durch einen Vermittler;
Aufklärungspflicht der Bank gegenüber dem
Darlehensnehmer; allgemeiner Einwendungsdurchgriff
Leitsatz
1. Die Darlehensgeberin muss sich das Zustandekommen des Vertrages in einer
Haustürsituation durch einen Vermittler nur unter der Voraussetzung des § 123 BGB
zurechnen lassen.
2. Zum Vorliegen eines der vier Ausnahmetatbestände, bei denen der Bank gegenüber
dem Darlehensnehmer eine besondere Aufklärungspflicht zukommt (hier: Borarding
House Steinenbronn)
3. Der allgemeine Einwendungsdurchgriff nach § 242 BGB wird durch den
spezialgesetzlich in § 9 III VerbrKrG geregelten verdrängt.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 23.
April 2002 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Klägerin gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren
Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 100 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die klagende Bank verlangt von dem Beklagten die Rückzahlung gekündigter
Darlehen, die diesem zum Erwerb von Grundstücksanteilen gewährt wurden.
Am 5.5.92 schlossen die Parteien zwei Darlehensverträge über 85.333,71 DM und
127.000,- DM. Als Verzinsung waren 6,75 % bzw. 6,25 % vereinbart, woraus sich
monatliche Zins- und Tilgungsleistungen von 551,- DM bzw. 767,- DM ergaben.
Zwischen den Parteien bestand des Weiteren ein Girokonto-Vertrag. Bis zum
24.7.97 kam es zu Zahlungsrückständen auf die Darlehensverträge in Höhe von
13.778,15 DM bzw. 19.179,09 DM. Das Girokonto war zu diesem Zeitpunkt mit
8.748,49 DM überzogen. Gegen den ihm übersandten Jahresabschluss 1997 erhob
der Beklagte keine Einwendungen. Die Klägerin kündigte sämtliche
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der Beklagte keine Einwendungen. Die Klägerin kündigte sämtliche
Geschäftsverbindungen mit dem Beklagten mit Schreiben vom 30.1.98 und
forderte ihn zur Zahlung vom insgesamt 224.847,13 DM auf. In der Folgezeit
erfolgten noch geringfügige Zahlungen, so dass - nach einer Teil-Klagerücknahme
von 213,98 DM - die Klageforderung mit 224.633,15 DM verbleibt (Girokonto:
9.126,52 DM; 1. Darlehen: 70.162,34 DM; 2. Darlehen: 145.344,69 DM). Im
Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 1.11.01 hat der Beklagte den
Widerruf der Darlehensverträge nach HWiG erklärt.
Die von dem Beklagten erworbenen Grundstücksanteile am Objekt "XYZ" wurden
von der A GmbH & Co ... KG (Fa. A) errichtet und von der B A GmbH & Co KG (Fa.
B) sowie der C GmbH (Fa. C) vertrieben, u.a. vermittels eines Prospekts. Die
Vermittlung der Anteile an die Enderwerber erfolgte über die D GmbH als
Treuhänderin. Die Klägerin übernahm bei dem Objekt sowohl die
Bauträgerfinanzierung als auch - zusammen mit der E...-Bank - die sog.
Enderwerberfinanzierung. Der Pächter der Anlage stellte im Jahr 1994 die
Pachtzinszahlungen ein und fiel danach in Konkurs. Der Erwerb der
Grundstücksanteile durch den Beklagten vollzog sich ab April 1992 unter
Einschaltung des Vermittlers F G von der Fa. C über die Treuhänderin. Das
Verfahren ist im Einzelnen in dem sog. "…" (Anlage BK 7) der Fa. B beschrieben.
Wegen des Sachverhalts im Weiteren und des streitigen Vortrags der Parteien in
erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Mit Urteil vom 23.4.02 hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Zur
Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe einen vertraglichen Anspruch auf
Rückzahlung der Darlehen sowie auf Ausgleich des Girokonto-Sollstandes. Das
Bestreiten der Saldenstände durch den Beklagten sei nicht hinreichend, zumal er
die Jahresabschlüsse rügelos hingenommen habe. Der Beklagte könne aus c.i.c.
weder Schadenersatz verlangen noch ein hierauf gestütztes
Zurückbehaltungsrecht geltend machen, denn die Klägerin habe auch unter
Zugrundelegung des Vortrags des Beklagten keine Aufklärungspflicht verletzt.
Einer der vier Ausnahmetatbestände, in denen eine Pflichtverletzung
ausnahmsweise angenommen werden können, liege nicht vor. Der Klägerin seien
die Aussagen des Herrn G von der Firma C über Risiken und Renditeaussichten das
Anlageobjekts nicht zuzurechnen. Der Beklagte können sich auch nicht auf den
Widerruf der Darlehensverträge nach HWiG berufen. Insoweit sei bereits die
Wochenfrist abgelaufen gewesen. Eine den Anforderungen des § 2 HWiG
genügende Belehrung habe vorgelegen.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete
Berufung des Beklagten.
Der Beklagte trägt vor:
Die Klägerin habe sich gegenüber dem Beklagten schadenersatzpflichtig gemacht.
So sei die Klägerin durch ihre dreimalige Nennung im Prospekt der
Betreibergruppe über ihre Rolle als Kreditgeberin hinausgegangen, weil es sich um
eine Referenz handele. Außerdem habe sie mit dem Strukturvertrieb des
Veräußerers organisiert zusammengearbeitet, wie schon der "…" zeige. Die
Klägerin habe eine eigene Prüfung des Anlageobjekts nicht vorgenommen. Der
Beklagte hätte in Kenntnis der tatsächlichen Sach- und Risikolage von einer
Beteiligung am Anlageobjekt abgesehen. Die Klägerin habe auch einen
Wissensvorsprung gegenüber dem Beklagten gehabt, denn sie habe von der
Unterdeckung der A-Gruppe gewusst. Darüber hinaus werde der Wissensvorsprung
der Klägerin dadurch begründet, dass sie hätte wissen können und müssen, dass
der tatsächliche Verkaufswert der Wohnung weit über 100 % des tatsächlichen
Wertes gelegen habe. Weiterhin habe die Klägerin von einer Absatzflaute gewusst -
ein Großteil der Einheiten sei bis Ende 1992 nicht verkauft worden. Die Klägerin
habe ferner gewusst, dass die A-Gruppe durch nicht planmäßige Zahlungen in
erheblicher Höhe den Pächter unterstützt habe, der die ursprünglich
vorgesehenen Pachtleistungen nicht erbringen konnte. Die Zahlungen seien von
dem Konto der Investorengruppe bei der Klägerin gezahlt worden. Die Klägerin
habe sich darüber hinaus in einem Interessenkonflikt befunden und habe eine
besondere Gefahrenlage geschaffen, da sie als Globalfinanzierer des Bauträgers
und gleichzeitig Finanzier des Erwerbers fungierte. Es könne nicht angehen, dass
eine Bank ein Anlagegeschäft durch Referenzen bewerbe, damit zum
Kaufentschluss des Verbrauchers beitrage, das eigene Risiko minimiere und sich
dann darauf zurückziehe, sie habe mit der Sache quasi nichts zu tun, sondern sich
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dann darauf zurückziehe, sie habe mit der Sache quasi nichts zu tun, sondern sich
auf die Finanzierung beschränke. Darüber hinaus habe die Klägerin den Beklagten
darauf hinweisen müssen, dass schon mehrere andere Banken die
Erwerberfinanzierung abgelehnt hatten. Gleiches gelte für die Sicherungslücke im
Hinblick auf die der A-Gruppe gewährten Fremdmittel.
Der Beklagte könne der Klägerin die Einwendungen entgegenhalten, die ihm
gegenüber dem Initiator zur Verfügung stehen. So sei hier § 9 VerbrKrG
einschlägig, obwohl es sich - jedenfalls teilweise - um einen Realkredit handele,
aber nicht im eigentlichen Sinne, weil nur die Hälfte des Gesamtaufwandes auf
Boden- und Gebäudewert entfielen. Zudem könne sich der Beklagte auf den
allgemeinen Einwendungsdurchgriff nach § 242 BGB berufen. Darüber hinaus sei
der Erwerbsvertrag zwischen dem Beklagten und der Firma A wegen Verstoßes
gegen das RBerG unwirksam.
Die Klägerin müsse sich auch Äußerungen des Vermittlers nach § 278 BGB
zurechnen lassen. Für den Vertrieb habe die Klägerin Kreditantragsvordrucke zur
Verfügung gestellt. Wenn sich die Klägerin - wie es unstreitig sei - darauf
beschränkt habe, die fertig ausgefüllten und unterschriebenen Darlehensverträge
entgegenzunehmen, könne sie sich nicht auf den Standpunkt stellen, alles, was
der Vermittler oder ein von ihm beauftragter Untervertreter vorher mit dem
Beklagten besprochen habe, gehe sie nichts an. Der Vermittler habe dem
Beklagten die notwendige Aufklärung über die erheblichen Risiken nicht zukommen
lassen. Diese persönliche Verschulden des Vermittlers sei der Klägerin
zuzurechnen. Jedenfalls aber sei der Vermittler als Erfüllungsgehilfe der
Initiatorengruppe zu sehen. Deren Verschulden, und damit auch das des
Erfüllungsgehilfen, müsse sich die Klägerin aber infolge des nach dem VerbrKrG
gebotenen Einwendungsdurchgriffs zurechnen lassen. Die Betreibergruppe und
deren Vermittler hätten sich einer erheblichen Aufklärungspflichtverletzung im
Hinblick auf das Objekt schuldig gemacht, in dem sie es als vorteilhaftes
Steuersparmodell angepriesen hätten.
Der Beklagte habe den Vertragsschluss wirksam im Schriftsatz vom 1.11.01
widerrufen, weil das Widerrufsrecht nach HWiG nach der Rechtsprechung des EuGH
nicht befristet werden dürfe. Ein Haustürsituation habe vorgelegen.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt vor:
Die Klägerin müsse sich keine Aufklärungspflichtverletzung vorwerfen lassen. Die
Nennung der Klägerin im Prospekt der Initiatoren sei unschädlich. Die Klägerin
habe auch nicht über die behaupteten Besonderheiten und Risiken des
finanzierten Objekts aufklären müssen. Die ins Blaue hinein aufgestellte
Behauptung des Beklagten, der Grundstückskaufpreis habe das Vier- bis Fünffache
des Ortsüblichen betragen, werde weiterhin mit Nichtwissen bestritten. Die
Berechnungen des Beklagten seien überdies völlig aus der Luft gegriffen. Im
Übrigen habe die Klägerin das behauptete Missverhältnis zwischen Kaufpreis und
tatsächlichem Wert nicht gekannt - bloßes Kennen-Müssen reiche nicht aus. Die
Klägerin habe auch nicht irgendwelche Risiken auf den Beklagten verlagert. Der
Umstand, dass die Klägerin nicht nur den Anleger, sondern auch den Bauträger
finanziert habe, führe nicht zu einem Interessenkonflikt. Die A-Gruppe habe zum
Zeitpunkt der Darlehensvergabe auf gesunden wirtschaftlichen Füßen gestanden.
Von angeblichen Stützungszahlungen der Betreibergruppe an den Pächter habe
die Klägerin nicht gewusst.
Ein Widerruf nach HWiG komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Beklagte
eine Haustürsituation nicht substantiiert vorgetragen habe; sie werde weiterhin mit
Nichtwissen bestritten.
Ein Einwendungsdurchgriff nach § 9 VerbrKrG komme für die vorliegenden
Realkredite nicht in Betracht. Der Beklagte könne sich insoweit auch nicht auf §
242 BGB berufen. Er habe aber nicht einmal Einwendungen, die er den Verkäufern
bzw. Initiatoren entgegenhalten könne.
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Den Vermittler G kenne die Klägerin nicht. Seine angeblichen Anpreisungen
bezüglich des Anlageobjekts würden weiterhin mit Nichtwissen bestritten.
Abgesehen davon führten die behaupteten Falschberatungen des Herrn G bei
objektiver Betrachtung nicht zu Einwendungen gegen den Verkäufer. Im Übrigen
müsse sich die Klägerin das Verhalten der Anlagevermittler nicht zurechnen
lassen, weil sie nicht in ihrem Pflichtenkreis tätig geworden seien. Die
Kreditformulare seien dem Vermittler auch nicht von der Klägerin ausgehändigt
worden.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und
fristgerecht eingelegt worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das
Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, denn die Klägerin kann von dem
Beklagten Zahlung von 114.853,11 € verlangen.
A. Der mit der Klageforderung geltend gemachte Zahlungsanspruch in Höhe von
114.853,11 € (224.633,15 DM) gründet sich einmal auf den Ausgleich des
Girokonto-Sollsaldos (9.126,52 DM), zum anderen auf
Darlehensrückzahlungsansprüche nach Kündigung. Das Landgericht hat zutreffend
festgestellt, dass insoweit vertragliche Ansprüche in Verbindung mit § 607 bzw. §§
607, 675 BGB (alte Fassung) bestehen. Der Höhe nach greift der Beklagte die
Forderung der Klägerin - jedenfalls in der Berufung - nicht mehr an.
B. Der von dem Beklagten erklärte Widerruf, der von vornherein nur die
Darlehensverträge betrifft, nicht auch den Girokontovertrag, da der Beklagte den
Widerruf nur auf erstere bezieht, steht den Ansprüchen der Klägerin nicht
entgegen.
1. So kann sich der Beklagte nicht auf einen Widerruf nach § 1 HWiG berufen.
Dabei kann dahinstehen, ob überhaupt eine Haustürsituation vorgelegen hat, was
zwischen den Parteien streitig ist, denn diese ist der Klägerin jedenfalls nicht
zurechenbar. Die Darlehensverträge sollen dem Beklagten in seiner Wohnung
durch den Vermittler G zur Unterschrift vorgelegt worden sein. Selbst wenn man
zugunsten des Beklagten unterstellt, dass es sich insoweit um eine
Haustürgeschäft im Sinne von § 1 I HWiG gehandelt hat, hat dies nicht ohne
weiteres zur Folge, dass die Klägerin sich das Zustandekommen des Vertrages in
einer Haustürsituation auch zurechnen lassen muss. Hierfür ist vielmehr auf die zu
§ 123 BGB entwickelten Grundsätze abzustellen (z.B. BGH BKR 2003, 108; BGH
BKR 2003, 747 - mit weiteren Nachweisen). Bei dem Vermittler G handelt es sich
unstreitig nicht um einen Mitarbeiter, Angestellten, Beauftragten oder eine
Vertrauensperson der Beklagten im Sinne von § 123 I BGB. Sein Handeln - und
damit das Herbeiführen einer Haustürsituation bei der Unterzeichnung des
Darlehensvertrages - kann der Klägerin daher nach § 123 II BGB nur zugerechnet
werden, wenn sie sein Verhalten kannte oder kennen musste. Das war aber -
selbst nach dem Vortrag des Beklagten - nicht der Fall.
Darüber hinaus hat der Widerruf nach HWiG lediglich die Rückabwicklung des
Darlehensgeschäfts nach § 3 HWiG zur Folge, was - jedenfalls nach bisherigen
Rechsprechung des XI. Zivilsenats des BGH - gerade nicht dazu führt, dass der
Darlehensnehmer von der Pflicht zur Rückzahlung der Darlehensvaluta befreit wird.
2. Auch ein Widerruf nach § 7 VerbrKrG kommt nicht in Betracht, weil es sich
vorliegend um einen Realkreditvertrag handelt, für den nach § 3 II 2 VerbrKrG das
Widerrufsrecht nach VerbrKrG ausgeschlossen ist. Überdies wäre die Jahresfrist
des § 7 II VerbrKrG bereits verstrichen.
C. Es bestehen auch keine Schadenersatzansprüche, die der Beklagte den
Ansprüchen der Klägerin im Wege des dolo-agit-Einwandes gemäß § 242 BGB
entgegenhalten halten könnte. Insbesondere kann der Beklagte nicht mit dem
generellen Einwand gehört werden, die Klägerin habe eine eigene Prüfung des
Anlageobjekts nicht vorgenommen. Gerade dies hätte der Beklagte selbst tun
müssen, bevor er sich zu der Anlage entschieden hat. Nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist nämlich eine finanzierende Bank nicht
verpflichtet, einen Darlehensnehmer über die Gefahren und Risiken der
Verwendung eines Darlehens aufzuklären und vor dem Vertragsschluss zu warnen
(BGH NJW 2000, 3558; BGH NJW-RR 2000, 1576 - beide mit weiteren Nachweisen).
Die Verwendung des Kredits ist allein Sache des Kreditnehmers. Ihm allein obliegt
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Die Verwendung des Kredits ist allein Sache des Kreditnehmers. Ihm allein obliegt
es, sich über die damit verbundenen speziellen Gefahren zu informieren und die
Entscheidung darüber, ob er sie eingehen will, eigenverantwortlich zu treffen. Das
mit der Verwendung des Darlehens verbundene Risiko hat der Darlehensnehmer
grundsätzlich allein zu tragen. Bei finanzierten Kapitalanlagen darf die
darlehensgebende Bank deshalb regelmäßig davon ausgehen, dass der
Kreditnehmer Konzeption und Wirtschaftlichkeit der geplanten Anlage hinreichend
geprüft hat, gegebenenfalls unter Einschaltung besonderer Fachberater. Dies gilt
auch und in besonderem Maß bei geschäftsunerfahrenen Kunden (OLG Stuttgart
WM 2000, 292). Nur ausnahmsweise und in besonderen Fallgruppen kommt eine
Aufklärungs- und Beratungspflicht der Bank in Betracht. Dem Vortrag des
Beklagten lassen sich indes keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer der von
der Rechtsprechung hierzu entwickelten Ausnahmefälle - Überschreiten der
Kreditgeberrolle, Schaffung eines besonderen Gefährdungstatbestandes,
Bestehen einer Interessenkollision oder Vorliegen eines konkreten
Wissensvorsprunges - entnehmen. Hierzu im Einzelnen:
1. In der namentlichen Erwähnung der Klägerin im Prospekt kann man kein
Hinausgehen über die Kreditgeberrolle sehen. Die Erwähnung im Prospekt, für
dessen Erstellung oder Herausgabe die Klägerin unstreitig keine Verantwortung
trägt, bestätigt vielmehr gerade, dass sich die Mitwirkung der Klägerin am Projekt
auf ihre Rolle als Kreditgeberin beschränkt hat. Dies gilt sowohl für die Führung des
Treuhandkontos als auch für die Mittelverwendungskontrolle (so schon ausführlich:
OLG Stuttgart im Urteil vom 12.2.03 zum Parallelfall 9 U 47/01 - Bl. 539 ff., 555 ff.
d.A.).
2. Soweit der Beklagte geltend macht, die Klägerin habe mit dem Strukturvertrieb
des Veräußerers zusammengearbeitet, was sich schon aus dem von der Firma B
aufgestellten "…" ergebe, fehlt es jedenfalls an der zur Verwirklichung des
Tatbestandes "Hinausgehen über die Kreditgeberrolle" notwendigen Merkmal der
Außenwirkung, weil es sich lediglich um eine interne Arbeitsanweisung handelte.
Der Ausnahmetatbestand liegt aber nur vor, wenn die Bank in nach außen
erkennbarer Weise Funktionen oder Rollen anderer Projektbeteiligter übernommen
und damit einen zusätzlichen auf die Funktionen bezogenen Vertrauenstatbestand
geschaffen hat (Edelmann, MDR 2000, 1172, 1175 - mit weiteren Nachweisen).
3. Die Behauptung des Beklagten, die Klägerin habe von einer Unterdeckung der
A-Gruppe gewusst, ist viel zu pauschal, als dass sich darauf eine Aufklärungspflicht
der Klägerin gründen ließe.
4. Ein Wissensvorsprung der Klägerin lässt sich auch nicht mit der Behauptung
begründen, die Klägerin habe wissen müssen, dass der Verkaufswert der Wohnung
(angeblich) weit über 100 % des tatsächlichen Werts gelegen habe. Der Beklagte
hat insoweit keine ausreichenden Umstände vorgetragen, die darauf schließen
ließen, dass die Klägerin von einem auffälligen Missverhältnis zwischen
Verkehrswert und Kaufpreis Kenntnis hatte. Insbesondere kann die negative
Entwicklung des Projekts nach Aufnahme des Hotelbetriebs von anderen
Umständen abhängig gewesen sein, die sich erst nachträglich ergeben haben (so
auch OLG Stuttgart im Urteil vom 12.2.03 zum Parallelfall 9 U 47/01 - Bl. 539 ff.,
562 f.).
5. Soweit der Beklagte darauf abstellt, dass die Klägerin davon gewusst habe, dass
die A-Gruppe durch nicht planmäßige Zahlungen den Pächter des Objekts
unterstützt habe, ist nicht nachvollziehbar, wie die Klägerin allein aufgrund der
Zahlungsvorgänge hat erkennen sollen, dass die Pächterin ihre
Zahlungsverpflichtungen dauerhaft nicht würde erbringen können und deshalb das
Projekt insgesamt zum Scheitern verurteilt war.
6. Soweit der Beklagte geltend macht, die Klägerin habe von einer Absatzflaute
bezüglich der Einheiten des Anlageobjekts gewusst, kann auch hierin kein
besonderer Wissensvorsprung der Klägerin gesehen werden. Hierbei handelt es
sich vielmehr um eine Information, die auch der Beklagte - bei entsprechender
Nachfrage - hätte erhalten können.
7. Auch die von dem Beklagten zum Vorliegen eines Interessenkonflikts oder einer
besonderen Gefahrenlage vorgebrachten Umstände sind nicht geeignet, eine
besondere Aufklärungspflicht der Klägerin anzunehmen. So ist die gleichzeitige
Finanzierung von Bauträger und Erwerbern durch die Beklagte unschädlich
(Edelmann MDR 2002, 1172, 1175 - mit weiteren Nachweisen). Eine
Informationspflicht bezüglich der Anlaufschwierigkeiten bei der Finanzierung des
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Informationspflicht bezüglich der Anlaufschwierigkeiten bei der Finanzierung des
Gesamtprojekts bestand nicht, denn hieraus ergab sich kein unmittelbares Risiko
für die Anleger, nachdem sich die Klägerin zusammen mit der E...-Bank schließlich
doch als Geldgeberin gefunden hatte. Das Abstellen auf eine angebliche
"Sicherheitslücke im Hinblick auf die der A-Gruppe gewährten Fremdmittel"
schließlich ist viel zu pauschal vorgebracht, als dass man es nachvollziehen
könnte.
8. Soweit der Beklagte behauptet, der Vermittler G habe ihm die notwendige
Aufklärung über die erheblichen Risiken der Anlage nicht zukommen lassen, und
meint, die Klägerin müsse sich diese Äußerungen zurechnen lassen, vermag auch
dies keine Schadenersatzansprüche gegen die Klägerin zu begründen. Soweit
hiermit Informationen gemeint sind, die bereits bei der Prüfung der Frage eine
Rolle spielten, ob der Klägerin eine (eigene) Aufklärungspflichtverletzung
vorzuwerfen ist (vorausgehend Abschnitte 1. - 7.), kommt es auf eine Zurechnung
nicht mehr an, weil bereits keine Aufklärungspflichtverletzung vorliegt. Etwaige
unzutreffende Erklärungen des Vermittlers G über die Risiken der Anlage oder
Steuervorteile müsste sich die Klägerin nach § 278 BGB überdies nur insoweit
zurechnen lassen, als Herr G als ihr Erfüllungsgehilfe in ihrem Pflichtenkreis tätig
geworden ist, d.h. nur in Bezug auf das Darlehensgeschäft ("Trennungstheorie" -
BGH WM 1992, 603; Hanau in Münchner Kommentar zum BGB, 3. Auflage, § 278,
Rn 17 f.; v. Heymann NJW 1999, 1577, 1584; Streit ZIP 1999, 477, 478 f.; Stüsser
NJW 1999, 1586, 1587; Früh ZIP 1999, 701, 704; Bruchner WM 1999, 825, 834).
Falsche Äußerungen durch den Vermittler in Bezug auf das Darlehensgeschäft
werden jedoch auch von dem Beklagten nicht substantiiert behauptet.
D. Schließlich kommt ein Einwendungsdurchgriff, der es dem Beklagten gestatten
würde, etwaige Einwendungen aus dem Grundstückserwerbsvertrag auch der
Klägerin im Rahmen des Darlehensgeschäfts entgegenzuhalten, nicht in Betracht.
Auf einen Einwendungsdurchgriff nach § 242 BGB kann sich der Beklagte von
vornherein nicht berufen, weil der Einwendungsdurchgriff spezialgesetzlich in § 9 III
VerbrKrG geregelt ist (BGH vom 21.1.04 - XI ZR 37/03). Auf einen
Einwendungsdurchgriff nach § 9 III VerbrKrG aber kann sich der Beklagte gemäß §
3 II Nr. 2 VerbrKrG nicht berufen, weil es sich bei den beiden Darlehensgeschäften
vom 5.5.92 um Realkredite handelt, denn die Darlehen waren durch eine
Grundschuld abgesichert und zu für grundpfandrechtlich abgesicherte Kredite
übliche Bedingungen gewährt worden. Für die Einordnung als Realkredit spielt es
dabei keine Rolle, welcher Teil des Gesamtaufwandes des Projekts auf Boden- und
Gebäudewert entfiel.
E. Ein Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen ergibt sich unter dem
Gesichtspunkt des Verzugs ab 21.2.98. Als Verzugszins kann die Klägerin 5 % über
dem Diskontsatz (jetzt: Basiszinssatz) verlangen. Dies ergibt sich hinsichtlich der
beiden Darlehensverträge vom 5.5.92 aus Ziffer 5 der Allgemeinen
Darlehensbedingungen und bezüglich des Überziehungskredits auf dem Girokonto
aus § 11 I VerbrKrG.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2, 108 ZPO.
Der Senat hat im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des OLG Bremen vom
27.5.04, 2 U 20/02 u.a. (NJW 2004, XII), insbesondere zur Vereinbarkeit der
Einschränkung der Widerrufsmöglichkeit des Verbrauchers nach § 123 BGB mit Art
1 I Richtlinie 85/577/EWG, die Revision nach § 543 II ZPO zugelassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.