Urteil des OLG Frankfurt vom 25.09.2008

OLG Frankfurt: lebensmittel, diät, ernährung, produkt, verordnung, vollstreckung, verkehr, behandlung, markt, daten

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Gericht:
OLG Frankfurt 6.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 U 158/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 14b Abs 1 DiätV, § 11 Abs 1
S 2 Nr 2 LFGB, § 4 Nr 11 UWG
(Gesundheitswerbung: Anforderungen an den
Wirksamkeitsnachweis einer ergänzenden bilanzierten
Diät)
Leitsatz
Zu den Anforderungen an den Wirksamkeitsnachweis einer ergänzenden bilanzierten
Diät
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 22.06.2007 verkündete Urteil der 3.
Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird auf ihre Kosten
zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des
Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 60.000 EUR abwenden, wenn nicht
der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug
genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es bei Meidung der
gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr das Mittel
„A B“ als „diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke zur
ergänzenden diätetischen Behandlung von Wechseljahresbeschwerden“ in den
Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben, sofern dies geschieht gemäß den
Anlagen K 2 und K 3 zur Klageschrift.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei gemäß §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in
Verbindung mit § 11 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LFGB, §§ 1 Abs. 4a, 14b Abs. 1
Diätverordnung begründet. Die Beklagte bewerbe das streitgegenständliche
Produkt, bei dem es sich um ein Lebensmittel gemäß § 2 LFGB handele, in
irreführender Weise, weil es ihm Wirkungen beilege, die wissenschaftlich nicht
hinreichend gesichert seien. Der Wirksamkeitsnachweis sei von dem Hersteller
bzw. dem Vertreiber der bilanzierten Diät zu erbringen. Dabei erfordere ein
wissenschaftlich fundierter Wirksamkeitsnachweis grundsätzlich die Vorlage einer
randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudie mit einer adäquaten
statistischen Auswertung, die durch die Veröffentlichung in den
Diskussionsprozess der Fachwelt einbezogen worden sei. Diesen Anforderungen
genügten die beklagtenseits vorgelegten Studien nicht, insbesondere fehle es am
Nachweis einer entsprechenden Studie für das streitgegenständliche Mittel.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie wendet sich insbesondere
dagegen, dass das Landgericht gefordert hat, der Nachweis der Wirksamkeit
müsse bezogen auf die gesamte Beschaffenheit des Produkts, also nicht nur für
einzelne Bestandteile, geführt werden. Ausreichend sei es, dass sie, die Beklagte,
zahlreiche Studien zu Isoflavonen aus Rotklee vorgelegt habe, die deren
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zahlreiche Studien zu Isoflavonen aus Rotklee vorgelegt habe, die deren
Wirksamkeit bezüglich Knochendichte, Hitzewallungen, Schweißausbrüche und
Erschöpfung belegten.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung seines
erstinstanzlichen Vorbringens.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze
nebst ihren Anlagen Bezug genommen.
II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Das Landgericht hat die Beklagte mit Recht antragsgemäß verurteilt; der
Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 11
Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 LFGB, §§ 1 Abs. 4a, 14b Abs. 1 DiätVO.
Bei dem angegriffenen Produkt, welches aus Isoflavonen aus Rotklee, Calcium und
Vitamin D besteht, handelt es sich um ein Lebensmittel gemäß § 2 Abs. 2 LFGB in
Verbindung mit Art. 2 der Verordnung 178/2002/EG, da es dazu bestimmt ist, von
Menschen aufgenommen zu werden.
Die Beklagte hat diesem Lebensmittel entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
Wirkungen beigelegt, die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind. Denn
das Mittel „A B“ erfüllt nicht die Anforderungen an eine bilanzierte Diät gemäß § 1
Abs. 4 a, 14 b DiätVO. Die Bezeichnung eines Mittels als bilanzierte Diät ist
irreführend im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LFGB, wenn dieses Mittel nicht
die Voraussetzungen eines diätetischen Lebensmittels für besondere medizinische
Zwecke nach § 1 Abs. 4 a, 14 b DiätVO erfüllt (so jetzt auch der BGH,
Aktenzeichen I ZR 220/05, Urteil vom 2. Oktober 2008, Seite 6, Rdz. 12). Dabei
geht der Senat zugunsten der Beklagten davon aus, dass ein Mittel, welches zur
Bekämpfung von Wechseljahresbeschwerden angeboten wird, einem besonderen
medizinischen Zweck im Sinne von § 1 Abs. 4 a Diätverordnung dienen soll. Denn
gemäß § 1 Abs. 4 a Satz 3 Nr. 2 b sind ergänzende bilanzierte Diäten solche mit
einer für bestimmte Beschwerden spezifischen oder für eine bestimmte
Krankheiten oder Störung angepassten Nährstoffformulierung. Das heißt,
Voraussetzung ist nicht, dass die ergänzende bilanzierte Diät auf eine bestimmte
Krankheit abgestimmt ist, sie kann vielmehr auch der Bekämpfung bestimmter
Beschwerden – wie sie die Wechseljahre mit sich bringen können – dienen.
Auch geht der Senat zugunsten der Beklagten davon aus, dass die
Subsidiaritätsbestimmung in § 1 Abs. 4 a Satz 2 Diätverordnung einer
Verkehrsfähigkeit des Produkts nicht entgegensteht. Das wäre dann der Fall, wenn
eine Zufuhr der betreffenden Nährstoffe in der für die diätetische Behandlung
gebotenen Menge auch durch eine Modifizierung der normalen Ernährung bzw.
durch andere Lebensmittel für eine besondere Ernährung erreicht werden kann,
die für den Betroffenen zumutbar und praktikabel ist. Unter einer normalen
Ernährung im Sinne von § 1 Abs. 4 a Satz 2 DiätVO ist eine solche Ernährung zu
verstehen, die insbesondere hinsichtlich der Art und Eigenschaften der verzehrten
Lebensmittel sowie des Umfangs und der Dauer des Verzehrs im Rahmen der
üblichen Ernährungsgewohnheiten des betreffenden Personenkreises liegt (BGH a.
a. O. Seite 15, Rdz. 29). Daher verfängt das Argument des Klägers nicht, dass die
Beklagte selbst neben dem streitgegenständlichen Produkt ein anderes Produkt
zur Bekämpfung von Wechseljahresbeschwerden unter der Bezeichnung „A“ als
Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt bringt. Abgesehen davon, dass
Nahrungsergänzungsmittel gerade nicht Bestandteil der normalen Ernährung sind,
kann die Verkehrsfähigkeit eines Mittels als ergänzende bilanzierte Diät nicht
davon abhängen, dass der Anbieter oder ein Konkurrent sich entschließt, das
gleiche oder ein vergleichbares Lebensmittel als Nahrungsergänzungsmittel auf
den Markt zu bringen.
Nach § 14 b Abs. 1 Satz 1 DiätVO muss die Herstellung von bilanzierten Diäten
jedoch auf vernünftigen medizinischen und diätetischen Grundsätzen beruhen.
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jedoch auf vernünftigen medizinischen und diätetischen Grundsätzen beruhen.
Bilanzierte Diäten müssen sich gemäß den Anweisungen des Herstellers sicher
und nutzbringend verwenden lassen und wirksam sein in dem Sinne, dass sie den
besonderen Ernährungserfordernissen der Personen entsprechen, für die sie
bestimmt sind (§ 14 b Abs. 1 Satz 2 DiätVO). Das Vorliegen dieser Voraussetzung
hat, wie das Landgericht mit Recht angenommen hat, die Beklagte als Herstellerin
und Vertreiberin des als bilanzierte Diät beworbenen Mittels darzulegen und
gegebenenfalls zu beweisen (so jetzt auch BGH a. a. O. Seite 8, Rdz. 17). Dabei
sind an den Wirksamkeitsnachweis die gleichen Anforderungen zu stellen, die auch
sonst bei gesundheitsbezogenen Wirkungsbehauptungen gelten (Urteil des Senats
vom 12. Januar 2006, Aktenzeichen 6 U 241/04, Rdz. 51 bei Juris – Priorin, jetzt
bestätigt von BGH, Az. I ZR 51/06, Urteil vom 02.10.2008, Seite 11 Rdz. 24; Az. I
ZR 220/05, Urteil vom 02.10.2008, Seite 9, Rdz. 17). Damit in Übereinstimmung
steht die Formulierung der Richtlinie 1999/21/EG der Kommission vom 25. März
1999 über diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke, wo es in
Artikel 3 Satz 2 heißt, dass die Wirksamkeit „durch allgemein anerkannte
wissenschaftliche Daten zu belegen ist“. Dies ist der Beklagten nicht gelungen.
Das gilt auch dann, wenn man von dem Erfordernis absieht, dass sich die
durchgeführten Studien auf das konkret beworbene Produkt beziehen müssen. Der
Wirksamkeitsnachweis ist auch dann nicht geführt, wenn man zugunsten der
Beklagten unterstellt, dass es nicht erforderlich ist, die Wirksamkeit des
beworbenen Produkts in seiner konkreten Zusammensetzung durch allgemein
anerkannte wissenschaftliche Daten zu belegen, sondern ausreicht, wenn dies in
Bezug auf Isoflavone aus Rotklee geschieht. Denn auch das ist nicht der Fall. Wie
das Landgericht bereits ausgeführt hat (Seiten 11, 12 des Urteils), ergibt sich aus
den von der Beklagten vorgelegten Studien, soweit sie sich auf Rotklee-Isoflavone
beziehen, nicht, dass ihre Wirksamkeit gegen die mit den Wechseljahren
einhergehenden Beschwerden wissenschaftlich fundiert nachgewiesen wäre. Vor
allem aber ergibt sich aus der Stellungnahme des Bundesinstituts für
Risikobewertung vom 03.04.2007 (Anlage BB4, Bl. 751 f. d. A.), dass das
Bundesinstitut nach Auswertung einer Reihe wissenschaftlicher Studien zu dem
Ergebnis gelangt, dass die angenommenen positiven Wirkungen von isolierten
Isoflavonen, seien sie aus Rotklee oder aus Soja gewonnen, auf
Wechseljahresbeschwerden nach dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen
Erkenntnisse nicht als ausreichend gesichert anzusehen sind. Das Bundesinstitut
gelangt darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass toxikologische Risiken auf die
hormonelle Situation bei Anwenderinnen nicht ausgeschlossen werden können.
Aus alledem folgt, dass es der Beklagten nicht gelungen ist, die Wirksamkeit des
beworbenen Produkts hinreichend darzulegen. Etwas anderes folgt auch nicht
daraus, dass, wie die Beklagte vorträgt, gesundheitsbezogene Angaben über
Rotklee bzw. Isoflavonen hieraus bereits viele Hürden der europäischen „Health-
claims“-Verordnung 1924/2006 genommen und die europäische Behörde für
Lebensmittelsicherheit (EFSA) die Prüfung derselben nun angehe. Auch dies ist
kein Wirksamkeitsbeleg im Sinne von Artikel 3 Satz 2 der Richtlinie 1999/21/EG
über diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke. Das Verfahren
war auch nicht auszusetzen, um die Prüfung der EFSA abzuwarten; ebenso hat das
Landgericht mit Recht davon abgesehen, dem Antrag der Beklagten auf Einholung
eines Sachverständigen-Gutachtens nachzukommen. Entscheidend ist, worauf das
Landgericht (Seite 12 des angefochtenen Urteils) bereits zutreffend hingewiesen
hat, dass zum Zeitpunkt der Werbung die dem Lebensmittel beigelegte Wirkung
wissenschaftlich hinreichend gesichert sein muss, was aus den dargelegten
Gründen nicht der Fall ist.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1 ZPO, 708 Nr. 10,
711 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2
ZPO) liegen nicht vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.