Urteil des OLG Frankfurt vom 13.10.2004

OLG Frankfurt: rückzahlung, unmittelbare anwendbarkeit, wahlrecht, allgemeine geschäftsbedingungen, anleihe, agb, anfechtung, lieferung, irrtum, nummer

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Gericht:
OLG Frankfurt 23.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
23 U 218/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 2 AGBG, § 305 BGB
(Kaufvertrag über Wertpapieranleihe: Einbeziehung von
AGB)
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25.07.2003 verkündete Urteil der 21.
Zivilkammer des Landgerichts in Frankfurt am Main
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %
über dem Basiszinssatz seit dem 05.07.2001 zu zahlen Zug um Zug gegen
Übertragung von 114 Aktien der A. mit der ISIN SE ... aus dem Depot der Klägerin
bei der Beklagten mit der Nummer ...
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120
% des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet oder hinterlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Auf die vollständige Darstellung des Tatbestandes in dem angefochtenen Urteil
wird Bezug genommen.
Die Parteien haben in zweiter Instanz mitgeteilt, dass die Klägerin vorher bereits
zweimal Aktienanleihen bei der Beklagten gekauft haben, wobei in einem Fall die
Rückzahlung in Geld und in dem anderen Fall nach Wahl der Emittentin durch
Lieferung von Aktien erfolgt sei (Bl. 205, 208).
Die Klägerin hat gegen das ihr am 5.8.2003 zugestellte Urteil am 4.9.2003
Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 20.10.2003 verlängerten Frist
begründet.
Die Klägerin hat ihre Anträge umgestellt. Sie verlangt nun nicht mehr Einlösung
der Inhaberschuldverschreibung, sondern Rückzahlung des Nominalbetrages nebst
Zinsen, gleichfalls Zug um Zug gegen Übertragung von 114 A.-Aktien. Hilfsweise
macht sie einen Schadensersatzanspruch geltend. Dieser Betrag ist geringer als
der Nominalbetrag, weil die Inhaberschuldverschreibungen zu einem Kurs von 98,2
% gekauft wurden. Auf den Gesichtspunkt der fehlenden
Börsentermingeschäftsfähigkeit der Klägerin wird die Berufung in Anbetracht der
Entscheidung BGH WM 2002, 803 ff. nicht gestützt.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Inhaberschuldverschreibungsbedingungen
beim Ankauf dieses Wertpapiers nicht einbezogen worden seien (Bl. 131). Es sei
folglich zwischen den Parteien ein Vertrag mit einem Wahlrecht der Beklagten
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folglich zwischen den Parteien ein Vertrag mit einem Wahlrecht der Beklagten
(Tilgung durch Rückzahlung oder Lieferung von 114 A.-Aktien) zustande
gekommen, das die Beklagte in letzt- genanntem Sinne ausgeübt habe (Bl. 135).
Zur Anfechtung des Schreibens vom 02.06.2001, mit dem das Wahlrecht
ausgeübt worden sei, sei die Beklagte nicht berechtigt gewesen (Bl. 135).
Den hilfsweise geltend gemachten Schadensersatzanspruch stützt die Klägerin auf
§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 31 Abs. 2 Ziffer 1 und 2 WPHG. Die Beklagte habe es
insbesondere verabsäumt, die Klägerin über das Risiko des Wertpapierkaufes zu
belehren (Bl. 136).
Die Klägerin beantragt,
in Abänderung des angefochtenen Urteils 1)
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.000,-- € nebst Zinsen in Höhe
von 5 % über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 5.7.2001 zu zahlen Zug
um Zug gegen Übertragung von 114 Aktien der A. mit der ISIN SE ... auf dem
Depot der Klägerin bei der Beklagten mit der Nummer
...
2) hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.952,49 € nebst Jahreszinsen
in Höhe von 4 % vom 12.7.2000 bis zum 4.7.2001, nebst Zinsen in Höhe von 5 %
über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 5.7.2001 zu zahlen Zug um Zug
gegen Übertragung von 114 Aktien der A. mit der ISIN SE ... auf dem Depot der
Klägerin bei der Beklagten mit der Nummer ...
Die Beklagte ist der Auffassung, dass § 2 AGBG nicht beim Kauf von
Inhaberschuldverschreibungen durch den ersten Erwerber gelten solle. Dies folge
bereits aus den Erwägungen des Gesetzgebers (Bl. 153). Es könne nicht sein, dass
die Bedingungen durch den Skripturakt der § 793 ff BGB Bestandteil des so
geschaffenen Wertpapiers geworden seien und dennoch eine Einbeziehung
gegenüber dem Erwerber erfolgen müsse (Bl. 154).
Hinsichtlich des Schadensersatzanspruches sei das tatsächliche Vorbringen der
Klägerin verspätet. Im Übrigen habe die Beklagte die erforderlichen Informationen
erteilt (Bl. 157). Es sei auch bekannt gewesen, dass die Klägerin wie in der
Vergangenheit bereit gewesen sei, beim Wertpapierkauf ein hohes Risiko
einzugehen (Bl. 158).
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Z 1 und Ursula Z
2. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das
Protokoll vom 02.06.2004 (Bl. 179 ff.).
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die vorbereitenden Schriftsätze
nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet. Sie
hat auch in der Sache Erfolg. Die Beklagte ist auf Grund des von ihr ausgeübten
Wahlrechts zur Zahlung Zug um Zug gegen Lieferung der Aktien verpflichtet.
III.
Die Voraussetzungen für eine zweitinstanzliche Klageänderung, § 533 ZPO n. F.,
liegen vor. Die Klageänderung ist offenbar sachdienlich und auf Tatsachen
gestützt, die der Senat nach § 520 ZPO zu Grunde zu legen hat.
IV.
Die Berufung ist begründet, weil die Beklagte das ihr zustehende Wahlrecht
betreffen die Rückzahlungsart im Sinne einer Rückzahlung in Geld ausgeübt hat.
V.
Es ist fraglich, mit welchem Inhalt der Wertpapierkaufvertrag der Parteien zustande
gekommen ist. Insoweit kommt eine Individualvereinbarung im Sinne des § 4
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gekommen ist. Insoweit kommt eine Individualvereinbarung im Sinne des § 4
AGBG in Betracht. Dafür gibt es nach Auffassung des Senats im Ergebnis jedoch
keine überzeugenden Anhaltspunkte. Zwar hat der als Zeuge gehörte Sohn der
Klägerin ausgesagt, dass die Mitarbeiterin der Beklagten, Frau Z 2, davon
gesprochen habe, dass die Bank das Wahlrecht zwischen dem Auszahlen des
Geldbetrags und der Ausgabe der Aktien habe, wenn - wie im vorliegenden Fall
geschehen - der Wert der Aktien unter den Erwerbswert gesunken sei, und die
gemeint, sich erinnern zu können, dass eine Entscheidung des Emittenten über
die Art der Rückzahlung erwähnt worden sei. Der Zeuge Z 1 konnte sich insoweit
jedoch „nicht mehr ganz genau erinnern“ und die Zeugin Z 2 wusste nicht mehr,
bei welchen der Gespräche mit dem Sohn der Klägerin über den Kauf von Anleihen
diese Äußerung gefallen sein mag. Dies reicht unter Berücksichtigung des
Umstands, dass sich eine Bank ganz allgemein gesehen kaum auf eine Änderung
der standardisierten Wertpapierbedingungen einlassen wird, als Nachweis nicht
aus.
VI.
Die Art der Rückzahlung ergibt sich auch nicht aus der für diese
Inhaberschuldverschreibung herausgegebenen Inhaberschuldverschreibung.
Die Beklagte hat zwar bereits in 1. Instanz behauptet, dass bei den
Verkaufsverhandlungen dem Bevollmächtigten der Klägerin, ihrem Sohn, die
Kurzbeschreibung der Aktie (Bl. 35 f), deren Formulierungen gleichfalls gegen ein
Wahlrecht der Emittentin bezüglich der Rückzahlungsart sprächen, übergeben
worden sei. Die Klägerin hat demgegenüber auch in 1. Instanz bereits vorgetragen,
ihrem Sohn sei die Kurzbeschreibung weder vorgelegt, noch ausgehändigt worden.
Die Beklagte ist insoweit beweisfällig geblieben. Die Zeugin Z 2 hat zwar
ausgesagt, sie sei sich „ziemlich sicher, dass sie ... die Kurzinformation
ausgehändigt habe“. Der als Zeuge gehörte Sohn der Klägerin, der für diese das
Verkaufsgespräch geführt hat, hat demgegenüber ausgesagt, er habe keine
Kurzbeschreibung erhalten. Welche dieser Aussagen richtig ist, kann der Senat
nicht feststellen. Beide Zeugen haben sich bestimmt und widerspruchsfrei zur
Sache geäußert. Die Genauigkeit der Erinnerung ist eher bei der Zeugin Z 2
zweifelhaft, da sie solche Gespräche mit teilweiser Aushändigung schriftlicher
Unterlagen täglich führt und es dementsprechend für sie schwierig ist, sich an die
Details einer Besprechung zu erinnern. Als für sie günstige Tatsache hätte die
Beklagte aber die Aushändigung der Kurzinformation beweisen müssen.
VII.
Die Beklagte kann sich auch nicht auf ihre AGB in Form von
Inhaberschuldverschreibungsbedingungen (Bl. 14 ff.) berufen, die in § 3 II einen
Automatismus für die Art der Rückzahlung der Schuldverschreibung vorsehen, der
sich aus dem Börsenkurs der A. Aktie zu einem genau definierten Zeitpunkt ergibt,
da der Klägerin nicht die Möglichkeit verschafft worden ist, in zumutbarer Weise
von deren Inhalt Kenntnis zu nehmen (§ 2 AGBG). Diese Bedingungen wurden der
Klägerin unstreitig nicht übergeben. Ob um ihre Übersendung nach
Vertragsschluss erfolglos gebeten wurde, kann als rechtlich nicht ausschlaggebend
dahinstehen. Eine rechtlich wirksame Einbeziehung ist auch nicht erfolgt.
Solche Bedingungen stellen nach fast einheitlicher Auffassung allgemeine
Geschäftsbedingungen dar (Schimansky/Bunte/Lwowski-Grundmann,
Bankrechtshandbuch Band III 2001, § 112 Rdnr. 115; Hopt, Festschrift für Steindorff
1990, 341, 364; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl. 2001, § 2 Rdnr. 13; OLG
Frankfurt WM 1993, 2089). Im Regelfall erfolgt das erste Veräußerungsgeschäft
betreffend eine solche Wertpapieranleihe zwischen Emittentin und Konsortialbank.
Mit der Frage der Anwendung des AGBG beim Verkauf der Anleihe durch die
Konsortialbank an den Kunden befassen sich eine Reihe von Kommentatoren. Hier
liegt jedoch der seltenere Fall vor, dass die Emittentin die Anleihe direkt an eine
Kundin verkauft hat.
Im Regelfall der Einschaltung einer Konsortialbank geht die herrschende Meinung
davon aus, dass die Anleihebedingungen von der Emittentin und der
Konsortialbank - also einem Kaufmann - wirksam vereinbart werden und dann auch
für die Rechtsnachfolger der Konsortialbanken, die diese Papiere durch Einigung
und Übergabe von diesen erworben haben, verbindlich sind (OLG Frankfurt WM
1993, 2089). Im Hinblick darauf wird es als nicht erforderlich angesehen, dem § 2
AGBG bei Verkauf des Papiers von der Konsortialbank an den Anleger Genüge zu
tun (Schimansky/Bunte/Lwowski-Grundmann, a.a.O., § 112 Rdnr. 115). Die
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tun (Schimansky/Bunte/Lwowski-Grundmann, a.a.O., § 112 Rdnr. 115). Die
Zwischenschaltung der Konsortialbank macht nach dieser Auffassung jedwede
Einbeziehungskontrolle obsolet und hebelt den Schutz des § 2 AGBG für nicht
kaufmännische Anleger aus (von Randow, ZBB 94, 23, 30). Dieser
argumentatorischen Linie folgt im vorliegenden Fall das Landgericht, obwohl die
typische Fallgestaltung hier gerade nicht vorliegt und dies eine andere Beurteilung
rechtfertigt.
Allerdings wird auch für den vorliegenden Fall die Auffassung vertreten, dass § 2
AGBG nicht anwendbar sei. Für den Bereich der massenweise emittierten
Wertpapiere des Kapitalmarktes sei eine "funktionale Reduktion des
Anwendungsbereiches des § 2" erforderlich, da andernfalls die Funktionsfähigkeit
des Wertpapierhandels nicht gewährleistet werden könne
(Ulmer/Brandner/Hensen, a.a.O. § 2 Rdnr. 14 a). Der Kapitalmarkt setze die
Fungibilität der Wertpapiere voraus; diese sei jedoch stark in Frage gestellt, wenn
die Einbeziehung der Emissionsbedingungen vom Nachweis der Erfüllung der
strengen Anforderungen des § 2 Abs. 1 AGBG abhängen würde. Hinzu komme,
dass es andernfalls für die erstmalige Einbeziehung auf die besonderen
Einzelfallumstände ankomme, die für den Rechtsnachfolger dann nicht mehr
feststellbar seien. Diese Folgen seien zu starr und wenig praxisgerechten und
sprächen gegen die unmittelbare Anwendbarkeit des § 2 AGBG (Hopt, a.a.O. 366
ff).
Dieser Auffassung kann der Senat nicht folgen. Aus Sicht des
Verbraucherschutzes erscheint eine solche weitgehende Einschränkung des § 2
AGBG nicht gerechtfertigt (vg. von Randow, ZBB 1994, 23, 30). Dem Senat
erscheinen im Falle einer Selbstemission die Bedenken gegen eine Anwendung
des § 2 AGBG überzogen (vgl. Joussen WM 1995, 1861, 1864, 1866). Wie bei jedem
anderen Geschäft einer Bank auf Grundlage ihrer AGB lassen sich auch bei der
Selbstemission von Wertpapieren die Anforderungen des § 2 AGBG erfüllen. Die
Fungibilität der Wertpapiere wird dadurch nicht gefährdet. Ihr kann problemlos
dadurch genügt werden, dass die Emittentin dem ersten Inhaber der
Schuldverschreibung deren Bedingungen übergibt. Erst bei der Person des
Zweiterwerbers treten diesbezüglich Fragen auf, die sich nicht mit der
Einbeziehung in den Vertrag gemäß § 2 AGBG lösen lassen.
VIII.
Es kann schließlich auch nicht gesagt werden, dass die Klägerin auf Grund ihrer
Kenntnis aus früherem Kauf von Aktienanleihen damit habe rechnen müssen, dass
die Anleihe den Bedingungen nach zwangsläufig in Aktien zurückgezahlt werde,
falls der Wert der Aktien unter dem Anleihewert liegen sollte. Unstreitig hat die
Klägerin vor dem Kauf der streitgegenständlichen Anleihe zwei weitere Anleihen
dieser Art gekauft. Beim ersten Kauf traten aus Sicht der Klägerin keine Probleme
auf, weil die Anleihe in Geld zurückgezahlt wurde. Bei dem zweiten Kauf erfolgte -
wie es in der Einlösungsabrechnung ausdrücklich heißt - „nach Wahl des
Emittenten“ die Einlösung der Anleihe durch Lieferung von Aktien.
IX.
Als rechtliche Schlussfolgerung ergibt sich daraus, dass zwischen den Parteien ein
wirksamer Vertrag ohne Geltung der Inhaberschuldverschreibungsbedingungen zu
Stande gekommen ist, § 6 AGBG. Als Rückzahlungsart kamen unstreitig die
Zahlung des Nominalbetrags und die Rückzahlung in Aktien Betracht. Mangels
anderer Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der Beklagten insoweit ein
Wahlrecht zustand, § 262 BGB.
X.
Es ist weiterhin davon auszugehen, dass die Beklagte ihr Wahlrecht mit dem
Schreiben vom 2.6.2001, in dem sie eine Rückzahlung angekündigt hat, ausgeübt
hat (Kopie Bl. 7). Nicht von Bedeutung ist, dass diese Erklärung nicht
unterschrieben ist. Es ist mittlerweile anerkannt, dass auch automatisierte
Erklärungen als echte Willenserklärungen anzusehen sind, die den Betreibern der
EDV-Anlage zuzurechnen sind (Palandt-Heinrichs, BGB, 63. Aufl. 2004, Einf. 1 vor §
116 BGB, Taupitz/Kritter Jus 1999, 839f.). Dies entspricht dem Umstand, dass das
Schreiben der Beklagten vom 2.6.2001 den ausdrücklichen Hinweis trägt, dass
diese Mitteilungen von der Bank nicht unterschrieben werden.
XI.
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Als nächstes stellt sich sodann die Frage, ob diese Willenserklärung wirksam
angefochten worden ist. Die Beklagte hat der Klägerin und ihrem Sohn mit
Schreiben vom 5.7.2001 Folgendes mitgeteilt: "Auf Grund eines Programmfehlers
wurden für die endfällige Aktienanleihe irrtümlich falsche Voranzeigen erstellt und
an sie versandt" (Kopie Bl. 10). In diesem Schreiben ist eine Anfechtungserklärung
zu sehen, auch wenn das Wort "Anfechtung" nicht auftaucht. Eine solche Erklärung
ist wie andere auch auszulegen. Wenn die Erklärung erkennen lässt, dass die
Parteien das Geschäft wegen eines Willensmangels nicht gegen sich gelten lassen
will, reicht dies aus (Palandt-Heinrichs, a.a.O. 63. Aufl. § 143 Rdnr. 3).
Die Irrtumsanfechtungserklärung dürfte auch unverzüglich im Sinne des § 121 BGB
erfolgt sein. Zu berücksichtigen ist, dass dem Anfechtungsberechtigten stets eine
angemessene Überlegungsfrist zuzugestehen ist; deshalb kommen
Überlegungsfristen bis zu 2 Wochen in Betracht (Palandt-Heinrichs, a.a.O. 63. Aufl.,
§ 120 Rdnr. 3). Geht man im vorliegenden Fall mit dem Beklagtenvorbringen davon
aus, dass die Beklagte auf ihren Irrtum durch das Schreiben des Sohnes der
Klägerin vom 28.6.2001, das am darauf folgenden Tag bei der Beklagten einging,
hingewiesen wurde, erweist sich die Anfechtung durch Schreiben vom 5.7.2001 als
durchaus rechtzeitig. Der Vortrag der Klägerin, es sei doch möglich, dass bereits
bei der Abrechnung des Wertpapiers am 22.6.2001 der Irrtum bemerkt worden sei,
ist Spekulation und kann deshalb nicht zu Grunde gelegt werden.
Es liegt jedoch kein nach § 119 BGB relevanter Irrtum vor. Die allgemeine
Definition eines Irrtums lautet auf ein unbewusstes Auseinanderfallen von Wille und
Erklärung. Hier stimmen jedoch beide Elemente überein; die Beklagte wollte eine
Erklärung dieses Inhaltes versenden. Es ist zu unterscheiden zwischen Irrtümern
bei der Abgabe der Erklärung (also z.B. Tippfehlern) und unbeachtlichen Irrtümern
bei der Erklärungsvorbereitung. Software-Fehler betreffen lediglich die
Erklärungsvorbereitung und berechtigen nicht zur Irrtumsanfechtung (Palandt-
Heinrichs, a.a.O. 63. Aufl. § 119 Rdnr. 10, Taupitz-Kritter, a.a.O., 839, 843). Für eine
Ausdehnung des Anfechtungsrechtes auf vorgelagerte Fehler besteht keine
Veranlassung (LG Frankfurt, NJW-RR 1997, 1273). Nur wenn man die Anfechtbarkeit
verneint, kann man dem bei der Klägerin entstandenen Vertrauenstatbestand
Rechnung tragen und berücksichtigen, dass die Tatsache der "falschen"
Übermittlung auf Umstände zurückgeht, die allein im Risiko und Geschäftsbereich
der Beklagten entstanden sind (vgl. LG Frankfurt NJW-RR 1997, 1273).
Eine Anfechtung der Erklärung mit Schreiben vom 05.07.2001 scheidet also im
Ergebnis aus. Die Beklagte hat ihr Wahlrecht in unanfechtbarer Weise in der Form
ausgeübt, dass sie sich für eine Zurückzahlung der Anleihe nebst Zinsen
entschieden hat.
XII.
Hinsichtlich der Höhe des Zinsanspruchs verweist der Senat auf die Ausführungen
von Meier und Grünebaum MDR 2002, 746 ff. unter II 3.
XIII.
Die Kostentscheidung ergibt sich aus dem Unterliegen der Beklagten.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 ff. ZPO.
Im Hinblick auf die unterschiedlichen Meinungen zur Notwendigkeit der
Einbeziehung von Inhaberschuldverschreibungsbedingungen beim Verkauf von
Anleihen durch die Emittentin an den Ersterwerber erscheint es angebracht, die
Revision zuzulassen, § 543 II ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.