Urteil des OLG Frankfurt vom 24.10.2006
OLG Frankfurt: vergütung, erlass, rückforderung, hauptsache, befristung, quelle, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, dokumentation, gerichtsbarkeit
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Gericht:
OLG Frankfurt 6.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 WF 184/06, 6 WF
189/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 100a KostO, § 18 Nr 2 RVG, §
2 GewSchG
(Gebühren des Prozesskostenhilfeanwalts in
Familiensachen: Gesonderte Vergütung für einen Antrag
auf Anordnung und einen Antrag auf Verlängerung einer
Gewaltschutzmaßnahme)
Tenor
Die Beschlüsse des Amtsgerichts einschließlich der Beschlüsse der Rechtspflegerin
vom 17.08.2006, gerichtet auf Rückforderung von Prozesskostenhilfe-
Vergütungen, werden aufgehoben.
Es bleibt bei den erfolgten Auszahlungen der Prozesskostenhilfe-Vergütungen für
beide Verfahrensbevollmächtigte in Höhe von jeweils 571,30 EUR gesondert für die
Hauptsache und für das Abänderungsverfahren.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Auslagen werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz
3 und 4 RVG).
Gründe
Mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Darmstadt vom 13.10.2005
erging eine Gewaltschutzanordnung, mit der u.a. der Antragstellerin die ehemalige
Ehewohnung zur alleinigen Nutzung zugewiesen wurde. Die Anordnung war bis
zum 28.02.2006 befristet.
Mit Schriftsatz vom 21.12.2005 beantragte die Antragstellerin, diese Befristung
aufzuheben und um weitere 6 Monate zu verlängern. Mit Beschluss des
Amtsgerichts vom 16.02.2006 wurden die Gewaltschutzanordnungen
dementsprechend bis zum 31.08.2006 verlängert.
Den vorgenannten Entscheidungen waren jeweils Prozesskostenbewilligungen für
beide Parteien vorausgegangen, die Gegenstandswerte für das ursprüngliche
Hauptsacheverfahren und für das Verfahren betreffend den Verlängerungsantrag
wurden mit jeweils 3.000,00 EUR festgesetzt.
Nach Erlass des Beschlusses vom 13.10.2005 haben die beigeordneten
Verfahrensbevollmächtigten der Parteien ihre Prozesskostenhilfe-Vergütungen mit
jeweils 571,30 EUR abgerechnet und entsprechende Zahlungen erhalten.
Auf den Verlängerungsbeschluss vom 16.02.2006 haben die
Verfahrensbevollmächtigten erneut jeweils 571,30 EUR als Vergütung geltend
gemacht und erhalten.
Mit Beschlüssen vom 17.08.2006 hat die Rechtspflegerin die Prozesskostenhilfe-
Vergütung jeweils für beide Verfahrensbevollmächtigte auf (insgesamt) 675,70
EUR festgesetzt und die Rückforderung überzahlter Vergütung in Höhe von jeweils
466,90 EUR angekündigt. Die Rechtspflegerin hat entsprechend der Auffassung
der Bezirksrevisorin die Entscheidungen des Amtsgerichts vom 13.10.2005 und
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der Bezirksrevisorin die Entscheidungen des Amtsgerichts vom 13.10.2005 und
vom 16.02.2006 als eine Angelegenheit angesehen und die Vergütungen aus
einem einheitlichen Gegenstandswert von 6.000,00 EUR errechnet.
Auf die als Beschwerde bezeichneten Erinnerungen der
Verfahrensbevollmächtigten hat die Rechtspflegerin nach Ablehnung der Abhilfe
die Angelegenheiten dem Abteilungsrichter zur Entscheidung vorgelegt.
Gegen die Zurückweisung der Rechtsbehelfe durch Beschlüsse des Amtsgerichts -
Familiengericht - vom 05.09.2006 wenden sich die sofortigen Beschwerden der
Verfahrensbevollmächtigten - eingegangen bei dem Amtsgericht am 12.09.2006
und am 15.09.2006. Das Amtsgericht hat den Beschwerden nicht abgeholfen.
Die zulässigen Beschwerden (§§ 55, 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3, Abs. 4 RVG) sind
begründet.
Bei den Verfahren, gerichtet auf Erlass der Gewaltschutzanordnung und auf
Verlängerung der Befristung dieser Anordnung handelt es sich um zwei
unabhängige, jeweils die Vergütungen auslösende Tatbestände.
Für die Entscheidung in Familiensachen nach § 621 Abs. 1 Ziffer 13. ZPO, also für
die Hauptsacheentscheidung nach dem Gewaltschutzgesetz wird eine
Entscheidungsgebühr erhoben (§ 100 a Abs. 1 KostO).
Fristverlängerungen betreffend die angeordneten Maßnahmen zum Gewaltschutz
sind demgegenüber Änderungsentscheidungen im Sinne des § 18 Abs. 1 FGG und
erfüllen damit den Gebührentatbestand des § 100 a Abs. 1 KostO erneut
(Gerhardt/Keske, Handbuch d. Fachanwalts f. FamR, 5. Auflg., 17. Kapitel, Rdn.
236).
Erforderlich ist nämlich eine weitere Sachentscheidung mit eigenständiger
Tatsachenfeststellung und erneuter Berücksichtigung und Abwägung der
beiderseitigen Belange der Beteiligten.
§ 18 Ziffer 2. RVG, wonach "mehrere Anordnungen in derselben Hauptsache...eine
Angelegenheit" sind, wobei die Gegenstandswerte der Anordnungen
zusammenzurechnen sind, ist im vorliegenden Fall weder unmittelbar noch
entsprechend anwendbar.
Aus dem Zusammenhang der Vorschrift ist eindeutig zu entnehmen, dass der
Begriff der Anordnung die unmittelbar im vorangestellten Halbsatz aufgeführten
einstweiligen oder vorläufigen Anordnungen im Verfahren der freiwilligen
Gerichtsbarkeit umfasst und nicht die Abänderung einer Entscheidung im
Hauptsacheverfahren. Dies ist um so deutlicher, als in § 18 Ziffer 2. RVG Bezug
genommen wird auf die in Ziffer 1. der Vorschrift genannten Verfahren, bei denen
es sich um einstweilige Anordnungen u.a. auch gemäß § 64 b Abs. 3 FGG, also
nicht um Hauptsacheverfahren handelt.
Zu berücksichtigen ist weiter, dass mit der Vorschrift § 18 Ziffern 1. und 2. RVG
keineswegs die Kürzung von Rechtsanwaltsgebühren, sondern vielmehr die
angemessene Mehrvergütung für erhöhten Aufwand des Rechtsanwalts bei
mehreren Verfahren über Anträge auf Erlass einstweiliger Anordnungen im
Rahmen eines Hauptsacheverfahrens beabsichtigt war (Gerold/Müller-Rabe, RVG,
17. Auflg., § 18 Rdn. 4), weshalb auch eine entsprechende Anwendung der
Vorschrift im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommt.
Demnach waren die Festsetzungen der Rechtspflegerin und die bestätigenden
Beschlüsse des Amtsgerichts - Familiengericht - aufzuheben.
Das Beschwerdegericht ist gehalten, grundsätzlich in der Sache selbst zu
entscheiden (Gerold/v.Eicken/Müller-Rabe, RVG, 17. Auflg., § 56 Rdn. 21). Es bleibt
somit bei den erfolgten Auszahlungen an die beschwerdeführenden
Verfahrensbevollmächtigten.
Die Kostenberechnungen unter Zugrundelegung jeweils einer 1,3
Verfahrensgebühr, einer 1,2 Terminsgebühr, der Auslagenpauschale, zuzüglich
Mehrwertsteuer sind nicht zu beanstanden.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.