Urteil des OLG Frankfurt vom 09.05.2003

OLG Frankfurt: eltern, treu und glauben, vertretungsmacht, inhaber, verdacht, vollstreckung, missbrauch, ausführung, rechtsgeschäft, kündigungsfrist

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Gericht:
OLG Frankfurt 24.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
24 U 128/01
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 181 BGB, § 242 BGB, § 1797
Abs 2 BGB
(Kontoführungsverhältnis zwischen Bank und Kontoinhaber:
Schutzpflichten der Bank bei Überweisungsaufträgen)
Leitsatz
Zum Verlangen Minderjähriger an die Bank, von einem auf sie laufenden Konto einen
Guthabensbetrag auf ein elterliches Konto zu überweisen
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts
Darmstadt vom 20.03.2001 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, die Guthaben der bei ihr unter den Nummern ...
(Inhaber: A X) und ... (Inhaber: B X) geführten Konten auf das ebenfalls bei ihr
geführte Konto mit der Nummer ... (Inhaber: Eheleute C X und D X) zu überweisen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die
Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages
leisten.
Die Beklagte ist mit mehr als 20.000,00 € beschwert.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Der Kläger zu 1) wurde im April 1997, der Kläger zu 2) wurde im April 1999
geboren. Im Dezember 1999 richteten ihre Eltern für die Kläger je ein
Festgeldkonto bei der beklagten Bank ein; auf das eine dieser Konten zahlten die
Eltern ca. 60.000,00 DM, auf das andere ca. 96.000,00 DM ein.
In den in diesem Zusammenhang ausgefertigten „Sparurkunden“ heißt es u. a.
und gleichlautend:
„Festzinsvereinbarung
Festzinssatz ... bis einschließlich 31.03.2000
... Über das Guthaben kann zum Ende der Festzinsvereinbarung verfügt
werden, wenn zuvor unter Einhaltung einer Frist von mindestens drei Monaten
gekündigt wurde. Bei nicht fristgerechter Kündigung ... wird das Guthaben ... als
Spareinlage mit drei Monaten Kündigungsfrist weitergeführt ...“
Im ersten Quartal 2000 erteilten die Kläger – durch ihre Eltern – der Beklagten den
Auftrag, die Sparguthaben mit dem Auslaufen der Zinsbindung auf ein anderes bei
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Auftrag, die Sparguthaben mit dem Auslaufen der Zinsbindung auf ein anderes bei
der Beklagten geführtes Konto – ein Konto der Eltern – zu übertragen. Dies lehnte
die Beklagte ab und stellte den Klägern anheim, einen Ergänzungspfleger
bestellen zu lassen, welcher entscheiden solle, ob der Überweisungsauftrag erteilt
werden könne.
Die Kläger haben vorgetragen, in den beiden Sparverträgen sei Geld ihrer Eltern
nur vorübergehend angelegt worden. Hintergrund sei ein fehlerhaftes Verständnis
steuerlicher Vorschriften gewesen.
Die Kläger haben beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, auf das Konto der Eheleute C X und D X, ...
Bank, O1, Konto-Nr.: ... BLZ: ..., 1. das Guthaben vom Konto-Nr.: ..., derzeit
59.530,88 DM, sowie 2. das Guthaben vom Konto-Nr.: ..., derzeit 99.782,25 DM zu
überweisen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, das angelegte Geld sei seitens der Eltern wirksam ins
Vermögen der Kläger übertragen worden. Sie – die Beklagte – habe nicht gewusst,
dass es im Vermögen der Eltern bleiben sollte.
Die Kammer hat die Klage abgewiesen. Wegen der von ihr gefundenen Gründe
sowie des erstinstanzlichen Sachvortrages der Parteien im Einzelnen wird auf das
Urteil vom 20.03.2001 Bezug genommen.
Mit der Berufung tragen die Kläger vor, die Beklagte sei verpflichtet, den erteilten
Überweisungsaufträgen nachzukommen. Das Innenverhältnis zwischen den
Kontoinhabern und den Überweisungsempfängern habe die Beklagte nicht zu
überprüfen. Das Geld sei nur vorübergehend auf die Namen der Kläger angelegt
worden.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Darmstadt vom 20.03.2001
Az.: 4 O 538/00 die Beklagte zu verurteilen, auf das Konto der Eheleute C X und D
X, ... Bank, O1, Konto-Nr.: ..., BLZ: ...,
1. das Guthaben von Konto-Nr.: ... sowie
2. das Guthaben von Konto-Nr.: ...zu überweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die
vor dem Senat gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Berufung ist begründet. Die Kläger können die Ausführung der durch ihre
Eltern – ihre gesetzlichen Vertreter – erteilten Überweisungsaufträge verlangen.
1. Der – jeweils – hierauf gerichtete Anspruch ergibt sich aus den
Kontoführungsverträgen – Sparverträgen – vom 03.09./15.09.1999. Heißt es dort
u. a.
„Über das Guthaben kann zum Ende der Festzinsvereinbarung verfügt
werden, wenn zuvor unter Einhaltung einer Frist von mindestens drei Monaten
gekündigt wurde“,
dann wird damit im Grundsatz nur das bestätigt, was selbstverständlicher Gehalt
jedes Kontoführungsvertrages ist; soweit eine zeitliche Bindung nicht oder nicht
mehr besteht, ist die kontoführende Bank verpflichtet, Verfügungen des
Kontoinhabers auszuführen, falls diese Verfügungen durch Guthaben – oder
kreditvertragliche Vereinbarungen – gedeckt sind. Daran haben die gesetzlichen
Neuregelungen zum Geschäftsbesorgungsverhältnis zwischen Bank und
Kontoinhaber – v. a. §§ 676 a und 676 f n. F (für den Girovertrag) – im Kern nichts
geändert. Geht das Gesetz nicht mehr wie das frühere Recht von einem
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geändert. Geht das Gesetz nicht mehr wie das frühere Recht von einem
Weisungsverhältnis zwischen Kontoinhaber und Bank aus, gestaltet es den
Überweisungsvertrag jetzt vielmehr als „echten“ Vertrag aus, dann liegt es doch
für alle Beteiligten selbst unausgesprochen auf der Hand, dass die Bank Geld des
Kontoinhabers nur vorübergehend – gegebenenfalls im Rahmen vereinbarter
Fristenbindungen – „verwahrt“, ihr dieses Geld nicht auf Dauer unwiderruflich
überlassen ist.
Nur unter außergewöhnlichen Umständen ist es ihr gestattet, die Eingehung eines
Überweisungsvertrages zu verweigern, dann nämlich, wenn die Grenzen des
gewöhnlichen Zahlungsverkehrs überschritten werden. Das aber war hier nicht der
Fall.
2. Ein Überweisungsauftrag kann die Grenzen des gewöhnlichen Zahlungsverkehrs
u.a. dann überschreiten, wenn der Auftrag nach den Umständen durch einen
Missbrauch der Vertretungsmacht geprägt ist. Auf der Grundlage eines an Treu
und Glauben orientierten Verständnisses der Geschäftsbeziehung kann sich dann
für die Bank die Pflicht ergeben, beim Kunden nachzufragen, ob ein erteilter
Auftrag „in Ordnung geht“. Ist der Verfügungsberechtigte nicht Kontoinhaber und
ist der Kontoinhaber rechtlich oder tatsächlich nicht in der Lage, auf eine
Nachfrage eigenverantwortlich einzugehen – wie es für die nunmehr vier- bzw.
sechsjährigen Kläger gilt -, dann kann die Nachfragepflicht der Bank zur
„Weigerungspflicht“ erstarken. Eine begründete „Weigerungspflicht“ muss
zwangsläufig von einem ihr entsprechenden „Weigerungsrecht“ begleitet werden.
Solche aus Schutzpflichten hergeleitete Rechte der Bank wird man aber stets
vorsichtig umschreiben müssen, dies nicht nur im Interesse einer am Willen des
Kontoinhabers orientierten Ausführung seiner wirtschaftlichen Dispositionen, dies
vielmehr auch im wohlverstandenen Interesse der Kreditwirtschaft – mit
Kontrollrechten aus Schutzpflichten korrespondiert zwangsläufig eine Haftung bei
Verletzung solcher Pflichten. Berechtigt und verpflichtet einzugreifen, ist die Bank
in „Vertretungsfällen“ nur dann, wenn konkrete Verdachtsgründe vorliegen, die auf
einen Missbrauch der Vertretungsmacht des Verfügungsberechtigten zu Lasten
des Kontoinhabers hindeuten (Schramm in Schimansky – Bunte - Lwowski,
Bankrechts-Handbuch, 2. Auflage 2001, § 32 Rz. 28, 27).
In dem hier zu prüfenden Fall war ein Verdacht, die Eltern der Kläger könnten ihre
Vertretungsmacht zum Nachteil der Kläger missbrauchen, von Anfang an nicht
begründet; schon gar nicht haben sich Verdachtsgründe in dieser Richtung als
berechtigt erwiesen. Unstreitig stammte das für die Kläger angelegte Geld aus
dem Vermögen der Eltern; es war nicht etwa – wie es gelegentlich vorkommen
mag – von dritter Seite den Kindern und nur den Kindern – den Klägern –
geschenkt worden.
Die formale Zuweisung, die Einzahlung auf Konten, die auf den Namen der Kinder
– der Kläger – eingerichtet worden waren, war aus praktischer Sicht bedeutungslos:
Geht man nämlich – anderes lässt das Recht im Blick auf minderjährige Kinder
nicht zu, und anderes ließ die Natur im Blick auf die Kleinkinder, die in die Stellung
der Kläger gerückt sind, nicht zu – davon aus, dass es zwangsläufig die Eltern sind,
die neben vielen anderen Interessen ihrer Kinder auch deren
Vermögensinteressen wahrzunehmen haben und wahrnehmen, dann sind die
Vermögensinteressen der Eltern und der Kinder vor allem dann, wenn es sich um
Kleinkinder handelt, in aller Regel ganz dieselben. Der Verdacht, ein Transfer von
Mitteln, die auf den Namen der Kinder angelegt sind, auf ein Konto, das unter dem
Namen der Eltern bzw. eines Elternteils geführt wird, diene einem die Kinder
benachteiligenden Zweck, liegt in der Praxis – und wie der Senat meint, hinzufügen
zu sollen: glücklicherweise – äußerst fern.
Ganz dementsprechend haben sich auch in dieser Hinsicht keinerlei Hinweise
ergeben.
3. Die umstrittenen Überweisungsaufträge sind auch nicht auf der Grundlage der
§§ 181, 1797 Abs. 2 BGB (schwebend) unwirksam. Der Auftrag, einen Geldbetrag
vom Konto des Vertretenen auf das Konto des Vertreters zu überweisen, führt – im
Falle der Annahme dieses Auftrages – nicht zu einem Rechtsgeschäft des
Vertreters mit sich selbst, vielmehr zu einem Rechtsgeschäft zwischen dem
Vertretenen und der Bank. Von diesem Rechtsverhältnis – dem im Bankvertrag
begründeten Deckungsverhältnis – ist rechtlich gänzlich unabhängig das
Valutaverhältnis, das Rechtsverhältnis zwischen dem Auftraggeber und dem
Überweisungsempfänger. Nur in diesem Verhältnis können Vertretungsprobleme –
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Überweisungsempfänger. Nur in diesem Verhältnis können Vertretungsprobleme –
so das in § 181 BGB geregelte Problem – auftreten; an diesem Verhältnis aber hat
die Bank rechtlich keinen Anteil.
4. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Ziffer 10, 711, 543 Abs. 2 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.