Urteil des OLG Frankfurt vom 17.06.2009
OLG Frankfurt: firma, gesetz im formellen sinn, zivilrechtliche haftung, wertpapierhandel, kreditinstitut, betrug, anleger, beihilfe, geschäftsführer, trennung
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Gericht:
OLG Frankfurt 23.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
23 U 34/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 823 Abs 2 BGB, § 34a WpHG
(Bankenhaftung: Schadensersatzansprüche von Kunden
eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens gegen
Kreditinstitut bei Verwahrung von Kundengeldern auf
einem Sammelkonto)
Leitsatz
1. Die Kunden eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens, das zur Führung von
Konten nicht berechtigt ist, können das zur Kontoführung eingeschaltete Kreditinstitut
nicht allein aufgrund der Tatsache, dass die dort eingezahlten Gelder entgegen § 34 a
WpHG statt auf Einzelkonten auf einem sog. Omnibuskonto des
Wertpapierdienstleistungsunternehmens verwahrt wurden, auf Schadensersatz in
Anspruch nehmen.
2. § 34 a WpHG, der kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, darstellt, regelt
ausschließlich die Pflichten eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens, das zur
Kontoführung nicht berechtigt ist.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 15.11.2007 verkündete Urteil der 18.
Zivilkammer des Landgerichts in Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120
% des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet oder hinterlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (abgedruckt in EWiR 2008, 639)
wird Bezug genommen.
Die wirtschaftliche Entwicklung der Firma A … GmbH (im Folgenden: A) und ihre
Auseinandersetzungen mit der Aufsichtsbehörde nahmen folgenden Verlauf:
Die Firma A wurde im Jahre 1976 als Wertpapierhandelsunternehmen gegründet
und begann mit ihrer Tätigkeit. Im August 1989 eröffnete sie bei der Beklagten ein
Konto mit der Nummer ... (Bl. 325f.). Im Jahre 1992 begann sie, das von ihr
entwickelte Produkt „B … “ (B) zu vertreiben. Zum 1.1.1998 erhielt sie den Status
einer Wertpapierhandelsbank und wurde der Aufsicht des Bundesaufsichtsamts für
den Wertpapierhandel unterstellt. Im Juni 1999 wurde das Omnibuskonto mit der
Nummer ... mit dem Sperrvermerk „Treuhandkonto für Anleger“ gekennzeichnet
(Bl. 156). Mit Schreiben vom 20.1.2000 (Bl. 191ff.) wies das Bundesaufsichtsamts
für den Wertpapierhandel die Firma A auf die sich aus § 34 a I WpHG ergebenden
Pflichten hin und forderte, für jeden Kunden ein separates Konto einzurichten. Die
Firma A übersandte am 24.1.2000 das Schreiben des Bundesaufsichtsamts an
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Firma A übersandte am 24.1.2000 das Schreiben des Bundesaufsichtsamts an
ihren rechtlichen Berater und an die Beklagte „mit der Bitte um Mitteilung, wie das
Problem der Einzelkonten gelöst werden“ könne (Bl. 189). Der rechtliche Berater
widersprach der Auffassung des Bundesaufsichtsamts mit Schreiben vom
17.2.2000, von dem die Beklagte eine Durchschrift erhielt (Bl. 195f.). Am
21.3.2000 erließ das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel einen
Bescheid, wonach die Firma A die Verwendung von Kundengeldern im eigenen
Namen für fremde Rechnung einzustellen und dies auch zukünftig zu unterlassen
habe, soweit nicht die Kundengelder unverzüglich getrennt von den Geldern des
Unternehmens und von anderen Kundengeldern auf Treuhandkonten bei
entsprechenden Einlagesicherungskreditinstituten verwahrt würden. Der
Widerspruch der Firma A gegen diesen Bescheid wurde mit Bescheid vom
23.8.2000 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Klage der Firma A wurde mit
Urteil des Verwaltungsgerichts in Frankfurt am Main vom 12.11.2001 unter
Zulassung der Sprungrevision zurückgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht
wies die Revision der Firma A mit in mehreren Fachzeitschriften publiziertem Urteil
vom 24.4.2002 (BVerwGE 116, 198ff. = ZIP 2002, 1569ff.) zurück und wies zur
Begründung darauf hin, dass beim B die gesetzlich gebotene strikte Trennung der
Kundengelder nicht erfolge. Zwischenzeitlich (mit Schreiben vom 24.4.2001, Bl.
202) hatte das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel bei der Beklagten
angefragt, wie bei ihr die verschiedenen Treuhandkonten für Anleger der Firma A
geführt wurden. Die Beklagte teilte daraufhin mit Schreiben vom 4.5.2001 mit, es
handle sich um Einzelkonten, auf denen die Gelder in ihrer Gesamtheit verwahrt
würden (Bl. 203).
Am 7.8.2002 ordnete die BaFin, die mittlerweile die Aufgaben des
Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel übernommen hatte, eine
Sonderprüfung der Firma A an. Die beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
legte ihr Gutachten am 31.3.2003 vor. Am 7.4.2004 verstarb der Geschäftsführer
der Firma A .... Am 7.3.2005 wurde der neue Geschäftsführer über Fälschungen
informiert. Dies führte zur Untersagung des Geschäftsbetriebs am 11.3.2005 und
zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.7.2005. Auf dem Konto bei der
Beklagten, auf das die Klägerin einzahlte, befinden sich 26.185.138 €. Eine
Schadensersatzklage gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft blieb erfolglos
(BGH, Urteil vom 7.5.2009, III ZR 277/08, bei Juris). Auszahlungen aus der
Insolvenzmasse sind noch nicht erfolgt. Der Insolvenzverwalter vertritt die
umstrittene und rechtlich noch nicht geklärte Auffassung, den Anlegern stünden
Aussonderungsansprüche nicht zu. Zahlungen seitens des EdW, die die Klägerin
ebenfalls beantragt hat, sind nur im Verhältnis zu einzelnen Anlegern erfolgt, da
die Mittel dieser Einrichtung bislang nicht ausreichen, um alle A-Kunden zu
entschädigen (vgl. Frisch/Münscher, Haftung bei Immobilienanlagen, 2008, Rdnr.
350ff.).
Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen und hierzu ausgeführt:
Ein Anspruch aus § 280 BGB stehe der Klägerin nicht zu, da zwischen den Parteien
kein Vertragsverhältnis bestanden habe und die Beklagte somit keine
Aufklärungspflicht gehabt habe. Auch eine Haftung aus einem Vertrag zu Gunsten
Dritter komme nicht in Frage.
Auch ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 823 Abs. 2 und 830 BGB in
Verbindung mit § 34 a WpHG stehe der Klägerin nicht zu. Die strittige Frage, ob §
34 a WpHG ein Schutzgesetz im Sinne dieser Vorschriften darstelle, könne
dahinstehen, denn es bestehe kein Anhalt dafür, dass die Beklagte der Firma A,
die Adressatin der Norm des § 34 a WpHG sei, tatsächlich Beihilfe zu einem
Verstoß gegen diese Vorschrift geleistet habe. Die gesamten Umstände des
konkreten Einzelfalls würden keine ausreichenden Anhaltspunkte für die
Beteiligung an einer unerlaubten Handlung bieten. Die Eröffnung und
Weiterführung eines Kontos sei eine berufstypische, „neutrale“ Dienstleistung, die
nicht auf Grund der Gesamtumstände als rechtswidrig bewertet werden könne.
Rechtswidrig sei nicht die Sammlung des Geldes auf einem Gemeinschaftskonto
gewesen, sondern die Belassung des Geldes in Händen der Kontoinhaberin. Im
Hinblick darauf sei es ohne Belang, wann das Konto eingerichtet worden sei und ob
die Beklagte Kundenreferenznummern verteilt habe.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerechten
Berufung, die sie wie folgt begründet:
Das Urteil des Landgerichts sei nicht frei von Rechtsfehlern, fehlerhaften
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Das Urteil des Landgerichts sei nicht frei von Rechtsfehlern, fehlerhaften
Sachverhaltsfeststellungen und Widersprüchen und könne deshalb keinen Bestand
haben. Zu Unrecht würden sowohl vertragliche, wie auch deliktische Ansprüche
vom Landgericht verneint.
Das Landgericht habe sich nicht einmal ansatzweise mit der Auffassung der
Klägerin auseinandergesetzt, sie könne sich als Dritte auf die Schutzwirkung des
Vertrages der Parteien betreffend das streitgegenständliche Konto ... berufen.
Ähnlich wie in den Schrottimmobilienfällen bestehe auch ohne direkte
Vertragsbeziehung eine Aufklärungspflicht der Bank, hier über den Umstand, dass
das Geld gesetzwidrig verwahrt werde.
Eine deliktische Haftung bestehe, weil entgegen der Auffassung des Landgerichts
die gesamten Umstände des Einzelfalls ausreichende Anhaltspunkte für die
Beteiligung an einer unerlaubten Handlung ergeben würden. Von einer „neutralen“
Handlung könne nicht ausgegangen werden, wenn eine Hausbank bewusst ein
Konto zur Verfügung stelle, das unter Verstoß gegen § 34 a WpHG genutzt werde.
Die entsprechende Kenntnis habe die Beklagte spätestens vom 24.01.2000 an
gehabt. Es sei auch nicht von Bedeutung, dass § 34 a WpHG für die Beklagte nicht
gelte. Die Firma A habe als Wertpapierhandelsbank gar nicht die Möglichkeit
gehabt, die Anlegergelder selbst zu halten, sondern zur Durchführung ihrer Pläne
eine Bank mit Vollbanklizenz gebraucht. Diese Rolle habe die Beklagte
übernommen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass das fragliche Konto dem
Vortrag der Beklagten nach als Treuhandkonto deklariert worden sei, da es
zumindest als solches nicht geführt worden sei, sondern vielmehr von ihm
Vergütungen entnommen und auch Überweisungen auf Nostrokonten
vorgenommen worden seien.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom
15.11.2007, Az.: 2-18 O 172/07, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin
83.200,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 18. Februar 2005 zu
zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, das Urteil des Landgerichts sei frei von
Rechtsfehlern, wobei allerdings auch eine Reihe von anderen Gründen die
Abweisung der Klage rechtfertigen würden.
Ein Vertrag mit Schutzwirkungen zu Gunsten der Klägerin liege nicht vor. Eine Bank
könne im Überweisungsverkehr nicht zu Warnhinweisen verpflichtet werden.
Zutreffend habe das Landgericht auch eine deliktische Haftung verneint. Weder die
Voraussetzungen des § 830 BGB, noch die des § 831 BGB würden vorliegen. Das
voluntative Element des Beihilfevorsatzes fehle. Die mit der Führung des Kontos
der Firma A befassten Mitarbeiter der Beklagten, die Herren C und D, hätten weder
gewusst, dass die Firma A die Anlegergelder zu separieren hatte, noch hätten sie
den Willen gehabt, diese Firma bei ihrem vermeintlichen Verstoß gegen § 34 a
WpHG zu unterstützen. Diese Vorschrift sei auch nicht als Schutzgesetz im Sinne
des § 823 Abs. 2 BGB anzusehen. Diese einem
Wertpapierdienstleistungsunternehmen besondere Vertragspflichten auferlegende
Vorschrift könne nicht zu einer Jedermannspflicht umqualifiziert werden mit der
Folge, dass auch alle Mitarbeiter der Beklagten, die mit der Abwicklung des
Zahlungsverkehrs über das streitgegenständliche Konto befasst gewesen seien,
persönlich in Anspruch genommen werden könnten. Zweck des § 34 a WpHG sei
es, die Kundengelder vor der Insolvenz des
Wertpapierdienstleistungsunternehmens und vor dem Zugriff von dessen
Gläubigern zu schützen, nicht aber vor der zweckwidrigen Verwendung. Dies werde
auch dadurch deutlich, dass die Neufassung des § 34 a WpHG Omnibuskonten
zulasse, falls der Kunde über den Schutzzweck der Trennung informiert worden sei
und eine entsprechende Weisung im Wege individueller Vertragsabrede erteilt
habe. Wenn der Gesetzgeber aber mittlerweile die Einrichtung von Omnibuskonten
der Disposition der Vertragspartner überlasse, könne eine deliktische
Schutzgesetzeigenschaft nicht vorliegen.
Im Übrigen sei damit zu rechnen, dass die Klägerin demnächst in Höhe von
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Im Übrigen sei damit zu rechnen, dass die Klägerin demnächst in Höhe von
20.000,00 Euro durch den EdW entschädigt werde.
Wegen des weitergehenden Parteivorbringens wird auf die vorbereitenden
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die Berufung ist zulässig. Sie richtet sich auch gegen ein wirksames Urteil. Zwar
wurde das im Termin verkündete Urteil nicht gemäß § 315 Abs. 2 S. 1 ZPO binnen
drei Wochen in vollständiger abgefasster Form der Geschäftsstelle übermittelt. Es
handelt sich dabei aber um eine bloße Ordnungsvorschrift, die die Wirksamkeit des
Urteils nicht in Frage stellt (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 67. Aufl.
2009, § 315 Rdnr. 11).
III. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Landgericht hat zu Recht das
Bestehen von Ansprüchen der Klägerin gegen die Beklagte verneint.
1. Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, dass im Hinblick auf die
Überweisung im Verhältnis zur Empfängerbank ein Vertrag mit Schutzwirkung zu
Gunsten Dritter zustande gekommen sei (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl.
2009, § 328 Rdnr. 23). Mit dieser Frage hat sich kürzlich der IX. Zivilsenat des BGH
beschäftigt (BGHZ 176, 281 ff = BKR 2008, 381 ff) und ist unter Darstellung der
Gegenauffassung mit überzeugenderer Begründung zu dem Ergebnis gekommen,
es bedürfe der Annahme eines Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter
nicht, da der Bankkunde auch ohne Einbeziehung in die Schutzwirkung des
Girovertrages durch andere Ersatzansprüche ausreichend geschützt sei. Dieser
Auffassung schließt sich der Senat an.
2. Die Rechtsprechung hat – obwohl der Überweisende nicht in vertraglicher
Beziehung zur Empfängerbank steht (Schimansky/Bunte/Lwowski,
Bankrechtshandbuch Band I, 3. Aufl. 2007, § 49 Rdnr. 131) – ähnlich wie die
Rechtsprechung im Bereich der sogenannten Schrottimmobilien die
Voraussetzungen definiert, unter denen die Empfängerbank zu einer Warnung des
Überweisenden verpflichtet ist. Die Rechtsprechung geht dabei davon aus, dass
grundsätzlich den am Überweisungsverkehr beteiligten Banken keine Warn- und
Schutzpflichten gegenüber dem Überweisenden obliegen, da sie sich in der Regel
streng innerhalb der Grenzen des ihnen erteilten formalen Auftrags zu halten
haben. Eine Ausnahme ist jedoch dann zu machen, wenn das Kreditinstitut auf
Grund massiver Anhaltspunkte den Verdacht hegt, dass ein Kunde bei der
Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr durch eine Straftat einen anderen
schädigen will. Bei einer solchen objektiven Evidenz des Verdachts der
Veruntreuung kann die Schutzpflicht im Rahmen der vorzunehmenden
Interessenabwägung stärker bewertet werden als die Pflicht, das Bankgeheimnis
gegenüber dem eigenen Kunden zu wahren (BGH NJW 1987, 317 ff., BGHZ 176,
281 ff. = BKR 2008, 381 ff.). Im vorliegenden Fall bestand eine Warnpflicht im
Hinblick auf die vorstehend dargestellten Grundsätze nicht. Der Beklagten wird
nicht vorgeworfen, dass sie trotz entsprechender Anhaltspunkte die Klägerin nicht
vor einem absehbaren Betrug gewarnt habe. Der Betrug war für sie nicht
erkennbar, da sie nur den Überblick über einen Teil der deutschen Konten der
Firma A hatte und keinen Überblick über die Handelsaktivitäten der Firma A bei
einem amerikanischen und einem in Großbritannien registrierten Broker. Der
Vorwurf gegenüber der Beklagten ist nur der, dass sie die Führung des
Omnibuskontos toleriert hat. Dies rechtfertigt aber nicht einen Anspruch auf Grund
des zitierten Rechtsprechungsgrundsatzes.
3. Die Klägerin beruft sich in erster Linie auf einen Anspruch gemäß § 823 Abs. 2
BGB in Verbindung mit § 34 a WpHG. Eine Zuwiderhandlung gegen diese Vorschrift
stellt eine Ordnungswidrigkeit nach § 39 Abs. 2 Ziff. 13 WpHG a.F. dar (heute Ziff.
16). Dabei ist unter Gesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB nicht nur ein Gesetz im
formellen Sinn, sondern jede Rechtsnorm – also auch eine Verordnung - zu
verstehen (Palandt/Sprau, a.a.O., § 823 Rdnr. 56 a). Dabei liegt die praktische
Bedeutung des § 823 Abs. 2 BGB in der Ausweitung des Deliktrechts auf den
Ersatz von allgemeinen und primären Vermögensschäden (Sethe, Anlegerschutz
im Recht der Vermögensverwaltung, 2005, S. 758). Die Sanktion als
Ordnungswidrigkeit allein besagt noch nichts Entscheidendes bezüglich der Frage,
ob ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB vorliegt (BGHZ 84, 312ff. =
ZIP 1982, 1090ff.).
Die Frage, ob § 34 a WpHG ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB
darstellt, ist umstritten. Nach Auffassung des Senats ist sie zu verneinen.
Zumindest fehlt es an dem sog. Gehilfenvorsatz.
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Um festzustellen, ob eine bestimmte Vorschrift als Schutzgesetz einzuordnen ist,
muss ihre Schutzrichtung bestimmt werden. Es reicht nicht aus, dass die in Frage
stehende Norm ihrem Regelungsgehalt nach den Belangen Einzelner entspricht.
Es muss vielmehr festgestellt werden, ob die jeweilige Vorschrift zumindest auch
den Schutz individueller Interessen bezweckt (Sethe, a.a.O., s. 759). Der
Individualschutz darf nicht nur durch Befolgung der Norm als Reflex objektiv
erreicht werden. Es ist vielmehr unter umfassender Würdigung des gesamten
Regelungszusammenhangs zu prüfen, ob es der Absicht des Gesetzgebers
entsprach, an die Verletzung des geschützten Interesses die deliktische
Einstandspflicht des dagegen Verstoßenden zu knüpfen, um einen sinnvollen
individuellen Schadensersatzanspruch zu schaffen, der im Lichte des
haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheint (BGHZ 84, 312 ff. = ZIP
1982, 1090 ff., BGHZ 5, 276 ff. = BKR 2008, 294 ff., BGHZ 176, 281 ff. = BKR
2008, 381 ff.). Die Gesetzesmaterialen (BT Drucksache Bd. 576, 13/7142, S. 110)
liefern keinen Anhaltspunkt dafür, dass in einem Fall wie dem vorliegenden ein
Schadensersatzanspruch gegen das Kreditinstitut, das zum Betreiben des
Einlagengeschäfts befugt ist, bestehen soll, sondern führen nur in allgemeiner
Form aus, dass die Kundengelder im Konkursfall des
Wertpapierdienstleistungsunternehmens geschützt sein sollen.
Für den Bereich des WpHG wird man sagen können, dass die Regelungen in § 31 ff.
eine „Doppelnatur“ haben (Lang/Balzer, Festschrift für Gerd Nobbe, 2009, S. 642),
da sie aufsichtsrechtlichen und individualschützenden Charakter (die Kehrseiten
derselben Medaille) haben, in dem sie Mindeststandards für ein berufliches
Verhalten vorschreiben (Sethe, a.a.O., S. 759 ff.). Der 16. Zivilsenat des OLG
Frankfurt (ZIP 2006, 2385 ff) und Sethe (a.a.O., S. 766) schließen daraus, dass §
34 a WpHG ein Schutzgesetz darstelle, da der Anleger vor den Risiken eines
Sammelkontos bewahrt werden solle und die Chancen auf einen Substanzerhalt
vergrößert werden. Schwark (Kapitalmarktrechtskommentar, 3. Aufl. 2004, § 34 a
WpHG Rdnr. ordnet dagegen diese Vorschrift dem öffentlichen Recht zu, da ihr Ziel
die Förderung des Finanzplatzes Deutschland sei, und betrachtet sie nicht als
Schutzgesetz. In einer kürzlich ergangen Entscheidung (BGHZ 175, 276 ff = BKR
2008, 294 ff) geht der BGH davon aus, dass die § 31 ff. WpHG nicht nur
aufsichtsrechtlicher Natur sein mögen, sondern ihnen auch anlegerschützende
Funktion zukommen möge, stellt dann aber darauf ab, dass nur (vor)vertragliche
Pflichten geregelt würden, denen keine eigenständige, über die zivilrechtliche
Aufklärungs- und Beratungspflichten hinausgehende schadensersatzrechtliche
Bedeutung zukomme.
Der Senat verkennt nicht, dass gerade die vorliegende Fallgestaltung die
Angemessenheit einer deliktischen Haftung diskutabel erscheinen lässt. Da die
Kundengelder durch Einlagenkreditinstitute zu verwahren sind, liegt die praktische
Durchführung der Kontotrennung bei ihnen und sie sind somit auch direkt vom
Regelungsgehalt dieser Norm betroffen (Wolf BKR 2002, 892). Ein allerdings
nachrangiger Teil der Verantwortung dafür, dass das
Wertpapierdienstleistungsunternehmen das Geld nicht missbräuchlich verwendet,
trifft deshalb das Einlagekreditinstitut, das sich auch nicht damit zufrieden geben
sollte, dass lediglich eine buchhalterische Zuordnung einzelner Beträge auf dem
Omnibuskonto an Kunden vorgenommen wird, da dadurch ein Schutz der Kunden
nicht erreicht wird (Wolf BKR 2002, 892, 894). Die Handhabung der Beklagten
widersprach auch dem Rundschreiben der BaFin, Bereich Wertpapieraufsicht, vom
21.10.1998 (Kopie Bl. 132 f.) und der rechtlichen Beurteilung der BaFin, über die
die Beklagte durch Übersendung des eine Kontotrennung verlangenden
Schreibens vom 20.01.2000 im Bilde war. Dies alles ändert jedoch nichts daran,
dass nach der Rechtsprechung des BGH an die Einordnung einer Vorschrift als
Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB hohe Anforderungen zu stellen sind.
Die Schutzvoraussetzungen müssen mit Ansprüchen gemäß §§ 823 Abs. 1 bzw.
826 BGB vergleichbar sein. Es muss ein sittenwidriges Verhalten vorliegen, das
eine Sanktion erfordert (BGHZ 175, 276 ff = BKR 2008, 294 ff). Das Führen eines
Omnibus-Treuhandkontos ist aber nicht mit einer sittenwidrigen Schädigung
vergleichbar. Eine solche Kontoführung muss nicht zu Schäden führen. Der
primäre Unrechtsgehalt liegt auch nicht in der Handlungsweise der Bank, sondern
in der des Wertpapierhandelsunternehmens, das von den Kunden in solchen Fällen
regelmäßig auf vertraglicher und deliktischer Grundlage in Anspruch genommen
werden kann.
Es liegt auch keine Beihilfe zu einer von den Mitarbeitern der Firma A begangenen
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Es liegt auch keine Beihilfe zu einer von den Mitarbeitern der Firma A begangenen
unerlaubten Handlung im Sinne des § 830 BGB vor.
Den vorliegenden Fall kann man im weiteren Sinne unter dem Begriff der
sogenannten „neutralen Beihilfe“ einordnen. In Fällen dieser Art geht es um
Hilfeleistungen im Rahmen alltäglicher Berufsausübung, die praktisch einem Täter
zu Gute kommen, und deren Sanktionierung eine wertende Betrachtung
voraussetzt. Fallgestaltungen, in denen Mitarbeiter einer Bank für Delikte eines
Kunden zur Verantwortung gezogen werden sollen, sind für diesen Bereich typisch
(von Hein, ACP, Band 204 [2004], S. 761, 763). Die Problematik liegt dabei primär
im subjektiven Bereich. Nach der Rechtsprechung des BGH richtet sich die
zivilrechtliche Haftung insoweit nach den für das Strafrecht entwickelten
Rechtsgrundsätzen (BGHZ 137, 89 ff = VersR 1998, 109 ff., differenzierend von
Hein, a.a.O., S. 770 ff, m.w. Nachw). Nach der Rechtsprechung der Zivil- und
Strafsenate des BGH reicht es für das erforderliche vorsätzliche Mitwirken an der
Verletzungshandlung (Palandt/Sprau, a.a.O., § 830 Rdnr. 2) in Form der billigenden
Inkaufnahme nicht aus, die Tatumstände und die potentielle Gefährdungslage zu
kennen. Es ist vielmehr der Wille des Gehilfen festzustellen, die fremde Tat zu
fördern, wobei die Beihilfehandlung von einem auf die Rechtsgutverletzung
gerichteten Willen getragen worden sein muss (vgl. BGH WM 2004, 1768 ff., NStZ-
RR 2008, 239 f., OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.2.2007, I-17 U 257/06, bei Juris). Aus
Sicht des Helfers müssen sich ausreichende Anhaltspunkte für die Beteiligung an
einem sittenwidrigen Verhalten ergeben.
Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Es ist in diesem Zusammenhang zu beachten,
dass es nicht um die Gefahren geht, die durch den später aufgedeckten Betrug
der leitenden Mitarbeiter der Firma A herbeigeführt wurde. Ein Verstoß gegen § 34
a WpHG indiziert keinen Missbrauch der Kundengelder. Es geht nur um die durch
die unterlassene Kontotrennung entstandene Situation. Diese hätte aber auch
einen unbedenklichen Grund wie z.B. eine Bearbeitungsvereinfachung haben
können. Eine bewusste Beteiligung an einem sittenwidrigen Verhalten lag nicht vor.
Auf schwierige, spezifische Fragen in den Bereichen Kausalität, Mitverschulden und
Schadenshöhe kommt es demnach nicht an.
IV. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Ziff. 10, 712, 709
S. 2 und 543 ZPO. Die Sache hat in Anbetracht der kontroversen Entscheidungen
zur Frage, ob § 34 a WpHG ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB ist,
grundsätzliche Bedeutung.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.