Urteil des OLG Frankfurt vom 10.08.2000
OLG Frankfurt: wahrscheinlichkeit, versicherungsnehmer, lebenserfahrung, entwendung, zustand, beweislast, einzelrichter, wohnung, anhörung, glaubwürdigkeit
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Gericht:
OLG Frankfurt 3.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 U 210/98
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 5 VHB 1984
(Hausratversicherung: Nachweis des äußeren Bildes eines
Wohnungseinbruchs bei fehlenden Einbruchsspuren am
Türschloß)
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 01. 1 0. 1 998 verkündete Urteil der 25.
Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main - Einzelrichter wird auf ihre
Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer der Klägerin beträgt 55.717,43 DM.
Tatbestand
Von einer Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§ 543 Abs. 1 ZPO).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin hatte in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin
hat den Nachweis eines Einbruchdiebstahls im Sinne von § 5 VHB nicht fuhren
können.
Zwar genügt ein Versicherungsnehmer seiner Beweislast, wenn er das äußere Bild
einer bedingungsgemäßen Entwendung beweist, also ein Mindestmaß an
Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
den Schluß auf eine Entwendung zulassen. Diesen Nachweis hat die Klägerin nicht
geführt. Denn zum äußeren Bild eines bedingungsgemäßen Einbruchdiebstahls
gehört grundsätzlich auch, daß Einbruchsspuren feststellbar sind (BGH VersR 95,
956; VersR 96, 187). An solchen fehlt es indessen. Weder der Zustand der
Wohnung noch das Fehlen des Schließzylinders stellen derartige auf einen
bedingungsgemäßen Einbruch hinweisende Spuren dar. Der Sachverständige hat
festgestellt, daß das entnommene Kasteneinsteckschloss der Wohnungstür keine
Hinweise darauf enthielt, daß ein in diesem Schloss montierter Schließzylinder
gewaltsam entfernt worden ist, sondern daß lediglich Spurenbilder vorhanden sind,
welche sich bei üblichem Gebrauch ergeben. Der vom Gericht eingeschaltete
Sachverständige hat ausgeführt, daß die in der Praxis hauptsächlich angewandten
Methoden zur Entfernung des Profilschließzylinders der Eingangstür (Abbrechen,
Ziehen, Durchtreiben, Kernziehen, Durchbohren) aus spurenkundlicher Sicht nicht
nachvollzogen werden können. Soweit er Ausnahmemöglichkeiten aufgezeigt hat,
in denen der Schließzylinder ausnahmsweise auch ohne Hinterlassung von Spuren
am Schloß entfernt werden könne, können auch diese der Klägerin nicht zum
Nachweis des äußeren Bildes eines Einbruchdiebstahls verhelfen. Das vom
Sachverständigen bei seiner mündlichen Anhörung näher erläuterte sogenannte
Nachsperren mit Hilfe von sogenannten Pick- Sets setzt besondere Kenntnisse
und Fertigkeiten voraus, indem mit mehreren Bewegungen versucht werden muß,
die Sperrstifte mit Hilfe der in den Schlüssekanal eingeführten Werkzeuge auf die
Schließebene auszurichten, um so den Schließzylinder wie mit einem passenden
Schlüssel drehen zu können. Dieser bis zum möglichen Ausbau des Zylinders
unter Umständen mehrmals zu wiederholende Vorgang stellt nach den
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unter Umständen mehrmals zu wiederholende Vorgang stellt nach den
Ausführungen des Sachverständigen eine sehr seltene Methode dar. Dem
Sachverständigen war auch kein Fall bekannt, in dem beim sogenannten
Nachsperren der Schließzylinder mitgenommen worden ist. Auch die weitere
Möglichkeit, die sogenannte Anbohrmethode, erfordert ganz besondere
Fertigkeiten, um spurenlos an den Schließzylinder zu gelangen. Es müssen
nämlich 5 Zuhaltungsstifte durchgebohrt werden, wobei besonders vorsichtig
verfahren werden muß, um nicht den Bohrer aus dem Gehäuse austreten zu
lassen und Messingspäne im Schloß zu hinterlassen.
Auch wenn die Anwendung dieser beiden - spurenlosen - Methoden für geübte
Einbrecher weder besonders lang dauern muß, noch weithin hörbaren Lärm
verursacht, hält der Senat diese Ausnahmemöglichkeiten des spurenlosen
Einbruches vorliegend für den Nachweis des äußeren Bildes für nicht ausreichend.
Die beiden denkbaren technischen Möglichkeiten genügen auch unter dem
Blickwinkel der einem Versicherungsnehmer zuzubilligenden Beweiserleichterung
deswegen nicht, weil es sich nicht um die einzig mögliche Begehung handelt.
Soweit nämlich in der Rechtsprechung beim Fehlen äußerer Einbruchspuren
ausnahmsweise gleichwohl der Nachweis des äußeren Bildes als geführt
angesehen wird, wird regelmäßig gefordert, daß jede andere Möglichkeit als die
des Einbruchs ausscheidet. Das heißt, der Versicherungsnehmer muß nachweisen,
daß die unversicherten Begehungsweisen zumindest unwahrscheinlich sind und
sich daraus und aus anderen Umständen eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für
eine versicherte Begehungsweise folgern läßt (OLG Hamm VersR 95, 1233;
Römer/Langheid, § 49 VVG, Rdnr. 21). Die Klägerin hätte mithin Umstände dartun
müssen, die nach der Lebenserfahrung darauf schließen lassen, daß keine der
vorhandenen normalen Schlüssel zur Wohnungstür benutzt worden sein kann bzw.
daß auch die Möglichkeit eines Nachschlüsseldiebstahls mit Hilfe eines zuvor
heimlich kopierten Originalschlüssels bestand. An diesem Vorbringen fehlt es. Es
gibt keinerlei Beweisanzeichen, die die Verwendung der vorhandenen Schlüssel
unwahrscheinlich erscheinen lassen (OLG Köln, OLGR 93, 56, 258).
So ist es durchaus denkbar, daß die Tür zunächst mit einem normalen Schlüssel
geöffnet worden und anschließend der Schließzylinder ausgebaut worden ist, was
in einem solchen Falle ohne Schwierigkeiten spurenlos möglich ist. Damit sind die
Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise auf das Vorliegen äußerer
Einbruchspuren verzichtet werden kann, nicht erfüllt. Auf den im übrigen nicht
hinreichend substantiierten Beweisantritt der Klägerin, wonach im Jahre 1993 oder
1994 bei einer Familie ... ein Wohnungseinbruch in gleicher Begehungsweise verübt
worden sei, kann es hiernach nicht ankommen. Hat die Klägerin aber bereits das
äußere Bild eines Einbruchdiebstahls nicht bewiesen, so kommt es auf die weitere
Frage, ob die Beklagte eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür dargetan hat, daß
ein Einbruchdiebstahl nicht stattgefunden hat, ob also schwerwiegende Zweifel an
der Glaubhaftigkeit der Sachdarstellung der Klägerin oder an ihrer Glaubwürdigkeit
gegeben sind, nicht an. Die Berufung war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO
ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711,
713 ZPO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.