Urteil des OLG Frankfurt vom 29.04.2005

OLG Frankfurt: elterliche sorge, urlaub, absolutes recht, berufungskläger, anschlussberufung, fahren, verweigerung, rücktritt, kindeswohl, quelle

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Gericht:
OLG Frankfurt 1.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 UF 64/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 823 Abs 1 BGB, § 1684 BGB,
§ 522 ZPO
(Elterliche Sorge: Schadensersatzpflicht bei Verweigerung
des Umgangs)
Tenor
Der Berufungskläger wird darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung
nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Der Berufungskläger erhält die Möglichkeit zur Stellungnahme auf den Hinweis
binnen drei Wochen.
Der Berufungsbeklagten wird Prozesskostenhilfe für die zweite Instanz bewilligt,
soweit sie sich gegen die Berufung verteidigt. Insoweit wird ihr zur Wahrnehmung
ihrer Rechte Frau Rechtsanwältin X. beigeordnet.
Soweit die Beklagte im Wege der Anschlussberufung die Aufhebung des Urteils des
Amtsgerichts Gelnhausen vom 10. Februar 2005 und Klageabweisung begehrt,
wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.
Gründe
Die Berufung und die Anschlussberufung bieten keine Aussicht auf Erfolg, die
Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert auch keine
Entscheidung.
Der Kläger kann von der Beklagten nach § 823 BGB Schadensersatz verlangen.
Das Umgangsrecht eines Elternteils ist ein absolutes Recht im Sinne des § 823
Abs. 1 BGB (vgl. OLG Karlsruhe in: FamRZ 2002, 1056 f.). Dieses Recht hat die
Beklagte rechtswidrig und schuldhaft verletzt, da sie dem Kläger ohne
rechtfertigenden Grund am Abreisetag die Kinder nicht heraus gegeben hat.
Dass der Kläger berechtigt war, mit den beiden Töchtern F. und B. XYZ. den
gebuchten Dänemarkurlaub zu verleben, hatte das Amtsgericht mit Beschluss
vom 5. Juli 2004, der im Beschwerdeverfahren durch das Oberlandesgericht
Frankfurt bestätigt wurde, festgestellt. Einen rechtfertigenden Grund für die
dennoch verweigerte Herausgabe der beiden Kinder am Abreisetag hat die
Beklagte nicht vorgetragen. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, die Kinder
hätten nicht gewollt, hat das Familiengericht zu Recht ausgeführt, dass die
Beklagte verpflichtet war, auf die Kinder derart einzuwirken, dass diese den
Umgang mit dem Kläger auch in dem geplanten Urlaub ausüben.
Das Familiengericht hat den Schaden des Klägers jedoch zu Recht nur mit 50 %
des Reisepreises bewertet (§ 287 ZPO).
Es ist nicht zu beanstanden, dass das Familiengericht eine Minderung des
Schadens aufgrund der nicht abgeschlossenen Reisekostenrücktrittsversicherung
verneint hat. Da weder die Kinder noch der Kläger noch seine Ehefrau durch eine
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verneint hat. Da weder die Kinder noch der Kläger noch seine Ehefrau durch eine
Erkrankung an der Reise gehindert waren, hätten die Stornierungskosten auch
durch eine derartige Versicherung nicht aufgefangen werden können. Soweit der
Kläger nunmehr vorträgt, er sei aufgrund der Weigerung der Beklagten, die Kinder
für den Urlaub herauszugeben, psychisch nicht mehr in der Lage gewesen, den
Urlaub anzutreten, ist der Vortrag nicht nur unsubstantiiert sondern auch eher
nachteilig für den Kläger, da bei einem krankheitsbedingten Ausfall der Reise sich
zu seinen Lasten auswirken würde, dass er eine Reisekostenrücktrittsversicherung
nicht abgeschlossen hatte.
Obwohl der Kläger den gesamten Reisepreis zahlen musste und die Reise nicht
angetreten hat, hat die Beklagte jedoch nur 50 % des Schadens zurechenbar
verursacht.
Dass die Reise vollständig ausfiel, beruhte nicht nur auf der Weigerung der
Beklagten sondern auch auf dem Willensentschluss des Klägers, ohne seine
beiden Töchter mit seiner Ehefrau allein nicht in Urlaub zu fahren. Es handelt sich
insoweit um eine psychisch vermittelte Kausalität. Eine Ersatzpflicht kommt zwar
grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn der Schaden durch eine Handlung
verursacht wurde, die auf einem Willensentschluss des Verletzten beruhte aber nur
dann, wenn die Handlung des Verletzten durch das haftungsbegründende Ereignis
herausgefordert worden ist und eine nicht ungewöhnliche Reaktion auf dieses
darstellt. Voraussetzung ist insoweit auch, dass der Schaden nach Art und
Entstehung nicht außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegt und unter den
Schutzzweck der Norm fällt (vgl. Heinrichs in: Palandt, Kommentar zum BGB, Vorb.
v. § 249 BGB). Dass die Urlaubskosten von zwei Erwachsenen und zwei Kindern in
der Regel erheblich höher liegen als von zwei Erwachsenen, ist ohne weiteres
nachvollziehbar. Dass der Kläger somit entsprechende Mehraufwendungen hatte,
die er aufgrund der Umgangsverweigerung nutzlos aufwandte ist daher auch
zutreffend. Dass der Kläger jedoch aufgrund der Umgangsverweigerung den
Urlaub vollständig ausfallen ließ und somit den vollen Urlaubspreis nutzlos
aufwandte, ist vom Schutzzweck, dem Sinn und Zweck des Umgangsrechts, nicht
mehr umfasst.
Da der Kläger bis zum geplanten Abreisetag von einer Durchführung der
Urlaubsreise mit den Kindern ausgehen konnte, hatte er vorher keinen Anlass, die
Reise zu stornieren. Ein Rücktritt am Anreisetag hatte wie ein Nichtantritt der Reise
nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Reisevertragspartners des
Klägers Rücktrittskosten in Höhe von 100 % des Reisepreises zur Folge.
Sinn und Zweck des Umgangsrechts ist es, dem nicht betreuenden Elternteil die
Möglichkeit zu geben, sich laufend von der Entwicklung und dem Wohlergehen des
Kindes zu überzeugen und die zwischen ihnen bestehenden Bindungen zu pflegen
(vgl. Diederichsen in: Palandt, Kommentar zum BGB, § 1684 BGB Rdnr. 2). Dies
beinhaltet auch grundsätzlich das Recht, mit den Kindern einen Urlaub zu
verleben. Sinn und Zweck des Umgangsrechts ist es jedoch nicht, dass der nicht
betreuende Elternteil nur wegen der Kinder einen Urlaub bucht. Wenn der nicht
betreuende Elternteil keinen Urlaub plant, wird der Zweck des Umgangsrechts
auch erreicht, wenn er während seiner arbeitsfreien Zeit einen längeren Zeitraum
mit den Kindern bei ihm zu Hause verbringt. Auch widerspricht es dem Kindeswohl,
wenn den Kindern vermittelt würde, dass ein teuerer Erholungsurlaub nur
ihretwegen gebucht worden wäre. Lediglich bei der Auswahl des Ferienortes sollten
die Wünsche der Kinder neben den Wünschen des nicht betreuenden Elternteils
berücksichtigt werden.
Dass das Familiengericht die durch die Umgangsverweigerung adäquat
verursachten Mehraufwendungen des Klägers mit 50 % des Reisepreises bewertet
hat, ist im Ergebnis auch unter Berücksichtigung des nach § 529 ZPO
eingeschränkten Prüfungsumfanges des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden.
Dass das Familiengericht entsprechend der Kopfteile die Mehraufwendungen
bewertet hat (der Kläger wollte mit seiner Ehefrau und zwei Kindern in Urlaub
fahren), ist im Ergebnis ermessensfehlerfrei. Auf der einen Seite ist zu
berücksichtigen, dass größere Ferienhäuser im Verhältnis zu kleineren billiger sind,
so dass an sich die durch die Mitnahme von zwei Kindern verursachten
Mehraufwendungen unter 50 % lägen. Auf der anderen Seite ist aber auch zu
berücksichtigen, dass bei der Wahl des Urlaubsdomizils mitentscheidend sein
kann, ob der Urlaub mit Kindern oder ohne Kinder verlebt werden soll. So hat der
Kläger vorgetragen, dass die Kinder unbedingt einen Swimmingpool vor Ort haben
wollten.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.