Urteil des OLG Frankfurt vom 28.06.2000
OLG Frankfurt: bemessung der invalidität, invaliditätsgrad, leistungsfähigkeit, trauma, beweislastverteilung, erstellung, gefahr, versicherungsvertrag, klinikum, unfallversicherung
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Gericht:
OLG Frankfurt 7.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 U 174/97
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 286 ZPO, § 7 AUB 1988, § 22
Abs 4 AKB, § 22 AKB
(Unfallversicherung: Beweislast für Invaliditätsgrad)
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 26. Zivilkammer des
Landgerichts Frankfurt am Main vom 24.6.1997 – Aktenzeichen: 2/26 O 288/95 –
wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 11.000,– DM abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Die Beschwer beträgt 64.000,– DM.
Tatbestand
Der Kläger unterhielt bei der Beklagten eine Kraftfahrtunfallversicherung mit einer
Versicherungssumme von 200.000,-- DM für den Invaliditätsfall. Dem
Versicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für die
Kraftfahrtversicherung (AKB) zugrunde.
Am 6.9.1991 erlitt der Kläger bei einem Verkehrsunfall mit seinem Pkw u.a. ein
Schädel-Hirn-Trauma, eine Thoraxkontusion links mit Haematopneumothorax
links, ein stumpfes Bauchtrauma mit Milzruptur, eine Fraktur Femur links, eine
Beckenfraktur links mit Schambeinfraktur und Beckenschaufelfraktur links.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Übernahmebericht des Städtischen
Klinikum ... (Bl. 16 ff. d. A.) Bezug genommen.
Auf der Grundlage einer durch die Beklagte veranlaßten, am 15.10.1992 erfolgten
Untersuchung erstellte Professor Dr. ... ein bei der Beklagten am 23.10.1992
eingegangenes Gutachten (Bl. 26 ff. d.A.), das ohne Berücksichtigung der
Gliedertaxe des § 20 Abs. 1 AKB mit der Bewertung abschloß, bei dem Kläger
bestehe zur Zeit eine unfallbedingte Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit von
70 %. Mit Schreiben vom 13.11.1992 (Bl. 30 d.A.) übersandte die Beklagte dem
Kläger das Gutachten unter Hinweis darauf, daß dieses Feststellungen zum
Bestehen einer dauerhaften Invalidität nicht enthalte, daher unverwertbar sei und
sie von ihrem Recht Gebrauch mache, nach § 20 Abs. 4 AKB den Grad der
Invalidität längstens binnen 3 Jahren nach Eintritt des Unfalles erneut ärztlich
bemessen zu lassen. Dem Schreiben wurde ein Scheck über 20.000,-- DM
beigefügt, wobei dieser Betrag als Vorschuß für eine zu erwartende
Invaliditätsleistung bezeichnet und eine Rückforderung vorbehalten wurde.
Der Kläger machte sodann mit Schreiben vom 7.12.1992 (Bl. 32 ff. d.A.) unter
Bezugnahme auf das Gutachten von Prof. Dr. ... eine Invaliditätsentschädigung in
Höhe von 140.000,-- DM geltend und forderte die Beklagte zur Zahlung einer
weiteren Vorschußzahlung in Höhe von 100.000,-- DM bis zum 30.12.1992 auf.
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Der Kläger, der auch über einen von seiner Mutter abgeschlossenen
Versicherungsvertrag bei der ... Versicherung unfallversichert war, wurde im
Rahmen der dortigen Anspruchsprüfung aufgrund Auftrages vom 15.9.1992 durch
... Städtisches Klinikum ... nachuntersucht. Dessen Gutachten vom 20.1.1993 (Bl.
38 ff. d.A.) schließt mit der Bewertung ab, bei dem Kläger bestehe zur Zeit eine
unfallbedingte Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von 70 %. Unter dem
7.12.1992 erstellte ... eine ärztliche Bescheinigung, in der bestätigt wurde, daß bei
dem Kläger als Unfallfolge ein Dauerschaden in Höhe von 70 % MdE resultiert.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 14.12.1992 mit, daß sie Prof.
Dr. ... um eine Bemessung des Invaliditätsgrades unter Berücksichtigung der
Gliedertaxe gebeten habe.
Nachdem sich der Kläger gegen eine weitere von der Beklagten in Auftrag
gegebene Begutachtung bei der Berufsgenossenschaftlichen Krankenanstalt ... in
Bochum mit dem Hinweis auf den weiten Anfahrtsweg gewandt hatte, teilte die
Beklagte mit Schreiben vom 11.11.1993 mit, daß sie das ... Leipzig, dort ... mit der
Erstellung eines Invaliditätsgutachtens beauftragt habe.
Dessen gutachterliche Stellungnahme (Bl. 68 ff. d.A.) erfolgte unter einer darin als
eingeschränkt bezeichneten Einschätzungsmöglichkeit, nachdem der Kläger es im
Hinblick auf veraltete Röntgengeräte und eine Vielzahl vorangegangener
Röntgenuntersuchungen abgelehnt hatte, aktuelle Röntgenuntersuchungen im
dortigen Krankenhaus vornehmen zu lassen. Es wurde konstatiert, daß als Folge
des Unfalles objektiv nachweisbare Einschränkungen der Funktionen der
Extremitäten vorliegen und des weiteren eine Kontaktaufnahme mit einem
Neurologen bzw. einem Neuroorthopäden zur umfassenden Bewertung
empfohlen.
Nach weiterer Korrespondenz zwischen den Parteien zum Fortgang der
Begutachtung teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 10.8.1994 (Bl. 64
d.A.) mit, nunmehr die ... mit der abschließenden Begutachtung beauftragt zu
haben, die sich wegen eines Untersuchungstermins mit ihm in Verbindung setzen
werde. Mit Schreiben vom 5.9.1994 (Bl. 65 d.A.) erklärte der Kläger, daß er noch
keine Nachricht von einem Untersuchungstermin erhalten habe und wies darauf
hin, daß nach Ablauf der 3-Jahres-Frist ein Gutachten wohl nicht mehr gefordert
werden könne. Mit Schreiben vom 29.9.94 (Bl. 66 d.A.) teilte er der Beklagten mit,
er gehe davon aus, daß sich der Begutachtungsauftrag erledigt habe. Für Oktober
und November 1994 angesetzte Untersuchungstermine nahm der Kläger nicht
mehr wahr.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Beklagte unter Anrechnung der
Vorschußzahlung auf Zahlung restlicher Invaliditätsentschädigung nach einem
Invaliditätsgrad von 70 % in Anspruch genommen. Er hat die Auffassung vertreten,
daß die Beklagte die gebotene Erklärung nach § 22 Abs. 1 AKB nicht abgegeben
habe und auch die 3-Jahres-Frist des § 22 Abs. 4 AKB versäumt habe, weswegen
sie sich an den bereits erstellten Gutachten und dem dort festgestellten
Invaliditätsgrad von 70 % festhalten lassen müsse.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 120.000,-- DM nebst 9 % Zinsen seit
31.12.1992 aus 100.000,-- DM, sowie 5 % Zinsen aus 20.000,-- DM seit
21.12.1992 und 5 % Zinsen aus 100.000,-- DM vom 21.12.1992 bis 30.12.1992 zu
zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat ihre Leistungsfähigkeit unter Hinweis auf die bislang fehlende
Feststellung einer dauerhaften Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des
Klägers verneint. Zudem hat sie die Auffassung vertreten, wegen vorsätzlicher
Obliegenheitsverletzung des Klägers nach den §§ 7 Ziff. IV Abs. 3, Ziff. V Abs. 4
AKB, 6 Abs. 3 VVG von ihrer Leistungspflicht freigeworden zu sein, nachdem der
Kläger die Untersuchungstermine bei der ... im Oktober bzw. im November 1994
nicht wahrgenommen habe.
Das Landgericht hat gemäß Beweisbeschluß vom 14. Dezember 1995 (Bl. 139 ff.
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Das Landgericht hat gemäß Beweisbeschluß vom 14. Dezember 1995 (Bl. 139 ff.
d.A.) zum Umfang einer durch den Unfall eingetretenen Invalidität anhand der bis
zum 6.9.1994 erkennbaren Tatsachen Beweis erhoben durch Einholung eines
schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen ... vom 18.4.1996 (Bl. 152 ff. d.A.),
das durch eine Stellungnahme des Sachverständigen vom 16.12.1996 (Bl. 208 ff.
d.A.) ergänzt worden ist. Mit Urteil vom 24.6.1997 wurde die Beklagte zur Zahlung
von 56.000,-- DM nebst Zinsen an den Kläger verurteilt und im übrigen die Klage
abgewiesen.
Gegen dieses ihm am 8.7.1997 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner
am 8.8.1997 eingelegten Berufung, die nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis zum 13.10.1997 am 10.10.1997 begründet worden
ist.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines
bisherigen Vorbringens den erstinstanzlichen Antrag weiter. Er ist weiterhin der
Auffassung, daß die Beklagte, da sie zu keiner Zeit eine Erklärung im Sinne des §
22 Abs. 1 AKB abgegeben und die 3-Jahres-Frist des § 22 Abs. 4 AKB versäumt
habe, sich an der Feststellung des Invaliditätsgrades der zwei bereits vorliegenden
Gutachten von ... und ... festhalten lassen müsse. Aus diesem Grund sei kein
Raum für eine weitere Begutachtung im vorliegenden Rechtsstreit gewesen.
Daneben sieht der Kläger eine fehlerhafte Auseinandersetzung des
Sachverständigen mit dem Vorgutachten und bemängelt, daß der
Sachverständige die von dem Kläger angegebene eingeschränkte geistige
Leistungsfähigkeit nicht berücksichtigt habe. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf
Bl. 6 ff. der Berufungsbegründung (Bl. 285 ff. d.A.) Bezug genommen. Weiter
behauptet der Kläger unfallbedingte Beeinträchtigungen auf neurologischem
Gebiet. Insoweit wird auf die Seiten 1 und 2 des Schriftsatzes vom 25.9.1998 (Bl.
315 ff. d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des am 24.6.1997 verkündeten Urteils des Landgerichts
Frankfurt am Main, Aktenzeichen 2/27 O 288/95 die Beklagte zur Zahlung weiterer
64.000,-- DM zuzüglich 9 % Zinsen seit dem 31.12.1992 zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und verweist darauf, daß
erstmals mit dem Gutachten des Sachverständigen ... Feststellungen zur
dauerhaften Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des Klägers getroffen wurden.
Sie verteidigt das Gutachten des Sachverständigen und stellt das Vorliegen einer
posttraumatischen Hirnleistungsschwäche des Klägers in Abrede.
Gemäß Beweisbeschluß vom 10.11.1998 (Bl. 319 d.A.) sollte zum Vorliegen einer
unfallbedingten Hirnleistungsschwäche und zum Umfang der sich damit
ergebenden Gesamtinvalidität ein neurologisches Sachverständigengutachten
eingeholt werden. Der damit beauftragte Direktor der ... ließ in der Folgezeit
mitteilen, daß für die erforderliche Befunderhebung eine einwöchige, teilstationäre
Aufnahme in der Tagesklinik erforderlich sei. Auf die Anfrage, ob damit
Einverständnis bestehe, wurde klägerseits mit Schriftsatz vom 21.7.1999 (Bl. 339
f. d.A.) mitgeteilt, daß es einzig und allein sachgerecht erscheine, eine heutige
Begutachtung lediglich anhand der zur Verfügung stehenden medizinischen
Dokumentationen bzw. bereits vorhandenen Gutachten durchzuführen. Mit
Beschluß vom 28.7.1999 wurde daraufhin dem Sachverständigen aufgegeben,
sein Gutachten nach Aktenlage zu erstellten, was dieser mit Schreiben vom
31.8.1999 (Bl. 342 d.A.) als undurchführbar ablehnte, da bisher keine
Untersuchungen im Fachgebiet Neuropsychologie durchgeführt worden seien.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Der Kläger kann über die zugesprochenen 56.000,-- DM hinaus keine weitere
Entschädigung verlangen, da er den ihm obliegenden Nachweis eines über 38 %
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Entschädigung verlangen, da er den ihm obliegenden Nachweis eines über 38 %
hinausgehenden Invaliditätsgrades nicht geführt hat.
Für den Invaliditätsgrad ist der Versicherungsnehmer beweispflichtig (BGH VersR
1994, 971, 972), mithin der Kläger. In zeitlicher Hinsicht ist dabei auf den
Gesundheitszustand des Versicherten abzustellen, der am Ende der vom Unfalltag
an laufenden Frist von 3 Jahren prognostizierbar ist (vgl. BGH VersR 1988, 798;
1990, 478, 479). Aus dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen ... ergibt
sich aber lediglich ein Invaliditätsgrad von 38 %. Sowohl in seinem Gutachten vom
18.4.1996, als auch in seinem Ergänzungsgutachten vom 16.12.1996 führt der
Sachverständige aus, daß die erhöhte Infektanfälligkeit nach Milzexstirpation mit
10 % zu bewerten ist. Die Funktionsbeeinträchtigung des linken Armes bewertet er
unter Hinweis auf die Einschätzungsempfehlungen von Standardverletzungsfolge
... mit 2/10 Armwert, mithin unter Zugrundelegung eines Armwertes von 70 %
entsprechend der Gliedertabelle des § 7 AUB 88, die mit der Gliedertabelle in § 20
der zugrundeliegenden AKB identisch ist, mit 14 %. Die Funktionsbeeinträchtigung
des linken Beines bewertet er in Anlehnung an die Einschätzungsempfehlungen
von Standardverletzungsfolgen ... ebenfalls mit 14 %, nämlich 2/10 Beinwert bei
einem Gesamtbeinwert von 70 % entsprechend der Gliedertabelle des § 7 AUB 88.
Für das Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades setzt er einen Invaliditätsgrad von 0
% an, da nach den klinischen Erfahrungen keine über das erste Jahr nach dem
Unfall hinausgehenden Folgen zu erwarten seien. Für die vordere
Beckenringfraktur und die Beckenschaufelfraktur setzt er ebenfalls einen
Invaliditätsgrad von 0 % an, da diese Frakturen ohne maßgebliche Verschiebung
knöchern konsolidiert seien.
Was den internistischen und orthopädischen Befund angeht, kommt die Einholung
eines weiteren ergänzenden Gutachtens nicht in Betracht. Auch unter
Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers liegen die Voraussetzungen des §
412 Abs. 1 ZPO nicht vor. Zwar rügt der Kläger erstinstanzlich, daß aus dem
gerichtlichen Gutachten nicht hervorgehe, weswegen dort der
Untersuchungsbefund in dem Gutachten ... zum Teil für unvollständig und
unplausibel gehalten werde. Insoweit wird jedoch in dem Ergänzungsgutachten
vom 16.12.1996 von dem gerichtlichen Sachverständigen ausführlich dargelegt,
welche Befunderhebungen vermißt werden. Soweit der Kläger auf die
Befunderhebungen in dem Gutachten ... verweist, wird in dem
Ergänzungsgutachten ebenfalls ausgeführt, weswegen diese Werte zweifelhaft
seien. Damit ergeben sich keine Einwände dagegen, daß der gerichtliche
Sachverständige hinsichtlich der Funktionseinschränkung des linken Armes und
des linken Beines die Befunderhebung aus der gutachterlichen Stellungnahme ...
zugrundelegt, zumal diese zeitlich nach den Gutachten ... und ... folgt ist. Damit
erweist sich auch die Argumentation des Klägers in der Berufung, unter
Berücksichtigung der Gutachten Prof. ... und Dr. ... müsse von einer Invalidität von
70 % ausgegangen werden, als fehlerhaft. Entgegen der vom Kläger in der
Berufung geäußerten Auffassung hat der gerichtliche Sachverständige auch nicht
Befunde aus dem Gutachten ... mit Befunden aus dem Gutachten ... verwechselt.
Er hat vielmehr die in dem Gutachten ... aufgeführten Untersuchungsbefunde,
nämlich die dort genannten Bewegungsausschläge, die identisch sind mit denen
des Übernahmeberichts vom 15.10.91 unter Hinweis darauf in Frage gestellt, daß
in dem Gutachten ... aufgrund der von ihm am 15.12.1992 durchgeführten
Untersuchung eine wesentliche Verbesserung gegenüber früheren Befunden aus
dem Jahr 1991 konstatierte.
Hinsichtlich des neurologischen Befundes ist zwar das gerichtliche Gutachten ...
nebst Ergänzungsgutachten nicht ausreichend, da der Sachverständige dort von
einem Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades ausgeht, der Kläger aber ein Schädel-
Hirn-Trauma zweiten Grades behauptet und im Berufungsrechtszug auch dort
resultierende dauerhafte Beeinträchtigungen vorträgt. Damit wäre gemäß § 412
Abs. 1 ZPO insoweit ein neurologisches Sachverständigengutachten erforderlich.
Dieses Gutachten konnte aber nicht eingeholt werden, da der Kläger sich nicht mit
einer einwöchigen teilstationären Befunderhebung einverstanden erklärte. Eine
solche Befunderhebung ist aber ausweislich des mit der Erstellung des Gutachtens
beauftragte Sachverständigen ... veranlaßten Schreibens erforderlich, da eine
ausführliche Untersuchung der kognitiven Leistungsfähigkeit bisher noch nicht
durchgeführt wurde. Ergänzend wird in dem von dem Sachverständigen
veranlaßten Schreiben vom 31.8.1999 ausgeführt, daß ein Gutachten nach
Aktenlage nicht erstellt werden kann, da bisher keinerlei Untersuchungen im
Fachgebiet Neuropsychologie durchgeführt wurden. Dies geht zu Lasten des
beweispflichtigen Klägers. Dagegen läßt sich auch nicht einwenden, es bestände
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beweispflichtigen Klägers. Dagegen läßt sich auch nicht einwenden, es bestände
bei einer aktuellen Befunderhebung die Gefahr, daß von Sachverständigen
entgegen der Auflage des Beweisbeschlusses nicht lediglich Tatsachen zur
Beurteilung der Invalidität herangezogen würden, die bis zum 6. September 1994,
dem Ablauf der 3-Jahres-Frist des § 22 Abs. 4 AKB, erkennbar geworden sind,
sondern auch nachträglich erkennbar gewordene Tatsachen. Zwar ist dem Kläger
zuzugeben, daß diese Gefahr besteht, doch ändert dies nichts an der
Beweislastverteilung, sondern führt nur dazu, daß der Kläger den ihm obliegenden
Nachweis nicht geführt hat, soweit Zweifel nicht ausgeschlossen werden können,
daß nachträglich erkennbar gewordene Tatsachen bei der Erstellung des
Gutachtens berücksichtigt worden sind,. Dagegen läßt sich nicht einwenden, daß
es mit dieser Beweislastverteilung der Versicherer in der Hand hätte, sich durch
nicht rechtzeitige Einholung erforderlicher Gutachten Beweisvorteile zu beschaffen.
Diese Argumentation verkennt, daß der Versicherungsnehmer eine erforderliche
rechtzeitige Begutachtung selbst veranlassen kann, insbesondere im Wege des
selbständigen Beweisverfahrens.
Die Erforderlichkeit eines prozessualen Nachweises der geltend gemachten
Invalidität läßt sich nicht mit der Erwägung verneinen, daß bereits vorprozessual
ein Invaliditätsgrad von 70 % bindend festgestellt worden sei. Solch eine bindende
Feststellung liegt nicht vor. Zwar ist eine gemäß § 22 Abs. 1 AKB erfolgte
Erstfeststellung der Invalidität auch bei rechtzeitigem Vorbehalt der Rechte nach §
22 Abs. 4 AKB bindend, wenn keine rechtzeitige endgültige Bemessung der
Invalidität erfolgt ist (vgl. BGH VersR 1994, 971, 972; Grimm, AUB, § 11 Rndz. 27;
Stiefel/Hofmann, AKB, § 22 Rndz. 18). Es fehlt aber bereits an der erforderlichen
Erstfeststellung der Invalidität.
Eine Erstfeststellung könnte allenfalls durch das Schreiben der Beklagten vom
13.11.1992 erfolgt sein. Auch dies ist im Ergebnis aber abzulehnen. In dem
Schreiben wird ausdrücklich ausgeführt, daß das mitübersandte Gutachten ... für
die Bestimmung der auf Dauer verbleibenden Invalidität nicht geeignet sei. Es
fehle eine Feststellung des Gutachters, inwieweit und in welcher Höhe
Invaliditätsfolgen auf Dauer verbleiben werden. Insbesondere wird aber bemängelt,
daß der Sachverständige nicht die Gliedertaxe des § 20 Abs. 2 AKB
zugrundegelegt habe. Daraus wird deutlich, daß die Beklagte sich auf den
Standpunkt gestellt hat, die für eine Invaliditätsfeststellung erforderlichen
Voraussetzungen lägen noch nicht vor. Dem steht nicht entgegen, daß die
Beklagte mit gleichem Schreiben ausdrücklich erklärt, von dem Recht des § 20
Abs. 4 AKB auf spätere Neubemessung des Invaliditätsgrades Gebrauch machen
zu wollen. Zwar setzt eine Neubemessung des Invaliditätsgrades eine
Erstfestsetzung der Invalidität voraus (vgl. OLG Hamm VersR 90, 965; Grimm,
AUB, § 11 Rndz. 25; Knappmann in Prölss/Martin, VVG, § 11 AUB 88 Rndz. 9;
Stiefel/Hofmann, AKB, § 22 Rndz. 14). Daraus folgt aber nicht im Umkehrschluß,
daß mit dem Schreiben vom 13.11.1992 eine Erstfeststellung der Invalidität
gewollt sein müsse. Vielmehr kann der Vorbehalt der Rechte nach § 22 Abs. 4 AKB
auch rechtsirrig erfolgt sein.
Dahinstehen kann, ob die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, auf das Gutachten
... eine Erklärung nach § 22 Abs. 1 AKB abzugeben. Eine Verletzung der
Verpflichtung zur Stellungnahme nach § 22 Abs. 1 AKB führt aber nicht dazu, daß
die behaupteten Unfallfolgen als zugestanden gelten (vgl. Stiefel/Hofmann, AKB, §
22 Rndz. 3). Eine derart weitreichende Rechtsfolge läßt sich weder dem Wortlaut,
noch dem Zweck dieser Klausel entnehmen. Das Unterlassen der gebotenen
Erklärung nach § 22 Abs. 1 AKB führt vielmehr lediglich dazu, daß ein etwaiger
Anspruch auf Invaliditätsentschädigung trotz § 22 Abs. 2 AKB fällig wird (vgl.
Grimm, AUB, § 11 Rndz. 17; Knappmann in Prölss/Martin, VVG, § 11 AUB 88 Rndz.
3).
Damit kann dahinstehen, ob die Frist des § 22 Abs. 4 AKB als zweite
Voraussetzung einer Bindungswirkung versäumt wurde, indem dem Kläger zwar
vor Ablauf der am 6.9.1994 endenden 3-Jahres-Frist des § 22 Abs. 4 AKB mitgeteilt
worden war, daß eine weitere Begutachtung durch die medizinische Fakultät Halle
erfolgen sollte, die Untersuchungstermine aber erst für Oktober und November
1994 angesetzt wurden.
Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung aufgrund des nach
Verhandlungsschluß eingegangenen, nicht nachgelassenen Schriftsatzes des
Klägers vom 2.6.2000 kommt nicht in Betracht. Die Rüge, der Senat hätte darauf
hinweisen müssen, daß seiner Ansicht nach der Kläger die Beweislast für die
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hinweisen müssen, daß seiner Ansicht nach der Kläger die Beweislast für die
behaupteten Beeinträchtigungen trage, geht fehl, da sich die Beweislastverteilung
bereits aus der Formulierung des ergangenen Beweisbeschlusses ergibt. Auch das
mit dem Schriftsatz vorgelegte Gutachten vom 13.8.1999 rechtfertigt keinen
Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung. Es ist nicht ersichtlich, weswegen der
Kläger erst am Vortag der mündlichen Verhandlung seinen
Prozeßbevollmächtigten von der Existenz des Gutachten informierte.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1 ZPO, sowie aus
den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Beschwer entspricht dem mit der Berufung erfolglos verfolgten
Zahlungsbetrag.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.