Urteil des OLG Frankfurt vom 06.09.2006

OLG Frankfurt: fälligkeit, urkunde, teilerlass, aufrechnung, zwangsvollstreckung, erfüllung, verkäuferin, zentralbank, darlehen, rückzahlung

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Gericht:
OLG Frankfurt 19.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
19 U 91/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 271 BGB
(Auslegung eines aufschiebend bedingten Teilerlasses:
Konkludente Vereinbarung über die Fälligkeit der
Forderung)
Leitsatz
Zur Frage, ob ein aufschiebend bedingter Teilerlass auch eine konkludente
Vereinbarung über die Fälligkeit der Forderung enthält
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 09.03.2006 verkündete
Vorbehaltsurteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird
zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von
110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages ab19 U 91/06 - 2 -
wenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110
% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des
angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das Landgericht hat der im
Urkundenprozess erhobenen Klage durch am 09.03.2006 verkündetes Urteil
stattgegeben und dem Beklagten die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren
vorbehalten. Gegen das ihm am 29.03.2006 zugestellte Urteil hat der Beklagte am
28.04.2006 Berufung eingelegt und zugleich das Rechtsmittel begründet.
Der Beklagte macht mit der Berufung geltend, dass das landgerichtliche Urteil
verfahrensfehlerhaft ergangen sei, weil der erkennende Richter in der mündlichen
Verhandlung die Klageforderung als nicht fällig angesehen habe, diese
Rechtsmeinung jedoch nachträglich aufgegeben habe, ohne die Parteien hiervon in
Kenntnis zu setzen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In der
Sache habe das Landgericht verkannt, dass in der Urkunde vom 02.08.2005 eine
Fälligkeitsvereinbarung des Inhalts getroffen sei, dass die Leistungszeit mit dem
31.08.2006 bestimmt wurde. Die Annahme einer Teilfälligkeit sei nicht
interessengerecht.
Hilfsweise erklärt der Beklagte gegen die Klageforderung die Aufrechnung mit
einem angeblichen Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von 1 Mio.
EUR. Hierzu behauptet er, er habe dem Ehemann der Klägerin in dieser Höhe ein
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EUR. Hierzu behauptet er, er habe dem Ehemann der Klägerin in dieser Höhe ein
Darlehen gewährt (Beweis: vorzulegende Darlehensverträge) und die
Darlehensvaluta zur Erfüllung der Kaufpreisschuld der Klägerin gegenüber der
Verkäuferin des Grundstücks …-Straße … in O1 an jene gezahlt (Beweis:
Zahlungsanweisungen Bl. 118, 119 d.A.).
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin zum 01.09.2006
1.137.856,55 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 01.09.2006 zu zahlen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteile und behauptet ergänzend, bei
Unterzeichnung der Urkunde vom 02.05.2005 habe Einigkeit darüber bestanden,
dass der Betrag von 1.137.876,55 EUR sofort fällig sein sollte (Beweis:
Parteivernehmung). Die Beschränkung der Forderung auf 1 Mio. EUR bei Zahlung
bis zum 31.08.2006 habe ein Zahlungsanreiz an den Beklagten sein sollen, um die
seinerseits angekündigten Ratenzahlungen wenigstens bis zum 31.08.2006 in
Höhe von 1 Mio. EUR zu leisten.
Die Urkunden, auf die der Beklagte die im Wege der Hilfsaufrechnung geltend
gemachte Gegenforderung stützte, seien unecht.
II.
Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.
Das Landgericht hat die Fälligkeit der sich aus der Urkunde vom 02.08.2005
ergebenden Forderung zu Recht bejaht.
Der Gesamtbetrag aus der Urkunde vom 02.08.2005 in Höhe von 1.137.876,55
EUR, über den der Beklagte ein abstraktes Schuldversprechen gegenüber der
Klägerin als begünstigter Dritter abgab, war gemäß § 271 Abs. 1 BGB sofort fällig.
Die Regelung über den Teilerlass der Forderung für den Fall, dass der Beklagte an
die Klägerin bis zum 31.08.2006 1 Mio. EUR zahlt, enthält nicht gleichzeitig auch
eine Vereinbarung über die Leistungszeit; vielmehr erschöpft sie sich in der
Regelung eines Teilerlasses.
Gegen einen Willen der Vertragsparteien, über den Teilerlass der Forderung hinaus
auch einen Aufschub der Fälligkeit bis zum 31.08.2006 zu vereinbaren, sprechen
die Rechtsfolgen, die hierdurch ausgelöst würden, die die Klägerin ohne
nachvollziehbaren Grund benachteiligen und den Beklagten ebenfalls ohne
nachvollziehbaren Grund begünstigen würden. Denn in diesem Falle hätte sich die
Klägerin der Möglichkeit begeben, die zu ihren Gunsten begründete Forderung in
Höhe von mehr als 1 Mio. EUR und somit von erheblichem wirtschaftlichen Gewicht
vor Ablauf des 31.08.2006 gegen den Beklagten im Wege der Klage geltend zu
machen, da diesem die Fälligkeitseinrede zustände. Die mit der Errichtung der
Urkunde geschaffene Gelegenheit, den Anspruch im Wege des Urkundsprozesses
schneller als im ordentlichen Verfahren titulieren zu lassen, würde zugleich
erheblich entwertet werden. Ferner wäre der Klägerin für die Zeit bis zum
31.08.2006 die Möglichkeit genommen, gegen eine eventuelle Forderung des
Beklagten aufzurechnen, da die Voraussetzung für eine Aufrechnung gemäß § 387
BGB die Fälligkeit der Forderung des Aufrechnenden ist. Schließlich hätte sich die
Klägerin der Möglichkeit begeben, den Beklagten vor Ablauf des 31.08.2006 durch
Mahnung in Verzug zu setzen und den Ersatz des Verzugsschadens zu verlangen.
All diese gegebenenfalls eintretenden Rechtswirkungen sprechen dagegen, dass in
der Vereinbarung vom 02.08.2005 mit dem bedingten Teilerlass der Forderung
gleichzeitig eine Vereinbarung über die Leistungszeit getroffen wurde.
Die Vereinbarung eines aufschiebend bedingten Teilerlasses der Forderung trotz
deren sofortiger Fälligkeit erscheint auch nicht wirtschaftlich sinnlos. Vielmehr
schafft sie einen wirtschaftlichen Anreiz für den Beklagten zu beschleunigter
Zahlung innerhalb eines Zeitraumes, in dem die Titulierung und zusätzlich auch
die erfolgreiche Beitreibung der Forderung im Wege der Zwangsvollstreckung
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die erfolgreiche Beitreibung der Forderung im Wege der Zwangsvollstreckung
zweifelhaft erscheint.
Die Klageforderung ist nicht aufgrund der vom Beklagten hilfsweise erklärten
Aufrechnung erloschen. Es kann offen bleiben, ob die Voraussetzungen einer
Aufrechnungslage bereits deshalb zu verneinen sind, weil der Klägerin die
Klageforderung aus eigenem (und nicht aus abgetretenem) Recht zusteht und der
Beklagte die gegen den Ehemann der Klägerin angeblich bestehende Forderung
deshalb nicht nach § 406 BGB auch gegenüber der Klägerin aufrechnen kann.
Denn die Hilfsaufrechnung des Beklagten ist im Urkundsprozess unzulässig, weil
der Beklagte den ihm obliegenden Beweis nicht mit den im Urkundenprozess
zulässigen Beweismitteln angetreten hat (§ 598 ZPO). Es bedarf deshalb auch
keiner Erörterung, ob die erstmals in der Berufungsinstanz erklärte Aufrechnung
nach § 533 ZPO zulässig ist.
Die Verfahrensrüge des Beklagten geht fehl. Ändert ein erkennender Richter nach
Schluss der mündlichen Verhandlung seine bekannt gegebene Rechtsauffassung,
folgt daraus nicht ohne weiteres eine entsprechende Hinweispflicht und die
Eröffnung einer Möglichkeit zur Stellungnahme für die Parteien. Selbst wenn man
vorliegend die Verletzung einer solchen Pflicht bejahen wollte, wäre sie folgenlos
geblieben. Denn der Beklagte legt nicht dar, in welcher Weise er eine solche
Gelegenheit genutzt hätte und warum sich dann eine andere Entscheidung
ergeben hätte.
Der Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen, da sein Rechtsmittel keinen
Erfolg hat (§ 97 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der
Revision liegen nicht vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.