Urteil des OLG Frankfurt vom 22.02.2005
OLG Frankfurt: markt, produkt, zustellung, rechnungsführung, wettbewerber, behinderung, vollstreckung, einstandspreis, wettbewerbsbeschränkung, anwendungsbereich
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Gericht:
OLG Frankfurt 1.
Kartellsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 U 47/04 (Kart)
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 19 GWB, § 20 GWB, § 51
PostG, § 4 Nr 11 UWG
(Wettbewerbsbeschränkung: Unterlassungsanspruch
wegen wettbewerbsverzerrender Quersubventionierung)
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main -
12. Kammer für Handelssachen - vom 23.07.2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann eine Vollstreckung der
Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % abwenden, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin, ein Medienunternehmen, gibt neben der Tageszeitung „A“ u.a. die
„B“, ein Anzeigenblatt, das wöchentlich in den Postleitzahl - Bereichen ..., ..., ...
kostenlos an alle Haushalte verteilt wird, heraus. Finanziert wird die B durch
Werbebeilagen und Anzeigen.
Die Beklagte ist aus (einer ehemaligen staatlichen Behörde - Name von der
Redaktion geändert) hervorgegangen. Sie verteilt ein Werbeprodukt „C“ in den
Großräumen O 1, O 2, O 3 und im O 4-Gebiet. „C“ besteht aus einer kostenlosen
TV-Programmübersicht mit buchbaren Anzeigen und bis zu 8 lose eingelegten
Prospekten. Das Produkt wird ab einer Beilage von 2 Prospekten durch eine
Klarsichtfolie gegen Witterungseinflüsse geschützt. Die Verteilung von „C“ findet
jeweils samstags durch die Zusteller der Beklagten statt.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Unterlassung der Verteilung der
kostenlosen Fernsehzeitschrift „C“ mit Werbebeilagen durch ihren
Briefzustelldienst. Sie hat vorgetragen, mit ihrem Produkt gefährde die Beklagte
im ohnehin schon angespannten Anzeigen- und Beilagenmarkt den Bestand ihres,
der Klägerin, Unternehmens. Die Beklagte biete ihr Produkt weit unter dem
marktüblichen und weit unter einem kostenorientierten Preis an. Ein
kostenorientierter Preis betrage entsprechend den Postwurfsendungen der
Beklagten etwa 80,- € zuzüglich Mehrwertsteuer pro 1000 Stück, den die Beklagte
für das angegriffene Produkt verlangen müsse.
Das Verhalten der Beklagten verstoße gegen §§ 19 Abs. 1 und Abs. 4 Nr. 1, 20
Abs. 4 GWB und sei nach § 33 Satz 1 GWB zu untersagen. Die Beklagte habe auf
dem Gebiet der Zustellung von Sendungen eine marktbeherrschende Stellung, die
sie zu Lasten der Klägerin in unzulässiger Weise ausnutze. Es liege eine
unzulässige Quersubventionierung vor, weil Leistungen im liberalisierten Drittmarkt
durch Erlöse aus Leistungen, die durch Gesetz monopolisiert seien, subventioniert
würden. Die Beklagte habe keine Berechtigung zur gewerbsmäßigen Ausnutzung
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würden. Die Beklagte habe keine Berechtigung zur gewerbsmäßigen Ausnutzung
ihrer Exklusivlizenz im Bereich der Briefzustellung. Sie nutze eine für das
Gemeinwohl zur Verfügung gestellte Kommunikationsinfrastruktur für eigene
Zwecke, zahle dafür aber kein Entgelt und subventioniere das verteilte
Eigenprodukt mit Erlösen aus dem Monopolbereich. Zur weiteren Stützung ihrer
Rechtsposition hat sich die Klägerin auf ein Gutachten des Rechtswissenschaftlers
Prof. Dr. SV 1 (GA 26 - 46) gestützt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu
verurteilen, es zu unterlassen, im Gebiet der Postleitzahlbereiche ..., ... und ...der
Bundesrepublik Deutschland das Werbebeilagen- und Anzeigenprodukt „C“ durch
ihren Zusteller verteilen zu lassen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Zulässigkeit des Klageantrags gerügt und gemeint, durch die
Verteilung von „C“ werde keine Postdienstleistung erbracht. Es handele sich um
ein unadressiertes Werbeprodukt, welches vom sachlichen Anwendungsbereich
des Postgesetzes nicht mitumfasst sei. Sie hat bestritten, dass sie das
Werbeprodukt weit unter dem marktüblichen Preis und nicht kostendeckend
anbiete. Der Preis sei marktüblich, wie der Vergleich mit den Preisen anderer
Direktverteiler von Werbeprospekten in verschiedenen Ballungsräumen zeige. Sie,
die Beklagte, habe auf dem relevanten Markt der Zustellung unadressierter
Haushaltswerbung keine marktbeherrschende Stellung. Es handele sich um einen
dem Wettbewerb uneingeschränkt geöffneten Bereich.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf das
angefochtene Urteil vom 23.07.2004 (Bl. 207 d.A.) Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die zulässige Berufung der Klägerin.
Sie rügt, das Landgericht habe nicht Kraft eigenen Wissens die Herstellungskosten
für das Produkt bewerten und die Preisbildung der Beklagten für vertretbar halten
dürfen. Für die aufgeworfenen und zur Beantwortung anstehenden Rechtsfragen
komme es aber darauf nicht entscheidend an. Von weitaus entscheidenderer
Bedeutung sei, dass die Beklagte die von ihr erbrachte „Paketlösung“
(Herstellung, Verarbeitung und Verteilung des Produkts) nur deshalb derart
kostengünstig erbringen könne, weil sie die im Wertschöpfungsprozess
maßgebliche Verteilung ausschließlich über die im postrechtlich lizenzierten
Universaldienstleistungsbereich eingesetzten Zusteller erbringe. Dabei verkenne
das Landgericht die gesetzliche Beweislastregel des § 20 Abs. 5 GWB. Die Klägerin
habe keinen Einblick in die postrechtlich vorgeschriebene getrennte
Rechnungsführung der Beklagten. Es liege ein ganz gewichtiger Anschein für eine
unzulässige Quersubventionierung vor, den zu widerlegen die Beklagte verpflichtet
sei. Die Beklagte unterhalte - unwidersprochen - keine getrennte
Rechnungsführung im Sinne von § 10 Abs. 2 PostG. Die Beklagte sei nicht
berechtigt, den ihr im lizenzierten Postmarkt exklusiv vorbehaltenen Bereich im
Rahmen freier Kapazitäten zu unmittelbaren Wettbewerbszwecken zu nutzen. Auf
die Preisbildung komme es deshalb nicht entscheidend an.
Die Klägerin stützt ihren Unterlassungsanspruch zusätzlich auf §§ 4 Nr. 11, 8 UWG
in Verbindung mit §10 Abs. 2 ; 11; 51 Postgesetz. Sie meint, die Beklagte
missbrauche ihre marktbeherrschende Stellung gerade auf dem in § 32
Postgesetz erfassten Markt. Sie habe den Anschein, dass schon durch die
Ausnutzung des Briefzustellsystems ein Subventionstatbestand bestehe, nicht
widerlegt. Die vorgelegten Angebote von Direktverteilern stünden mit der
Zustellstruktur der Beklagten in keinem Zusammenhang. Da die Verteilung von
„C“ nicht von dem Universaldienstleistungsbereich umfasst sei, begründe schon
die Ausnutzung des Briefzustellsystems an sich den Anschein für einen
unzulässigen Subventionstatbestand.
Da die Beklagte die Umsätze mit „C“ nicht von den übrigen Umsätzen im Rahmen
der gewerbsmäßigen Beförderung von Briefsendungen nach § 4 PostG trenne, sei
der Unterlassungsanspruch schon gem. § 4 Nr. 11 UWG i. Verb. mit § 10 Abs. 2
PostG begründet.
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Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils nach den erstinstanzlichen
Schlussanträgen der Klägerin zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat den geltend gemachten Unterlassungsanspruch zu Recht
abgelehnt. Der Berufungsvortrag bietet keinen Anlass zu einer Abänderung seines
Urteils.
(1)
Ein Unterlassungsanspruch aus §§ 19, 20 GWB besteht schon deshalb nicht, weil
die Beklagte insoweit nicht Normadressatin ist. Die Beklagte nimmt auf dem
sachlich-relevanten Markt keine marktbeherrschende oder marktstarke Stellung
ein. Bei der Abgrenzung des sachlich-gegenständlich relevanten Marktes kommt
es nach dem Bedarfsmarktkonzept aus der Sicht des Abnehmers darauf an,
welche Erzeugnisse oder gewerblichen Leistungen sich nach ihren Eigenschaften,
ihrem wirtschaftlichen Verwendungszweck und ihrer Preislage so nahe stehen,
dass der verständige Verbraucher sie als für die Deckung eines bestimmten
Bedarfs geeignet in berechtigter Weise abwägend miteinander vergleicht und als
gegeneinander austauschbar ansieht. Zu Unrecht meint die Klägerin, der von der
Beklagten monopolistisch abgedeckte Zustellmarkt sei nach dem Kriterium der
funktionellen Austauschbarkeit aus Sicht der Abnehmer der Leistungen mit dem
Werbebeilagenmarkt der Klägerin teilweise deckungsgleich. Der, der Beklagten
vorbehaltene monopolistische Bereich (gesetzliche Exklusivlizenz) betrifft den
Bereich Briefsendungen und adressierte Kataloge, deren Einzelgewicht bis 100
Gramm und deren Einzelpreis weniger als das dreifache des Preises für
entsprechende Postsendungen der unteren Gewichtsklasse beträgt (§ 51 Abs. 1
PostG). Demgegenüber ist aus der Sicht derjenigen Unternehmen, die
Verteilerleistungen für Werbeprospekte nachfragen, eine Vergleichbarkeit oder
Austauschbarkeit der Verteilerleistungen mit denen der Beklagten monopolistisch
vorbehaltenen Leistungen nicht ersichtlich. Auch wenn die Beklagte deshalb in
dem ihr monopolistisch vorbehaltenen Bereich marktbeherrschend ist, spricht
nichts für die Annahme, dass sie auf dem hiervon zu trennenden Markt der
Verteilung von Werbeprospekten eine marktbeherrschende Stellung innehat. Für
diejenigen Nachfrager ist der exklusiv der Beklagten vorbehaltene Zustellbereich
mit der Dienstleistung Streuung nicht adressierter Werbeprospekte nicht
austauschbar. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte ihr
Angebot „Prospektstreuung“ mit Vorzügen aus dem ihr vorbehaltenen
Zustellbereich (fest angestellte Zusteller, Terminzustellung samstags) bewirbt. Ist
der sachlich relevante Markt der Markt der Zustellung undressierter
Haushaltswerbung und nimmt die Beklagte hier - unwidersprochen - einen
Marktanteil von lediglich etwa 5 % ein, so fehlt es insoweit an einer wenigstens
marktstarken Stellung.
§§ 19, 20 GWB verbieten marktbeherrschenden und marktmächtigen
Unternehmen um ihrer tatsächlichen oder vermuteten Machtstellung Willen
bestimmte Verhaltensweisen, die anderen Unternehmen grundsätzlich nicht
verboten sind. Aus dieser Anknüpfung des Diskriminierungsverbots an eine
Machtstellung folgt, dass das Verbot nur für den Markt gelten kann, auf dem die
Machtstellung besteht oder sich auswirkt. Das Diskriminierungs- und
Behinderungsverbot wird also durch ein marktbeherrschendes oder marktstarkes
Unternehmen nur dann verletzt, wenn die marktbeherrschende oder marktstarke
Stellung des diskriminierenden oder behindernden Unternehmens gerade auf dem
Markt besteht oder sich auswirkt, auf dem das betroffene Unternehmen behindert
oder unterschiedlich behandelt wird (BGHZ 33, 259 - Molkereigenossenschaft;
BGHZ 83, 238 -Meierei -Zentrale; WRP 1988, 594 - Sonderungsverfahren; OLG
München WuW/E DE-R 790). Nach dieser in ständiger Rechtsprechung vom
Bundesgerichtshof vertretenen Auffassung scheidet ein Unterlassungsanspruch
der Klägerin im vorliegenden Fall schon deswegen aus, weil sich die angebliche
Behinderung durch die Beklagte nicht auf dem Markt auswirkt, auf dem die
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Behinderung durch die Beklagte nicht auf dem Markt auswirkt, auf dem die
Beklagte eine marktbeherrschende Stellung innehat.
(2)
Selbst wenn man eine Behinderung auf Drittmärkten ausreichen ließe (vgl. hierzu
etwa Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 19, Rn. 114; § 20 Rn. 29 m. w. N.)
bliebe die Klage ohne Erfolg. Eine wettbewerbswidrige Quersubventionierung kann
vorliegen, wenn auf einem bestimmten räumlichen oder sachlichen Markt
anfallende Kosten auf einen anderen räumlichen oder sachlichen Markt abgewälzt
werden, um auf dem begünstigten Markt Leistungen zu einem nicht
kostendeckenden Preis anbieten zu können. Derartige Verhaltensweisen können
zu Wettbewerbsverzerrungen führen, wenn Wettbewerber durch Angebote
ausgeschaltet werden, die nicht auf der Effizienz der Leistungserbringung, sondern
derartigen Kostenverlagerungen beruhen (Beck’scher PostG Kommentar - von
Danwitz, EUGrdl Rn. 105). Gerade im Postwesen, dessen Erbringungsstrukturen in
vielen Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft durch den Umstand gekennzeichnet
sind, dass reservierte Marktsegmente und nicht reservierte Bereiche
nebeneinander bestehen, ist die Möglichkeit von Wettbewerbsverfälschungen im
Wege der sog. Quersubventionierung unmittelbar einleuchtend.
Wettbewerbsrechtlich relevant kann dabei die Abwälzung der Kosten von
Leistungserbringungen im liberalisierten Bereich auf reservierte Bereiche sein,
wenn auf diese Weise eine wettbewerbsrelevante Subventionierung der Leistungen
im liberalisierten Postdienst durch Einkünfte bewirkt wird, die im Rahmen der
reservierten Bereiche erwirtschaftet worden sind. Nach der Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 20.3.2002 T-175/99-UPS) stellt der
Tatbestand der Quersubventionierung für sich genommen allerdings noch kein
wettbewerbsrechtlich relevantes Problem dar. Hinzukommen muss ein
wettbewerbswidriges Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens, welches
etwa in der Bildung unzulässiger Kampfpreise liegen kann (von Danwitz a.a.O. Rn.
114 m. w. N.). Die Klägerin hätte deshalb schlüssig darlegen müssen, dass die von
der Beklagten im Bereich der Prospektstreuung verlangten Preise missbräuchliche
„Kampfpreise“ sind.
Allein der - wie die Klägerin meint - „quasi doppelte Einsatz“ der Zusteller ist
wettbewerbsrechtlich für sich noch nicht zu beanstanden. Stellt allein die
Quersubventionierung als solche noch kein wettbewerbsrechtlich relevantes,
missbräuchliches Verhalten dar, so kann erst recht der Einsatz von (freien)
Ressourcen, die für den monopolistischen Bereich vorbehalten werden, im
liberalisierten Bereich ebenfalls kein missbräuchliches Verhalten darstellen. Es
fehlt an einer ausdrücklichen Bestimmung, die der Beklagten den Eintritt in den
Wettbewerb außerhalb der Exklusivlizenz oder die Nutzung von Ressourcen des
Exklusivbereichs untersagt. Erst die Kostenverlagerung unter missbräuchlichen
Umständen, nämlich die missbräuchliche Ausnutzung des verbliebenen
Monopolbereichs, könnte wettbewerbsrechtlich relevant sein.
Die Klägerin hat aber auch keine ausreichend schlüssigen Anhaltspunkte für eine
missbräuchliche Preisbildung der Beklagten vorgetragen. Sie hat lediglich ihre
eigenen als Vergleichspreise herangezogen, ohne deren Kalkulation offen zu
legen. Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass sich vor dem Hintergrund
des aufgezeigten Preisgefüges die Preise der Beklagten im Rahmen des
marktüblichen Preisniveaus bewegen. Soweit die Klägerin erstinstanzlich die von
der Beklagten vorgelegten Preise von Drittunternehmen bestritten hat, ist nicht
ersichtlich, worauf sich ihr Bestreiten beziehen soll. Die entsprechenden Preise
sind durch Angebote und Preislisten der Unternehmen belegt. Zudem hat das
Bundeskartellamt gemäß Bescheid vom 04.06.2004 (Bl. 167 d.A.) einen
hinreichenden Anfangsverdacht für einen Verstoß der Beklagten gegen das
Missbrauchs- und Behinderungsverbot der §§ 19, 20 GWB nicht gesehen. Danach
haben die Ermittlungen des Bundeskartellamtes ergeben, dass die Preishöhe für
das Produkt „C“ von der Marktgegenseite als marktüblich, teilweise sogar als
relativ hochpreisige Produktalternative qualifiziert werde. Anhaltspunkte dafür,
dass die Preisgestaltung der Beklagten ursächlich für eine signifikante
Verdrängung anderer von den befragten Unternehmen bereits nachgefragten
Formen der Zustellung von Werbesendungen ist, haben sich nicht ergeben.
Gerade auch im Hinblick auf diese Feststellungen reicht der Hinweis auf die
eigenen Preise der Klägerin allein nicht aus, um schlüssige Indizien für eine
wettbewerbswidrige Kampfpreisbildung darzulegen.
Auf den allgemeinen Beweiserleichterungsgrundsatz des § 20 Abs. 5 GWB kann
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Auf den allgemeinen Beweiserleichterungsgrundsatz des § 20 Abs. 5 GWB kann
sich die Klägerin nicht berufen. Hierzu ist Voraussetzung, dass sich aufgrund
bestimmter Tatsachen nach allgemeiner Erfahrung der Anschein ergibt, dass ein
Unternehmen seine Marktmacht im Sinne des Absatzes 4 (Angebot unter
Einstandspreis) ausnutzt. Dabei setzt der Anschein der Ausnutzung einer
Machtstellung mindestens voraus, dass konkrete Umstände im Einzelfall für ein
Unterschreiten des eigenen Einstandspreises des Normadressaten sprechen. Der
Umstand allein, dass der Angebotspreis des Normadressaten unter dem Einkaufs-
oder Einstandspreis des behinderten (kleinen und mittleren) Wettbewerbers liegt,
reicht dafür noch nicht aus (Immenga/Mestmäcker a.a.O. § 20 Rn. 324).
(3)
Ein Unterlassungsanspruch folgt auch nicht aus §§ 4 Nr. 11, 8 UWG, § 10 Abs. 2
PostG.
Auch wenn man davon ausgeht, dass die Beklagte unter Verstoß gegen § 10 Abs.
2 PostG keinen getrennten Rechnungslegungskreis unterhält, läge darin noch kein
unmittelbarer Wettbewerbsverstoß, der einen Unterlassungsanspruch der Klägerin
nach § 4 Nr. 11 UWG unter dem Gesichtspunkt des Vorsprungs durch Rechtsbruch
begründen könnte. Denn die Verletzung der Bestimmung läge im Vorfeld der
eigentlichen Wettbewerbshandlung und könnte nur die Deregulierungsbehörde,
nicht aber jeden Wettbewerber, zum Tätigwerden berechtigen. Der
wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch setzt voraus, dass die Position der
Klägerin im Wettbewerb in irgendeiner Form beeinträchtigt und Rechte der Klägerin
verletzt sein können. Durch die Verletzung der Verpflichtung zur getrennten
Rechnungsführung wird die Klägerin nicht unmittelbar in ihrer Wettbewerbsposition,
sondern allenfalls in der Beweisführung beeinträchtigt. Es ist aber nichts dafür
ersichtlich, dass § 10 Abs. 2 PostG drittschützende Wirkung allein schon in
beweisrechtlicher Hinsicht haben könnte und aus der Verletzung der Bestimmung
eine Vermutung für eine wettbewerbsverzerrende Quersubventionierung folgt. Das
sieht letztlich auch die Klägerin so, die meint, schon die mit der Verschleierung der
Umsätze einhergehende Gefahr der Kostenverlagerung stelle einen unlauteren
Gefährdungstatbestand dar, der wegen drohender Zuwiderhandlung einen
Unterlassungsanspruch auslöse. Damit versucht die Klägerin über eine (Erst-)
Begehungsgefahr einen rein präventiven Unterlassungsanspruch zu begründen,
den das Wettbewerbsrecht indes nicht kennt.
Danach war die Berufung mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden
Kostenfolge zurückzuweisen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711
ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) liegen nicht vor.
Es handelt sich um die Entscheidung eines besonders gelagerten Einzelfalls.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.