Urteil des OLG Frankfurt vom 22.01.2003

OLG Frankfurt: üble nachrede, fax, berechtigter, postkarte, auszug, ehre, briefpost, vertreter, veruntreuung, kenntnisnahme

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Gericht:
OLG Frankfurt 23.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
23 W 62/02
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 823 Abs 2 BGB, § 1004 BGB,
§ 186 StGB
Unterlassungsanspruch: Üble Nachrede durch ein an den
Betroffenen gerichtetes und per Fax übermitteltes
Schreiben
Leitsatz
Zu den Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs nach §§ 1004, 823 II BGB, der
auf eine üble Nachrede (§ 185 StGB) gestützt wird.
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin gegen den Beschluss der 7.
Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 22.07.2002 in der Fassung des
Nichtabhilfebeschlusses vom12.08.2002 wird zurückgewiesen. Die Kosten des
Rechtsmittelverfahrens hat die Verfügungsklägerin zu tragen. Der
Gegenstandswert beträgt 50.000,00 €.
Gründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wurde gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO
abgesehen.
Die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin ist zulässig, insbesondere wurde
sie rechtzeitig erhoben. Der Sache nach hat sie aber keinen Erfolg. Das
Landgericht hat den Antrag der Verfügungsklägerin, dem Verfügungsbeklagten bei
Meidung von Ordnungsgeld bis 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6
Monaten zu untersagen, Dritten gegenüber wörtlich oder sinngemäß die
Behauptung aufzustellen oder zu wiederholen, die Verfügungsklägerin habe Herrn
Rechtsanwalt L. bestohlen und Veruntreuungen in erheblicher Höhe
vorgenommen, zu Recht zurückgewiesen. Er konnte schon deshalb keinen Erfolg
haben, weil es an einem Verfügungsanspruch fehlt. Die Verfügungsklägerin ist
Rechtsanwältin. Zwischen ihr und Rechtsanwalt L., mit dem sie über viele Jahre
hinweg in einer Praxis zusammengearbeitet hat, besteht seit 1998 ein heftiger
Streit auf vielen Ebenen und mit vielen Facetten. Rechtsanwalt L. wird von dem
Verfügungsbeklagten anwaltlich vertreten. Ausgangspunkt für den geltend
gemachten Unterlassungsanspruch ist ein Schreibendes Verfügungsbeklagten
vom 14.06.2002 an die Klägerin, das dieser im Rahmen der erwähnten
Auseinandersetzungen als anwaltlicher Vertreter von Rechtsanwalt L. der
Verfügungsklägerin per Fax übermittelt hat. Hierbei benutzte er die zum Büro der
Verfügungsklägerin bestehende Fax-Verbindung. In diesem Schreiben befindet
sich der Satz:
"Ohne Zweifel haben Sie nicht nur Herrn L. bestohlen, sondern auch erweislich
Veruntreuungen in erheblicher Höhe vorgenommen."
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin rechtfertigt diese Äußerung weder
einen Unterlassungsanspruch nach §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB, 186 StGB noch
einen Unterlassungsanspruch nach §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB, 185 StGB. Denn das
inkriminierte Schreiben erfüllt keinen der genannten Straftatbestände. Der
Tatbestand der üblen Nachrede (§ 186 StGB) ist nicht gegeben, weil der
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Tatbestand der üblen Nachrede (§ 186 StGB) ist nicht gegeben, weil der
Schriftsatz an die Verfügungsklägerin persönlich und nicht an Dritte gerichtet war.
Dass die Büroangestellten die Möglichkeit hatten, von dem Inhalt dieses per
Faxübersandten Schreibens Kenntnis zu nehmen, erfüllt nicht das
Tatbestandsmerkmal "in Beziehung auf einen anderen". Empfänger der
Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung war allein die Verfügungsklägerin.
Die Möglichkeit der Büroangestellten, von dem Inhalt eines Schreibens, das per
Fax ankommt, Kenntnis zu nehmen, ist ebenso, wie die Bearbeitung der Briefpost
durch Angestellte mit der Möglichkeit der Kenntnisnahme von den Inhalten, ein
durch die Büroorganisationbestimmter Umstand, der nicht zu einer Änderung des
Empfängers führen kann. In all diesen Fällen fehlt es, wie bei einer Postkarte, die
von dem Briefträgergelesen werden kann, an der Drittbezogenheit einer auf
diesem Weg übermittelten Äußerung. Dafür, dass der Verfügungsbeklagte den
Weg per Fax wählte, um die gegenüber der Verfügungsklägerin erhobenen
Vorwürfe Dritten bekannt zu machen, gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte.
Solche Schritte sind im übrigen auch nicht erforderlich, um die Inhalte des seit
1998 herrschenden Streits unter den Mitarbeitern bekannt zu machen. Auch liegt
in dem Schriftsatz vom 14.06.2002 keine rechtswidrige Formalbeleidigung(§ 185
StGB). Zwar ist der Vorwurf, Herrn L. bestohlen und Veruntreuungen begangen zu
haben, geeignet, die Verfügungsklägerin in ihrer Ehre zu verletzen. Doch hat der
Verfügungsbeklagte in Wahrnehmung seiner beruflichen Aufgaben zur
Verteidigung von Rechten Dritter gehandelt. Bei dem Vorwurf, Herrn L. bestohlen
zu haben, handelt es sich lediglich um die Wertung unstreitiger Tatsachen, nämlich
der Mitnahme von Möbeln und Akten seitens der Verfügungsklägerin beim Auszug
aus den gemeinsamen Büroräumen, unter strafrechtlichen Aspekten. Dies muss
dem Verfügungsbeklagten als Rechtsanwalt aber möglich sein, um die Rechte
seines Mandanten zu verteidigen. Dasselbe gilt für den Vorwurf der Veruntreuung.
Im übrigen muss sich die Verfügungsklägerin vorhalten lassen, dass sie ebenso
schwerwiegende Vorwürfe Herrn L. gegenüber geäußert hat, die dieser ebenso wie
sie weit von sich weist. Unter diesen Umständen ist der Schriftsatz des
Verfügungsbeklagten von seinem Inhalt her auch als sogenannten Gegenschlag
gerechtfertigt. Schließlich sind dem Sachverhalt keine ausreichenden
Anhaltspunkte für das Vorliegen rechtswidriger Eingriffe in das allgemeine
Persönlichkeitsrecht der Verfügungsklägerin zu entnehmen, so dass auch unter
diesem Aspekt der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht begründet
werden kann. Zur Abrundung der rechtlichen Überlegungen kann in vollem
Umfang auf die Begründungen der landgerichtlichen Entscheidungen Bezug
genommen werden, aus denen sich in überzeugender Weise ergibt, dass dem
Verfügungsbeklagten zumindest der Rechtfertigungsgrund, Wahrnehmung
berechtigter Interessen, zur Seite steht. Wie sich bereits aus den
vorangegangenen Ausführungen ergibt, sind die hiergegen erhobenen Einwände
nicht begründet. Ergänzend ist noch zu erwähnen, dass es keinen Zweifel daran
gegeben kann, dass der Verfügungsbeklagten in Vollmacht für Rechtsanwalt L.
gehandelt hat. Außerdem muss der vielschichtige Streit zwischen der
Verfügungsklägerin und Rechtsanwalt L. bei der Beurteilung, welche Äußerungen in
Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgt und hierdurch gerechtfertigt sind,
als Einheit betrachtet werden.
Da die Beschwerde keinen Erfolg hatte, muss der Antragsteller die Kosten des
Rechtsmittelverfahrens tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).Einer Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit sowie über die Zulassung der Revision bedurfte es
nicht, da diese Entscheidung mit ihrer Verkündung rechtskräftig wird (§ 542 Abs. 2
ZPO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.