Urteil des OLG Frankfurt vom 23.11.2009

OLG Frankfurt: verzicht, meinung, zivilprozessrecht, quelle, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, abrechnung, vergleich, totalrevision, dokumentation

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Gericht:
OLG Frankfurt 5.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 WF 247/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 2 RVG, § 56 Abs 2
RVG, Nr 1003 RVG-VV, § 10
VersAusglG, § 51 VersAusglG
(Rechtsanwaltsgebühren: Einigungsgebühr bei Verzicht auf
Durchführung des Versorgungsausgleichs)
Tenor
Die Beschwerde der Staatskasse wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2
und 3 RVG).
Gründe
Der Antragstellervertreter und Beschwerdegegner hat sich zunächst mit einer
Erinnerung gegen die Absetzung der Einigungsgebühr gemäß Nr. 1003 VV zu § 2
Abs. 2 RVG im Rahmen der Abrechnung der Vergütung als beigeordneter Anwalt
für die Mitwirkung an einem Vergleich der Parteien über den Verzicht auf die
Durchführung des Versorgungsausgleichs gewendet. Daraufhin hat das
Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss durch den zuständigen Richter
gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 RVG die Einigungsgebühr in Höhe von 85 Euro zuzüglich
19 % MWSt. bewilligt und die Gesamtvergütung auf 833 Euro festgesetzt.
Die dagegen gerichtete, vom Amtsgericht zugelassene Beschwerde der
Staatskasse ist gemäß § 56 Abs. 2 RVG in Verbindung mit § 33 Abs. 3 RVG
zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
Der Staatskasse ist zuzugeben, dass sich die Vereinbarung, an der ein Anwalt
mitgewirkt hat, nicht ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht
beschränken darf (amtl. Anm. I 1 zu VV 1000). In der neueren Rechtsprechung ist
allerdings streitig, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen im Einzelfall
die Vereinbarung über den Verzicht auf eine Durchführung des
Versorgungsausgleichs die Einigungsgebühr auslöst. Sofern noch unklar ist, ob ein
Ausgleichsanspruch bestand und wer ausgleichspflichtig sein würde, wird weithin
angenommen, die Einigungsgebühr falle an (OLG Zweibrücken, 6 WF 73/09, OLGR
2009, 581; OLG Naumburg, 3 WF 229/08, OLGR 2009, 429; OLG Köln NJW 2009,
237; OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 1463 f.; OLG Celle FamRZ 2007, 2001;
Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl., VV 1000, Rdnrn. 186 ff. m.w.N.), weil
dann beide Parteien wechselseitig auf ungewisse Ansprüche verzichten.
Soweit allerdings – wie im vorliegenden Fall – der Verzicht im Hinblick darauf
vereinbart wird, dass sich nach erteilten Auskünften nur ein geringer
Ausgleichsbetrag ergeben hat, geht die überwiegende Meinung dahin, eine
Einigungsgebühr entstehe nicht, zumal beim bisherigen „Einmalausgleich“ nach §
1587b BGB a. F. letztlich immer nur eine Partei verzichtet (OLG Hamm,
Beschlüsse vom 29.03.2007, 6 WF 91/07, vom 08.01.2007, 6 WF 171/06, und vom
25.01.2007, 6 WF 360/06, OLGR 2007, 230 f.; in diesem Sinne auch OLG Stuttgart,
8 WF 104/06, FamRZ 2007, 232; OLG Karlsruhe, 16 WF 108/06, FamRZ 2007, 843.
Diese Rechtsprechung, die zum alten Versorgungsausgleichsrecht ergangen ist,
kann jedoch unter der Geltung des neuen Versorgungsausgleichsgesetzes nicht
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kann jedoch unter der Geltung des neuen Versorgungsausgleichsgesetzes nicht
beibehalten werden, und zwar auch dann nicht, wenn die Entscheidung über den
Versorgungsausgleich noch nach dem bis 31.08.2009 maßgeblichen Recht zu
treffen war.
Nach §§ 10 ff. VersAusglG ist künftig ein Hin- und Herausgleich für jedes einzelne
Anrecht der Beteiligten vorzunehmen, das heißt, das Prinzip des Einmalausgleichs,
auf dem die bisherige herrschende Meinung beruhte, besteht nicht mehr. Das
Amtsgericht weist zutreffend darauf hin, dass Entscheidungen, die nach dem
bisherigen Recht getroffen worden sind, gemäß § 51 Abs. 1 und 2 VersAusglG
einer Abänderung unterliegen können. Bei einer wesentlichen Änderung des
Ausgleichswertes für auch nur ein Anrecht ist dann im Wege einer Totalrevision
nach dem neuen Recht zu entscheiden. Das bedeutet, in jedem Fall eines
generellen Verzichts beider Parteien auf die Durchführung des
Versorgungsausgleichs handelt es sich nicht nur um einen einseitigen Verzicht
einer Partei, sondern im Hinblick auf die ansonsten jederzeit noch denkbare
Umstellung von Altentscheidungen auf das neue Recht immer um einen
wechselseitigen Verzicht zur Beseitigung einer Ungewissheit über ein
Rechtsverhältnis.
Nach allem ist der Auffassung des Amtsgerichts zu folgen, dass die
Einigungsgebühr entstanden und antragsgemäß festzusetzen ist.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.