Urteil des OLG Frankfurt vom 03.12.2010

OLG Frankfurt: handelsvertreter, allgemeine geschäftsbedingungen, provision, beendigung, versicherungsnehmer, rückzahlung, auszahlung, vorschuss, unternehmer, agb

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Gericht:
OLG Frankfurt 4.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 U 76/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 87a HGB, § 92 Abs 2 HGB, §
305 BGB, § 307 Abs 1 BGB
Zur Wirksamkeit einer Provisionsverzichtsklausel im
Handelsvertretervertrag
Anmerkung
Ein Rechtsmittel ist nicht bekannt geworden.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 12. März 2010 verkündete Urteil des
Landgerichts Frankfurt am Main, 20. Zivilkammer, (2-20 O 30/09) unter
Zurückweisung der Berufung im übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu
gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 7.035,34 € nebst Zinsen in Höhe von
fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Februar 2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 3 % und der
Beklagte 97 %. Von den Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen die
Klägerin 4 % und der Beklagte 96 %.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Rückzahlung von
Provisionsvorschüssen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den
Tatbestand des angefochtenen Urteils der Landgerichts Frankfurt am Main – 20.
Zivilkammer, Az. 2-20 O 30/09, vom 12. März 2010 (Bl. 336 ff. d.A.) mit folgenden
Ergänzungen Bezug genommen:
Der Beklagte schloss am 11./20. Juni 2002 mit der X-AG und der Fa. Y einen sog.
„Vertretungsvertrag“ (Bl. 17 bis 25 d.A.). Danach sollte der Beklagte ab dem 1. Juli
2002 als selbständiger Handelsvertreter für die vertragsschließende
Gesellschaften und andere zur Y-Gruppe gehörenden Gesellschaften
Versicherungsgeschäfte gegen Zahlung von Provisionen vermitteln.
Vertragsbestandteil waren u.a. die Allgemeinen Provisionsbestimmungen (Bl. 26
bis 29), die Besonderen Provisionsbestimmungen Leben (TR 2000, Bl. 30 bis 32
d.A.)) sowie die Besonderen Provisionsbestimmungen Leben (AVmG Produkte
sowie fondgebundene Rentenversicherung; Bl. 33 bis 36 d.A), auf deren Inhalt
Bezug genommen wird. In Ziff.10 der letztgenannten Beendigungen heißt es:
„Mit der Beendigung des Agenturvertrages erlischt jeder weitere Anspruch auf
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„Mit der Beendigung des Agenturvertrages erlischt jeder weitere Anspruch auf
Provision (Ziff.1.1 bis 1.4), auf Vorschuss (Ziff. 4.1) und jeder sonstige Anspruch im
Zusammenhang mit der Vermittlung von Verträgen im Rahmen des AVmG bzw.
der Vermittlung von Fondgebundenen Rentenversicherungen (FRV) der Y-
Lebensversicherungs-AG außerhalb des AVmG gegen die Gesellschaft. Es
entstehen auch keine weiteren Ansprüche dieser Art.
Sofern auf erlöschende oder nicht mehr entstehende Provisionsansprüche ein
Vorschuss geleistet wurde, ist dieser anteilig zurückzuzahlen. Der Umfang des
zurückzuzahlenden Vorschusses bestimmt sich in entsprechender Anwendung der
für den Fall der Einstellung der Beitragszahlung getroffenen Regelung in Ziff. 5.2.
Unberührt bleiben etwaige Rechte aus § 87 Abs.3 HGB…
Unberührt bleiben auch etwaige Rechte aus § 89 b HGB “
Der Beklagte vermittelte sodann ab dem 1. Juli 2002 auch Verträge im Rahmen
des AVmG und von fondgebundenen Rentenversicherungen an die Klägerin, die
diese nicht nur mit der Abschlussprovision aus dem Einlösebetrag sondern auch
mit den Abschlussfolgeprovisionen bis zum Ablauf der ersten 10
Versicherungsjahre unmittelbar bevorschusste, da der Beklagte dies zumindest
bis Mitte 2003 gemäß Ziff. 4.2 der Besonderen Provisionsbestimmungen so
bestimmte. Zum 31. Dezember 2005 endete die Tätigkeit des Beklagten; der
Vertretungsvertrag war durch die eigene Kündigung des Beklagten beendet
worden. Die Klägerin stellte, beginnend ab dem 24. Januar 2006 ihre
vermeintlichen Ansprüche auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen in ein
Kontokorrent ein (Bl. 37 bis 64 d.A.). Per 2. März 2006 ermittelte sie so ein Saldo in
Höhe von 5.403,79 € und forderte den Beklagten insoweit vergeblich zur Zahlung
auf (Bl. 55 d.A.). Über diese Summe hat sie am 13. März 2006 einen
Mahnbescheid erwirkt, der dem Beklagten am 15. März 2006 zugestellt worden ist.
Mit der am 30. Januar 2009 beim Landgericht eingegangenen Klagebegründung
hat sie die Klage auf einen Betrag von 7.258,22 € erweitert. Zur Grundlage ihres
Vortrages hat sie eine Einzelaufstellung über die einzelnen Provisionsstornos bis
zum Vertragsende, verursacht durch die Nichtzahlung von Erst- oder
Folgeprämien oder Eigenkündigung der Versicherungsnehmer (Ziff. 38 bis 43) bzw.
durch die Beendigung des Handelsvertretervertrages (Ziff. 1 bis 37), gemacht.
Ziff. 44 und 45 betreffen angeblich irrtümlich an den Beklagten erfolgte
Provisionszahlungen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der
Aufstellung Bezug genommen (Bl. 66 bis 68 d.A.).
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Provisionsverzichtsklausel Nr. 10 sei
wirksam.
Sie hat behauptet, die Provision in Höhe von 95,-- € für den Vertrag Nr. 10 sei dem
Beklagten am 23. November 2004 vergütet worden (Beweis: Zeugnis Z1, Anlage K
11, K 12). Der Vertrag Nr. 43 sei am 3. Januar 2005 mit 104,73 € provisioniert
worden (Beweis: Zeugnis Z1, Anlage K 25).
Sie habe die Verträge nachgearbeitet. Den Vertrag Nr. 42 habe der
Versicherungsnehmer am 1. November 2006 selbst gekündigt (Anlage K 7/9). Den
Versicherungsvertrag Nr. 43 sei gemäß der Anschreiben (Anlagen K 8/ 1 bis K
8/15) nachgearbeitet worden. Die Versicherungsverträge Nr. 44 und 45 seien von
einem anderen Vertreter vermittelt worden. Lediglich infolge eines Irrtums seien
Provisionen an den Beklagten vergütet worden (Anlage K 9/1 bis K 9/2).
Stornogefahrmitteilungen habe sie ihrer Ansicht nach nicht geschuldet.
Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, die in Ziff. 10 der Provisionsbedingungen
enthaltene Provisionsverzichtsklausel sei deswegen unwirksam, weil sie ihn
unangemessen benachteilige (§ 307 Abs.2 BGB). Er hat behauptet, für den
Vertrag Ziff. 10 und die Verträge Nr. 25 bis 37 seien als sog. „Null-Vertrag“
niemals Provisionen an ihn gezahlt worden. Ebenso wenig habe er für den Vertrag
Nr. 43 Provisionen erhalten.
Soweit wegen Vertragsstornierungen Rückzahlungsansprüche geltend gemacht
würden, sei nicht ersichtlich, was die Klägerin getan habe, um die Verträge im
Bestand zu halten; es sei ihm auch - unstreitig - keine Gelegenheit gegeben
worden, selbst tätig zu werden.
Durch Urteil vom 12. März 2010 hat das Landgericht Frankfurt am Main, 20.
Zivilkammer, Az. 2- 20 O 30/09, der Klage in Höhe von 1.810,55 € nebst Zinsen in
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Zivilkammer, Az. 2- 20 O 30/09, der Klage in Höhe von 1.810,55 € nebst Zinsen in
Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Februar 2009
stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Klägerin stünde kein
Anspruch auf Rückzahlung von Provisionen zu, die sie gemäß Ziff. 1 bis 37 ihrer
Aufstellung geltend mache. Die in Ziff. 10 der Provisionsbestimmungen enthaltene
Provisionsverzichtsklausel sei unwirksam, da sie den Handelsvertreter
unangemessen benachteilige. Die Regelung weiche nicht unerheblich von § 92
Abs. 4 HGB ab, der den Provisionsanspruch von der Zahlung der Prämie des
Versicherungsnehmers abhängig mache. Dieser Anspruch werde nicht von der
Beendigung des Vertrages beeinflusst. Durch die Klausel werde dieser Anspruch
abgeschnitten, was durch den auf 3 Jahre begrenzten Ausgleichsanspruch des § 89
b Abs. 5 S.2 HGB nur unzureichend kompensiert werde, da anderenfalls die
AVmG-Verträge fortlaufend über 10 Jahr provisioniert würden. Der Beklagte habe
angesichts der Tatsache, dass das AVmG bei der Beginn seiner Tätigkeit erst ein
halbes Jahr in Kraft war, auch keine Provisionen seines Vorgängers erhalten, auf
die dieser wiederum wirksam verzichtet hätte.
Einen Provisionsrückzahlungsanspruch hinsichtlich der Positionen Nr. 39 und 39
hat das Landgericht gemäß § 87 a Abs.2 HS 2 analog für begründet erachtet und
insoweit einen Betrag von 412,17 € ausgeurteilt. Ebenso hat das Landgericht die
Positionen Nr. 40 und 41 in Höhe von insgesamt 1.398,38 € für begründet
erachtet.
Abgewiesen hat das Landgericht Ansprüche der Klägerin im Hinblick auf die
Positionen Nr. 42 und 43, da die Klägerin die Verträge insoweit nicht selbst
ausreichend nachgearbeitet hätte; ein persönliches Gespräch mit den
Versicherungsnehmern sei nicht geführt worden. Hinsichtlich der Verträge 44 und
45 habe die Klägerin die Zahlung einer Provision an den Beklagten nicht
nachgewiesen.
Gegen das ihr am 24. März 2010 zugestellte Urteil (Bl. 248 d.A.) hat die Klägerin
am 1. April 2009 Berufung eingelegt (Bl. 249 d.A.) und diese mit einem am 20. Mai
2010 eingegangenen Schriftsatz begründet (Bl. 273 d.A.).
Die Klägerin rügt, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft einen Betrag von
5.447,67 € nicht zuerkannt habe.
Die Unwirksamkeit der Provisionsverzichtsklausel habe das Landgericht
rechtsfehlerhaft bejaht. § 92 Abs.4 HGB sei grundsätzlich dispositiv.
Provisionsverzichtsklauseln seien üblich und stünden nicht in Widerspruch zum
wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen (§§ 92 Abs.4, 89 b
Abs.3, Abs.5 HGB). Die Provisionsverzichtsklausel bewirke lediglich, dass der
Handelsvertreter nicht mehr in den Genuss der vorschüssigen
Provisionsleistungen komme; er erwerbe jedoch als Surrogat einen
Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB. Überdies könne der übernehmende
Versicherungsvertreter diese Provisionen nunmehr vereinnahmen. Die Klägerin
werde durch den Provisionsverzicht folglich nicht bereichert. Dass der
Ausgleichsanspruch nach § 89 b Abs.3 Nr. 1 HGB entfällt, wenn der
Handelsvertreter ohne besonderen Anlass selbst kündigt, stünde dem nicht
entgegen; dies sei eine vom Gesetzgeber gewollte Entscheidung.
Hinsichtlich der Verträge Nr. 42 und 43 seien ihre Nachbearbeitungsbemühungen
hinreichend gewesen. Der Zeit- und Kostenaufwand eines persönliches Gesprächs
sei bereits angesichts der niedrigen Provisionsrückforderungsansprüche bis 100,--
€ aus wirtschaftlichen Erwägungen unzumutbar.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts Frankfurt
am Main vom 12. März 2010 den Beklagten zu verurteilen, an sie 7.258,22 € nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem
Betrag von 5.403,79 € seit Rechtshängigkeit und aus einem weiteren Betrag von
1.854,43 € seit Zustellung der Anspruchsbegründung zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage zurückzuweisen.
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Der Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil. Er ist der Ansicht, spätestens
mit dem Wegfall des Ausgleichsanspruchs nach § 89 b Abs.3 Ziff. 1 HBG
benachteilige ihn die Verzichtsklausel unangemessen. Er behauptet, ab Mitte des
Jahres 2003 sei ihm eine Bestimmung nach Ziff. 4.2 der Besonderen
Provisionsbestimmungen Leben nicht möglich gewesen, da diese Verträge
elektronisch beim Kunden aufgenommen worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze vom 18. Mai 2010 und 16. August 2010 Bezug
genommen.
II.
Die Berufung ist nur teilweise zulässig.
Die Berufung ist insoweit zulässig, als die Klägerin das Urteil des Landgerichts vom
12. März 2010 in Höhe eines Betrages von 5.443,26 € angreift, denn insoweit hat
sie die Berufung nicht nur form- und fristgerecht eingelegt, sondern auch
begründet (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO).
Hinsichtlich einer Forderung von 2,38 € betreffend die Positionen Nr. 44 der
Forderungsaufstellung der Klägerin ist die Berufung hingegen bereits unzulässig,
denn insoweit fehlt es an der notwendigen inhaltlichen Begründung der Berufung
gemäß § 520 Abs.3 Ziff. 2 und 3 ZPO, durch die eine Zusammenfassung und
Beschränkung des Rechtsstoffes erreicht werden soll. Der Berufungsbegründung
vom 18. Mai 2010 kann nicht entnommen werden, warum die Entscheidung des
Landgerichts, die Klage insoweit abzuweisen, als unrichtig angegriffen wird.
Hinsichtlich der weiteren Forderung in Höhe von 2,03 € gemäß Position Nr. 45 gilt
das Vorgenannte entsprechend, vorausgesetzt diese Position ist überhaupt
Verfahrensgegenstand geworden. Bereits die Summe der von der Klägerin in ihrer
Forderungsaufstellung Nr. 1 bis 44 aufgelisteten Forderungen beläuft sich nämlich
auf 7.258,22 €, also die insgesamt von der Klägerin begehrte Forderung.
Die Berufung ist teilweise begründet und führt zur Abänderung des
erstinstanzlichen Urteils.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten über den vom Landgericht rechtskräftig
ausgeurteilten Betrag von 1810,55 € hinaus ein weiterer vertraglicher Anspruch
auf Rückzahlung bevorschusster Provisionen in Höhe von 5.224,79 € zu. Dieser
Betrag setzt sich aus einem Rückzahlungsanspruch in Höhe von 5.180,91 €
(Positionen Ziff. 1 bis 24 der Forderungsaufstellung), einem weiteren Betrag in
Höhe von 0,60 € (Ziff. 38 und 39 der Forderungsaufstellung) und einem weiteren
Betrag in Höhe von 43,28 € (Pos. 42 der Forderungsaufstellung) zusammen.
Rechtlich folgt der Rückzahlungsanspruch in Höhe von 5.180,91 € aus Ziff. 9.2.1,
Ziff. 7.3 des Vertretungsvertrages vom 11./20. Juni 2002 i.V.m. Ziff. 4.1, Ziff. 10
Abs.1, Abs.2 der Besonderen Provisionsbestimmungen Leben (AVmG-Produkte
sowie Fondsgebunde Rentenversicherung der Y-Lebensversicherungs-AG). Da der
Beklagte wirksam für den Fall der Vertragsbeendigung auf die Auszahlung von
Folgeprovisionen der von ihm vermittelten AVmG-Verträge und fondsgebundenen
Rentenversicherung verzichtet hat, sind nach dem 31. Dezember 2005 keine
Provisionsansprüche mehr entstanden; die ihm bereits ausgezahlten
Provisionsvorschüsse sind daher an die Klägerin anteilig zurückzuzahlen.
Der Rückzahlungsanspruch in Höhe von 0,60 und 43,28 € folgt aus Ziff. 7.3 des
Vertretungsvertrages vom 11./20. Juni 2002 i.V.m. Ziff. 7.1 der Allgemeinen
Provisionsbestimmungen i.V.m. §§ 92 Abs.2, 87 a Abs.2, Abs.3 HGB, da die
Nichtausführung der Verträge und die Nichtzahlung von Versicherungsprämien
nicht von der Klägerin zu vertreten sind.
Weitergehende Zahlungsansprüche hinsichtlich der Verträge Nr. 25 bis 37 in Höhe
von 159,41 € stehen der Klägerin indes nicht zu, da sie insoweit die Zahlung von
Provisionsvorschüssen an den Beklagten weder hinreichend dargetan noch unter
Beweis gestellt hat. Ein Anspruch auf Zahlung von 61,09 € (Vertrag Nr. 43) besteht
ebenfalls nicht, da die Nachbearbeitung des beendeten Versicherungsvertrages
seitens der Klägerin nicht ausreichend gewesen ist und die Klägerin überdies die
behauptete Provisionszahlung an den Beklagten weder hinreichend dargetan noch
unter Beweis gestellt hat.
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Entgegen der unter Berufung auf eine Mindermeinung in der Literatur vertretenen
Rechtsauffassung des Landgerichts hält die in Ziff. 10 Abs.1 der Besonderen
Provisionsbestimmungen Leben (AVmG-Produkte sowie Fondsgebunde
Rentenversicherung der Y-Lebensversicherungs-AG) enthaltene
Provisionsverzichtsklausel einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs.1 BGB stand.
Diese Klausel ist Bestandteil der für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte
Vertragsbedingungen, die die vertragsschließenden Gesellschaften der
Unternehmensgruppe der Y dem Beklagten und anderen für sie tätigen
Handelsvertretern einseitig bei Abschluss der sog. Vertretungsverträge stellen (§
305 Abs.1 BGB). Als Allgemeine Geschäftsbedingung unterliegt diese
Vertragsbedingung der Inhaltskontrolle nach den Vorschriften der §§ 305 ff. BGB,
wobei gemäß § 310 Abs.1 S.1 BGB für die Inhaltskontrolle aber allein auf die
Generalklausel des § 307 BGB abzustellen ist. Gegenüber Unternehmern (§ 14
BGB) ist der AGB-Schutz eingeschränkt. Da es sich bei dem Beklagten um einen
selbständigen Handelsvertreter (§ 84 HGB) und damit um eine bei Abschluss des
Rechtsgeschäftes in Ausübung ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit natürliche
Person handelt, gelten die Klauselverbote des §§ 308, 309 BGB nicht unmittelbar
(§ 310 Abs.1 S.1 BGB), sondern können nur über § 307 im Verkehr zwischen
Unternehmern zu beachten sein, wobei auf die geltenden Gewohnheiten und
Gebräuche angemessen Rücksicht zu nehmen ist (§ 310 Abs.1 S.2 BGB).
Eine unangemessene Benachteiligung der für die Gesellschaften der Y-Gruppe
tätigen Handelsvertreter ist jedoch nicht zu erkennen; eine derartige Abweichung
von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung liegt nicht vor (§ 307
Abs.2 BGB). Insoweit hat eine Kontrolle nach generell-abstrakten Kriterien
stattzufinden. Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den
typischerweise beteiligten Kunden/Vertragspartnern (so ausdrücklich Palandt-
Grüneberg BGB 69. Aufl. 2010 § 307 Rdnr. 4). Zeitlich ist auf die Verhältnisse im
Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen; eine nachträgliche Änderung der
tatsächlichen Umstände kann daher nicht zur Unwirksamkeit einer Klausel führen.
Ausgangspunkt der Prüfung ist daher zunächst die gesetzliche Regelung des §§ 92
Abs.1, Abs.2 Abs.4 i.V.m. § 87 Abs.1, § 87 a Abs.1 HGB. Danach hat der
Versicherungsvertreter einen Anspruch auf Provision, sobald der
Versicherungsnehmer die Prämie gezahlt hat, aus der sich die Provision nach dem
Vertragsverhältnis, also dem Handelsvertretervertrag, berechnet. Da es sich
vorliegend bei dem AVmG-Produkten sowie den fondsgebundenen
Rentenversicherungen um Versicherungen mit einer laufenden Beitragszahlung
handelt, ist damit die Provision aus dem Einlösebetrag und der Anspruch auf die
Abschlussfolgeprovisionen bis zum Ablauf der ersten 10 Versicherungsjahre
gemeint. Dies gilt unabhängig von der Beendigung des Handelsvertretervertrages,
worauf auch das Landgericht zutreffend abgestellt hat. Nach den gesetzlichen
Vorschriften führt die Vertragsbeendigung niemals zum Wegfall verdienter
Provisionsansprüche. Allerdings ist diese Regelung gerade nicht zwingend, was
bedeutet die Parteien können hiervon abweichende vertragliche Vereinbarungen
durch Individualvereinbarung oder Allgemeine Geschäftsbedingungen treffen, was
hier bereits zu Gunsten der Handelsvertreter durch die Vereinbarung eines
Anspruchs auf Vorschuss (Ziff.4.1) getan wurde. Von dieser Möglichkeit hat der
Beklagte auch Gebrauch gemacht, indem er einen Provisionsanspruch auch für die
Abschlussfolgeprämien gegenüber der Klägerin beansprucht hat. Dieses Wahlrecht
stand ihm auch vertraglich für die gesamte Dauer des Handelsvertretervertrages
und damit auch in den Jahren 2003 bis 2005 zu (Ziff.4.2). Es hätte unabhängig von
der elektronischen Erfassung der Verträge der Kunden durch schlichte Erklärung
gegenüber der Klägerin ausgeübt werden können.
Zweifel an der Wirksamkeit der Vereinbarung von Provisionsvorschüssen werden
auch von keiner Partei geäußert.
Umgekehrt sind aber auch Vereinbarungen zulässig, wonach der
Provisionszahlungsanspruch bei Beendigung des Handelsvertretervertrages
wegfällt, also auch schon (bedingt durch die Zahlung der Folgeprämien) verdiente
Provisionen (vgl. hierzu OLG Frankfurt DB 1986, 1174; OLG Frankfurt BB 1978, 728,
OLG Köln VersR 2001, 1377, Hopt Handelsvertreterrecht 4. Aufl. 2009 § 92 Rdnr. 9;
Küstner/Thume Handbuch des gesamten Außendienstrechts Band 2 8.Aufl. 2007,
Kapitel I Rdnr. 26, Fußnote 38 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Derartige
Klauseln sind vielfach üblich und zulässig. Die dadurch entstehenden
Provisionsverluste werden für den Handelsvertreter dann durch den infolge des
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Provisionsverluste werden für den Handelsvertreter dann durch den infolge des
wirksamen Verzichtes entstehenden Ausgleichsanspruch des § 89 Abs.5 HGB
ausgeglichen. Weiterhin profitiert der Versicherungsvertreter zu Beginn seiner
Tätigkeit von der Provisionsverzichtsklausel, da er seinerseits Provisionen aus dem
ihm übertragenen Bestand deshalb ziehen kann, weil sein Vorgänger, von dem er
den Bestand übernommen hat, seinerseits auf die Folgeprovision verzichtet hat.
Nicht der Klägerin oder die anderen Unternehmen der Y-Gruppe sind damit
Nutznießer der Regelung, sondern die Nachfolger des Handelsvertreters, die dann
auch aktuell die Bestandspflege und weitere Betreuung der Verträge übernehmen.
Dass letztere Vorteil beim Beklagten zu Beginn des Vertragsverhältnisses – wie
das Landgericht ausgeführt hat – individuell nicht eingetreten ist, ändert nichts
daran, dass dieser Vorteil bei der generell-abstrakten Betrachtung in die
Abwägung mit einzubeziehen ist.
Die vom Landgericht angeführten Mindermeinungen (Graf von Westphalen DB
2003, 2319 ff und ohne weitere Begründung Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn HGB 2.
Auf. 2008 § 92 Rdnr. 18) überzeugen hingegen bereits aus dogmatischen
Erwägungen nicht. Sie führen als Argument die nicht vorhandene Ersetzbarkeit des
Provisionszahlungsanspruchs durch den Ausgleichsanspruch an, indem sie bei
ihrer Prüfung nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abstellen, sondern auf
möglicherweise nachträglich eintretende Umstände. Solche haben aber bei der
Inhaltsprüfung einer AGB-Klausel außer Betracht zu bleiben.
Sowohl im Falle einer Eigenkündigung des Handelsvertreters als auch im Fall einer
schuldhaft verursachen Kündigung seinen Ausgleichsanspruch verliert der
Handelsvertreter gemäß § 89 b Abs.3 Ziff. 1 und 2 HGB seinen
Ausgleichsanspruch. Dies und die Begrenzung des Ausgleichsanspruchs des § 89
b Abs.5 auf höchstens drei Jahresprovisionen ist jedoch eine vom Gesetzgeber so
vorgegebene Rechtsfolge. Es besteht daher für den Senat kein Anlass von der
bisherigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts abzuweichen, zumal die sich
vorliegend auf AVmG Produkte beziehende Klausel sich inhaltlich nicht von den
branchenüblichen Provisionsverzichtsklauseln für andere Versicherungszweige
unterscheidet.
Die Klägerin kann daher Provisionsrückzahlung für die Verträge Nr. 1 bis 24 in
Höhe von 5180,91 € verlangen. Dass der Provisionsvorschuss für den Vertrag Nr.
10 in Höhe von 95,-- € als Teil einer Auszahlung von 2.058,51 € am 23. November
2004 auf das Konto des Beklagten bei der Z-Bank KtoNr. … gezahlt worden ist, hat
die Klägerin substantiiert dargetan und unter Beweis gestellt, ohne dass der
Beklagte dies weiter substantiiert bestritten hätte.
Provisionsrückzahlungen für die Verträge Nr. 25 und 37 in Höhe von 159,41 € kann
die Klägerin hingegen nicht verlangen. Trotz des ausreichenden einfachen
Bestreitens des Beklagten hat die Klägerin insoweit Zahlungen überhaupt nicht
dargetan. Lediglich für den Vertrag Nr. 30 hat sie eine Auszahlung von 9,79 €
behauptet, diese allerdings allein durch die Vorlage von Anlage K 13
(Provisionsausgabe) nicht schlüssig dargetan.
Bezogen auf die Verträge Nr. 38 und 39 steht der Klägerin noch ein weiterer
Auszahlungsbetrag von 0,60 € zu, da das Landgericht versehentlich
rechenfehlerhaft, statt der geforderten 412,77 € (403,65 € plus 9,12 €) nur 412,17
€ ausgeurteilt hat.
Entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts kann der Klägerin bezogen auf
den Vertrag Nr. 42 nicht der Vorwurf einer nicht ausreichenden Nacharbeitung
gemacht werden, wohl aber im Hinblick auf den Vertrag Nr. 43.
Grundsätzlich trifft den Unternehmer die Pflicht, bei Gefährdung eines Vertrages
die Nachbearbeitung des Vertrages selbst vorzunehmen oder zu veranlassen, er
muss sich bemühen, den Versicherungsnehmer zur Vertragsfortführung und
insbesondere zur Prämienzahlung zu veranlassen. Tut der Unternehmer dies nicht,
ist die Nichtausführung des Geschäfts von ihm zu vertreten mit der Folge, dass
der Provisionsanspruch bestehen bleibt (§ 87 a Abs.3 S.1 HGB). Hinsichtlich der
Umfang der Nachbesserung gilt, dass im Einzelfall zu entscheiden ist, was der
Unternehmer zu tun hat, was ihm einerseits möglich, andererseits aber auch
zumutbar ist, um den Versicherungsbestand im Interesse des
Versicherungsvertreters, aber auch im eigenen Interesse zu erhalten. Er hat dabei
die Wahl, ob er die Nachbearbeitung selbst vornehmen will und im Einzelnen
darzulegende Maßnahmen zur Stornoabwehr ergreift oder ob er sich darauf
beschränkt, dem Handelsvertreter durch Mitteilung der Stornogefahr die
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beschränkt, dem Handelsvertreter durch Mitteilung der Stornogefahr die
Gelegenheit zu geben, die Nachbearbeitung selbst vorzunehmen.
Der Vertrag Nr. 42 wurde vom Versicherungsnehmer A selbst ausweislich des
Schreibens vom 1. November 2006 (Anlage K 7/9) selbst gekündigt. Eine weitere
Nachbearbeitung durch die Klägerin war daher sinnlos. Es besteht daher ein
weiterer Zahlungsanspruch in Höhe von 43,28 €.
Beim Vertrag Nr. 43 sind die Ursachen für die Nichtzahlung der
Versicherungsprämien durch die Versicherungsnehmerin B indes nicht ersichtlich.
Die Versicherungsnehmerin hat ausweislich der Anlage K 8/1 bis 8/15 wiederholt
Beitragsrückstände aufkommen lassen, diese dann aber wieder ausgeglichen.
Insoweit ist nicht auszuschließen, dass eine persönliche (ggfls. telephonische)
Kontaktaufnahme auch hier zur Fortsetzung des Vertrages geführt hätte. Dies war
der Klägerin angesichts des Rückforderungsbetrages von über 100,-- € auch
wirtschaftlich zumutbar. Dass überhaupt insoweit Provision an den Beklagten
gezahlt worden ist, hat die Klägerin überdies nicht schlüssig dargetan, der eigenen
Aufstellung der Klägerin (Anlage K 25) kann dies nicht aussagekräftig entnommen
werden.
Die weiteren Einwendungen des Beklagten, über die bereits das Landgericht
entschieden hat, waren nicht Gegenstand der Berufung.
Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus § 291, 288 ZPO. Zu verzinsen ist diese
allerdings erst ab dem Zeitpunkt der Zustellung der Klagebegründung. Vorher war
ein Rückforderungsanspruch nicht fällig, da die Zusammensetzung der mit dem
Mahnbescheid geltend gemachten Forderung nicht ersichtlich ist; sich auch aus
den Kontokorrentaufstellungen der Klägerin nicht erschließt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs.1, 97 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollsteckbarkeit ist den §§ 708 Nr. 10, 711,
713 ZPO entnommen.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO
nicht vorlagen.
Streitwert: 5.447,67 €
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.