Urteil des OLG Frankfurt vom 15.01.2004

OLG Frankfurt: anspruch auf rechtliches gehör, beschwerdegrund, pflege, verkehrswert, form, beteiligter, verzicht, beurkundungsgebühr, anhörung, erbe

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Gericht:
OLG Frankfurt 20.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
20 W 31/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 12 FGG, § 27 Abs 1 S 2 FGG,
§ 154 Abs 1 KostO, § 156 Abs
1 S 2 KostO, § 547 Nr 5 ZPO
Notarkostenbeschwerde: Nichtbeteiligung der
Kostenschuldner am landgerichtlichen
Anweisungsbeschwerdeverfahren als absoluter
Beschwerdegrund
Leitsatz
1. Die Anhörung aller Beteiligter nach § 156 Abs. 1 Satz 2 KostO ist eine Mussvorschrift.
Im Fall der völligen Nichtbeteiligung der Kostenschuldner am landgerichtlichen
Anweisungsbeschwerdeverfahren liegt ein absoluter Beschwerdegrund vor im Sinn von
§ 547 Nr. 5 ZPO n.F., der auf weitere Beschwerde zur Aufhebung und Zurückverweisung
führt. Der absolute Beschwerdegrund ist von Amts wegen auch auf die
Rechtsbeschwerde eines Beteiligten zu berücksichtigen, dessen rechtliches Gehör nicht
verletzt wurde.
2. Eine im Beschwerdeverfahren berichtigte Kostenrechnung kann nur dann Grundlage
des Verfahren nach § 156 KostO sein, wenn die Kostenberechnung formell
ordnungsgemäß entsprechend § 154 KostO ist, also auch die Angabe des in Anspruch
genommenen Kostenschuldners enthält.
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und das Verfahren zur erneuten
Überprüfung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Diesem wird auch die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens der weiteren
Beschwerde übertragen.
Gründe
Der Beteiligte zu 2) beurkundete zu UR-Nr. .../01 (Bl. 32-34 d. A.) einen
Übergabevertrag, in dem die Großmutter der Beteiligten zu 1) an diese ein
Hausgrundstück mit einem Verkehrswert von 200.000,00 DM übertrug. Die
Beteiligte zu 1) räumte der Übergeberin ein Wohnungsrecht im Erdgeschoss sowie
ein Mitbenutzungsrecht ein und verpflichtete sich zur Aufwartung und Pflege der
Übergeberin. Zu letzterem verpflichtete sich auch die Mutter der Beteiligten zu 1)
und verzichtete auf die Geltendmachung von Ansprüchen, die mit der Übertragung
im Zusammenhang stehen könnten, mit der Folge des Ausschlusses von
Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüchen in Bezug auf den übergebenen
Grundbesitz. In einer Kostenrechnung vom ..03.2001 (Bl. 35 d. A.) legte der Notar
der Beurkundungsgebühr für den Übergabevertrag einen Geschäftswert von
237.000,00 DM zu Grunde, neben dem Verkehrswert des Grundstücks von
200.000,00 DM für die Verpflichtung zu Aufwartung und Pflege 12.000,00 DM und
für den Pflichtteilsverzicht 25.000,00 DM.
Diese Rechnung wurde von der Dienstaufsichtsbehörde des Notars beanstandet,
da wegen Gegenstandsgleichheit im Sinn von § 44 Abs. 1 KostO hinsichtlich des
Pflichtteilsverzichts und des Pflegeverpflichtung der Mutter der Beteiligten zu 1)
nur der Wert des Grundstücks als Geschäftswert für den Übergabevertrag
anzusetzen sei. Der Notar half der Beanstandung nur teilweise im Hinblick auf den
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anzusetzen sei. Der Notar half der Beanstandung nur teilweise im Hinblick auf den
Geschäftswertanteil ab, den er für die Übernahme der Pflege mit 12.000,00 DM
berücksichtigt hatte. Im übrigen beantragte er gemäß § 156 Abs. 5 KostO
gerichtliche Entscheidung. In seiner Stellungnahme zu dem Prüfbericht der
Dienstaufsichtsbehörde hatte der Notar geltend gemacht, es liege
Gegenstandsverschiedenheit im Sinn von § 44 Abs. 2 KostO vor, da sich die
Erklärungen der Vertragsbeteiligten auf verschiedene Rechtsverhältnisse bezögen.
Auch handele es sich nicht um den Regelfall eines Austauschverhältnisses, denn
der gegenständlich beschränkte Verzicht auf Pflichtteilsergän-zungsansprüche
werde in der Form eines Vertrages nach § 311 b Abs. 5 BGB zwischen Mutter und
Tochter geschlossen, also nicht zwischen Erben gleicher Ordnung. Nach Einholung
der Stellungnahme der Dienstaufsicht vom 23.10.2002/26.11.2002, für deren
Inhalt auf Blatt 36, 37, 43 d. A. Bezug genommen wird, hat die Kammer die
Kostenberechnung zu UR.-Nr. .../01 hinsichtlich des Geschäftswertes abgeändert
und ist der Auffassung der Dienstaufsichtsbehörde dahin gefolgt, dass es sich um
einen einheitlichen Austauschvertrag handele, weshalb die Gebühr des § 36 Abs. 2
KostO nur aus dem Verkehrswert des Grundstücks entstanden sei. Gegen diesen
ihm am 18.12.2002 zugestellten Beschluss richtet sich die am 15.01. 2003 bei
Gericht eingegangene weitere Beschwerde des Notars, mit der er die Verletzung
des § 44 KostO rügt. Er trägt vor, da es sich um gegenstandsverschiedene
Erklärungen handele, gelte § 44 Abs. 2 KostO. Im hier gegebenen Fall, dass der
weichende Erbe keine Gegenleistung erhält, liege zwar kein Austauschvertrag,
aber ein von der Übergabe getrennter Vertrag vor.
Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) ist gem. § 156 Abs. 2 Satz 2 KostO
kraft Zulassung in dem Beschluss des Landgerichts statthaft und auch form- und
fristgerecht eingelegt. Einer Anweisung der Dienstaufsicht zur Einlegung der
weiteren Beschwerde bedarf es nicht (Senat, Beschluss vom 22.10.2001-20 W
387/2001-; Korintenberg/Lappe/Bengel/ Reimann: KostO, 15. Aufl., § 156, Rdnr. 76;
Egon Schneider: Die Notarkosten-Beschwerde, § 29, Seite 118). Die erforderliche
eigene Beschwer des Notars ist auf Grund der Ermäßigung der
Kostenberechnungen gegeben.
Die weitere Beschwerde ist auch begründet und führt zur Aufhebung und
Zurückverweisung, da die angefochtene Entscheidung verfahrensfehlerhaft
ergangen ist und vermutet werden muss, dass sie auf diesen Verfahrensfehlern
beruht ( §§ 156 Abs.2 Satz 3, Abs. 4 Satz 4 KostO, 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, 547 Nr. 4
ZPO n. F. i.V.m. § 26 Nr. 10 EGZPO).
Nach § 156 Abs. 1 Satz 2 KostO, der kraft der Verweisung in §156 Abs. 6 Satz 1
KostO n.F. = Abs. 5 Satz 1 a.F. auch für die sogenannte Anweisungsbeschwerde
gilt, soll das Landgericht vor der Entscheidung die Beteiligten hören, wobei es sich,
wie allgemein anerkannt, um eine Mussvorschrift handelt. Zu den Beteiligten
gehören außer dem Notar und dem beschwerdeführenden Kostenschuldner auch
alle sonstigen Kostenschuldner nach §§ 2 und 3 KostO oder den Vorschriften
bürgerlichen Rechts (Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann: KostO, 15. Aufl., § 156,
Rdnr. 51, 52 und § 14 Rdnr. 101; Rohs/Wedewer: KostO, Stand April 2003, § 156
Rdnr. 33, 35 b). Dabei spielt es wegen der Rechtskraftwirkung (vgl. Bengel aaO., §
156 Rdnr. 95, 96) keine Rolle, ob das Landgericht die Anweisungsbeschwerde für
begründet erachtet oder nicht (OLG Oldenburg JurBüro 1997, 376). Vorliegend hat
das Landgericht keinen der in Betracht kommenden Kostenschuldner am
Verfahren beteiligt, nur dem Notar rechtliches Gehör zu der dienstlichen
Stellungnahme der Dienstaufsicht vom 23.10./26.11.2002 gewährt und auch nur
ihm und der Dienstaufsichtsbehörde seine Entscheidung bekannt gemacht.
Die verfahrensfehlerhafte Verletzung rechtlichen Gehörs muss hier zur Aufhebung
und Zurückverweisung des Verfahrens führen, da bei völliger Versagung des
rechtlichen Gehörs in der Form, dass ein (hier als Kostenschuldner) materiell
Beteiligter überhaupt keine Kenntnis vom Verfahren erlangt hat, ausnahmsweise
unwiderlegbar vermutet wird, dass die Entscheidung auf diesem Verfahrensverstoß
beruht, weil der absolute Beschwerdegrund der mangelnden Vertretung
entsprechend § 547 Nr. 4 ZPO n.F. (= § 551 Nr. 5 ZPO a.F.) anzunehmen ist
(Senatsbeschlüsse vom 22.04. 2002 -20 W 134/2002- und vom 01.12.2003 -20 W
376/2003-; Keidel/Kunze/Winkler: FGG,15. Aufl., § 12, Rdnr. 174 und § 27, Rdnr. 38;
Jansen: FGG, 2. Aufl., § 27, Rdnr. 29). Verfahrensmängel wie die Verletzung
rechtlichen Gehörs sind vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu
überprüfen (Keidel/Kuntze/Winkler, aaO., § 27, Rdnr. 15), so dass es keiner
entsprechenden Rüge durch den Beteiligten zu 6) bedurfte, dessen Rechte auch
nicht betroffen sind. Für den hier vorliegenden Fall, dass Beteiligte überhaupt nicht
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nicht betroffen sind. Für den hier vorliegenden Fall, dass Beteiligte überhaupt nicht
zu dem Verfahren hinzugezogen worden und ihnen auch die Entscheidung nicht
bekannt gemacht worden ist, kann es für die Berücksichtigung des
Verfahrensfehlers auch nicht darauf ankommen, dass nicht die Kostenschuldnerin
die weitere Beschwerde eingelegt hat. Das Argument, der Anspruch auf rechtliches
Gehör sei dadurch verbraucht, dass auf die Geltendmachung durch Einlegung
eines Rechtsmittels verzichtete werde (so OLG Hamm Rpfleger 1973, 329; OLG
Celle NJW 1965, 921), kann bei fehlender Kenntnis von der Entscheidung nicht
greifen.
Die demnach gebotene Zurückverweisung gibt dem Landgericht Gelegenheit,
noch einen weiteren Verfahrensfehler zu heilen. So war es verfahrensfehlerhaft, die
von dem Notar mit seinem Schriftsatz vom 20.11.2002 eingereichte
Kostenberechnung (Bl. 41 d. A.) zur Grundlage seiner Entscheidung zu machen,
denn diese entspricht mangels Angabe des Kostenschuldners nicht § 154 Abs. 1
KostO (vgl. Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, aaO., § 154, Rdnr. 9). Zwar ist
dann, wenn der Notar während des Beschwerdeverfahrens seine
Kostenberechnung berichtigt, die neue Kostenberechnung Grundlage des
Verfahrens ( Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, aaO., § 156, Rdnr. 10 m. w. H.),
dies setzt jedoch die formelle Ordnungsmäßigkeit, somit auch die Vollständigkeit
der neuen Berechnung voraus.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.