Urteil des OLG Frankfurt vom 27.04.2005

OLG Frankfurt: strafzumessung, aufenthaltserlaubnis, quelle, vollstreckung, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, bewährung, verwaltungsrecht, einwirkung, beweiswürdigung

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Gericht:
OLG Frankfurt 2.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 Ss 78/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 46 Abs 2 StGB, § 47 Abs 1
StGB, § 95 Abs 2 Nr 2
AufenthG
Strafzumessung: Begründung einer kurzfristigen
Freiheitsstrafe wegen Falschangaben für
Aufenthaltsgenehmigung
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt - 14.
kleine Strafkammer - vom 16. November 2004 im Strafausspruch mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere kleine
Strafkammer des Landgerichts Darmstadt zurückverwiesen.
Gründe
I. Das Amtsgericht Darmstadt hat den Angeklagten durch Urteil vom 12. Mai 2004
wegen unrichtiger Angaben zur Beschaffung einer Aufenthaltsgenehmigung (§ 92
Abs. 2 Nr. 2 AuslG – jetzt: § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG) zu einer Freiheitsstrafe von
drei Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die
hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Darmstadt
durch Urteil vom 16. November 2004 verworfen. Dagegen wendet sich der
Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision.
II. Die Revision ist aus den Gründen der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft bei
dem Oberlandesgericht unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie
sich gegen den Schuldspruch richtet. Jedoch hat der Strafausspruch keinen
Bestand.
1. Das Landgericht hält die Verhängung einer kurzzeitigen Freiheitsstrafe sowohl
zur Einwirkung auf den bislang nicht vorbestrafen Angeklagten als auch zur
Verteidigung der Rechtsordnung für unerläßlich (§ 47 Abs. 1 StGB). Hierzu führt es
im Urteil aus, der Angeklagte habe auch in zweiter Instanz keinerlei Einsicht in die
Unrechtmäßigkeit seines Tuns erkennen lassen. Vielmehr habe er den Standpunkt
aufrecht erhalten, ohne weiteres alles tun zu können, um in den Vorteil einer
Aufenthaltsgenehmigung zu kommen, auch wenn er hierzu nicht bei der Wahrheit
bleiben müsse. Die Kammer ist weiter „der festen Überzeugung, dass der
Angeklagte aufgrund dieser Haltung ohne die Verhängung einer Freiheitsstrafe
ohne weiteres auch in Zukunft jede Gelegenheit nutzen wird, um lediglich solche
Angaben zu machen, die seinem Vorteil und der Erreichung des jeweiligen
Antragszieles dienen können.“
2. Damit sind die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB nicht ausreichend belegt.
Die Verhängung einer kurzzeitigen Freiheitsstrafe kommt nur ausnahmsweise in
Betracht, wenn sich dies aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den
Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweist (vgl. BGHR StGB § 47
Abs. 1 Umstände 6). Diesem Maßstab wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
Es ist nicht erkennbar, weshalb der vom Landgericht angenommenen
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Es ist nicht erkennbar, weshalb der vom Landgericht angenommenen
Wiederholungsgefahr und „Unbelehrbarkeit“ bei dem bislang unbestraften
Angeklagten nicht ausreichend mit der Verhängung einer Geldstrafe
entgegengewirkt werden kann. Dies gilt zumal, da das Landgericht im Rahmen der
Erörterung der Voraussetzungen des § 56 Abs.1 StGB dem Angeklagten eine
günstige Prognose stellt und die Erwartung äußert, daß er künftig keine Straftaten
mehr begehen wird (vgl. BGH aaO).
Hinzu kommt, daß der Angeklagte nach den Feststellungen unabhängig von
seinen falschen Angaben einen Anspruch auf die erteilte befristete
Aufenthaltserlaubnis hatte. Diesen wesentlich strafmildernden Gesichtspunkt hat
die Strafkammer im Rahmen der Strafzumessung nicht erkennbar berücksichtigt.
Zudem läßt der Vorwurf mangelnder Unrechtseinsicht besorgen, daß das
Landgericht dem Angeklagten sein Verteidigungsverhalten strafschärfend
angelastet hat (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 24). Das ist hier vor
dem Hintergrund der Einlassung des Angeklagten, die die Strafkammer aufgrund
tragfähiger Beweiswürdigung für widerlegt hält, bedenklich. Denn der Angeklagte
hatte behauptet, das Formular zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis habe ohne
seine Beteiligung die Zeugin Z1 -seine Schwester- ausgefüllt, weil er weder
Deutsch noch Türkisch lesen oder schreiben könne. Er selbst habe nicht einmal auf
das Formular gesehen und dann von sich aus bei Einreichung des Antrags die
Angaben teilweise korrigiert (UA S. 4-5).
Schließlich ist die Verhängung der kurzzeitigen Freiheitstrafe zur Verteidigung der
Rechtsordnung mit dem allgemeinen Hinweis auf eine etwaige
Nachahmungsgefahr nicht tragfähig begründet.
Nach alledem war das Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.