Urteil des OLG Frankfurt vom 14.02.2007

OLG Frankfurt: warschauer abkommen, absicht, verspätung, verordnung, abgrenzung, versicherungsrecht, begriff, transport, nichtbeförderung, dokumentation

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Gericht:
OLG Frankfurt 16.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
16 U 216/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 5 Abs 1 Buchst c EGV
261/2004, Art 7 EGV 261/2004
(Ausgleichsleistungsanspruch eines Fluggastes:
Abgrenzung zwischen Flugannulierung und Flugverspätung
bei einem Code-Share-Flug)
Leitsatz
Zur Frage, ab unter welchen Voraussetzungen von einer Flugannullierung und nicht
mehr von einer Verspätung auszugehen ist
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main
vom 12. Oktober 2006 (30 C 1726/06 - 75) wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Gründe
Die Berufung der Beklagten war gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 und 3 ZPO aus den
Gründen des Hinweisbeschlusses vom 15. Januar 2007 zurückzuweisen.
Das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 2. Februar 2007 rechtfertigt
keine andere Entscheidung.
Die im Warschauer Abkommen enthaltenen Definitionen über den Luftfrachtführer
sind für den vorliegenden Fall nicht einschlägig, da die hier maßgebende
Verordnung (EG) 261/2004 nicht den Begriff des „Luftfrachtführers“ oder
„ausführenden Luftfrachtführers“ verwendet, sondern den Begriff des
„ausführenden Luftfahrtunternehmens“, welcher in Art. 2b der Verordnung
ausdrücklich definiert ist.
Nach dieser Definition liegt ein „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ vor, wenn
ein vertragliches Luftfahrtunternehmen einen Flug durchführt oder durchzuführen
beabsichtigt. Dass die Beklagte ein vertragliches Luftfahrtunternehmen ist, ist
zwischen den Parteien nicht im Streit. Da bei einer Annullierung des Flugs der
vereinbarte Flug gerade nicht durchgeführt wird, kommt es auf die
Durchführungsabsicht an. Insoweit wird in der Regel davon ausgegangen, dass das
vertragliche Luftfahrtunternehmen den Flug auch selbst ausführt, denn hierzu hat
es sich selbst verpflichtet.
Ein Fluggast, der mit einem bestimmten Luftfahrtunternehmen einen Vertrag
schließt, muss sich in der Regel nicht die Beförderung durch einen anderes
Luftfahrtunternehmen gefallen lassen (zur ähnlichen Problematik Schmid in
Giemulla/Schmid Warschauer Abkommen Art. 19, Rndz. 45).
Beim Code-Share-Flug kann es sein, dass diese Absicht nicht gegeben ist, wenn
zum Beispiel die streitgegenständliche Strecke von einem Partnerunternehmen
bedient werden soll. In diesem Fall muss aber dem Passagier klar sein, dass er
einen Code-Share-Flug gebucht hat und beabsichtigt ist, eine bestimmte Strecke
durch einen anderen Carrier bedienen zu lassen. Falls ihm dies nicht klar ist, weiß
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durch einen anderen Carrier bedienen zu lassen. Falls ihm dies nicht klar ist, weiß
er bei Annullierung des Fluges auch nicht. wen er in Anspruch nehmen soll. Der
vertragliche Luftfahrtunternehmer kann deshalb im Prozess sich der Haftung nicht
dadurch entziehen, dass er den Einwand erhebt, er habe eigentlich gar nicht die
Absicht gehabt, den Transport selbst durchzuführen.
Wie bereits im Senatsbeschluss vom 15. Januar 2007 dargelegt, konnten der
Kläger und seine Ehefrau nicht erkennen, dass es sich um einen Code-Share-Flug
handelte und dass der Rückflug von O1 nach O2 am 10. September 2005 durch B
abgewickelt werden sollte.
Letzteres hat der Kläger auch bestritten und die Beklagte hat keinen Beweis dafür
angetreten, dass es sich bei dem Flug vom 10. September 2005 von O1 nach O2
um einen Code-Share-Flug gehandelt hat, diese Strecke an diesem Tag von B
bedient werden sollte und der Kläger und seine Frau bei der Buchung die fehlende
Absicht, den Flug selbst durchzuführen, erkennen konnten.
Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger sehr wohl bestritten, dass
der Flug vom 10. September 2005 am 11. September 2005 nachgeholt wurde.
Einen Beweis dafür, dass am 11. September 2005 zwei Flüge mit der Flugnummer
… stattgefunden haben, hat die Beklagte nicht angeboten.
Auf die Frage, ob eine Verspätung von etwa 22 Stunden eine Annullierung des
Fluges darstellt, kommt es somit nicht an.
Entgegen der Auffassung der Beklagten verstößt Art. 5 Abs. 1c i. V. m. Art. 7 VO
(EG) Nr. 261 /2004 nicht gegen Art. 29 MÜ, da das MÜ weder die Annullierung
eines Fluges noch die Nichtbeförderung regelt.
Damit bestehen keine Überschneidungen (Staudinger/Schmidt-Bendun
Versicherungsrecht 2004,972). Annullierungen und Nichtbeförderungen stellen
keine Fälle der Verspätung dar (BGH NJW 1979,495; Staudinger/Schmidt-Bendun
a.a.O. mit weiteren Nachweisen).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 522 Abs. 3 ZPO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.