Urteil des OLG Frankfurt vom 25.02.1997

OLG Frankfurt: grad des verschuldens, wider besseres wissen, vertragsstrafe, aufwand, gemeinschaftspraxis, gefahr, auflösung, druck, abrede, patient

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Gericht:
OLG Frankfurt 8.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 U 192/96
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 343 Abs 2 BGB
Orientierungssatz
Zur Zulässigkeit von Konkurrenzschutzklauseln in Praxisübernahmeverträgen
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Gießen vom
11.09.1996 wird zurückgewiesen.
Dem Beklagten fallen die Kosten der Berufung zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer des Beklagten beträgt 55.000,-- DM.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Beklagten bleibt in der Sache selbst ohne Erfolg.
Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, daß der Beklagte gegen das im
Praxisübernahmevertrag vereinbarte Wettbewerbsverbot verstoßen hat und
dadurch die zum Schutze des Wettbewerbsverbots verabredete Vertragsstrafe in
vollem Umfang verwirkt wurde.
Der Senat wertet die Zahlungsverpflichtung verbunden mit dem
Wettbewerbsverbot als unselbständiges Strafversprechen im Sinne des § 339 BGB.
Nachdem der Beklagte trotz eindeutiger Sachlage und ganz offensichtlich wider
besseres Wissen einen Verstoß gegen das vereinbarte Wettbewerbsverbot im
ersten Rechtszug zunächst in Abrede gestellt hatte, ist diese Frage im zweiten
Rechtszug zwischen den Parteien nicht mehr im Streit.
Es geht dem Beklagten lediglich um die Wirksamkeit der Vereinbarung des
Wettbewerbsverbot und die Höhe der verwirkten Vertragsstrafe.
Der Senat schließt sich den Ausführungen des Landgerichts hinsichtlich der
Wirksamkeit der Vereinbarung an und verzichtet insoweit gemäß § Abs. 1 ZPO
auf eine erneute Darstellung der Rechtslage.
Der Beklagte kann nicht mit seiner Behauptung durchdringen, die vereinbarte
Strafe sei im Hinblick auf seinen Ausmaß unverhältnismäßig hoch und daher
gemäß § 343 Abs. 2 BGB durch das Gericht herabzusetzen.
Bei der Beurteilung, ob die Höhe einer Strafe als angemessen einzuordnen ist,
sind vornehmlich Schwere und Ausmaß der Zuwiderhandlung sowie der Grad des
Verschuldens des Verletzers die maßgeblichen Gesichtspunkte (BGH NJW 94, 45).
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Verschuldens des Verletzers die maßgeblichen Gesichtspunkte (BGH NJW 94, 45).
Darüber hinaus spielt es eine Rolle, ob die Höhe der Vertragsstrafe auch als Druck-
und Sicherungsmittel geeignet ist, den Verpflichteten von einer Verletzung
abzuhalten (BGH NJW 83, 942).
Daß vorliegend die Parteien einem etwaigen Verstoß große Bedeutung
beigemessen haben, zeigt bereits die vereinbarte Höhe selbst. Sie entspricht der
Hälfte des Übernahmepreises. Es wird deutlich, daß der Kläger, der nicht
unerhebliche Investitionen im Zusammenhang mit der Übernahme der Praxis
getätigt hat, der auf der Hand liegenden Gefahr begegnen wollte, daß der mit der
Zahlung des Entgelts beabsichtigte Zweck, am guten Ruf des Beklagten durch die
Fortführung der Praxis zu partizipieren, weitgehend verfehlt würde. Es ist nämlich
selbstverständlich, daß jede weitere ärztliche Tätigkeit des Beklagten in naher
Umgebung auch zu Lasten des Klägers gehen muß, weil erfahrungsgemäß
Patienten in nur geringerem Umfang bei der Wahl ihres Arztes sich am
Niederlassungsort orientieren, sondern weit mehr Gewicht der Persönlichkeit des
Arztes beimessen. Angesichts dieses Umstandes dürfte es für den Beklagten auch
nicht sonderlich schwierig sein, auch nach einer Pause in der ärztlichen Tätigkeit
von 2 Jahren weite Teile seines alten Patientenstammes wieder für sich zu
gewinnen, zumal in der mündlichen Verhandlung auch deutlich wurde, daß der
Beklagte sich noch nicht in einem Alter befindet, bei welchem der Patient davon
ausgehen muß, daß ein baldiges Ende der ärztlichen Tätigkeit bevorsteht.
Angesichts der hohen Bedeutung für den Kläger, daß sich der Beklagte an die
getroffene Abrede hält, erscheint auch eine hohe Bestrafung der Sachlage
entsprechend.
Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang geltend macht, er habe nur für
eine sehr kurze Zeit gegen das vereinbarte Verbot verstoßen, entlastet ihn dies
nicht; die kurze Zeit der Dauer läßt auch die Verletzungshandlung selbst nicht in
einem wesentlich milderen Licht erscheinen.
Bereits der vom Beklagten betriebene Aufwand, der auch durch das Praxisschild
und die Anzeige deutlich wird, lassen bei einem Patienten schwerlich den Eindruck
aufkommen, es gehe nur hier um eine vorübergehende Berufstätigkeit des
Beklagten.
Ob die laut Auskunft der Landesärztekammer vom 10.07.1996 zum 31.03.1996
erfolgte Auflösung der Gemeinschaftspraxis auf Druck des Klägers erfolgt ist, kann
dahinstehen, denn auch bei einer nur vorübergehenden Tätigkeit besteht die
Gefahr der Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Existenz des Klägers, denn
selbstverständlich muß damit gerechnet werden, daß Patienten, die wegen des
Beklagten die kurzfristig betriebene Gemeinschafspraxis aufgesucht haben, auch
nach Auflösung der Gemeinschaftspraxis weiterhin beim Partner des Beklagten zur
ärztlichen Betreuung bleiben.
Besondere Bedeutung gewinnt aber der Umstand, daß sich der Beklagte
vorsätzlich über das Wettbewerbsverbot hinweg gesetzt hat, obwohl es gewiß auch
andere Wege gegeben hätte, seine Interessen zu wahren. Es kann dem Beklagten
schlechterdings nicht verborgen geblieben sein, daß er sich mit seinem Verhalten
gegenüber dem Kläger ins Unrecht gesetzt hat. Die Verabredung einer
Gemeinschaftspraxis setzt nicht nur Absprachen mit dem ärztlichen Partner und
organisatorischen Aufwand voraus, sondern sie erfordert darüber hinaus auch ein
Tätigwerden gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung und der Ärztekammer.
Die Argumentation des Beklagten, es sei ihm nur darum gegangen, daß seine
ruhende Zulassung als Kassenarzt nicht zum Erlöschen kommt, läßt sich nicht
ohne weiteres mit dem betriebenen Aufwand in Einklang bringen. Wie bereits in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert, wäre bei einer solchen
rechtlichen Situation, daran zu denken gewesen, daß der Beklagte sich
entsprechend den im Übernahmevertrag getroffenen Absprachen (vgl. S. 12) mit
dem Kläger ins Benehmen setzt. Dann wäre auch dieser gehalten gewesen, an
einer das Interesse beider Parteien wahrenden Lösung mitzuwirken. So aber hat
sich der Beklagte über die Interessen des Klägers hinweggesetzt und nur an seine
eigenen Interessen gedacht und darüber hinaus auch noch einem Dritten zu
Lasten des Klägers einen Vorteil verschafft. Diese Sorglosigkeit und
Unbekümmertheit hinsichtlich der Einhaltung übernommener vertraglicher
Verpflichtungen führt dazu, den Verstoß als schwerwiegend anzusehen.
Auch die wirtschaftliche Situation des Beklagten gibt keinen Anlaß, seinem
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Auch die wirtschaftliche Situation des Beklagten gibt keinen Anlaß, seinem
Ansinnen auf Herabsetzung der Vertragsstrafe näher zu treten.
Es verbleibt daher bei der Entscheidung des Landgerichts.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10,
713 ZPO.
Die Beschwer ist gemäß § 546Abs. 2 ZPO festgesetzt.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.