Urteil des OLG Frankfurt vom 30.01.2009

OLG Frankfurt: entstehung, zivilprozessrecht, immaterialgüterrecht, verwaltungsrecht, versicherungsrecht, quelle, gerichtsgebühr, rechtsgrundlage, vergütung, umweltrecht

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Gericht:
OLG Frankfurt 18.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
18 W 361/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Teil 3 Vorbem 3 Abs 4 RVG-
VV, Nr 2300 RVG-VV, Nr 3100
RVG-VV, § 104 ZPO, §§ 104ff
ZPO
Keine Geschäftsgebühr bei Honorarvereinbarung
Orientierungssatz
Das in einer Vergütungsvereinbarung vereinbarte Honorar ist keine Geschäftsgebühr.
Eine später entstehende Verfahrensgebühr wird daher nicht gemäß Teil 3
Vorbemerkung 3 Abs. 4 gemindert.
Tenor
In der Beschwerdesache … wird die sofortige Beschwerde der Klägerin vom
07.12.2007 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Frankfurt
am Main vom 28.11.2007 zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf € 880,10 festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Beklagten für diese auf Grund einer
Vergütungsvereinbarung, der zufolge er nach Stundenaufwand abrechnet,
vorgerichtlich tätig geworden war, haben die Parteien vor dem Landgericht
Frankfurt am Main einen Rechtsstreit geführt, in welchem das Landgericht mit
Urteil vom 12.11.2007 (Bl. 138 bis 143 d. A.) die Klage abwies und der Klägerin
auferlegte, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Mit Beschluss vom 12.11.2007
(Bl. 144 d. A.) bestimmte das Landgericht den Streitwert für das Verfahren auf €
100.000,-. Die von der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts eingelegte
Berufung wies das Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Urteil vom 25.09.2008
(Bl. 208 bis 213 d. A.) zurück.
Auf Antrag der Beklagten vom 15.11.2007, der am 19.11.2007 bei Gericht
eingegangen ist (Bl. 148, 149 d. A.), hat das Landgericht mit Beschluss vom
28.11.2007 (Bl. 152 d. A.) zu Gunsten der Beklagten Kosten in Höhe von € 3.405,-
nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
19.11.2007 gegen die Klägerin festgesetzt. Dieser Beschluss ist dem
Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin am 30.11.2007 zugegangen (Bl. 154 d.
A.). Mit am 11.12.2007 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 07.12.2007
(Bl. 155 d. A.) hat die Klägerin sofortige Beschwerde gegen den
Kostenfestsetzungsbeschluss eingelegt und ihr Rechtsmittel gegen die
Festsetzung einer 1,3 Verfahrensgebühr in Höhe von € 1.760,20 gerichtet. Die
Klägerin, die die Beschwerde mit Schriftsätzen vom 11.02.2008 (Bl. 221 d. A.) und
vom 05.12.2008 (Bl. 237 d. A.) weiter begründet hat, ist der Auffassung, die
Verfahrensgebühr sei um die Hälfte auf 0,65 zu kürzen, weil vorgerichtlich eine
Geschäftsgebühr angefallen sei. Es könne nicht maßgeblich sein, ob die
vorprozessuale Tätigkeit des Rechtsanwalts nach VV RVG oder nach einer
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vorprozessuale Tätigkeit des Rechtsanwalts nach VV RVG oder nach einer
Vergütungsvereinbarung abgerechnet werde. Die Beklagte ist der Beschwerde mit
Schriftsätzen vom 27.12.2007 (Bl. 159 d. A.), vom 16.10.2008 (Bl. 229 d. A.) und
vom 29.12.2008 (Bl. 239 d. A.) entgegen getreten und der Ansicht, wegen der
Vergütungsvereinbarung sei eine Geschäftsgebühr nicht angefallen. Das
Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Bl. 102 d. A.)
II.
Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO statthafte sofortige
Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist die in § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO normierte
Frist zu ihrer Einlegung gewahrt.
Die Beschwerde hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht eine 1,3 Verfahrensgebühr aus einem Streitwert von
€ 100.000,- in Höhe von € 1.760,20 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 19.11.2008 gegen die Klägerin festgesetzt.
Diese Verfahrensgebühr ist gemäß Nr. 3100 VV RVG zu einem Satz von 1,3
angefallen. Sie ist nicht gemäß Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG um die
Hälfte vermindert. Dies wäre nur der Fall, wenn wegen des
verfahrensgegenständlich gewesenen Streites eine Geschäftsgebühr nach den
Nummern 2300 bis 2303 entstanden wäre. Eine solche Gebühr ist vorliegend
jedoch nicht zur Entstehung gelangt. Denn die Vergütung, die der
Prozessbevollmächtigte der Klägerin für seine vorgerichtliche Tätigkeit
beanspruchen kann, findet ihre Rechtsgrundlage in der Vergütungsvereinbarung,
die er mit der Klägerin getroffen hat, und nicht in den Vorschriften des VV RVG.
Das in einer Vergütungsvereinbarung vereinbarte Honorar ist keine
Geschäftsgebühr (vgl. Gerold / Schmidt – Madert, 2300, 2301 VV RVG, Rdnr. 39 a.
E.).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen des
Bundesgerichtshofs in dessen Beschluss vom 22.02.2008, VIII ZB 57/07 (NJW 2008,
1323-1325 – zitiert nach juris), denen zufolge es für die in Vorbemerkung 3 Abs. 4
VV RVG vorgesehene Anrechnung ohne Bedeutung ist, ob die Geschäftsgebühr
auf materiellrechtlicher Grundlage zu erstatten und ob sie unstreitig, geltend
gemacht, tituliert oder sogar beglichen ist. Daraus kann nicht geschlossen werden,
dass auch im Falle einer Gebührenvereinbarung, auf Grund deren die gesetzliche
Gebührenregelung im Verhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt nicht
anwendbar ist, eine Anrechnung stattzufinden hat (so aber das Oberlandesgericht
Stuttgart, Beschluss vom 03.09.2008, 8 W 348/08, AGS 2008, 511-512 – zitiert
nach juris). Denn die damit angesprochenen Fälle betreffen sämtlich die
Durchsetzung der auf der schon entstandenen Geschäftsgebühr basierenden
Forderung und nicht die hier einzig maßgebliche Frage der Entstehung der
Geschäftsgebühr. So heißt es in der oben genannten Entscheidung des
Bundesgerichtshofs dann auch weiter:
(Rdnr. 10).
Wie schon dargelegt, ist die Geschäftsgebühr in einem Fall wie dem vorliegenden
gerade nicht entstanden. Die vom Oberlandgericht Stuttgart vertretene Auslegung
der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG führt zur Anrechnung einer fiktiven
Geschäftsgebühr.
Ob eine Partei, die mit ihrem Prozessbevollmächtigten eine
Vergütungsvereinbarung gerade zu dem Zweck abschließt, eine Anrechnung der
Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr zu vermeiden, rechtsmissbräuchlich
handelt, so dass die Verfahrensgebühr analog Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG zu
vermindern ist, kann dahinstehen. Es sind keine Anhaltspunkte für die Annahme
ersichtlich, dass vorliegend ein solcher Fall gegeben sein könnte.
Durch die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde fällt eine Gerichtsgebühr
gemäß Nr. 1812 VV GKG an. Diese hat die Klägerin ebenso wie die
außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, weil ihr
Rechtsmittel keinen Erfolg hat, § 97 Abs. 1 ZPO.
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Der Beschwerdewert ist nach dem Betrag der 0,65 Verfahrensgebühr aus einem
Streitwert von € 100.000,- zu bemessen, deren Absetzung die Klägerin mit ihrem
Rechtsmittel begehrt hat, § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil die Sache von grundsätzlicher
Bedeutung ist. Überdies erfordert die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung in Anbetracht der vorstehend zitierten Entscheidung des
Oberlandesgerichts Stuttgart eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, §
574 Abs. 2 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.